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Zehn Eisbrecher, die funktionieren
 
In diesem Kapitel
e9783527657599_triangle.jpg Praktische Hinweise für die Auswahl und Durchführung von Eisbrecher-Aktivitäten
e9783527657599_triangle.jpg Zehn klassische Eisbrecher, die funktionieren
e9783527657599_triangle.jpg Messkriterien für die Effektivität eines Eisbrechers
Der Raum ist hergerichtet. Die Teilnehmerunterlagen liegen an ihrem Platz. Der Projektor mit der PowerPoint-Präsentation ist scharfgestellt und die Teilnehmer sind da. Das Seminar wird gleich beginnen, die ersten Eindrücke werden den Weg für die folgenden gemeinsamen Stunden bereiten.
 
In Kapitel 18 erfahren Sie einiges über einen gelungenen Einstieg in eine Trainingssitzung. Dazu gehört, dass die Teilnehmer einander kennen lernen. Genau dies ist die Hauptfunktion eines Eisbrechers.
 
Ich bin überzeugt davon, dass Trainings insgesamt besser und erfolgreicher verlaufen, wenn man zum Einstieg einen Eisbrecher durchführt. Sie können sich dazu selbst eine Aktivität überlegen oder einen der klassischen Eisbrecher einsetzen. Auf alle Fälle sollten Sie dabei folgende Ratschläge beherzigen, die ich mühsam gelernt habe und für die ich einiges Lehrgeld zahlen musste.
e9783527657599_coche.jpg  Bitten Sie andere nie um Dinge, die Sie nicht selbst tun würden. Das ist die Kardinalregel Nummer eins. Ist es nicht eigentlich verwunderlich, dass Teilnehmer in der Regel den Anweisungen eines Trainers folgen und genau das tun, was er ihnen sagt? Die Teilnehmer gehen davon aus, dass der Trainer genau weiß, was er tut, und dass er sie nur um Dinge bittet, die dem Lernen förderlich sind. Wenn Sie auch nur einen Moment lang zögern, ob ein bestimmter Eisbrecher wirklich passt, sollten Sie darauf verzichten. Ihr Zögern ist ein Signal dafür, dass sich andere Teilnehmer damit vielleicht auch nicht wohlfühlen werden. Was habe ich daraus gelernt? Seminarteilnehmer vertrauen ihrem Trainer, wir sollten dieses Vertrauen nicht aufs Spiel setzen, sondern in ihrem besten Interesse handeln.
Ich war selbst einmal als Teilnehmerin in einem Seminar, bei dem der Trainer uns vorgeführt hat. Wir sollten auf Händen und Knien rutschend Tierlaute nachahmen und uns zu Gruppen zusammenfinden. Während ich wie ein Löwe brüllte, sah ich, wie der Trainer vor sich hinlachte! Ich fühlte mich reingelegt und mein Respekt vor dem Trainer war dahin. Überlegen Sie also genau, worum Sie die Teilnehmer bitten. Verletzen Sie nicht die Selbstachtung der Teilnehmer, bauen Sie Vertrauen auf und denken Sie daran, dass es um Lernfortschritt geht.
e9783527657599_coche.jpg  Wählen Sie den Eisbrecher je nach Teilnehmertyp aus. Die Teilnehmer selbst helfen Ihnen bei der Entscheidung, welchen Eisbrecher Sie wählen sollen. Führungskräfte reagieren anders als einfache Angestellte und Verkaufsangestellte reagieren anders als Techniker. Beantworten Sie sich selbst einige Fragen über die Art der Teilnehmer.
Auf welcher Hierarchieebene im Unternehmen befinden sich die Teilnehmer? Welche Berufe haben sie? Wie ist ihr kultureller Hintergrund? In welchem Alter sind sie? Welches Geschlecht? Welcher Bildungsgrad? Welche Erwartungen haben sie? Welche Trainingserfahrungen haben sie bereits? Ganz am Anfang meiner Laufbahn habe ich mir diese Fragen noch nicht gestellt und hatte den Auftrag, für eine Gruppe von Ingenieuren ein Kommunikationstraining durchzuführen. Ich passte das Seminarkonzept zwar auf sie an, doch als Eisbrecher führte ich dasselbe Trainingsmodul durch, das ich bereits für ein Verkäuferseminar entwickelt hatte. Das ging total schief. Die analytisch veranlagten Ingenieure waren das komplette Gegenteil der geselligen Vertriebsleute. Was habe ich daraus gelernt? Die Zielgruppe genau anschauen.
e9783527657599_coche.jpg  Setzen Sie den Eisbrecher in Beziehung zum Inhalt. Ich war immer schon der Ansicht, dass Eisbrecher auch als Einführung in das Seminarthema dienen sollten. Heute gibt es noch drängendere Argumente für diese Auffassung: der Faktor Zeit. In fast allen Unternehmen scheint die Devise zu gelten, mehr in weniger Zeit schaffen zu müssen. Die Teilnehmer sind ohnehin sehr beschäftigt, das ist dann der beste Anlass für die Unternehmen, die Trainer aufzufordern, die Sitzungen kürzer zu halten und zugleich noch mehr Themen hineinzupacken.
Jede Minute im Training zählt. Wenn Sie ein Seminar zu Diversity Management machen, wählen Sie einen Eisbrecher, der auf Unterschiede abzielt. Wenn Sie ein Teambildungsseminar machen, wählen Sie einen Eisbrecher, bei dem es um individuelle Teameigenschaften geht. Passt der Eisbrecher zum Seminarinhalt, ergeben sich die Übergänge wie von selbst. Wenn nicht, habe ich zunächst das Problem, einen Übergang konstruieren zu müssen. Was lerne ich daraus? Ich nutze jede Minute im Seminar für den Inhalt, und dieser beginnt bereits mit einem passenden Eisbrecher.
e9783527657599_coche.jpg  Verwenden Sie den Eisbrecher, um die richtige Atmosphäre zu schaffen und den Teilnehmern zu zeigen, wie viel Aktivität Sie von ihnen erwarten. Mit dem Eisbrecher können Sie den Teilnehmern signalisieren, mit wie viel aktiver Beteiligung das Seminar ablaufen soll. Wenn Sie interaktive Elemente betonen wollen, sollten die Teilnehmer beim Eisbrecher von ihren Stühlen aufstehen, sich im Raum bewegen und einander aktiv begegnen. Sie können es in der Tat als eine Art Herausforderung betrachten, dass der Einzelne durch den Eisbrecher so viele andere Teilnehmer wie möglich kennen lernt. Wenn Sie vor allem Teamarbeit durchführen wollen, sollte das auch den Eisbrecher kennzeichnen.
Bei einem Eisbrecher, an den ich mich noch gut erinnere, haben die Teilnehmer und ich einmal so viel gelacht, dass wir nur schwer zu dem eigentlich sehr ernsthaften Thema zurückfinden konnten. Was habe ich daraus gelernt? Ich wähle einen Eisbrecher, der den richtigen Ton trifft und für das kommende Seminar die Atmosphäre vorbereitet.
e9783527657599_coche.jpg  Beobachten Sie während des Eisbrechers die Gruppe, um etwas über die Gruppe als Ganzes und einzelne Teilnehmer zu erfahren. Ein Eisbrecher ist die perfekte Gelegenheit, etwas über die Ihnen noch unbekannte Gruppe zu erfahren. Jede Gruppe ist anders: Manche lieben den Spaß und gehen aus sich heraus, andere wiederum sind eher defensiv und vielleicht auch negativ. Schauen Sie auch nach einzelnen Teilnehmern. Wer übernimmt die Führung, wer will unbedingt dominieren und wer ist stark wettbewerbsorientiert?
Einmal war ich selbst so stark in das Geschehen involviert, dass ich meine Beobachterrolle nicht mehr wahrnehmen konnte. Später im Seminar hatte ich dann Schwierigkeiten mit dem Verhalten einiger Teilnehmer und habe mich natürlich gefragt, ob ich das nicht schon früher hätte merken und entsprechend reagieren können. Was habe ich daraus gelernt? Ich achte während des Eisbrechers darauf, was sich an persönlichen Verhaltensmerkmalen offenbart, sowohl einzelner Teilnehmer als auch der Gruppe insgesamt.
e9783527657599_coche.jpg  Behalten Sie die Uhr im Blick. Sie haben für den Eisbrecher sicherlich eine bestimmte Zeit veranschlagt. Doch wenn Sie sich für eine Aktivität entschieden haben, die den Teilnehmern einen gewissen Kick geben soll, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Ihnen die Zeit davonläuft.
Als Erstes sollten Sie, wenn Sie die Teilnehmer einzeln antworten lassen (wie bei einigen Aktivitäten vorgesehen), ein Zeitlimit setzen. Wenn ein Teilnehmer zu lange redet, müssen Sie ihn behutsam zum Ende drängen. Sie können sich leicht ausrechnen, dass bei einer zwanzigköpfigen Teilnehmergruppe schon 40 Minuten Verspätung entstehen, wenn jeder nur zwei Minuten länger redet als vorgesehen. Und dann haben Sie noch nicht einmal die ganze Einführung geschafft! Sobald eine Gruppe über 25 Teilnehmer hat, werden individuelle Erfahrungsberichte ohnehin ermüdend und langweilig, so dass Sie sich etwas anderes überlegen müssen. Sie könnten beispielweise die individuellen Erfahrungsberichte in Untergruppen verlegen oder kleine Gruppen sammeln die Berichte und tragen sie geschlossen vor.
 
Erst vor Kurzem hatte ich das Problem bei einem Zertifizierungsseminar für Trainer. Im letzten Teil des Eisbrechers sollten die Teilnehmer sich kurz vorstellen: Name, Wohnort, Berufsjahre und Lebensmotto. Der erste Teilnehmer erzählte fast sein halbes Leben und wollte gar nicht mehr aufhören. Ich habe ihn nicht unterbrochen (obwohl ich das hätte tun sollen). Statt einer Minute hat er mindestens fünf Minuten geredet. Leider haben daraufhin auch die anderen Teilnehmer mehr erzählt, als sie eigentlich sollten, weil sie dem ersten nicht nachstehen wollten. Das hat uns gleich zu Anfang eine Verspätung von einer Stunde beschert. Was habe ich daraus gelernt? Die Zeit rast von Anfang an nur so dahin. Passen Sie auf!
Denken Sie also daran: Der Erfolg eines Eisbrechers hängt von zwei Faktoren ab – von der richtigen Wahl und von der richtigen Atmosphäre, für beide sind Sie als Trainer verantwortlich. Sie müssen in der Lage sein, sofort eine angenehme Lernatmosphäre herzustellen, damit die Teilnehmer bereit sind, aus sich herauszugehen. Denn sobald Sie ankündigen, dass Sie etwas Zeit reserviert haben, um sich genauer kennen zu lernen, werden sicherlich einige die Augen verdrehen und genervt aufseufzen. Das sind die Teilnehmer, die am liebsten auf ihren Stühlen sitzen bleiben würden. Deshalb sollten Sie gleich den richtigen Ton treffen, um eine Umgebung zu schaffen, in der sich die Gruppe wohlfühlt: eine angenehme Stimme, ein freundliches Lächeln, Gesten des Willkommens, angemessener Blickkontakt und nicht zuletzt klare, deutliche Anweisungen, die allen Teilnehmern sagen, dass dies ein Seminar wird, in dem gespielt werden darf.
 
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihren Eisbrechern! Bringen Sie in Ihren Seminaren das Eis zum Schmelzen!
 
e9783527657599_i0171.jpgVermeiden Sie das Wort »Eisbrecher«, wenn Sie die Übung vorstellen. Es ist zwar, was es ist, doch erstens vermeiden Sie damit unnötigen Trainerjargon, den ohnehin nicht alle verstehen, und zweitens ist es professioneller, wenn Sie die Aktivitäten, Übungen, Aufgaben, was auch immer, wie selbstverständlich aneinanderreihen, statt sie mit bestimmten Etiketten zu versehen. Besser kündigen Sie die Aktivitäten mit Worten an wie: »Während des Seminars werden wir zusammenarbeiten und nach und nach das Wissen anzapfen, das hier im Raum bereits versammelt ist. Deshalb sollten wir herausfinden, wer die anderen sind und welche Erfahrungen sie mit sich bringen.«
Bingo
Stellen Sie eine Bingokarte her, doch statt eines Zahlen-/Buchstabenrasters (B 3, N 13) enthält jeder Quadrant eine Information. Die Informationen können spezifisch sein und sich auf einzelne Teilnehmer beziehen (»fährt einen roten Porsche« oder »spielt Saxofon in einer Bigband«), oder sie können eher allgemein sein und auf mehrere zutreffen (»fährt gerne schnell« oder »spielt ein Musikinstrument«). Abbildung 23.1 zeigt Ihnen ein Beispiel für eine Bingokarte.
 
Aufgabe der Teilnehmer ist es, sich im Raum zu bewegen und andere Teilnehmer zu suchen, die die Kriterien auf der Bingokarte erfüllen. Eine Spielvariante sieht vor, eine bestimmte Person zu finden, bei einer anderen Variante sollen verschiedene Personen die Informationsquadranten abzeichnen, die auf sie zutreffen. Auf diese spielerische Weise lernen sich die Teilnehmer kennen und für genügend Gesprächsstoff in der nächsten Pause ist gesorgt.
Sie können die Aussagen auch problemlos dem Seminarinhalt anpassen. Führen Sie ein Seminar zum Thema Stressmanagement durch, passen beispielsweise Aussagen wie »macht einen Yogakurs«, »geht mittags eine Runde spazieren«, »arbeitet mit Visualisierungen«.
Erwartungen
Wenn Bingo die Nummer eins unter den Eisbrechern ist, rangiert das Spiel »Erwartungen« sicherlich gleich dahinter. Ich habe es von Ed Scannell und John Newstrom, den Autoren einer in den USA sehr erfolgreichen Buchreihe über kreative Trainerspiele.
 
Bei »Erwartungen« legen die Teilnehmer genau fest, was sie wirklich lernen wollen, damit der Seminartag (der Workshop, die Weiterbildungsmaßnahme, die Woche) für sie wertvoll und nützlich wird. Nachdem Sie den Teilnehmern die Ziele des Trainings genannt haben, bilden Sie Kleingruppen von zwei bis vier Teilnehmern. Geben Sie den Gruppen fünf Minuten Zeit, zwei oder drei Erwartungen auf einem Blatt Papier zu notieren. Als Trainer wollen Sie die spontanen Äußerungen der Teilnehmer erfahren, deshalb sollten Sie für diesen Teil nur fünf Minuten veranschlagen. Sie sollten auch darauf vorbereitet sein, das Konzept vielleicht anpassen zu müssen. Vielleicht sind Sie auch überrascht, die meisten Erwartungen mit Ihrem Konzept erfüllen zu können.
Hoffnungen und Ängste
Mit dem Eisbrecher »Erwartungen« wollen Sie die unverstellten Wünsche der Teilnehmer erfassen. Wenn es um Hoffnungen und Ängste geht, richtet sich Ihre Aufmerksamkeit eher auf die Gefühle der Teilnehmer.
 
Teilen Sie den Teilnehmern ein Blatt aus, auf dem sie ihre Hoffnungen und Ängste bezüglich des Seminars aufschreiben können. Sagen Sie einleitend, dass jeder Mensch, der sich in einer neuen Situation befindet, zunächst bestimmte Hoffnungen darüber hegt, was das Neue bringen soll und was es möglichst nicht bringen soll. Diese Übung ist auch eine Gelegenheit herauszufinden, wie ähnlich die Teilnehmer einander sind. Die Zeit zum Ausfüllen des Blatts sollte höchstens drei oder vier Minuten betragen.
 
Anschließend sollen sich die Teilnehmer zu Paaren zusammenschließen und ihre Liste gemeinsam besprechen. Die Paare sollten sich vorher nicht oder kaum kennen. Machen Sie danach eine allgemeine Besprechungsrunde, wobei jedes Paar einen Punkt pro Spalte vortragen sollte. Vielleicht notieren Sie die Punkte auf dem Flipchart. Besprechen Sie die einzelnen Punkte und teilen Sie den Teilnehmern mit, welche Hoffnungen und Erwartungen Sie im Rahmen dieses Seminars vielleicht nicht erfüllen können. Nehmen Sie ihnen auch unbegründete Sorgen oder beschwichtigen Sie bei Ängsten, von denen Sie wissen, dass sie weniger begründet sind als zunächst angenommen. Wenn die Teilnehmer beispielsweise vor Übungen mit Videoaufnahmen Angst haben, erläutern Sie die Vorteile des Videofeedbacks und versichern Sie, dass niemand anderes die Aufnahmen sehen wird (wenn das auch stimmt).
 
Während der ersten Pause werden die Flipchartblätter an die Wand gehängt.
Einander vorstellen
Manchmal ist es einfacher, jemand anderen vorzustellen als sich selbst. Bei diesem Eisbrecher schließen sich die Teilnehmer zu Paaren zusammen und interviewen sich gegenseitig, um einander anschließend im Plenum vorzustellen. Sie können vielleicht vorab vorschlagen, welche Informationen Sie gern haben wollen, zum Beispiel: Name, Berufserfahrung, Schulzeit, Hoffnungen in Bezug auf das Seminar oder vielleicht auch eine Besonderheit, was die Person vermutlich von den anderen Teilnehmern unterscheidet.
 
Bereiten Sie Blätter vor, auf denen die Interviewer Notizen machen können. Die Interviews sollten fünf bis zehn Minuten dauern, dann sollten die Vorstellungen beginnen. Bei solchen Übungen frage ich in der Regel, wer freiwillig den Anfang macht. Manche Menschen haben in solchen Situationen gern ein Vorbild, an dem sie sich orientieren können.
In die Ecke gehen
Auch diesen Eisbrecher gibt es bereits seit Langem. Die gemeinsamen Interessen von Teilnehmern lassen sich damit gut herausfinden. Stellen Sie Flipcharts in die vier Ecken des Seminarraumes. Schreiben Sie auf das oberste Blatt jeweils ein Wort oder einen Satz. Es sollten Themen sein, die neugierig machen oder sich auf die Interessen der Teilnehmer beziehen, zum Beispiel Reisen, Bücher, Ausdauersport oder Feinschmeckerküche. Jeder Teilnehmer entscheidet sich für eine Ecke. Danach sollten die vier Gruppen jeweils über ihre Entscheidung miteinander diskutieren.
 
Dann wird die erste Flipchartseite umgeblättert und die zweite Runde wird eingeläutet. Auf dem zweiten Blatt steht etwas, was sich auf laufende Tagesereignisse bezieht. Wenn die Teilnehmer die Seiten angeschaut haben, können sie sich für ein neues Thema und eine neue Ecke entscheiden.
 
Dieses Vorgehen lässt sich noch weiter fortsetzen. In der Regel beziehen sich in meinen Seminaren das dritte und vierte Blatt auf die Seminarinhalte. Die dritte Runde legt den Schwerpunkt auf die Bedürfnisse der Teilnehmer und formuliert Sätze wie »Ich hoffe, wir lernen ...«, gefolgt von vier möglichen Lernwünschen. Machen Sie eine kurze Nachbesprechung, bei der je ein Sprecher für seine Eckgruppe die Gründe für die Entscheidungen zusammenfasst.
 
Die vierte Runde kann sich auch wieder auf den Inhalt beziehen: »Ich bin ziemlich gut in ...« oder »Ich fühle mich wohl bei ...«. Damit sehen alle Teilnehmer, welches Expertenwissen in der Gruppe versammelt ist.
 
Diese Übung können Sie auch gut als Muntermacher einsetzen, wenn das Seminar etwas ermüdet und ins Stocken gerät, zum Beispiel nachmittags in einem überhitzten Raum. Dann werden Sie selbstverständlich auf die Kennenlernblätter verzichten und inhaltlich relevante Punkte auswählen, die in vier Gruppen besprochen werden können.
Kleine, harmlose Lügen
In kleinen Dreiergruppen gibt jede Person drei Statements über sich selbst ab, doch einer davon ist gelogen. Meine Statements wären beispielsweise: Ich fahre gerne auf vereisten Straßen; ich arbeite gern im Garten; ich halte Schlaf für eine Zeitverschwendung und schlafe nur eine Nacht pro Woche richtig.
 
Lassen Sie den Teilnehmern etwas Zeit, sich die Statements zu überlegen, bevor Sie die Gruppenaufteilung vornehmen. Die beiden Gruppennachbarn sollen anschließend erraten, welche Aussage gelogen ist. Nach einigen Minuten stellt sich die Gruppe dem Plenum vor und berichtet, was bei ihnen geschehen ist.
 
Ich verwende diesen Eisbrecher in Workshops, bei denen es um unterschiedliche Kommunikationsstile geht. Der zugrunde liegende Gedanke dabei ist, dass man etwas über die Vorlieben von Menschen sagen kann, wenn man ihren Kommunikationsstil kennt.
Persönliches Wappen
Das Entwerfen eines eigenen Wappens ist ein echter Seminarklassiker. Obwohl die Übung bereits ein wenig in die Jahre gekommen ist, finde ich sie immer noch so wirkungsvoll wie beim ersten Mal. Sie ist ernsthafter als die meisten anderen Eisbrecher, weil die Teilnehmer genau darüber nachdenken, welches Wappen ihre Persönlichkeit repräsentieren soll. Die Teilnehmer können dazu kleine Bilder oder Symbole zeichnen oder auch Wörter in das Wappen einsetzen.
 
Teilen Sie dazu Blätter aus, auf denen ein Wappen mit vier Feldern vorgezeichnet ist. Jedes Feld ist für ein Symbol reserviert. Geben Sie dazu die Anregung, dass die vier Symbole dafür stehen können, wie man sich zu Hause, bei der Arbeit, in der Freizeit und in der Zukunft sieht oder was man dort jeweils gern tun würde. Auch die Rolle in der Gemeinschaft kann ein Aspekt sein. Sie können ganz konkret um die Bebilderung vier verschiedener Aspekte bitten oder bewusst allgemein bleiben: »Zeichnen Sie uns ein Wappen, das uns sagt, wer Sie sind.«
 
Bei dieser Aktivität ist es hilfreich, wenn Sie zunächst Ihr eigenes Wappen als Modell zeigen und es der Gruppe erklären. Mein Wappen sieht so aus wie das in Abbildung 23.2. Es soll den Teilnehmern erzählen, dass ich mich als einen positiven Menschen sehe, der gern schreibt. Ich lebe am Wasser und lerne gerade Tennis.
Abbildung 23.2: Beispiel für ein Wappen
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Für diesen Eisbrecher sind verschiedene Varianten denkbar: So können Sie beispielsweise die Wappenfelder auf den Seminarinhalt ausrichten oder alle Felder (und nicht nur eines) auf die Zukunft beziehen.
Autogramme sammeln
Die Autogramm-Übung ist eine der praktischsten Eisbrecher. Die Übung bietet den perfekten Übergang von der Einführung in die eigentliche inhaltliche Arbeit, weil Sie problemlos eine eigene, dem Seminarkonzept angepasste Liste zum Autogrammgeben herstellen können. Es geht für die Teilnehmer darum, auf dieser Liste so viele Autogramme wie möglich von den anderen Teilnehmern zu erhalten und damit einander kennen zu lernen. Michele Wyman, eine Trainerkollegin, war die Erste, die mich auf diese Übung aufmerksam gemacht hat.
 
Formulieren Sie eine Liste mit 15 bis 25 Fragen oder Aussagen. Diejenigen Teilnehmer, auf die die Aussage zutrifft, können die entsprechende Aussage abzeichnen beziehungsweise ein Autogramm geben, wenn ein anderer Teilnehmer sie dazu befragt. Die Liste sollte eine Mischung von persönlichen und inhaltsbezogenen Aussagen enthalten. Persönliche Aussagen wären beispielsweise: »War schon mal in China« oder »Habe schon auf der Bühne gestanden. « In einem Kommunikationstraining wären Aussagen wie »Man hält mich für einen guten Zuhörer« oder »Die Hälfte meiner Arbeitszeit bin ich mit Kommunikation beschäftigt« ein guter Übergang zum Thema.
 
Die Liste können Sie bereits nach einer kurzen Vorstellungsrunde (»Hallo, ich heiße ...«) austeilen. Bitten Sie die Teilnehmer, herumzugehen und die anderen zu befragen. Wenn Sie jemanden treffen, auf den eine Beschreibung zutrifft, zeichnet dieser den entsprechenden Punkt ab. Damit die Teilnehmer mit möglichst vielen anderen sprechen, können Sie es zur Bedingung machen, dass hinter jeder Aussage ein anderes Autogramm stehen soll.
Namensassoziation
Der unschätzbare Wert dieses Eisbrechers besteht darin, dass die Teilnehmer sich anschließend wirklich die Namen der anderen merken können. Wahrscheinlich ist diese Übung eine der ältesten überhaupt. Ich erinnere mich an vergleichbare Spiele, noch bevor der Begriff »Eisbrecher« überhaupt erfunden wurde! Zwei Varianten möchte ich Ihnen vorstellen.
 
Bei der ersten Variante stellen die Teilnehmer sich selbst vor und beziehen sich dabei auf eine Eigenschaft, zu der sie entweder einen Reimbegriff (»Johannes kann alles«) suchen oder zumindest einen Begriff, der mit denselben Anfangsbuchstaben beginnt (»der pünktliche Paul«, »die aufmerksame Annette«).
 
Bei der zweiten Variante bezieht sich die Assoziation auf ein erfundenes Ereignis, zum Beispiel eine gemeinsam zu feiernde Party. Die Teilnehmer stellen sich mit einem Reim vor, der auf das Ereignis passen sollte:
e9783527657599_coche.jpg  »Ich bin Sebastian und schlepp’ das Bier heran.«
e9783527657599_coche.jpg  »Mein Name ist Horst, ich bring’ nur Dorst!«
e9783527657599_coche.jpg  »Mein Name ist Anne, ich bring’ Kaffee in der Kanne.«
e9783527657599_coche.jpg  »Ich bin Amelie und komme spät oder nie.«
Denken Sie daran, dass die Namen sich nicht perfekt reimen müssen und die Sätze nicht einmal einen richtigen Sinn zu haben brauchen. Die Namensassoziation, so verrückt sie auch klingen mag, hilft den Teilnehmer einfach dabei, sich die Namen der anderen besser einzuprägen.
Eine Frage stellen
In manchen Situationen brauchen Sie vielleicht eine einfache und schnelle Aufwärmübung, weil sie nicht viel Zeit haben, die Teilnehmer sich aber trotzdem kennen lernen sollten. Wenn Ihr Kurs nur einen halben Tag dauert, darf der Eisbrecher nur einige Minuten in Anspruch nehmen. Und wenn Sie interaktive Übungen vorgesehen haben, können Sie durch einen schnellen Eisbrecher vorab tatsächlich Zeit sparen, weil die Teilnehmer sich dann schon etwas kennen.
 
Vielleicht unterrichten Sie aber auch Seminare, in denen die Teilnehmer sich beruflich bereits gut kennen oder sogar aus demselben Unternehmen kommen. Dann könnte es Ihr Ziel sein, die Teilnehmer einander auch persönlich näher oder auf denselben Wissensstand zu bringen. In dieser Situation entscheiden Sie sich vielleicht einfach dafür, Fragen zu stellen. Sie können die Fragen wiederum auf den Seminarinhalt beziehen oder, wenn es nur um das allgemeine Kennenlernen geht, allgemeine Fragen stellen. In meinen Seminaren haben sich die folgenden Fragen über all die Jahre gut bewährt:
e9783527657599_coche.jpg  Was machen Sie gern einfach nur zum Spaß?
e9783527657599_coche.jpg  Welches Tier wären Sie gern und warum?
e9783527657599_coche.jpg  Können Sie Ihren Traumurlaub beschreiben?
e9783527657599_coche.jpg  Was gefällt Ihnen am besten an dem Ort, wo Sie leben?
e9783527657599_coche.jpg  Was würden Sie tun, wenn Sie eine Million im Lotto gewinnen würden?
e9783527657599_coche.jpg  Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen und welches würden Sie uns empfehlen?
e9783527657599_coche.jpg  Sie geben ein Fest und könnten drei Personen Ihrer Wahl einladen, Verstorbene wie Lebende. Wen würden Sie einladen?
e9783527657599_coche.jpg  Bei welcher Person der Geschichte würden Sie gern in die Lehre gehen? Was wollen Sie von ihr lernen?
e9783527657599_coche.jpg  Wie verbringen Sie am liebsten Ihre Samstage?
e9783527657599_coche.jpg  Wenn Sie die Welt verändern könnten, was würden Sie tun?
e9783527657599_coche.jpg  Gab es einen Wendepunkt in Ihrem Leben?
e9783527657599_coche.jpg  Welche Gelegenheit haben Sie verpasst, und wie hätte sie Ihr Leben verändert?
e9783527657599_coche.jpg  Welcher literarischen Figur fühlen Sie sich am nächsten? Warum?
e9783527657599_coche.jpg  Wen bewundern Sie am meisten? Warum?
e9783527657599_coche.jpg  Was ist das Ungewöhnlichste, was Ihnen bisher passiert ist?
e9783527657599_coche.jpg  Wie feiern Sie Erfolge?
e9783527657599_coche.jpg  Was haben Sie in Ihrer Brieftasche oder Handtasche, was niemand darin suchen würde? Warum?
e9783527657599_coche.jpg  Wenn Sie ein T-Shirt mit einem Lebensmotto darauf tragen würden, welches Motto würden Sie sich aussuchen?
e9783527657599_coche.jpg  Welche interessante Tatsache über Sie gibt es, von denen die meisten Gruppenmitglieder noch nichts wissen?
e9783527657599_coche.jpg  Welches ist Ihr Lieblingsfilm? Warum?
Das ist nur eine kleine Sammlung möglicher Fragen. Die Aufzählung regt Sie vielleicht dazu an, sich eigene Fragen auszudenken. (Ich versuche, so weit es geht, auch diese Einstiegsfragen auf das Seminarthema zu beziehen.)
 
Jetzt haben Sie die Qual der Wahl. Sie entscheiden, welcher Eisbrecher für Ihr Seminar geeignet ist. Richten Sie die Entscheidung an der verfügbaren Zeit, der Zielgruppe, dem Seminarinhalt und den räumlichen Gegebenheiten aus. Überlegen Sie auch, was Sie erreichen wollen, und vor allem, womit Sie sich wohlfühlen.
 
Mit einem Eisbrecher können Sie viele Dinge zugleich erreichen. Es gibt eine Menge zu berücksichtigen, die folgenden Aspekte betrachte ich als das Minimum:
e9783527657599_coche.jpg  die Aufmerksamkeit der Teilnehmer erhalten
e9783527657599_coche.jpg  eine Lernatmosphäre herstellen, in der die Teilnehmer sich gern aktiv beteiligen
e9783527657599_coche.jpg  das Tempo für die kommenden Seminarstunden vorgeben
e9783527657599_coche.jpg  alle Teilnehmer, einschließlich des Trainers, sollen sich wohlfühlen
e9783527657599_coche.jpg  persönliche Interaktion zwischen den Teilnehmern befördern
e9783527657599_coche.jpg  über die Basisinformationen (Name und Arbeitsort) hinaus etwas über die einzelnen Teilnehmer erfahren
e9783527657599_coche.jpg  dafür sorgen, dass jeder mindestens einmal im Plenum etwas gesagt hat
e9783527657599_coche.jpg  die Gruppe und ihre Reaktionen beobachten
e9783527657599_coche.jpg  einzelne Persönlichkeiten in der Gruppe identifizieren
e9783527657599_coche.jpg  ausreichend Informationen mitteilen, so dass jeder etwas über den anderen erfährt
e9783527657599_coche.jpg  einen Ausgangspunkt für den Übergang zum eigentlichen Seminarinhalt schaffen
Vervollständigen Sie die Aufzählung nach Belieben, je nachdem, welche Ziele Sie erreichen wollen.