Achtunddreißig

Er gab keinen Ton von sich. Es war der Morgen, nachdem Kiddi Kolke sich Pálmi gegenüber zu erkennen gegeben hatte. Sie hatten versucht, den nächtlichen Einbrecher dazu zu bewegen, seinen Namen zu nennen und zu sagen, für wen er arbeitete und wer denn so ein Interesse an den Kassetten hätte. Wieder und wieder hatten sie gefragt, aber der Mann schwieg stur. Pálmi hatte blaue Flecken am Hals von seinen Pranken. Kiddi Kolke hatte ihn eher zufällig als absichtlich k.o. geschlagen. Weil er nicht wusste, was er mit ihm machen sollte, hatte er ihn bewusstlos zum Auto getragen und war mit ihm zu sich nach Hause gefahren.

Der Mann saß gefesselt auf einem Stuhl in einer kleinen Abstellkammer, die Kiddi Kolke im Keller zur Verfügung stand. Außer ihm kam niemand dorthin. Über dem Kopf des Mannes baumelte eine nackte Glühbirne. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand, Kiddi Kolke hatte er nie zuvor gesehen, aber Pálmi kannte er, weil er ihm auf den Fersen gewesen war. Er schaute sie abwechselnd mit zusammengekniffenen Lippen an und brüllte plötzlich:

»Ihr könnt mich hier nicht festhalten, ihr verdammten Kidnapper!«

»Ach, du musst vielleicht zu einem Termin? Oder zu einer Tagung? Du wirst vielleicht irgendwo erwartet? Bist womöglich zum Essen eingeladen?«

Der Mann schwieg und warf Kiddi Kolke grimmige Blicke zu.

»Sollten wir ihn nicht Erlendur überlassen?«, fragte Pálmi, und Kiddi Kolke nickte zustimmend.

»Vielleicht kriegt der ja was aus ihm raus. Wenn wir ihn ausliefern, wäre er natürlich ein echter Fall für die Polizei, dann muss er angezeigt werden, er wird verklagt und kriegt den Prozess gemacht, und dann muss er in den Bau. Vielleicht ist er ja auch kein Unbekannter bei der Polizei, die haben da womöglich auch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen, da würde er aber ganz schön in der Patsche sitzen.«

»Du meinst, er könnte sich diese Unannehmlichkeiten ersparen, indem er uns das erzählt, was wir wissen wollen?«, warf Pálmi ein und betastete seinen Hals. »Ich kenne diesen Mann natürlich so gut wie gar nicht, und ich möchte ihm am liebsten nicht mehr begegnen müssen. Aber Helena ist vielleicht der Meinung, dass er hinter Schloss und Riegel gehört.«

»Also wenn er uns das sagt, was wir wissen wollen, kann er meinetwegen Leine ziehen, und die Angelegenheit ist aus der Welt«, erklärte Kiddi Kolke.

Der Mann sah von einem zum anderen und hatte den Mund bereits ein klein wenig geöffnet. Er wägte seine Optionen in dieser prekären Situation ab.

»Würdet ihr mich loslassen, wenn ich euch sage, was ich weiß? Viel ist es nicht.«

»Die Möglichkeit ist ganz und gar nicht auszuschließen«, erwiderte Kiddi Kolke. Pálmi überließ es weitgehend ihm, mit diesem Mann zu sprechen.

»Kennst du einen Mann namens Sævar Kreutz, und dann diesen anderen, diesen Erik Faxell?«

»Ich übernehme Spezialaufträge. Meistens geht es nur darum, bei irgendjemandem Geld einzutreiben. Man rückt da so einem Trottel auf die Bude, und plötzlich hat er massenhaft Geld. Ich habe diesen Job durch einen Dritten gekriegt, ich sollte bei so einer alten Oma da in Hafnarfjörður nach Kassetten suchen. Diese Kerle, von denen ihr redet, kenne ich gar nicht.«

»Die alte Oma heißt Helena«, warf Pálmi dazwischen und blickte den Mann mit gerunzelter Stirn an. »Sie ist eine Freundin von mir, und du hast sie beinahe umgebracht.« »Du warst dann als Nächster an der Reihe, aber ich hatte keine Zeit, mit dir über die Kassetten zu reden, weil dein Freund mich aus dem Verkehr gezogen hat«, sagte der Mann und befühlte seinen Nacken.

»Hat Sævar Kreutz dich um diesen Gefallen gebeten?«, fragte Kiddi Kolke.

»Wie ich euch gesagt hab, da ruft irgend so’n Typ bei mir an und knallt den Hörer dann auf. Die Kohle soll auf mein Konto eingezahlt werden, ich weiß nicht, von wem, aber was der sagt, ist immer in Ordnung gegangen.«

»Rufst du ihn an?«

»Nein.«

»Wie solltest du dich mit ihm in Verbindung setzen, falls du die Kassetten gefunden hättest?«

»Ich sollte sie zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort hinterlassen, und dann die Biege machen.«

»Dazu haben wir keine Zeit. Wer ist dieser Dritte?«

Der Mann schwieg.

»Wie war noch die Nummer von Erlendur bei der Kripo, Pálmi?«