6
Standardisierte Trainingsprogramme
einsetzen
In diesem
Kapitel
Standardisierte Trainings auswählen Standardisierte Trainings den eigenen
Bedürfnissen anpassen Das Training kreativ ergänzenWenn es schnell gehen soll und die
Vorbereitungszeit sehr kurz ist, können Sie für Ihren Kunden
vielleicht kein neues individuelles Konzept erstellen.
In solchen Fällen werden Trainer zu
Verkäufern, die Standardprogramme entwickeln und kommerziell
vertreiben. Als interner Trainer profitieren Sie von diesen
Produkten am meisten, wenn Sie etwas Zeit aufwenden und das
standardisierte Training für die Anforderungen der Weiterbildung in
Ihrer Organisation anpassen.
Dieses Kapitel untersucht, wie Sie
fertige Workshopkonzepte geschickt auswählen und den eigenen
Bedürfnissen anpassen.
Die
Kunst der richtigen Wahl
Auf den ersten Blick scheint es die
perfekte Lösung zu sein, vorhandenes Material zu verwenden, das
sorgfältig geplant, geprüft und gebrauchsfertig zusammengestellt
worden ist. Der Markt bietet viele Möglichkeiten:
Dozenten und Referenten von
Beratungsfirmen und Hochschulen oder öffentlichen
Bildungseinrichtungen Filme über nahezu jedes Thema offene Seminare von Trainings- und
Beratungsfirmen fertige Trainingsdesigns, die von den
Arbeitsunterlagen für die Teilnehmer und den Trainer bis hin zu
Visualisierungstipps und Computerprogrammen bereits alles
enthalten, sogar die Arbeitshilfen und Spickzettel, die die
Teilnehmer an den Arbeitsplatz mitnehmen individualisierte Seminarpakete von
Trainings- und Beratungsunternehmen, die auf Ihre Bedürfnisse
zugeschnitten werden. Beginnen meist mit der Bedarfsanalyse (siehe
Kapitel 4).Kaufen oder selbst machen? Das ist hier die
Frage!
Gibt es überhaupt noch einen Grund, sich
die Mühe zu machen und ein eigenes Seminarkonzept zu erstellen,
wenn der Markt so viel anbietet? Doch, den gibt es, gerade wenn Sie
standardisierte Trainings nicht eins zu eins übernehmen können, so
wie es bei vielen Unternehmen der Fall ist. In Tabelle 6.1 sind die
Vor- und Nachteile gegenübergestellt.
Tabelle 6.1:
Vor- und Nachteile von eingekauften Seminarkonzepten
|
Vorteile
|
Nachteile
|
|---|---|
|
Kann schnell gekauft und eingesetzt
werden.
|
Eventuell schwierig auf die eigenen
Bedürfnisse zuzuschneiden
|
|
Zunächst kosteneffektiv
|
Eventuell schwierig, ein Konzept zu
finden, das alles Gewünschte berücksichtigt.
|
|
Das Rad muss nicht jedes Mal neu erfunden
werden.
|
Die Anpassung macht einen Teil der
Effektivität eventuell wieder zunichte.
|
|
Kann auf verschiedene Bedürfnisse und
Niveaus von Angestellten und Führungskräften angepasst
werden.
|
Anpassung ist so aufwendig, dass das
Kosten-Zeit-Argument nicht mehr zählt.
|
|
Evaluationsdaten vorheriger Kunden können
eingesehen werden.
|
Anpassung der Medien ist eventuell
schwierig.
|
|
Sorgfältige Recherche und fundierter
Hintergrund kann meist vorausgesetzt werden.
|
Bei Änderungsbedarf sind eventuell
Urheberrechtsfragen zu beachten.
|
Was
sollte vor dem Kauf beachtet werden?
Was genau kaufen
Sie? Teilnehmerunterlagen? Trainerleitfaden?
Medienunterstützung? Gehen die Materialien tatsächlich in Ihren
Besitz über oder kaufen Sie nur die einmaligen Nutzungsrechte?
Können Sie das Programm später an andere Mitarbeiter weitergeben?
Oder sind Sie bei weiteren Seminaren immer wieder auf jemand aus
dem Unternehmen angewiesen? Welche Qualität haben die
Materialien? Entsprechen Sie den Gepflogenheiten Ihrer
Branche? Oder gibt es eine spezielle Branchenversion? Passen die
Beispiele zu Ihrer Situation? Wenn nicht, können diese leicht
ausgetauscht werden? Gehört ein
Trainerleitfaden dazu? Wie ausführlich ist er? Ist er leicht
umsetzbar? Wissen Sie, wie viel Sie
zahlen? Beachten Sie die tatsächlichen Gesamtkosten ohne
versteckte Gebühren, zusätzliche Materialkosten oder
Ähnliches. Inwieweit entsprechen die
Ziele des Programms den Bedürfnissen Ihres Auftraggebers?
Werden die erzielbaren Ergebnisse wirklich als Lernziele formuliert
oder als vage Versprechungen? Bietet das Programm ein breites
Spektrum an praxisorientierten Übungen? Ist das Programm
inhaltlich fundiert und vielfältig? Beruht es auf einer
soliden lerntheoretischen Basis? Weckt es Interesse und Neugier?
Ist es besonders pfiffig? Wie werden Ihre
kritischen Teilnehmer das Programm beurteilen? Wird für sie
sichtbar, worin die Relevanz besteht? Wie passt das Programm zu den
Erfahrungen und Kenntnissen eines typischen Teilnehmers? Passt das Konzept zu den
Vorstellungen des Auftraggebers? Wie harmoniert das Konzept
mit der Weiterbildungsphilosophie der Organisation, in der Sie das
Training halten? Wie stark theoretisch ausgerichtet ist das
Programm? Welchen Anteil nehmen reale Fallbeispiele ein? Wie steht
es mit Rollenspielen und praxisorientierten Übungen? Werden
verschiedene Aktivitäten eingeführt? Gibt es Aktivitäten zur
Transfersicherung? Ist der Zeitplan effizient?Wie
garantieren Sie, dass das Trainingskonzept zu Ihnen
passt?
Sie haben Ihre Analyse abgeschlossen und
sind sich für dieses Mal sicher, dass Sie ein standardisiertes
Trainingsprogramm einkaufen wollen. Was sind die Bedingungen für
einen guten Kauf?
Sie kennen Ihre
Ziele. Das ist die Grundlage, auf der Sie nach einem
geeigneten Trainingsprogramm gesucht haben. Sie wissen, dass dieses
Konzept auf Sie zugeschnitten ist. Schauen Sie nach einem
Anbieter, der sich in Ihrer Branche auskennt (Seminare für den
Einzelhandel und Verkauf sind für Mitarbeiter aus dem
produzierenden Gewerbe zum Beispiel weniger interessant). Sie haben einen Anbieter
gefunden, der bereit ist, individuelle Anpassungen
vorzunehmen. Sie haben die Kernthemen in jedem Fall parat,
aber passen sie Ihrem spezifischen Weiterbildungsbedarf an.Maßgeschneiderte Konzepte erstellen
Nachdem Sie das Seminarpaket Ihrer Wahl
gekauft haben, gilt es, das Material wirklich zu Ihrem zu machen
und auf Ihre Bedürfnisse zuzuschneiden.
Anpassung des Designs
Ein Trainingsprogramm zu kaufen ist nicht
so einfach, wie es klingt. Damit Sie Ihre Ziele auch erreichen,
werden Sie das Programm höchstwahrscheinlich anpassen müssen.
Gehen Sie das Programm rechtzeitig durch.
Machen Sie sich Randnotizen mit Beispielen, Anekdoten und
Strategien, die zu Ihrer Zielgruppe passen. Damit machen Sie sich
das Programm zu Ihrem eigenen. Bringen Sie die zentralen Themen Ihrer
Zielgruppe in jeden Programmabschnitt mit ein. Die Kompetenzen und
Verhaltensweisen, die trainiert werden, sind vielleicht
allgemeingültig, die Art und Weise, in der Sie sie einsetzen, sind
es nicht. Bei der Schulung technischer Verfahren
sollten Prozesselemente, die Sie nicht benötigen, gestrichen werden
und fehlende Elemente ergänzt werden. Bei Verhaltenstrainings und
Managementwicklungsprogrammen sollte auch die
Unternehmensphilosophie entsprechend einbezogen und reflektiert
werden.Fertigkost ohne Konservengeschmack
Sobald Sie das Trainingsprogramm in
Händen halten, können Sie es mit wenigen Maßnahmen
individualisieren, damit es nicht wie eine vorgefertigte Massenware
aussieht.
Geben Sie dem Programm einen neuen Titel,
der sich auf Ihre Zielgruppe bezieht. Ergänzen Sie es mit ein paar Extras
(Schautafeln, Arbeitshilfen), die auf Ihre Bedürfnisse
zugeschnitten sind. Überarbeiten Sie die Texte. Können die
Arbeitsblätter, Overheadfolien und PowerPoint-Präsentationen so
abgeändert werden, dass Ihr Unternehmen stärker sichtbar wird? Die
Ergänzung des Firmenlogos oder die Anpassung der Abteilungs- und
Funktionsbezeichnungen macht schon viel aus. Streichen Sie Teile,
die nicht auf Sie zutreffen, und ergänzen Sie fehlende Elemente,
die für Ihre Zielgruppe charakteristisch sind. Gehen Sie die Beispiele, Rollenspiele,
Fallstudien und Gruppenaktivitäten kritisch durch. Ist es sinnvoll,
manche Themen zu überarbeiten? Vergessen Sie nicht, die Unterlagen mit
Ihrem persönlichen Layout zu versehen. Das Corporate Design muss
passen.Kreativität ist gefragt
Kreativität und Fantasie ist ein
wesentliches Element aller Weiterbildungs- und Trainingsmaßnahmen,
gleichgültig ob Sie Ihr eigenes Trainingsdesign entwickelt oder ein
standardisiertes Programm adaptiert haben.
Denken Sie sich für Ihren nächsten
Workshop eine besondere Werbung aus. Verschicken Sie die
Einladungen zum Beispiel in einer Tasche. Geben Sie dem Workshop einen
außergewöhnlichen Titel (»Wie Sie alle in die Tasche
stecken«). Verlegen Sie den Workshop an einen
besonderen Ort. Probieren Sie neue Wege aus, über das
Thema nachzudenken. Der Workshop erhält mehr Schwung, wenn Sie
anschauliche Requisiten mitbringen (zum Beispiel Taschen, Stifte,
Samentütchen, Hüte, Landkarten, Spielzeugflugzeuge, Werkzeug,
Puzzles oder T-Shirts). Setzen Sie pro Stunde mindestens drei
verschiedene Trainingstechniken und Methoden ein. Verwenden Sie Cartoons und setzen Sie die
Namen von Vorgesetzten der Organisation ein. Achten Sie auf doppelte Wortbedeutungen
und Redewendungen. Vielleicht können Sie daraus ein Sprachspiel
entwickeln. Wenn jemand in einem Stressbewältigungsseminar mit
einem »Koffer voller Probleme« kommt, könnten Sie den »Koffer« zum
Leitmotiv machen, ihn auspacken, umräumen, erleichtern,
wegschicken. Ermutigen Sie die Teilnehmer zu kreativen
Lösungstechniken. Machen Sie Brainstormings. Fordern Sie die Teilnehmer mit
Denkaufgaben und Puzzles heraus. Legen Sie sich einen Ideenordner an, auf
den Sie bei Bedarf zugreifen können. Setzen Sie oft Muntermacher ein. Sie
sollen kurz und schnell sein und natürlich neuen Schwung
bringen! Setzen Sie in Ihren Workshops gezielt
Humor ein und berichten Sie von lustigen Erfahrungen. Beenden Sie Ihren Workshop mit einer
Geschichte, einem Gedicht, Zitat, Bild oder sonst einem originellen
Einfall. Zum Thema Kreativität gibt es viele
Bücher. Machen Sie sich schlau! Stöbern Sie in Spielzeugläden, Baumärkten,
Kaufhäusern und lassen Sie sich inspirieren. Fragen Sie Ihre Teilnehmer, ob sie auf den
Workshop ein Gedicht reimen können. Trauen Sie sich: Probieren Sie bewusst
Dinge aus, gegen die Sie sich innerlich sträuben. Ich habe zum
Beispiel jahrelang offene Plenumsdiskussionen vermieden, weil mir
das zu riskant und unkontrollierbar war. Als ich mich schließlich
doch einmal traute, war ich überrascht, wie sich alle beteiligten
und wie ergiebig das Gespräch war. Haben Sie Schwierigkeiten damit, nach
einer Pause wieder alle pünktlich zum Arbeiten zu bringen? Das ist
einerseits ein gutes Zeichen, weil sich die Teilnehmer
offensichtlich gut verstehen, andererseits soll es aber
weitergehen. Geben Sie klare Zeichen: Betätigen Sie den
Lichtschalter oder machen Sie ein Geräusch (Trillerpfeife,
Kuhglocke, Kazoo, Glockenspiel). Wenn ich die Aufmerksamkeit meiner
Zuhörer haben möchte, schnippe ich auch mit dem Finger und sage
leise: »Wenn Sie mich hören können, schnippen Sie mit dem Finger.«
Nach und nach erreicht das Geräusch auch die Teilnehmer hinten im
Raum. Lernen Sie von anderen und deren
Trainingsmethoden.
Nehmen Sie beim nächsten Einkauf eine Liste mit
Ihren Trainingsthemen mit. Vergleichen Sie Ihre Themen mit dem
Warenangebot und Sie werden viele Ideen generieren. Beispiele:
Spielgeld dient zur Investition in die Zukunft, die Gesundheit oder
in die Teamentwicklung; Puzzle veranschaulichen, dass jeder seine
Aufgabe hat und wie mehrere Dinge zusammenpassen; ein Kompass weist
die Richtung oder hilft, einen neuen Weg zu finden; mit Hilfe von
Linealen lässt sich Wachstum messen, Potenzial ablesen oder ein
Ziel setzen.Mit kreativen Methoden wird der
Lernprozess für Ihre Teilnehmer zu einer richtigen Erfahrung und
sogar zu einem Abenteuer. So wie Helen Keller sagt: »Das Leben ist
ein Abenteuer oder es ist nichts.«
Achtung
vor Spielverderbern
Die Lernziele sollten immer an
oberster Stelle stehen, wie lustig und interessant auch immer Sie
die Seminare gestalten. Ich bezeichne aktive Lehr- und Lernmethoden
absichtlich nicht als »Spiele«, denn das würde suggerieren, dass es
nur um den Spaß geht und nicht ums Lernen.
Sie und ich wissen zwar, dass man in
einer positiven Atmosphäre besser lernt und sich das Gelernte
besser einprägt, dennoch sollte das Etikett, das Sie wählen,
sorgsam ausgesucht sein. »Lernaktivität« klingt einfach besser und
ist Außenstehenden, die nicht wissen können, wie intensiv Ihre
Teilnehmer tatsächlich lernen, einfacher zu vermitteln.