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Zehn
Tipps für einen guten Start
In diesem
Kapitel


Der erste Eindruck ist entscheidend. Fast jeder
hat bereits die Erfahrung gemacht, dass die ersten zehn Minuten
einer Begegnung zwischen zwei Menschen die Grundlage für die
weitere Beziehung legen.
Was bedeutet diese Erkenntnis für den
Einstieg in eine Trainingssitzung? Zuallererst: Das Seminar sollte
nicht einfach so beginnen, sondern mit einem bestimmten Ziel und
Zweck. Fünf Dinge sind dabei zu beachten:





Wie kann man als Trainer die
Aufmerksamkeit der Teilnehmer erringen und auch im Verlauf der
Sitzung wachhalten? Wie fängt man gut an? In zehn Abschnitten
erfahren Sie, wie Sie vom Start weg ein gutes Seminar leiten.
Schaffen
Sie ein lernfreundliches Klima
Wie wichtig es ist, ein lernfreundliches
Klima zu schaffen und Rapport herzustellen, kann gar nicht genug
betont werden. Die Teilnehmer sollen sich auf die Lernerfahrung,
die auf sie wartet, von Anfang an freuen. Ihre Aufgabe ist es,
Begeisterung zu wecken. Als Trainer geben Sie den Ton vor, der das
Seminar über bestimmend sein wird.
Mit dem Einstieg setzen Sie Zeichen: In
welchem Tempo wird es vorangehen? Eher ernsthaft oder fröhlich?
Interaktiv oder passiv? Kreativ oder intellektuell? Aufregend oder
ruhig? Das Lernklima in einem Seminar kann höchst unterschiedlich
sein, entscheiden Sie, was Ihrem Stil am ehesten entspricht, und
geben Sie mit dem Einstieg die Richtung vor.
Wenn Sie ein Seminar mit viel aktiver
Beteiligung wünschen, müssen Sie die Atmosphäre zunächst auflockern
– nicht zuletzt Sie selbst sollten sich entspannen. Ohne klare,
zielgerichtete Strukturen wird es den Teilnehmern vielleicht
schwerfallen, aus sich herauszugehen. Niemand will vor Fremden oder
Kollegen verwundbar erscheinen.
Klären
Sie die Erwartungen
Sie können die Teilnehmer auf
verschiedenste Weise nach ihren Erwartungen an das Seminar fragen.
Der einfachste Weg ist selbstverständlich die geradlinige Frage:
»Was erwarten Sie von dem Seminar?« Notieren Sie die Antworten auf
dem Flipchart. Dieselben Informationen erhalten Sie jedoch auch,
indem Sie der Frage einen gewissen Dreh geben und andere
Perspektiven einführen:






Was, wenn die Erwartungen der Teilnehmer
weit über das Ziel des Seminars hinausgehen? Auf alle Fälle ist es
besser, sie wissen zu lassen, wie Sie damit umgehen wollen. Drei
Möglichkeiten bestehen: Sie können das gewünschte Thema zusätzlich
bearbeiten, müssen dann aber wahrscheinlich ein anderes Thema
streichen oder kürzen. Sie können, wenn nur ein oder zwei einzelne
Teilnehmer zusätzlichen Lernbedarf haben, mit diesen in einer Pause
oder nach dem Seminar das Thema besprechen. Und drittens können
Sie, falls Sie auf das Thema nicht vorbereitet sind oder die Zeit
zu knapp ist, die Teilnehmer auf die Seminarnachbereitung
vertrösten. Das bedeutet, dass Sie nach dem Seminar die fehlenden
Informationen eventuell bei einem Experten einholen und den
Teilnehmern eine Mail schicken.
Das Wichtigste ist, dass die Teilnehmer
verstehen, warum sie im Training sind und was sie selbst für ihren
Beruf davon haben werden. Erwachsene lernen bedarfsorientiert,
deshalb ist dieser Punkt für die Lernmotivation besonders
entscheidend.
Führen
Sie in das Thema ein
Die thematische Einführung hängt
unmittelbar mit der Klärung der Erwartungen zusammen. Geben Sie den
Teilnehmern einen Überblick über die kommenden Seminarstunden und
erläutern Sie die Lernziele. Damit sind alle Teilnehmer
gleichermaßen informiert und können gemeinsam beginnen.
Die Teilnehmer wollen vielleicht auch
wissen, ob sie einen Test schreiben müssen, ob dieser benotet wird
und ob die Note gegebenenfalls berufliche Auswirkungen haben wird.
Häufig wird auch gefragt, welche Form der Beteiligung erwartet wird
und ob Aufgaben vergeben werden.
Im Allgemeinen mache ich die thematische
Einführung, bevor ich nach den Erwartungen frage. Sie können das
auch andersherum machen, doch ich finde, dass ich so Zeit spare,
weil ich weniger vom Inhalt wiederholen muss. Doch andererseits ist
es manchmal für die Teilnehmer wichtiger, ihre eigenen Dinge zu
formulieren. Bei Workshops zur Teambildung beispielsweise lasse ich
die Teilnehmer zunächst über ihre Erwartungen und Bedürfnisse
diskutieren. Das dauert zwar etwas länger, doch am Ende kommt mehr
dabei heraus.
Überraschen Sie!
Bringen Sie gleich zu Anfang ein
überraschendes Element. Machen Sie etwas Unkonventionelles, damit
die Teilnehmer merken, dass dies nicht irgendein Seminar wird.
Führen Sie einen besonderen Gegenstand in die Sitzung ein, machen
Sie eine ungewöhnliche oder vielleicht sogar schockierende
Bemerkung zum Thema (für die Sie nachher selbstverständlich den
Beweis liefern müssen). Sie können auch direkt mit einer Aktivität
starten und die organisatorischen Dinge später besprechen.



Es genügt, manche Dinge nur ein kleines
bisschen anders zu machen oder eine andere Reihenfolge als üblich
zu wählen, um die Teilnehmer aufmerksam und neugierig werden zu
lassen. Sie setzen damit ein Signal, dass dies keine langweilige
Sitzung werden wird.
Stellen
Sie die Teilnehmer vor
Der Seminareinstieg ist nicht
vollständig, solange sich die Teilnehmer einander noch nicht
vorgestellt haben. Vom Zeitplan und vom geplanten Mitwirkungsgrad
hängt es ab, ob Sie einen Eisbrecher bringen oder eine einfache
Vorstellungsrunde.
Lassen Sie den Teilnehmern Zeit, einander
etwas kennen zu lernen. Überlegen Sie genau, wie ausführlich diese
Phase sein soll: Genügt es, wenn die Teilnehmer Namen und Gesichter
identifizieren können, oder wollen Sie noch mehr damit erreichen,
was auch die weitere Sitzung beeinflusst? Schreiben Sie auf,
welchen Zweck das Kennenlernen erfüllen soll:





Auch wenn Sie die Vorstellungsrunde
relativ kurz halten, sollten zwei Dinge erfüllt sein: Erstens
sollten alle Teilnehmer zumindest die Namen der anderen gehört
haben und zweitens sollte jeder Teilnehmer einmal etwas gesagt
haben.
Namensschilder brauchen Sie auf alle
Fälle. Das hilft Ihnen und auch den Teilnehmern. Die Schilder
sollten beidseitig beschriftet werden, damit sie auch bei späteren
Aktionen von jeder Seite des Raumes aus zu lesen sind.
Lernen
Sie etwas über die Gruppe
Für die Eröffnung sollten Sie so viel
Zeit einplanen, dass Sie die Gruppe bereits etwas beobachten
können, einzelne Persönlichkeiten näher kennen lernen und vor allem
einen ersten Eindruck von der Gruppendynamik bekommen. Ein
Eisbrecher gibt Ihnen dazu die beste Gelegenheit.
Es ist zwar verführerisch, sich während
des Eisbrechers in die Unterlagen zu vergraben, um den nächsten
Teil vorzubereiten. Doch Sie tun sich und den Teilnehmern damit
keinen Gefallen. Nehmen Sie sich lieber die Zeit, die Gruppe als
Ganzes zu betrachten. Wie arbeiten sie zusammen? Wer macht nur
widerstrebend mit? Gibt es starke Persönlichkeiten in der Gruppe?
Wer wird wohl die Diskussion dominieren?
Jetzt haben Sie die Chance, das
Seminarkonzept noch einmal daraufhin zu überdenken, ob es
potenziell schwierige Aktivitäten gibt und Sie den Ablauf
vielleicht ändern sollten. Wenn Ihnen die Gruppe eher risikoscheu
vorkommt und Sie eine gewagte Aktivität für mutige und offene
Teilnehmer eingeplant haben, sollten Sie das im Kopf behalten. Es
ist sicherlich zu früh, sich gleich zu entscheiden, doch Sie können
sich schon darauf einstellen, eventuell kurzfristig etwas zu
ändern.
Machen Sie es sich zur Gewohnheit, die
Einstiegsphase bewusst als eine Art Entdeckungsreise zu erleben,
auf der Sie so viel wie möglich über die Gruppe und einzelne
Teilnehmer erfahren wollen.
Legen
Sie gemeinsam Seminarregeln fest
Allgemeine Verhaltensregeln, die für
Teilnehmer wie Trainer gelten, sollten ebenfalls in der
Eröffnungsphase besprochen werden. Normalerweise gebe ich zum
Einstieg einige Regeln vor, meist die Eckdaten wie Anfang und Ende
des Seminars (mehr dazu in Kapitel 9). Manchmal gebe ich auch ein
Versprechen: »Wenn wir jeden Morgen und nach jeder Pause pünktlich
anfangen können, garantiere ich Ihnen, dass wir pünktlich aufhören
können.«
Wenn mir die Teilnehmer anschließend
weitere Regeln nennen, die sie sich als Gruppe geben wollen,
schreibe ich sie in exaktem Wortlaut auf, denn die Teilnehmer
werden ihre eigenen Regeln auch eher einhalten. Ich weise sie auf
ihre Selbstverantwortung für das eigene Lernen hin und betone, dass
meine Aufgabe darin besteht, den Inhalt zu präsentieren, sie jedoch
dafür verantwortlich sind, mir Fragen zu stellen, wenn ich nicht
deutlich genug bin oder nicht genügend Informationen liefere.
Die Liste mit den Seminarregeln sollte
vorn an einer gut sichtbaren Stelle aufgehängt werden. Dann können
Sie jederzeit auf die von der Gruppe verfassten Regeln verweisen,
wenn Sie auf Störungen des Seminarablaufs aufmerksam machen
wollen.
Sprechen
Sie offen über Schwierigkeiten
Wenn Sie darüber informiert sind, dass
das Seminar in einem schwierigen Kontext steht, sollten Sie das in
der Eröffnungsphase offen ansprechen. Ein gut ausgewählter
Eisbrecher kann da sehr behilflich sein.
Wenn im Unternehmen Änderungen im Gange
sind, auf die das Management unter anderem mit dieser
Weiterbildungsmaßnahme reagiert hat, sollten Sie nicht drum
herumreden. Wenn das für die Teilnehmer sehr verdrießlich und
ärgerlich ist, sollten Sie genügend Zeit für eine Aussprache
einplanen. Ansonsten können sich die Teilnehmer nicht auf den
Inhalt konzentrieren. Und davon abgesehen wären Sie früher oder
später ohnehin auf das Thema gekommen.
Erzeugen Sie
Glaubwürdigkeit
So, wie Sie etwas über die Teilnehmer
erfahren wollen, versuchen auch die Teilnehmer, etwas über Sie
herauszufinden: Ihre Erwartungen, Ihren Stil und Ihre Kompetenz und
Glaubwürdigkeit. In der Eröffnungsphase müssen Sie eine Menge unter
einen Hut bringen. Wie und in welcher Reihenfolge Sie das machen,
wird den Teilnehmern bereits einiges über Sie verraten. Ich
bevorzuge es, meine Erwartungen allmählich im Verlauf der Eröffnung
einfließen zu lassen. Ihr eigener Stil wird sich zeigen, ob Sie es
nun wollen oder nicht. Nehmen Sie sich beispielsweise Zeit, den
Teilnehmern zuzuhören und genau zu erfahren, was sie brauchen?
Haben Sie die Uhr im Blick?
Wenn die Teilnehmer Sie nicht bereits
kennen, so sollten Sie etwas über sich erzählen. In der
Vorstellungsrunde oder bei einem Eisbrecher ist die richtige
Gelegenheit dazu. Wenn Sie die Teilnehmer ein Bild zur
Selbstbeschreibung zeichnen lassen, sollten Sie dasselbe tun. Damit
bleiben Sie auf gleicher Ebene mit den Teilnehmern. Folgen Sie
Rudyard Kiplings Rat: »Bleiben Sie nah dran am Volk.« Lassen Sie
die Gruppe wissen, wie sehr Sie am Erfolg der Teilnehmer
interessiert sind und dass Sie den Weg mit ihnen gehen wollen.
Bleiben Sie authentisch, dann werden Sie als Trainer erfolgreich
sein.
Wenn die Seminarregeln aufgestellt
werden, ist auch der richtige Zeitpunkt für Sie, Ihre Erwartungen
an das Seminar zu formulieren. Wenn Sie beispielsweise wollen, dass
die Teilnehmer mit darauf achtgeben, dass die Beteiligung innerhalb
der Gruppe ausgewogen ist, können Sie das ruhig so sagen. Wenn Sie
es nicht tun, werden die meisten Teilnehmer annehmen, dass es Ihre
Aufgabe ist, bei Störungen und unangemessenen Verhaltensweisen
einzugreifen. Gehen Sie also sicher, dass die Teilnehmer Ihre
Erwartungen von vornherein verstehen.
Manche Trainer geben einen kurzen
Lebensabriss, um Glaubwürdigkeit zu vermitteln. Glaubwürdigkeit
entsteht aus einer Mischung aus Fachkenntnis, Erfahrung und der Art
der Selbstdarstellung. Wer auf bescheidene Art selbstbewusst ist,
wirkt am glaubwürdigsten. Ich habe es zum Beispiel nicht gern, wenn
ich von jemand anderem vorgestellt werde. Wenn ich es nicht
vermeiden kann, versuche ich dafür zu sorgen, dass es wenigstens
kurz ist und sich auf das Trainingsthema bezieht. Ich selbst mache
gern ein paar persönliche und fröhliche Bemerkungen. Manchmal sage
ich beispielsweise, dass ich schon länger Trainings mache, als ich
eigentlich zugeben will. Dann wieder erzeuge ich Glaubwürdigkeit,
indem ich auf meine langjährige Erfahrung in bestimmten Branchen
verweise. Das hat denselben Effekt, als wenn man es in meinem
Lebenslauf liest, doch wenn ich den Hinweis an der richtigen Stelle
einfüge, ist das für die Teilnehmer sinnvoller.
Machen
Sie eine Pause!
Ja, machen Sie eine Pause. Wenn die
Eröffnungsphase bereits eine Stunde gedauert hat, sollten Sie eine
kurze Pause machen. Die Teilnehmer bleiben wach und können kurz mit
den anderen, die sie gerade kennen gelernt haben, ins Gespräch
kommen. Außerdem können sie sich frisch machen, bevor das Seminar
in die Inhalte geht.
Denken Sie daran: Der Einstieg ist einer
der wichtigsten Teile des Seminars, planen Sie ihn
sorgfältig.