29

Matthiessen und Erdmann wollten noch schnell einen Blick in den Einsatzraum werfen, bevor sie zu Stohrmanns Büro gingen. Allerdings konnten sie dessen laute Stimme bereits hören, noch bevor sie die Tür zum Einsatzraum geöffnet hatten. Der Gang zu seinem Büro würde sich also erübrigen.

Sie waren gerade eingetreten, als Matthiessens Handy klingelte. Sie sah auf das Display, zog die Brauen hoch und ließ ihren Blick durch den großen Raum schweifen. Auf einem der Kollegen, der mit dem Hörer am Ohr an einem der Schreibtische saß, blieb er hängen. Stohrmann stand hinter ihm. Als er Matthiessen entdeckte, klopfte er dem Mann auf die Schulter. »Hat sich erledigt, da ist sie.«

»Jahn hat gerade hier angerufen«, sagte er, während sie auf ihn zugingen. »Er war sehr aufgeregt und hat was von Hausfriedensbruch erzählt und von Drohungen, die gegen ihn ausgestoßen worden seien. Raten Sie mal, wer ihm gerade einen Besuch abstattet?«

»Keine Ahnung, wer?«, fragte Erdmann, um die Sache abzukürzen.

»Ihr Freund Christian Zender.«

»Was zum Teufel –«, setzte Erdmann an, wurde aber von Matthiessen unterbrochen. »Haben Sie jemanden vom Observierungsteam zu ihm geschickt?«

Stohrmann schüttelte in einer theatralischen Geste den Kopf. »Das hätten Sie wahrscheinlich getan, Frau Matthiessen, nicht wahr? Und ihm damit verraten, dass er beschattet wird. Ich habe selbstverständlich niemanden aus dem Team zu ihm beordert, sondern einen Streifenwagen.«

»Sie haben mich falsch verstanden, Herr Hauptkommissar.« Matthiessens Stimme klang unpersönlich und kalt. »Was ich meinte, war: Haben Sie etwa jemanden vom Observierungsteam zu ihm geschickt. Es beruhigt mich aber, dass Sie es nicht getan haben.«

Erdmann warf ihr einen überraschten Blick zu. Endlich begann sie, sich gegen Stohrmann zur Wehr zu setzen. Der schien nicht minder verwundert zu sein. Es dauerte eine Weile, bevor er ihr antwortete, und Erdmann entgingen nicht die verhalten grinsenden Gesichter hinter ihm.

»So, Sie … Wie auch immer. Ich habe den Kollegen von der Streife jedenfalls gesagt, sie sollen dort mit ihm auf Sie warten. Fahren Sie hin und sehen nach, was da los ist. Dieser Zender fängt an, äußerst lästig zu werden. Machen Sie ihm klar, wenn wir noch mal einen Anruf seinetwegen erhalten, hat er eine Menge Ärger am Hals.«

Noch bevor sie die Tür erreicht hatten, rief er ihnen hinterher: »Ach, Moment, wo wir gerade bei Herrn Jahn sind, da ist noch was.« Er ging zu einem der Tische, nahm ein Blatt Papier, das dort lag, und sah es sich an. »Diese Zeitung, die die ganze Sache heute Morgen so reißerisch präsentierte, hat den Tipp per Mail bekommen, von irgendeiner Phantasieadresse. Über die IP-Adresse und den Provider konnten wir zwar den Absender bisher noch nicht genau lokalisieren, aber von den möglichen Kandidaten ist nur einer bei diesem Provider, und das ist Jahn. Haken Sie mal nach und bringen Sie es aus ihm heraus, ob er’s war.«

Im Flur klopfte Erdmann seiner Kollegin auf die Schulter. Er sagte nichts, aber das war auch nicht nötig.

Matthiessen sprach unterwegs mit einem Kollegen aus dem Observierungsteam, der erklärte, der junge Mann sei etwa eine halbe Stunde zuvor angekommen, allein. Er habe geklingelt und sich kurz mit Jahn an der Haustür unterhalten. Dann habe der Autor ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Auf erneutes Klingeln und Klopfen sei die Tür noch einmal kurz geöffnet und wieder zugeschlagen worden. Danach habe Zender sich vor dem Haus auf den Boden gesetzt und sei alle paar Minuten aufgestanden, um Sturm zu läuten und gegen die Tür zu hämmern, bis der Streifenwagen angekommen war und die beiden Kollegen ihn von Jahns Grundstück geführt hatten.

Sie fanden Christian Zender auf dem Mäuerchen eines Nachbargrundstücks sitzen, die uniformierten Beamten standen links und rechts von ihm und unterhielten sich. Er machte sich nicht die Mühe aufzustehen, als Matthiessen und Erdmann auf ihn zugingen, und er sah sie auch nicht an. Die Hände unter die Oberschenkel geschoben, saß er leicht vornübergebeugt da und schien sich gerade brennend für seine blauen Converse zu interessieren, die er von allen Seiten betrachtete. Selbst als sie vor ihm stehen blieben, zeigte er keine Reaktion. Matthiessen fragte, ob er Schwierigkeiten gemacht hätte, was ihre Kollegen verneinten. Sie bat die beiden, an ihrem Streifenwagen zu warten, und wandte sich direkt an Zender. »Was tun Sie hier?«

Er unterbrach seine Schuhbegutachtung und sah sie an. »Das, was die Polizei offensichtlich nicht für nötig hält, Frau Hauptkommissarin. Ich möchte demjenigen ein paar Fragen über Ninis Verschwinden stellen, der wohl am meisten darüber weiß. Dem, der sich diese ganze scheußliche Sache ausgedacht hat.«

»Sie haben sich gegen den Willen des Besitzers auf privatem Grund aufgehalten, Herr Zender«, sagte Erdmann. »Das ist Hausfriedensbruch.«

»Ach, und dass man Nini entführt hat und vielleicht umbringen wird? Was ist das? Ist das nicht vielleicht wichtiger als mein Haus, dein Haus

»Sie machen sich heimlich Schlüssel nach, Sie halten sich unberechtigt auf fremden Grundstücken auf – Glauben Sie eigentlich, Sie können ungestraft tun und lassen, was Sie wollen?«

Mit einem schiefen Grinsen hob Zender mahnend den Zeigefinger und sagte mit bedeutungsschwerer Stimme: »Discite moniti!« Erdmann warf Matthiessen einen Blick zu, doch die zuckte mit den Schultern, was auch Zender registriert haben musste. »Lernt, ihr Ermahnten, Herr Oberkommissar. Ich wollte Ihnen damit auf ironische Weise sagen, dass Sie sich Ihre Belehrungen schenken können. Wie Sie wissen, bin ich angehender Jurist.«

Matthiessen hob die Hand und hinderte Erdmann so daran, Zender über den Mund zu fahren. Mit bemerkenswert ruhiger Stimme sagte sie: »Wir können verstehen, dass Sie sich große Sorgen um Ihre Freundin machen, aber an gewisse Dinge müssen Sie sich trotzdem halten. Erzählen Sie doch bitte mal, was genau Sie von Herrn Jahn eigentlich wollten.«

Das schien zu wirken. Der bis zu diesem Moment verbissen wirkende Gesichtsausdruck des jungen Mannes entspannte sich deutlich. »Ich wollte nur von ihm wissen, was man seiner Meinung nach mit Nini gemacht hat, und vor allem, ob er eine Vorstellung davon hat, wo man sie hingebracht haben könnte. Er muss doch zumindest eine Idee haben, er hat das Buch schließlich geschrieben.« Glaubst du, dachte Erdmann. »Aber der Kerl dachte gar nicht daran, mir zu helfen. Er hat mir die Tür vor der Nase zugeschlagen. Mistkerl.«

»Was hätten Sie denn getan, wenn er mit Ihnen geredet und Ihnen tatsächlich irgendwelche Tipps gegeben hätte?«

»Dann wäre ich damit natürlich zu Ihnen gekommen, wie es meine Pflicht ist.«

Matthiessen legte den Kopf ein wenig schief. »Sicher?«

»Natürlich, ganz sicher. Was sollte ich selbst denn schon ausrichten?«

»Das ist gut, denn wir wollten uns sowieso gerade mit Herrn Jahn unterhalten. Natürlich werden wir ihm diese Fragen auch wieder stellen. Sie können das also getrost uns überlassen und weiter bei Freunden und Bekannten nach Frau Hartmann suchen.«

»Was macht eigentlich Herr Schäfer?«, wollte Erdmann wissen, und er musste sich zugestehen, dass er das mit einer gewissen Schadenfreude tat.

»Ach, Dirk … der ist im Moment nicht so gut auf mich zu sprechen. Amicus certus in re incerta cernitur. In der Not erkennst du den wahren Freund.«

»Hatten wir den Spruch nicht schon? Sie lassen nach.«

»Also, wir gehen jetzt zu Herrn Jahn. Unsere Kollegen da vorne am Streifenwagen warten auf Sie, sie bringen Sie nach Hause.«

»Aber –«

»Nein«, sagte Erdmann bestimmt. »Kein Aber. Wir gehen da rein, Sie fahren nach Hause. Und wenn Sie Glück haben, können wir Herrn Jahn sogar davon abbringen, Sie wegen Hausfriedensbruchs anzuzeigen. Aber das hängt auch davon ab, wie kooperativ Sie sich jetzt zeigen. Also – Auf Wiedersehen.« Nach einem letzten, kurzen Zögern, wandte Zender sich schließlich ab und ging mit hängenden Schultern zu dem Streifenwagen und den dort wartenden Polizisten.

Christoph Jahn öffnete die Tür schon, als sie noch ein paar Meter vom Eingang entfernt waren. Man konnte ihm den Ärger über Zenders Verhalten deutlich ansehen. Aber da war auch noch etwas anderes, das Erdmann auffiel, das er aber nicht benennen konnte.

»Haben Sie den Mann verhaftet? Was manche Leute sich herausnehmen. Sie hätten mal hören sollen, wie der mit mir geredet hat.«

»Er wird gerade von zwei Kollegen weggebracht, Herr Jahn«, erklärte Matthiessen. »Wir würden uns gerne noch mal mit Ihnen unterhalten. Dürfen wir reinkommen?«

»Ähm … ja, kommen Sie.« Jahn machte den Eingang frei und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Erdmann fand, er sah blass aus und wirkte sehr nervös, und er fragte sich, ob Zenders Besuch der Grund dafür war.

Helga Jäger war nicht zu sehen. Jahn erklärte auf Matthiessens Nachfrage, sie sei zum Einkaufen gefahren und schon einige Zeit unterwegs.

»Was wollte Herr Zender eigentlich von Ihnen?« Erdmann legte seinen Notizblock vor sich auf den Couchtisch.

Jahn rieb die Hände gegeneinander und begann dann, seine Finger zu kneten. Er erschien Erdmann wie ausgewechselt. Aus dem relativ ruhigen Mann war ein Nervenbündel geworden. »Er sagte, er sei ein Freund dieser Studentin, Nina, und er müsse mir Fragen stellen. Ich habe ihm gesagt, dass ich nichts weiß und dass er gehen soll. Da wurde er gleich unverschämt und hat mir gedroht, wenn ich ihm nicht helfen wolle, würde er einen Leserbrief an die HAT schicken, an Dieter Kleenkamp persönlich, und darüber berichten, dass ich als Autor von Das Skript mich weigere, in dem Fall zu helfen. Der würde das sicher in der HAT abdrucken, es ginge ja auch um seine Tochter. Da habe ich die Tür geschlossen und bei der Polizei angerufen.«

»Herr Jahn, es gibt einige Dinge, über die wir mit Ihnen sprechen möchten«, übernahm Matthiessen. »Zuerst müssen wir etwas klären, das für uns sehr wichtig ist, weil es dabei um Glaubwürdigkeit geht. Um Ihre Glaubwürdigkeit. Es betrifft die Informationen über den Fall, die an dieses Boulevardblatt gegangen sind.« Sie machte eine Pause, in der sie Jahn ansah. Der beendete das Kneten seiner Finger und zuckte mit den Schultern. »Ja, ich gebe es ja zu.« Also doch. »Sie wissen doch selbst, wenn die es nicht von mir erfahren hätten, dann von jemand anderem. Außerdem gibt es überhaupt keinen Grund, die Öffentlichkeit nicht zu informieren. Im Gegenteil, Sie hätten es selbst öffentlich machen müssen. Schließlich sind Sie auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen, das wissen Sie.«

»Sie haben uns heute Morgen also bewusst nicht die Wahrheit gesagt.« In Matthiessens Stimme klang gerade so viel Vorwurf mit, dass es sich nicht nach Belehrung anhörte. Erdmann kritzelte ein paar Sätze auf den Block. »Woher wollen Sie eigentlich wissen, dass wir keinen Grund dafür hatten, die Informationen zurückzuhalten, Herr Jahn?«

Ein erneuter, nervöser Blick zur Armbanduhr. »Sie haben mir keinen genannt. Ich habe Ihnen ja gleich gesagt, dass ich nicht verstehe, warum Sie die Öffentlichkeit außen vor lassen wollen.«

»Haben Sie noch einen Termin?«

»Ähm … nein, also nicht direkt einen Termin. Ich wollte eigentlich gleich noch weg.«

»Aha. Wohin?«

»Ach, Recherche. Für meinen neuen Roman.«

»Darf ich fragen, wo und mit wem?«

»Mit niemandem. Ich sagte ja schon, es ist keine Verabredung. Ich möchte sehen, wie die Sonne zu einer bestimmten Uhrzeit an einer bestimmten Stelle steht und wie die Schatten dort fallen. Ich möchte bei der Beschreibung eines Ortes keine Fehler machen, das ist mir wichtig.«

»Wie wichtig ist Ihnen Ihr geistiges Eigentum, Herr Jahn?«, fragte Matthiessen weiter.

»Was meinen Sie? Ich verstehe die Frage nicht.«

»Meine Kollegin möchte wissen, wie sehr Sie Ihren Lektor Werner Lorth dafür hassen, dass er Ihre Manuskripte nicht lektoriert, sondern größtenteils neu geschrieben hat.«

Jahn wurde kreidebleich. »Was soll das denn bedeuten? Wie kommen Sie darauf, dass ich ihn hasse? Ich mag ihn nicht sonderlich, das stimmt, aber –«

»Herr Lorth hat uns gegenüber zugegeben, dass Sie von Ihrem Verlag dazu genötigt wurden, eine Klausel zu unterschreiben, die es Ihrem Lektor gestattet, aus Ihren Manuskripten sozusagen neue Romane zu machen, die dann aber trotzdem unter Ihrem Namen erscheinen.«

Jahn blickte Matthiessen ungläubig an. »Das hat er Ihnen gesagt?«

»Ja, das hat er gesagt, und der Programmchef, Herr Lüdtke, hat es bestätigt.«

»Lüdtke? Ausgerechnet? Das ist ja interessant. Die ließen mich eine Klausel unterschreiben, dass ich eine Strafe in einer Höhe zahlen muss, die mich ruiniert hätte, wenn ich auch nur ein Sterbenswörtchen darüber verloren hätte. Und jetzt erzählen sie selbst alles.«

»Dann stimmt es also? Werner Lorth hat Ihre Romane umgeschrieben?«

Jahn nickte, die Nervosität hatte zumindest für den Moment einer grimmigen Wut Platz gemacht. »Ja, er hat sie umgeschrieben. Dieser Stümper hat aus meinen akribisch recherchierten Handlungen und Personen billige Schundromane gemacht. Das ist der wahre Grund, warum sie sich nicht gut verkaufen. Und jetzt, wo sie merken, dass sie es versaut haben, greifen sie zu …« Er verstummte.

»Zu was?«, hakte Erdmann sofort nach. Sein Puls hatte sich beschleunigt. Als Jahn nicht sofort antwortete, setzte er nach, lauter und bestimmter: »Antworten Sie. Was wollten Sie sagen? Wozu greifen sie, Herr Jahn?«

»Ach, ich …«

»Na los, nun sagen Sie schon. Sofort. Was wissen Sie? Es geht hier um den Mord an mehreren Menschen, verdammt. Reden Sie.«

»Ich weiß gar nichts, aber ich denke, dass die das vielleicht getan haben«, presste er schnell heraus und sackte gleich darauf in sich zusammen.

»Was bringt Sie zu dieser Annahme?« Matthiessen ließ ihm keine Zeit, und Erdmann wusste, warum. Sein Entschluss, zu sagen was er wusste oder dachte, konnte sich mit jeder weiteren Sekunde, die verstrich, wieder ändern.

»Weil sie am meisten davon profitieren, wenn die Bücher gut laufen, und weil sie den größten Schaden haben, wenn sie sich nicht verkaufen. Sie haben mir ein hohes Garantiehonorar bezahlt.«

»Aber Sie selbst verdienen auch gut damit, wenn Ihre Bücher gekauft werden, oder etwa nicht?«

»Ja, aber lange nicht so viel wie der Verlag.«

»Aber Sie haben die Zeitungen informiert, weil Sie wussten, wenn die Story veröffentlicht wird, sind Ihre Bücher innerhalb weniger Stunden ausverkauft.«

»Die Zeitungen hätten es doch sowieso erfahren. Und den armen Frauen nutzt es auch nichts, wenn mein Buch nicht verkauft wird. Ich habe kein Geheimnis daraus gemacht, dass ich Geld brauche. Denken Sie, das hätte ich Ihnen freiwillig gesagt, wenn ich etwas mit der Sache zu tun hätte? Ich habe Ihnen mein Motiv sozusagen frei Haus geliefert.« Er sah wieder auf seine Uhr. »Ich … bitte entschuldigen Sie, aber ich muss jetzt gleich los. Wenn ich zu spät komme, kann ich nicht weiterschreiben. Vielleicht können wir uns später noch mal unterhalten?«

Erdmann sah zu Matthiessen hinüber, sie musste das entscheiden. Er hätte Jahn in diesem Moment definitiv nicht gehen lassen. »Hm … Also gut. Eines noch: Wie verlief das Telefonat zwischen Ihnen und Frau Hansen heute Morgen?«

»Ach, ja klar, sie hat Ihnen davon erzählt. Sie ist enttäuscht von mir, weil die Bücher nicht komplett von mir geschrieben sind. Sie fühlt sich von mir betrogen. Aber ich denke, sie wird sich wieder beruhigen. Ich habe ihr erklärt, dass Lorth mich dazu gezwungen hat, seine Änderungen zu akzeptieren.«

»Und danach? Wie haben Sie sich nach dem Telefonat gefühlt?«

»Wie meinen Sie das? Ich habe mich über Lorth geärgert, sonst nichts.«

»Wie hat sich dieser Ärger ausgewirkt?«

»Wie meistens bei mir. Ich habe mich in mein Arbeitszimmer zurückgezogen und so lange an meinem Manuskript gearbeitet, bis es mir wieder besserging. Ich schreibe in solchen Situationen Szenen, in denen einer der Protagonisten wütend ist, die werden dann sehr authentisch. Aber jetzt muss ich wirklich los, tut mir leid.«

Matthiessen und Erdmann waren schon einige Meter von der Haustür entfernt, als Jahn ihnen nachrief: »Ach, einen Moment noch, bitte.« Sie drehten sich zu ihm um. »Da ist noch was. Vor ein paar Wochen, da war ich bei Lüdtke wegen meines neuen Manuskripts. Dabei haben wir auch darüber gesprochen, dass meine Bücher sich nicht so toll verkaufen, und da sagte er etwas, das ich damals schon sehr seltsam fand. Aber wenn ich es mir jetzt überlege, hat es noch mal eine ganz andere Qualität. Lüdtke sagte, am besten wäre es, wenn wieder so was passieren würde wie vor vier Jahren mit dem Nachtmaler

Erdmann nickte. »Danke für die Information.«

 

»Warum hast du ihn von der Angel gelassen?« wollte Erdmann von seiner Kollegin wissen, als sie Jahns Grundstück verlassen hatten. »Hast du nicht bemerkt, wie nervös er war?«

»Natürlich habe ich das bemerkt. Aber ich möchte wissen, wohin er jetzt fährt.«

»Aha, dann glaubst du also mittlerweile auch, dass der Herr Autor Dreck am Stecken hat?«

»Nein, jetzt noch weniger als zuvor. Sein ganzes Verhalten … Ich glaube nicht, dass er sich so verstellen kann. Aber es könnte trotzdem interessant sein, wohin er fährt.«

Sie rief einen der Kollegen vom Observierungsteam an und mahnte zu besonderer Aufmerksamkeit, wenn Jahn das Haus verließ. »Wir bleiben auch an ihm dran. Sagen Sie es auch den beiden, die die Rückseite beobachten.« Sie waren am Golf angekommen und setzten sich hinein. Erdmann hoffte, dass sie nicht zu lange warten mussten. »Was hältst du von der Geschichte mit Lüdtke?«

»Er sagte ja was Ähnliches schon zu uns. Ich denke, der Kerl ist eiskalt, wenn es ums Geschäft geht.«

»Und? Glaubst du, er hat was damit zu tun?«

»Ich weiß es nicht, aber bei ihm würde ich es nicht ausschließen.«

Sie konzentrierten sich auf die Einfahrt des Grundstücks, wo Jahn bald herauskommen musste.

Er kam nicht.