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Zehn Wege zu aktiver Beteiligung
 
In diesem Kapitel
e9783527657599_triangle.jpg Wie Sie die Teilnehmer praktisch einbeziehen können
e9783527657599_triangle.jpg Wie aktive Beteiligung auch zu einem besseren Lernerfolg führt
»Lernen ist kein Sport für Zuschauer!« Das sagt John Newstrom, Co-Autor einer Buchreihe über spielerische Trainingsmethoden. Es ist ihm ganz ernst damit, denn durch
Spiele wird das Gelernte besser behalten, aktivierende Lehrmethoden wirken sich insgesamt positiv auf die Gedächtnisleistung beim Lernen aus.
 
Aktive Beteiligung ist etwas, was der Trainer im Seminar selbst steuern kann. Und wie immer kommt es auf die gute Vorbereitung an. Beides habe ich in diesem Buch immer wieder betont. Damit ist insgesamt gemeint, dass Sie als Trainer eine vertrauensvolle Lernatmosphäre schaffen, flexibel auf die Bedürfnisse der Teilnehmer eingehen können und sich mit Ihrem Unterricht an alle Lerntypen wenden.
Aktive Beteiligung von Anfang an
Eine vertrauensvolle Lernatmosphäre entsteht vom ersten Augenblick an – wenn der erste Teilnehmer morgens den Raum betritt. Begrüßen Sie die Ankommenden, stellen Sie sich vor, erfahren Sie etwas über die Motivation oder fragen Sie nach anderen Informationen. Stellen Sie sich den Teilnehmern, so weit es geht, persönlich vor. Laden Sie zu einer Tasse Kaffee ein. Mit diesen kleinen Gesten setzen Sie Zeichen für ein gutes Miteinander in den kommenden Stunden oder Tagen. Sie zeigen sich als offene und zugängliche Person, kurz: als Mensch!
 
Wenn die Sitzung angefangen hat, sorgen Sie dafür, dass die Teilnehmer nicht auf ihren Stühlen kleben, sondern aufstehen, sich bewegen und etwas zu tun haben. Der Eisbrecher sollte mindestens dem Zweck dienen, dass sich die Teilnehmer mit Namen kennen lernen. Um organisatorische Dinge sollten Sie sich später kümmern.
 
Machen Sie den Teilnehmer deutlich, dass Sie sich für ihre aktiven Beiträge interessieren und dass der persönliche Seminarerfolg insgesamt auch davon abhängt, wie aktiv sich die Teilnehmer verhalten. Jeder sollte die Gelegenheit haben, seine Erwartungen und Bedürfnisse zu formulieren. Damit haben Sie die Grundlagen für einen guten Start gelegt.
Karten für die Schüchternen
Karteikarten können für manche Seminarteilnehmer, die sonst unterzugehen drohen, der Rettungsring sein. Denn manche Menschen brauchen Zeit, bevor sie sich äußern, während andere ihre Gedanken sehr schnell formulieren und antworten. Und viele sprechen überhaupt nicht gerne vor einer größeren Gruppe. Die meisten lassen sich jedoch aus der Reserve locken, wenn man ihnen etwas Zeit lässt, sich darauf einzustellen und etwas vorzubereiten. Leider hat ein Drittel aller Teilnehmer die Antwort oft bereits auf den Lippen, kaum dass Sie die Frage gestellt haben. Wenn Sie wollen, dass sich jeder unbeeinflusst Gedanken machen kann, sind Karteikarten eine gute Alternative. Wenn jeder seine Antwort auf die Karte geschrieben hat, rufen Sie diejenigen auf, die normalerweise nicht als Erste sprechen würden. So aktivieren Sie auch die stilleren Teilnehmer.
 
Karteikarten können auch in anderer Hinsicht gute Dienste leisten:
e9783527657599_coche.jpg  Abstimmungen vornehmen
e9783527657599_coche.jpg  Meinungsumfragen durchführen
e9783527657599_coche.jpg  Fragen und Anregungen formulieren
e9783527657599_coche.jpg  Mini-Quiz organisieren (mit lustigen Fragen)
e9783527657599_coche.jpg  Zwischenevaluation durchführen
Was machen Sie mit den Karten? Versuchen Sie einmal folgende Vorschläge:
e9783527657599_coche.jpg  einsammeln, ordnen und die Antworten erläutern
e9783527657599_coche.jpg  einsammeln, mischen und wieder verteilen, die Teilnehmer lesen die Antworten vor
e9783527657599_coche.jpg  im Raum herumreichen und die Teilnehmer bitten, die Antworten oder Informationen zu ergänzen. Dann vorlesen oder an den ersten Autor zurückgeben.
e9783527657599_coche.jpg  sammeln und für die Konzipierung eines neuen Lernmoduls nach Priorität sortieren
Die Trainerrolle abgeben
Finden Sie Gelegenheiten, Ihre Rolle als Trainer an die Teilnehmer abzugeben. Ein guter Trainer weiß, dass die Gruppe als Ganzes mehr weiß als ein einzelner Trainer. Wenn die Lernenden in die Rolle des Lehrers schlüpfen können und ihren Wissensschatz mit anderen teilen können, ist dies eine ganz besondere Aktivität.
e9783527657599_coche.jpg  Bitten Sie jemanden, bei einer Diskussion die Rolle des Moderators zu übernehmen. Sie geben nur noch das Thema vor, zum Beispiel die Frage, wie die Teilnehmer das Wissen in ihrem Beruf anwenden wollen.
e9783527657599_coche.jpg  Ermuntern Sie die Teilnehmer, miteinander zu sprechen, statt alle Bemerkungen an den Seminarleiter zu richten. Wenn ein Teilnehmer eine Frage stellt, könnten Sie einen anderen darum bitten, darauf zu antworten. Wenn Sie dies ein paar Mal gemacht haben, betrachten es die Teilnehmer als »Erlaubnis«, miteinander zu reden. Wenn die Diskussion gut läuft, können Sie sich hinsetzen oder vielleicht sogar an der Seite Platz nehmen, um zu signalisieren, dass Sie sich herausziehen und die Teilnehmer selbst miteinander klarkommen.
e9783527657599_coche.jpg  Bilden Sie Gruppen mit drei oder vier Teilnehmern, die einander jeweils relevante Fragen stellen, mit denen sie die anderen Teams verblüffen können. Halten Sie jeweils den Spielstand fest, vielleicht wie beim alten »Galgenmann«-Wörterraten.
e9783527657599_coche.jpg  Geben Sie den Teams verschiedene Themenblöcke zur Bearbeitung, die sie den anderen Teams anschließend präsentieren. Das fördert nicht nur die Beteiligung, sondern zeigt auch, inwieweit die Teilnehmer das Material beherrschen. Sie selbst können am Ende der Präsentation immer noch Ergänzungen vornehmen.
Beteiligung steigern
Wer anfangs mündlich gut mitmacht, soll weiterhin aktiv bleiben, und wer noch nicht auf den Zug aufgesprungen ist, sollte dies baldmöglichst tun. Doch wie erreichen Sie dieses Ideal? Versuchen Sie es mit diesen drei Tipps:
e9783527657599_coche.jpg  Bedanken Sie sich bei den aktiven Teilnehmern für ihren Wortbeitrag. Sprechen Sie sie mit Namen an und halten Sie Blickkontakt.
e9783527657599_coche.jpg  Wiederholen Sie die Bemerkung mit eigenen Worten und nehmen Sie den Faden auf. Sie können sich auch noch später darauf beziehen: »Wie Frau Sommer vorhin gesagt hat ...«
e9783527657599_coche.jpg  Ermuntern Sie die anderen, zu der Wortmeldung selbst etwas zu sagen oder eine andere Perspektive zu ergänzen. Wenn eine andere Ansicht vorgetragen wird, sollten Sie immer auch auf den ersten Teilnehmer zurückkommen und seinen Beitrag anerkennen.
Raus aus den Sesseln!
Sorgen Sie davor, dass die Teilnehmer sich bewegen und auch mit anderen ins Gespräch kommen. Körperliche Bewegung beugt Ermüdung vor und überbrückt das Leistungsloch am frühen Nachmittag.
e9783527657599_coche.jpg  Kleingruppen bilden. Sie tun den Teilnehmern keinen Gefallen, wenn sie immer in der gleichen Ecke des Raumes sitzen. Wenn Sie neue Gruppen bilden, sollten sie eine andere Personenanzahl haben, neu zusammengesetzt sein und sich an einer anderen Stelle des Raumes treffen. Wenn der Raum groß genug ist, sollten Tische und Stühle verteilt stehen, so dass Sie die Gruppen direkt dorthin schicken können.
e9783527657599_coche.jpg  Veranstalten Sie Aktivitäten, bei denen die Leute stehen. Mehr Dynamik erreichen Sie, wenn die Teilnehmer von einer Stelle zu einer anderen laufen und dort vielleicht etwas auf das Flipchart schreiben müssen. Staffelläufe, bei der die Mannschaften einander ablösen, oder Spielshows im Stehen erfüllen diesen Zweck ebenfalls.
e9783527657599_coche.jpg  Kleben Sie Zettel mit Fachbegriffen auf ein Flipchart und schicken Sie die Teilnehmer paarweise herum, um ihre Anmerkungen hinzuzufügen. Sharon Bowman ist eine entschiedene Verfechterin von mehr Bewegung im Seminarraum. Von ihr stammt der so genannte »Galeriespaziergang». Die Teilnehmer schreiben die Ergebnisse einer Aktivität auf ein Flipchart und hängen die Papiere wie Bilder an die Wand. Die einzelnen Gruppen besuchen die Chart-Galerie und fügen eventuell noch Bemerkungen hinzu. Die Teilnehmer bewegen sich und nehmen dabei verschiedene Blickwinkel ein. Vielleicht führt das auch dazu, dass manche Informationen aus einer neuen Perspektive wahrgenommen werden.
e9783527657599_coche.jpg  Lassen Sie bei Präsentationen die Teilnehmer aufstehen, allerdings nur, wo dies sinnvoll ist. So könnten Sie Quizfragen stellen, bei denen die Teilnehmer jemanden suchen müssen, der die Antwort weiß. Oder Sie diskutieren die Fragen mit wechselnden Partnern.
Ohne Worte viel sagen
Selbstverständlich ist es wichtig, was Sie sagen: Dank, Komplimente, Ermunterungen, Wiederholungen, Erläuterungen und sogar Ihr Widerspruch. Doch die Körpersprache ist vielleicht noch lauter als Worte. Nutzen Sie die Macht der nichtverbalen Kommunikation für die Teilnehmeraktivierung.
 
Halten Sie Blickkontakt zu allen Teilnehmern. Erlauben Sie Ihrem Blick, auf einer Stelle zu verweilen. Ein aufmunterndes Kopfnicken signalisiert Zustimmung und Verständnis. Vermeiden Sie defensive Gesten wie verschränkte Arme. Unterbrechen Sie die anderen nicht. Vermeiden Sie zerstreut wirkende Bewegungen. Kommen Sie hinter Ihrem Tisch vor (benutzen Sie nie ein Podium) und gehen Sie auf die Leute zu. Hören Sie nicht nur zu, sondern zeigen Sie, dass Sie zuhören. Vermeiden Sie den Blick auf die Uhr, auch wenn Sie wirklich nur ganz unschuldig die Zeit ablesen wollen.
 
e9783527657599_i0165.jpgÜben Sie sich darin, die Zeit abzulesen, ohne dass es zu offensichtlich und ungeduldig wirkt. Vielleicht können Sie beim Griff nach dem Wasserglas oder nach den Unterlagen einen Blick auf die Uhr werfen. Oder Sie legen die Uhr auf den Tisch. Ich benutze gerne diese Uhren aus Kunststoff, die man vorübergehend auf eine glatte Oberfläche heften kann, und klebe sie immer auf den Projektor.
Behaupten Sie nicht nur, dass Sie interessiert sind. Zeigen Sie es auch in Ihrer Körperhaltung. Im Verlauf der Sitzung können Sie dann beweisen, dass Sie genau zugehört haben, indem Sie sich auf frühere Bemerkungen der Teilnehmer beziehen: »Vorhin hat Herr Martin gefragt, ob ...« oder »Um auf Frau Adrianis Vorschlag von vorhin einzugehen ...«
Die Tische wegräumen
Wenn ich die Atmosphäre so richtig »anheizen« und den Teilnehmern die Botschaft übermitteln möchte, dass sie nun aktiv gefordert sind, räume ich alle Tische weg. Entweder räume ich die Tische ganz raus oder stelle sie an die Seite. Meistens erledige ich das während einer Pause oder am Ende eines Tages, wenn die Teilnehmer nicht da sind. Wenn Sie wollen, können Sie die Teilnehmer auch bitten, mitzuhelfen. Die Stühle stelle ich in einer Runde auf, nur eine kleine Lücke bleibt frei, damit man mühelos in den Kreis hinein und heraus kann.
 
Dieses Arrangement erzeugt sofort eine weniger formale Atmosphäre und ermuntert zu hoher Aktivität. Dass die Teilnehmer nun nichts mehr mitschreiben können, ist allerdings ein Nachteil, den Sie aber ausgleichen können. Planen Sie diese Methoden sorgfältig, da das Wiedereinräumen ebenfalls einige Zeit beansprucht. Vielleicht ist ein ganzer Nachmittag mit mehr Gruppenaktivitäten und weniger Mitschreiben sinnvoll – und am nächsten Tag sind die Tische wieder an ihrem Platz.
Mit Fragen Aufmerksamkeit erzeugen
Geben Sie sich nicht mit der ersten Antwort auf Ihre Fragen zufrieden – auch wenn sie korrekt sind. Fragen sind eine hervorragende Gelegenheit, um in ein interessantes und engagiertes Gespräch mit den Teilnehmern zu kommen. Sie wollen ja nicht nur mit den rasch antwortenden Teilnehmern sprechen, sondern auch die anderen aktivieren. Nach der Antwort eine Pause zu machen, ist ein ganz einfaches Mittel, um noch mehr Beteiligung zu erzielen.
 
Manchmal sind die Antworten vielleicht sehr komplex und umfassend. Wenn Sie für Vereinfachung sorgen wollen, könnten Sie beispielsweise sagen: »Puh, das war ja ein richtiger Rundumschlag. Ich bin heute vielleicht etwas langsam, aber können Sie das noch mal erklären? « Zwei Dinge werden daraufhin passieren: Sie ermuntern erstens den Teilnehmer, seine Antwort noch einmal zu überprüfen und sie für die Gruppe einfacher darzustellen. Zweitens haben Sie die Aufmerksamkeit der Gruppe, weil einzelne Gruppenmitglieder nun vor einer gewissen Herausforderung stehen.
 
Allgemeine Fragerunden dienen dazu, ein kurzes Statement von allen Teilnehmern zu erhalten. Sorgen Sie dafür, dass die Antworten wirklich kurz ausfallen. Beispiel: »Nennen Sie mir eine Sache, die für einen guten Kundendienst unentbehrlich ist.«
Stille Wasser
Nachdem Sie eine vertrauensvolle Lernatmosphäre hergestellt haben, die auch die Schüchternsten ermuntern sollte, fordere ich von den Kleingruppen, dass sie nach der Aktivität denjenigen zum Gruppensprecher machen, der bisher am wenigsten zum Thema beigetragen hat. Warten Sie nicht zu lange, bis Sie diese Technik einsetzen. Ich bin immer wieder überrascht, wie produktiv und aktiv sich diese angeblich »stillen Wasser« anschließend am Seminar beteiligen.
Aktive Beteiligung bis zum Schluss
Es gibt keinen Grund, warum Sie zum Ende des Seminars hin wieder die alleinige Führung übernehmen sollten. Beenden Sie die Sitzung mit so viel Teilnehmeraktivierung, wie Sie sie begonnen haben. Bitten Sie die Teilnehmer, etwas von sich zu berichten:
e9783527657599_coche.jpg  Was sie unmittelbar nach dem Seminar umsetzen wollen
e9783527657599_coche.jpg  Was aus ihrer Sicht das Interessanteste war
e9783527657599_coche.jpg  Welche neue Fragen aufgrund des Seminars entstanden sind
Geben Sie den Teilnehmern Gelegenheit, sich von den anderen zu verabschieden. Das könnte in Form eines lockeren Herumgehens geschehen, die Teilnehmer könnten aber zum Beispiel auch anderen schriftliche Botschaften übergeben. Wenn Sie während des Seminars feste Teams gebildet haben, könnten diese ein lustiges Abschiedsgedicht oder -lied dichten, das sie der Gruppe vortragen. Auf alle Fälle sollte eine Liste aller Teilnehmeradressen verteilt werden, damit die Teilnehmer über das Seminar hinaus zu aktivem Tun ermuntert werden.