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Was
ist ein Trainer?
In diesem
Kapitel




Sie wollen also
Trainer werden. Oder Sie sind bereits Trainer und haben dieses Buch
aufgeschlagen, um Ihre Kenntnisse zu erweitern. In jedem Fall soll
dieses Kapitel Ihnen dabei helfen, den Beruf des Trainers und die
Erwartungen, die an ihn gestellt werden, besser zu verstehen.
Trainer ist einer der aufregendsten Jobs,
die man sich vorstellen kann. Auch wenn sich die Aufgaben eines
Trainers im vergangenen Jahrzehnt weitreichend verändert haben und
zurzeit einer weiteren Metamorphose unterliegen, hat der Beruf
weiterhin viele positive Aspekte. Zuallererst: Als Trainer hat man
Einfluss auf die Arbeit vieler Menschen – nicht nur der Lernenden,
mit denen man unmittelbar zu tun hat, sondern auch der
Vorgesetzten, der Senior Manager, der Kunden, der Verkäufer und
vielleicht sogar der Vorstände des betreffenden Unternehmens. Als
Trainer hat man Zugang zu vielen Menschen und kann sich ein breites
und vielfältiges Bild von den Bedürfnissen einer Organisation
machen. Trainer sind meistens Kommunikationstalente und sind gut
informiert. Die Menschen hören ihnen zu.
Außerdem ist der Beruf eines Trainers
eine aufregende Sache, weil man die Veränderungs-und
Verbesserungsprozesse einer Organisation wesentlich mitgestalten
kann. Als Trainer haben Sie vielleicht Anteil an der Analyse des
Ist-Zustandes einer Organisation, helfen mit, eine Vision für die
Zukunft zu entwickeln, oder helfen, die notwendigen Veränderungen
umzusetzen, um eine neue Organisation zu schaffen. Als Trainer
haben Sie die Chance, die Richtung, in die eine Organisation sich
entwickelt, zu beeinflussen – und den Weg dorthin.

In diesem Kapitel werden Ihnen drei große
Fragen beantwortet:



Was ist
Training?
Eigentlich befindet sich der Mensch von
Geburt an im Training! Sie haben von klein auf gelernt und sich
Schritt für Schritt zu dem klugen und erfahrenen Erwachsenen
entwickelt, der Sie heute sind. Wir haben alle eine Form von
Training erhalten und haben andere trainiert. Wenn Sie je einem
neuen Kollegen die Telefonanlage erklärt, den Chef bei
Umstrukturierungen der Abteilung beraten oder einem Kollegen
erklärt haben, wie er seine Aufgabe schneller erledigen kann, haben
Sie ein Training durchgeführt.
Beim Training geht es um Veränderung
(Change). Es geht um Wandel. Und es geht um Lernen. Training ist
ein gestalteter Prozess, bei dem ein Individuum neue Fähigkeiten,
neues Wissen oder neues Verhalten erlernen soll. Ergebnis dieses
Prozesses ist die Veränderung des Individuums im Sinne einer
verbesserten oder gesteigerten Leistung. Diese Verbesserungen
tragen dazu bei, dass die Menschen und die Organisationen ihre
Aufgaben besser, schneller und leichter erfüllen. Die Qualität und
die Motivation werden gesteigert und der Return on Investment wird
erhöht.
Welche Trainingsformen gibt es?
Lernen findet auf vielerlei Weise statt.
Vielleicht haben Sie selbst bereits einmal in einem Gespräch mit
Ihrem Vorgesetzten etwas über die Vorteile Ihrer neuen Produkte
gelernt. Oder Sie haben ein Seminar besucht, um Ihre
Verhandlungsführung zu verbessern. Oder Sie haben einen Online-Kurs
über das neue Softwareprogramm absolviert. Vielleicht haben Sie
auch Golfstunden genommen, um endlich das lange Eisen besser
spielen zu können. Oder Sie sind von jemandem gecoacht worden, wie
Sie sich im Beruf diplomatischer verhalten können. Das
Schlüsselwort in allen diesen Beispielen ist »Lernen«. Jemand
erhält ein Training, damit er oder sie etwas lernt, um es
schließlich anders (und besser) machen zu können.
Trainer sind in allen Branchen gefragt –
von der Aalräucherei bis zur Zahnradfabrik. Sie werden in der
Privatwirtschaft, in öffentlichen Bildungseinrichtungen, in
gemeinnützigen Einrichtungen und in Ämtern und Behörden
beschäftigt.
Trainer arbeiten mit Menschen in allen
Positionen und auf allen Hierarchieebenen einer Organisation:
Vorstände, Manager, Vorgesetzte, Angestellte, Arbeiter in der
Produktion, Wissenschaftler, Künstler, Ärzte, Rechtsanwälte,
Ausbilder, Sicherheitskräfte, Verkäufer, Lehrer, Feuerwehrleute,
Autoren, Wachpersonal, Bedienpersonal – und mit Ihnen. Auch dieses
Buch ist eine Form des Trainings – ein Training, bei dem Sie den
Lernprozess durch die Lektüre selbst steuern.

Eine
kurze Lektion in Geschichte
Training gibt es schon seit der
Steinzeit. Zwar gab es vor viertausend Jahren noch keine
Train-the-Trainer-Seminare, doch ohne eine Form des natürlichen
Wissenstransfers hätten sich die Menschen nicht vom Erfinder des
Rades bis zum Erfinder des Computerchips weiterentwickelt. Von der
ersten Kutschfahrt bis zur Expedition ins Weltall ist es ein weiter
Weg! Das erste Training, wie wir es kennen, wurde wahrscheinlich im
18. Jahrhundert dokumentiert, als Künstler und Handwerker
Ausbildungsgänge schufen, die auf einer Abfolge von Zeigen,
Nachmachen, Rückmeldung und erneutem Nachmachen als natürlichem
Lernprozess beruhten.
Die Ursprünge dessen, was wir heute
als Erwachsenenbildung verstehen, lassen sich also auf die Wende
des 18. zum 19. Jahrhundert datieren und auf die damaligen
geistigen politischen und ökonomischen Veränderungen im Zuge der
Aufklärung zurückführen. Das Bürgertum des 18. Jahrhunderts
richtete Lese- und Literaturgesellschaften ein, die weitgehend
einer einflussreichen Gesellschaftsschicht bestehend aus
Akademikern und freien Berufsgruppen vorbehalten waren. In dieser
Tradition sieht sich ein weiter Teil dessen, was man in Deutschland
heute als Erwachsenenbildung bezeichnet. Im Zentrum steht der
allseits gebildete und weltoffene Mensch, der bereit ist, an sich
zu arbeiten und zu wachsen.
Heute gibt es zahlreiche Ansätze und
Anbieter in Deutschland. Neben Hochschulen, Fachhochschulen und
Volkshochschulen bieten unzählige private Vereine, Verbände,
Kammern und private und öffentliche Bildungseinrichtungen die
unterschiedlichsten Lehrgänge und Fortbildungen an.
Zwei einflussreiche Wissenschaftler
haben nach dem Zweiten Weltkrieg zur Professionalisierung der
Trainerbranche wesentlich beigetragen: Malcolm Knowles mit seiner
Theorie der Andragogik, einer Lerntheorie für Erwachsene, die sich
von einer Pädagogik für Kinder bewusst unterscheidet und im
Gegensatz zu einem eher inhaltszentrierten Ansatz den Schwerpunkt
auf das selbst gesteuerte Lernen setzt. Len Nadler prägte in den
70er-Jahren den Begriff Human Resource
Development und gab der Fachrichtung damit Struktur und
Organisation.
In den 90er-Jahren gingen viele
Praktiker daran, das Tätigkeitsfeld für Trainer weiter auszudehnen.
Sie machten es sich zur Aufgabe, Unternehmensziele an der Spitze
der Organisation mitzuformulieren und die entsprechenden Maßnahmen
und Change-Prozesse mitzugestalten. Die Anhänger dieser Richtung
setzten sich dafür ein, Interventionen, die traditionell unter den
Bereich Weiterbildung fallen, mit anderen Interventionen zu
verknüpfen. Das neue integrative Modell sollte auf der Messung der
Performance als Erfolgsmaßstab basieren.
Warum
braucht man Training?
Jedes Jahr stellen die meisten
Organisationen ein Budget für Weiterbildung zur Verfügung. Dies
lässt vermuten, dass sie Fort- und Weiterbildung für wichtig
halten. Warum halten sie solche Investitionen für gerechtfertigt?
Für Existenzgründer und Neuunternehmer spielt Training und
Weiterbildung eine zentrale Rolle bei der Schulung der Belegschaft
zur Erhöhung der Produktivität und Feinabstimmung der
Arbeitsprozesse, um die nötige Rendite zu erzielen. Etablierte
Unternehmen brauchen Training, damit die Menschen und die
Organisation Veränderungsprozesse bewältigen können. Techniken,
Ziele, Betriebsmittel, Menschen, Arbeitsorte – alles ist dauernden
Veränderungen unterworfen. Alle Mitarbeiter brauchen Training, um
diese Veränderungen mittragen und unterstützen zu können.
Ein abgestimmtes und umfassendes
Trainings- und Weiterbildungskonzept berücksichtigt vier
Hauptaspekte. In den meisten effizient arbeitenden Organisationen
werden sie an den entsprechenden Unternehmenszielen
ausgerichtet.





Was erwarten Organisationen, wenn sie in
Training und Weiterbildung investieren? Sie erhoffen sich eine
Veränderung und Leistungssteigerung ihrer Mitarbeiter! Ziel ist
es,








Es gibt viele Gründe, warum Menschen am
Arbeitsplatz sich weiterbilden. Einige davon:





Gehen den Trainern nicht nach und nach
die Leute aus, die sie trainieren könnten? Höchst unwahrscheinlich!
Organisationen müssen sich kontinuierlich anpassen und verändern.
Der technologische Fortschritt beeinflusst auch die Arbeit der
Trainer. Die Reserve an qualifizierten Arbeitskräften geht weltweit
in vielen Branchen zurück. Tausende neue Mitarbeiter treten jeden
Monat ihre neue Arbeitsstelle an. Schon allein das sorgt dafür,
dass wenigstens ein paar Trainer genug zu tun haben.
Trainerbranche im Wachstumsprozess
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts
macht die Trainerbranche einen deutlichen Wachstumsprozess durch,
und zwar in dreierlei Hinsicht:



Was beeinflusst diesen Prozess? Die
Entwicklung hat zu tun mit dem Unterschied zwischen Aktivität und
Ergebnis. In der Vergangenheit war die Zahl der Seminarteilnehmer
der Maßstab, heute sind es die Dinge, die direkt das
Geschäftsergebnis beeinflussen: gesteigerte Produktivität, bessere
Verkaufszahlen, höhere Qualität, weniger Fehler, geringe
Mitarbeiterfluktuation und anderes. Die Betriebe haben Wege
gefunden, die Auswirkung des Trainings auf die Geschäftszahlen zu
messen und orientieren sich am Return on Investment (ROI).
Gibt
es Training nur für Unternehmen?
Training und Bildung überhaupt findet
selbstverständlich nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch sonst in
Ihrem Leben statt. Vielleicht wollen Sie Klavier spielen oder Yoga
praktizieren. Oder Sie wollen Ahnenforschung betreiben und
interessieren sich für italienische Malerei. Wenn dem so ist,
suchen Sie in den Gelben Seiten nach einem geeigneten Lehrer oder
belegen einen Kurs an der Volkshochschule. Sie suchen also aus
verschiedensten Motiven eine individuelle Form des Trainings
außerhalb Ihres Arbeitsplatzes:




Für alle Bereiche Ihres Lebens gibt es
Lern- und Trainingsmöglichkeiten.
Was tun
Trainer eigentlich?
Die Zeiten ändern sich und die Aufgaben
eines Trainers ebenfalls. Ein Trainer schlüpft heute in viele
Rollen. So viele Rollen es gibt, so viele Bezeichnungen kursieren
in der Weiterbildungsbranche. Die folgende Liste bietet Ihnen eine
Auswahl davon.























Auch wenn diese Liste wie eine wilde
Zusammenstellung unterschiedlichster Begriffe aussieht, zielen alle
diese Rollenbezeichnungen auf eine Gemeinsamkeit ab: Es geht darum,
dass Menschen Wissen oder Fähigkeiten erwerben oder ihr Verhalten
beziehungsweise ihre Einstellungen ändern. Im vorigen Abschnitt
habe ich darauf hingewiesen, dass unerfahrene Trainer ihre
Berufslaufbahn meistens damit beginnen, in diesem Feld der
Wissensvermittlung und des Verhaltenstrainings zu arbeiten. Diese
Arbeit ist und bleibt die tragende Säule des Trainergeschäfts.
Gruppenunterricht ist nach wie vor die gängigste Methode und macht
etwa 70 Prozent aus. Computerbasiertes Training (ohne Lehrer) und
Online-Lernen mit Unterstützung aus der Ferne (durch Web- oder
Videokonferenzen) waren in den letzten Jahren leicht im Aufschwung.
Derzeit stagniert dieser Bereich eher.
Die beiden Rollen (Trainingsdesign und
Unterricht) lassen sich weiter in zwei Hauptkategorien unterteilen.
Alle professionellen Trainer gestalten eine Lernumgebung und/oder
machen sie erlebbar. Ob Sie nun planen, selbst unterrichten oder
von beidem etwas: Auf alle Fälle haben Sie zwei Dinge in den Griff
zu bekommen: den Inhalt und den Prozess.


Dieses Buch bietet Ihnen beides: Tipps
und Techniken zum Inhalt und zum Prozess.
Schätzen Sie Ihr Trainingspotenzial ein
Für jede berufliche Laufbahn oder
Karriere lassen sich eine Reihe von Eigenschaften benennen, die man
idealerweise besitzen sollte, um den Job auch wirklich gerne zu
machen und Zufriedenheit zu erleben. Die folgende Liste hilft Ihnen
dabei, Ihr Talent für den Trainerberuf einzuschätzen.
























Schauen Sie sich die Liste genau an.
Welche dieser Eigenschaften besitzen Sie, was fällt Ihnen leicht?
Woran müssen Sie härter arbeiten, um als Trainer erfolgreich und
zufrieden zu sein?
Bestandsaufnahme Ihrer Fähigkeiten
Die natürliche Eignung für einen Beruf
ist das eine, der Erwerb spezifischer Fähigkeiten für die jeweilige
Tätigkeit das andere. Die American Society for Training &
Development (ASTD) hat dazu eine Kompetenzstudie für Trainer im
Bereich Workplace Learning and Performance
(2004) veröffentlicht. Die Studie umfasst die Aufgaben, Kompetenzen
und Wissensbereiche dieses Berufes, außerdem wurden die
erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten definiert, wie sie der
folgende Fragebogen (Tabelle 1.1) auflistet.
Nehmen Sie einen Stift zur Hand und
füllen Sie den Fragebogen aus, um Ihre Stärken festzustellen, aber
auch die Bereiche, die Sie noch verbessern müssen, damit Sie
effektiv arbeiten können. Diese Bestandsaufnahme hilft Ihnen, sich
für Ihre individuelle berufliche Entwicklung die richtigen Ziele zu
stecken.
Zur Bestandsaufnahme gehören zwei
Beurteilungsskalen, das heißt, Sie beurteilen jede Fähigkeit aus
zwei Perspektiven: In Spalte 1 beurteilen Sie, wie stark die
Fähigkeit bei Ihnen ausgeprägt ist, in Spalte 2 tragen Sie ein, wie
wichtig Sie die Fähigkeit für Ihre jetzige Tätigkeit
erachten.
In Spalte 1 (Bewertung eigener
Fähigkeiten) verwenden Sie folgende Skala:
5 herausragende Fähigkeit (eines meiner
Talente)
4 überdurchschnittliche Fähigkeit
3 durchschnittliche oder mäßige
Fähigkeit
2 kaum ausgebildete Fähigkeit
1 keine Erfahrung oder Ausbildung in diesem
Bereich
In Spalte 2 (Relevanz der Fähigkeit für
die jetzige Tätigkeit) orientieren Sie sich bitte an folgender
Bewertung:
5 einer der wichtigsten Aspekte des
Berufs
4 überdurchschnittlich wichtig
3 durchschnittlich wichtig
2 gelegentlich erforderlich
1 kaum erforderlich
0 unbedeutend
Tabelle 1.1:
Trainingswissen und -fähigkeiten (Liste zur
Selbstprüfung)




Ihre
Selbsteinschätzung
Und, wie lief’s? Vielleicht war Ihnen
manche Beschreibung nicht ganz klar, doch das macht im Moment
nichts. Im Verlauf dieses Buches wird Ihnen jede der aufgeführten
Fähigkeiten näher erläutert.
Nehmen Sie sich noch ein paar Minuten
Zeit und machen Sie ein Pluszeichen (+) neben die Punkte, bei denen
Sie sich mit 5 bewertet haben. Hier liegen Ihre Talente. Sie bilden
die Grundlage für Ihren Beruf als Trainer. Markieren Sie Ihre drei
größten Talente deutlich und kreisen Sie sie ein.
Als Nächstes zählen Sie die erreichten
Punkte in Spalte 1 zusammen. Die Höchstzahl ist 200. Wer 150 oder
mehr Punkte erreicht, ist in der Regel ein vielseitiger und fähiger
Trainer. Liegen Sie drunter? Kein Grund zur Sorge. Deshalb gibt es
ja dieses Buch.
Dann ziehen Sie bei jeder der vierzig
Fähigkeiten die Bewertung aus Spalte 2 von der in Spalte 1 ab und
tragen das Ergebnis in Spalte 3 ein. Wenn sich eine negative Zahl
ergibt, heißt das, dass diese Aufgabe für Ihren Beruf wichtig ist
und Ihre Fähigkeiten in dieser Hinsicht noch nicht mithalten
können. Dort müssen Sie sich also deutlich verbessern. Markieren
Sie diese Stellen ebenfalls, vielleicht in einer anderen Farbe oder
zeichnen Sie einen Kasten drum herum. Wenn Sie in der Spalte keine
Minuszahlen haben, nehmen Sie einfach die mit dem niedrigsten
Ergebnis.
Das Ergebnis zeigt Ihnen nun die
allgemeine Richtung, in die Sie Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten
weiterentwickeln sollten. Vielleicht wollen Sie eines der vielen
Weiterbildungsangebote für sich selbst in Anspruch nehmen und ein
Trainerzertifikat erwerben.
Wie
wird man Trainer?
Es gibt so viele Wege, die zum
Trainerberuf führen, wie es Arten von Trainings gibt. Viele Trainer
können Ihnen davon erzählen, wie sie quasi durch die Hintertür zu
ihrem Beruf gekommen sind. Ich war bereits seit einem Jahr Trainer,
bis mir wirklich klar wurde, dass ich damit einen eigenständigen
Beruf ausübe. Training war für mich zu einer Nebenbeschäftigung
neben dem »echten« Beruf geworden, den ich damals ausübte, und ich
hatte bis dahin noch gar nicht daran gedacht, dass man den
Trainingsprozess vielleicht genauer unter die Lupe nehmen könnte,
um eine gewisse Effektivität sicherzustellen! Erst nachdem ich eine
Weile mit verschiedenen Trainingsmethoden und Unterrichtsformen
experimentiert und – um ehrlich zu sein – herumgewurstelt hatte,
führte mich meine Recherche zu dem großen Wissensgebiet der
Erwachsenenbildung. Bis dahin hielt ich mich für die Erfinderin
einer Erwachsenendidaktik! Ich muss gestehen, dass ich ein bisschen
enttäuscht war, als ich die Bücher von Malcolm Knowles kennen
lernte!
Die meisten festangestellten Trainer
haben, bevor sie in die Personalentwicklung oder
Weiterbildungsabteilung gewechselt sind, in anderen Abteilungen
gearbeitet. Manche haben vielleicht eine Fortbildung absolviert und
wollen nicht mehr als Lernender in der Bank sitzen, sondern lieber
vorne als Trainer stehen. Manche sind vielleicht eher zufällig dazu
gekommen, anderen ein neues Produkt, eine Dienstleistung oder
Ähnliches zu vermitteln, und haben Gefallen an dieser Aufgabe
gefunden. Manche belegen auch spezielle Fortbildungskurse zur
Erwachsenenbildung.
Egal, wie Sie dahin gekommen sind, wo Sie
jetzt stehen, ob Sie Teilzeit- oder Vollzeittrainer sind oder ob
Sie es erst noch werden wollen, denken Sie daran, dass Sie sich
qualifizieren sollten, um die Grundlage für eine professionelle
Berufsausübung zu legen.
Aus dem
Leben eines Trainers
Wie sieht ein typischer Tag im Leben
eines Trainers aus? Für die meisten Trainer ist kein Tag wie der
andere, deshalb ist »untypisch« wohl die bessere Bezeichnung.
Begleiten Sie also einen Tag lang den internen Trainer Jochen
Becker bei seiner Arbeit.
Jochen Becker ist seit mehreren Jahren
bei der Firma Ehrliche Produkte und Dienste (EPD) beschäftigt. Er
war zunächst im Marketing tätig. Ein Kurs über
Kommunikationstechniken, den er belegt hatte, gefiel ihm jedoch so
gut, dass er sich als Trainer in der Abteilung für interne
Weiterbildung bewarb.
Jochen Beckers Chefin berichtet an den
Leiter der Personalentwicklung, der mit anderen Führungskräften die
strategische Ausrichtung und Zielsetzung des Unternehmens bestimmt.
Alles, was ihre Abteilung unternimmt, steht in Einklang mit der
Gesamtstrategie. Sobald ein Abteilungsleiter wegen eines
Trainingsprogramms mit Beckers Chefin Verbindung aufnimmt,
überprüft sie zunächst, inwiefern ein Training zur Gesamtstrategie
passt. Dann führt sie eine Bestandsaufnahme durch. Sobald sie sich
sicher ist, dass ein Training das Richtige ist, übergibt sie das
Projekt an Jochen Becker und sein Team, bestehend aus einem
Weiterbildungsspezialisten, einem Experten für das jeweilige
Themengebiet und einem Fachmann für computerbasiertes Lernen.
Jochen Becker hat mit seinem Team die
letzten Wochen damit verbracht, ein Trainingsprogramm
zusammenzustellen und auf die Bedürfnisse der entsprechenden
Abteilung abzustimmen. Zunächst hat er eine Bedarfseinschätzung
vorgenommen, sich in das Thema tiefer eingearbeitet und in der
Abteilung zusätzliche Interviews durchgeführt. In den Gesprächen
ging es um den Inhalt, den Zeitrahmen, die Zielgruppe und die
Räumlichkeiten. Ergebnis war ein Unterrichtsmodul mit
Teilnehmerunterlagen, einer PowerPoint-Präsentation, einem
E-Learning-Paket zur selbstständigen Nachbereitung und eine
schriftliche Zusammenfassung als Arbeitshilfe (job
aid). In dieses Konzept hat Jochen Becker viele Stunden
Arbeit investiert.
Ein Probelauf für die Unterrichtseinheit
ist für heute angesetzt. Gestern haben Becker und sein Team die
Materialien für den Workshop fertiggestellt, den Raum gerichtet,
die technischen Geräte kontrolliert und das Essen vorbestellt, das
von der Cafeteria geliefert werden soll.
Nun ist der Tag des Trainings gekommen.
Jochen Becker ist eine Stunde früher vor Ort, damit alles in
Ordnung ist. Die ersten Teilnehmer kommen bereits eine
Dreiviertelstunde vor dem offiziellen Beginn. Becker stellt sich
den eintrudelnden Teilnehmern einzeln vor und erfährt so, dass sich
viele nicht sicher waren, wo das Seminar stattfinden wird, und
manche zum ersten Mal an einem Training teilnehmen. Er ist froh,
das Training so gut vorbereitet zu haben, denn jetzt hätte er keine
Zeit mehr dazu. Er hat sich vergangene Woche die Unterlagen selbst
laut vorgelesen, mit seinem Team einen Testlauf durchgeführt, mit
seinen Kollegen die einzelnen Aktivitäten ausprobiert und manche
Themen sogar mit seiner Familie diskutiert. Er fühlt sich
sicher.
Er hat seiner Frau bereits angekündigt,
dass es heute spät werden wird. Im Anschluss an das Training, das
planmäßig um 16.30 Uhr zu Ende sein soll, wird sich das Team noch
zur Manöverkritik zusammensetzen und besprechen, ob der Ablaufplan
für den folgenden Tag oder die vorbereiteten Inhalte noch angepasst
werden müssen.
Nach diesem zweitägigen Seminar wird
Jochen Becker mit seinem Team auf Grundlage des Teilnehmerfeedbacks
kleine Modifikationen an dem Trainingsdesign vornehmen. Er wird
sich darum kümmern, dass alle Teilnehmer die Materialien zur
Nachbereitung auch nutzen, und spricht auch mit dem
Abteilungsleiter. Gleichzeitig beginnen die Planungen für weitere
Seminare vor Ort und in Tagungshotels. Dafür wird er einige Tage
unterwegs sein, freut sich aber darauf, einige Teilniederlassungen
seines Unternehmens mal wieder zu sehen.
Jetzt ist es kurz vor acht, das Seminar
geht gleich los. Jochen Becker schaut in die Teilnehmerrunde. Er
ist zufrieden, als Trainer seiner Firma einen messbaren Nutzen
bringen zu können, der sich am Ende auch in den Zahlen bemerkbar
macht. Sein Job macht ihm Freude. Derart gut gestimmt, begrüßt er
die Gruppe mit einem Lächeln: »Guten Morgen!«
Haben
Sie, was man braucht?
Obwohl einem außenstehenden Beobachter
der Trainerberuf vielleicht wie eine glanzvolle Tätigkeit erscheint
(so wie manch anderer Beruf auch), hat er doch seine versteckten
Herausforderungen, die man nicht unmittelbar wahrnimmt. Die im
vorigen Abschnitt beschriebenen Fähigkeiten sind nur einige der
Voraussetzungen. Für den Erfolg viel entscheidender und gar nicht
so einfach zu haben ist eine große mentale wie emotionale
Stabilität und Gelassenheit. Als Trainer zu arbeiten fordert den
ganzen Menschen. Man braucht viel Energie und Kraft. Wenn Sie
leicht ermüden, sich schnell entmutigen oder frustrieren lassen,
wenn die Dinge nicht nach Plan laufen, ist das Trainerdasein
wahrscheinlich nicht das Richtige für Sie. Denken Sie also über
folgende Aspekte nach:












Ja, Training ist ein fordernder, manchmal
hektischer und oft schwieriger Beruf. Langweilig wird er nie.
Training gibt es, damit Veränderung leichter wird und der Wandel in
Richtung einer besseren Zukunft vorangetrieben wird. Die
verstorbene Christa McAuliffe, Lehrerin und Astronautin der NASA,
hat es so ausgedrückt: »Ich berühre die Zukunft, ich unterrichte.«
(I touch the future, I teach.)