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11 Bercelak, in seiner besten Drachenrüstung, führte eine immer noch menschliche Rhiannon vor ihre Mutter, während Königin Addiena sie in selbstgefälligem Schweigen beobachtete. Wie immer waren ihre Drachenwächter in der Nähe und beobachteten das Paar aufmerksam.
Ein Halsband und Fesseln um ihre Handgelenke und Fußknöchel, die durch eine Silberkette verbunden waren, die er fest in seiner Klaue hielt, machten sie fast bewegungsunfähig.
Bercelak verneigte sich tief vor der Königin und widerstand dem Drang, Rhiannon anzusehen. Die Familie hatte entschieden, dass jeglicher Augenkontakt zwischen dem Liebespaar eine schlechte Idee wäre. Sie sagten, die Gefühle des Paares füreinander seien zu deutlich zu sehen, um sie vor Addiena zu verbergen.
»Meine Königin. Ich präsentiere dir Prinzessin Rhiannon.«
»Aaaaah«, seufzte die Königin und sah ihre eigene Tochter kalt an. »Ich wusste, du würdest der Richtige für sie sein, Bercelak. Sieh an, sie hat endlich gelernt, wo ihr Platz ist.«
»Keine Frau kommt in mein Bett, Eure Majestät, ohne zu lernen, dass ich der Herr bin.«
Rhiannons Kopf sank noch tiefer, und er wusste, dass sie ihr Bestes tat, um nicht zu lachen. Verrücktes Weib, dachte er mit einem verborgenen Lächeln.
»Gut. Gut.« Sie kam dichter an das Paar heran. »Ich wusste, du würdest mich nie enttäuschen, Feldherr.«
Die Königin schlängelte näher – und es war ein »Schlängeln«, wie Bercelak bemerkte –, was dazu führte, dass Rhiannons Körper sich anspannte.
»Wir haben viel zu besprechen, du und ich, Bercelak.«
»Natürlich, meine Königin. Doch zuerst – wie es die Tradition will – habe ich meinen Vater mitgebracht, damit er die … Familie meiner zukünftigen Gefährtin kennenlernt.« Ihr Götter, er hätte fast »Opfer« gesagt.
Bei diesen Worten riss Addiena den Kopf hoch, und ihr Blick fand Ailean augenblicklich. In Menschengestalt trug der ältere Drache einen üppigen blauen Umhang, der ihn von Kopf bis Fuß bedeckte und zu seiner Haarfarbe passte.
Als die alte Hexe ihn erst einmal gesehen hatte, konnte sie den Blick nicht mehr abwenden. Sie war gebannt von ihm, und jetzt ging Bercelak auf, dass sein Vater recht gehabt hatte: All dies hatte wenig mit ihm und Rhiannon zu tun: Es ging nur um die Liebe, die ein Drache für einen anderen empfand.
Er verstand dieses Gefühl. Er empfand es für Rhiannon. Der einzige Unterschied: Rhiannon erwiderte diese Liebe. Ailean liebte nur Bercelaks Mutter, was der Grund dafür war, dass Addiena sie alle hasste.
Rhiannon spähte unter ihren Haaren hervor und sah, wie ihre Mutter um sie herumging und Ailean gegenübertrat.
»Ailean.«
Mit einem leichten Neigen des Kopfes erwiderte er: »Meine Königin.«
»Na, na, Ailean. Ist dieser Titel notwendig zwischen alten Freunden? Ich werde immer Addiena für dich sein, ja?«
Rhiannon konnte nicht anders: Sie verdrehte die Augen, und Bercelak riss kurz an ihrer Kette, um sie daran zu erinnern, dass sie im Moment ganz Zerknirschung und Unterwerfung war. Es war allerdings nicht leicht. Vor allem, weil sie nichts weiter wollte, als ihrer Mutter ins Gesicht zu schlagen.
»Weißt du, Addiena, ich musste diese Gelegenheit ergreifen, um dich wiederzusehen. Es ist so lange her.«
Ihre Mutter schmolz förmlich bei Aileans Worten dahin, und Rhiannon war im Herzen bei ihrem lang verstorbenen Vater. Sie konnte nur hoffen, dass er in der nächsten Welt seine wahre Gefährtin fürs Leben gefunden hatte oder noch finden würde. Denn in dieser Welt hatte er das offensichtlich nicht getan.
»Du hast mir gefehlt, Addiena«, fuhr Ailean fort. Seine Stimme war wie der süßeste Honig. Leise und tief, sodass jeder, der sie hörte, nicht anders konnte, als ans Vögeln zu denken. Ans Vögeln und noch mehr Vögeln. »Ihr Götter, du bist immer noch so schön. Aber …«
»Aber? Aber was?« Und Rhiannon konnte die Verzweiflung in der Stimme ihrer Mutter hören.
»Würdest du dich für mich verwandeln? Würdest du mir noch einmal deine menschliche Gestalt zeigen? Ich habe es immer geliebt, dich als Mensch anzusehen.«
Rhiannon drehte sich nicht um, doch sie spürte die Flammen, die die Verwandlung ihrer Mutter ankündigten. Jetzt war sie genauso menschlich wie Rhiannon, was ihre Tochter erschütterte. Es mochte Jahrhunderte her sein, seit die Schlampe sich das letzte Mal in einen Menschen verwandelt hatte.
Die Wachen, ebenfalls eindeutig besorgt durch diesen plötzlichen Zwischenfall, umringten ihre Königin enger.
»Ich dachte, du würdest mich viel früher besuchen kommen, Ailean.«
»Ich weiß. Aber wenn man fünfzehn Nachkommen großziehen muss, fehlt einem die Zeit. Meine Gefährtin brauchte mich.«
Addiena knurrte, und plötzlich bewegte sich ihre Mutter in Rhiannons Blickfeld. Ihr Götter, die Alte war schön in Menschengestalt! Vielleicht sogar noch schöner als Shalin … Wie ihre Mutter das gewurmt haben musste!
»Ach ja. Deine Gefährtin«, schnaubte sie. »Wie geht es der lieben Shalin?«
»Ihr geht es gut. Sie ist sehr glücklich.«
Addienas Augen verengten sich gefährlich, und Rhiannon wusste, dass sie nicht mehr viel Zeit hatten. »Ach, wirklich?«
»Aye.« Ailean trat vor die Königin. Seine großen Hände liebkosten sanft ihr Gesicht, ihren Hals; und obwohl ihre Mutter sich die größte Mühe gab, ihren wachsenden Zorn am Lodern zu halten, konnte sie offenbar die Gefühle nicht ignorieren, die diese Hände, die sie streichelten, in ihr auslösten.
Rhiannon sah schweigend zu, wie Ailean die Stirn ihrer Mutter küsste, ihre Wangen, ihre Nase, während er langsam vorwärtsging. Verloren in ihren Gefühlen für ihn, achtete Addiena nicht darauf, wohin er sie führte.
»Weißt du, Addiena, Shalin hat es immer bedauert, wie eure Freundschaft zu Ende ging.«
Freundschaft? Was für eine verdammte Freundschaft? Jetzt, wo es gerade interessant wurde!
»Das war ihre Wahl, Ailean. Woher hätte ich wissen sollen, dass sie dich für sich wollte?«
»Das ist nicht mehr wichtig, meine Liebste. Aber sie hat dir ein Geschenk geschickt.«
Während sie ihren Kopf nach hinten beugte, damit Ailean ihren Hals küssen konnte, stöhnte sie: »Geschenk? Was für ein Geschenk?«
Jetzt, wo Ailean die Frau direkt vor sie manövriert hatte, beugte Rhiannon sich vor und flüsterte: »Tja, meine Königin« –, die Kette fest in beiden Händen, schlang Rhiannon das schwere Silber um den Hals ihrer Mutter und riss sie dicht an sich – »dieses Geschenk!«
Die Wachen griffen augenblicklich an, doch Ailean verwandelte sich, und Bercelak und er stellten sich ihnen gemeinsam entgegen.
Flammen stiegen von ihrer Mutter auf, doch sie erloschen sofort wieder.
Mit beinahe demselben Zauber, den Addiena an Rhiannon verwendet hatte, hatte Shalin die Kette getränkt, sodass die Schlampe sich nicht verwandeln konnte.
Ihre Mutter wusste es auch, nach der Heftigkeit und Brutalität zu urteilen, mit der sie sich plötzlich wehrte und nach den Armen und dem Gesicht ihrer Tochter krallte.
Knurrend zog Rhiannon sie von den kämpfenden Drachen fort in eine Ecke. »Komm, Mutter, lass uns das unter vier Augen besprechen.«
Eins musste Bercelak seinem Vater lassen: Der Mann konnte den Drachengöttern ihr Gold abschwatzen, wenn er wollte. Er hatte nicht ernsthaft daran geglaubt, dass sein Vater immer noch dieselbe Wirkung auf die Königin haben würde wie einst. Doch er tat alles, was er versprochen hatte. Er hatte Addiena dazu gebracht, menschliche Gestalt anzunehmen und hatte sie dicht genug an Rhiannon heranmanövriert, dass diese die Kette benutzen konnte, die seine Mutter ihnen erst an diesem Morgen gegeben hatte.
Als seine Mutter sie am Tag zuvor mit der Ankündigung eines Plans geweckt hatte, war Bercelak ein wenig skeptisch gewesen. Wenn man seine Sippe sich selbst überließ – wer wusste schon, mit was für verrücktem Blödsinn sie daherkommen würde. Und als er den Plan hörte, hatte er gedacht: »Siehst du? Eine verrückte Sippe heißt, ein verrückter Plan.« Dennoch hatte es funktioniert. Die Verführungskünste seines Vaters galten immer noch. Den Göttern sei Dank.
Während die Wachen sich auf die drei und die Königin konzentrierten, sahen sie nicht, wie seine Geschwister in den Thronsaal schlüpften und dabei die Schatten zu ihrem Vorteil nutzten. Kampfbereit rückten sie vor, sobald Rhiannon die Kette um den Hals der Königin geschlungen hatte.
Die Wachen der Königin, manche von ihnen seine eigenen Kameraden, dachten wirklich, sie könnten die Familie von niederer Geburt mit ihrer guten Kampfausbildung schlagen. Bercelak schnaubte bei dem Gedanken, als er einem Drachen den Kopf umdrehte, bis dessen Knochen knackten, während sein Schwanz einen weiteren Drachen, der versuchte, sich von hinten anzuschleichen, unter dem Kinn aufspießte. Wenn man mit Ailean dem Verruchten als Vater aufwuchs, war man für jeden Kampf gewappnet. Er hatte sie alle schon beim Schlüpfen gelehrt, alles und jedes zu bekämpfen, das ihnen im Weg stand. Und obwohl seine Schwestern definitiv ein bisschen netter behandelt wurden als die männlichen Nachkommen seiner Sippe, waren sie sehr viel brutaler, und Bercelak zuckte zusammen, als zwei seiner Schwestern einen Drachen zwischen sich in Stücke rissen.
Er wandte sich um und suchte nach Rhiannon. Er vertraute der Magie seiner Mutter, aber er wusste nicht, wie stark oder schwach ihre Fähigkeiten im Vergleich zu denen der Königin waren.
Schnell entdeckte er seine Gefährtin und deren Mutter in einer Ecke. Rhiannon hielt die alte Hexe immer noch mit der Kette an der Kehle fest, was bedeutete, dass sie sich immer noch nicht verwandeln konnte. Doch fünf Wachen der Königin rückten rasch vor, und Rhiannon konnte sie nicht abwehren oder mit ihrer Mutter in den Armen weglaufen. Abgesehen davon kannte er seine Rhiannon – sie würde niemals weglaufen.
Während Bercelak durch die Halle stürmte, schlug er größere Drachen beiseite, als wären sie Spielzeug. Nichts konnte ihn davon abhalten, Rhiannon zu erreichen.
Er schnappte zwei Wachen am Hals, riss sie zurück und warf sie seinen Brüdern zu, die ihm gefolgt waren. Er machte sich an die anderen beiden heran, doch plötzlich griff ihn ein kleiner Trupp Kampfdrachen an und umringte ihn geschlossen.
Verzweifelt kämpfte er und versuchte, zu Rhiannon zu gelangen. Er sah, wie die Wachen der Königin wieder vorrückten und die grimmige Entschlossenheit in ihrem Gesicht. Dann riss sie die Arme nach rechts, und an Bercelaks Ohren drang das Geräusch von brechenden Knochen. Als die Drachen sich ihr näherten, stieß Rhiannon plötzlich einen Seufzer aus. Einen kurzen Augenblick dachte er, einer von ihnen hätte sie mit seiner Schwanzspitze durchbohrt. Doch Flammen, gleißend weiße Flammen wirbelten um sie herum, und dann war Rhiannon Rhiannon die Weiße Drachenhexe. Die mächtigste Drachenhexe im Land. Und jetzt … Königin Rhiannon.
Als sich ihre Macht voll entfaltete und sie ihre Drachenform wiederhatte, hob sie den Kopf und spuckte mit einem mächtigen Brüllen eine Flammensäule, die die felsige Decke über ihr verkohlte.
Alle hörten auf zu kämpfen, und aller Augen ruhten auf ihr.
Sie trat mit ihrer Vorderklaue aus, und der schlaffe Körper ihrer Mutter flog mit gebrochenem Genick über den Saalboden und krachte gegen die gegenüberliegende Wand.
Bercelaks Glied regte sich, als Rhiannons blaue Augen ihren Hofstaat anblickten.
Rhiannon hatte sich nie zuvor so stark, so lebendig gefühlt. Macht – Macht der Götter – floss jetzt durch ihre Adern. Selbst ihre Drachengestalt war größer. All diese Jahre hatte sie gedacht, sie sei einfach winzig, ein Kümmerling. Nein. Ihre Mutter hatte sie eindeutig kleingehalten – doch das war jetzt vorbei.
Sie starrte die Drachen ihres Hofes an. Sie war jetzt Königin. Jetzt war es an ihr zu herrschen.
Doch zuerst …
Mit einem kurzen Zauber entfesselte sie ein Feuerband, getränkt mit mächtiger alter Magie. Wie eine Schlange glitt es durch den Saal, mied Bercelak und seine ganze Familie, bis es jeden Einzelnen der Wachen der alten Königin erreicht hatte. Mit blitzartiger Präzision machte es sich über sie her und ließ nichts zurück als ein Häufchen Asche und ein paar verbrannte Schuppen.
Die anderen, diejenigen, deren Loyalität dem Thron galt und weniger Addiena selbst, sahen schreckerstarrt zu und erwarteten höchstwahrscheinlich, als Nächste dran zu sein. Doch sie hatte nicht vor, die zu töten, die dem Thron treu waren. Sie sollten nur daran denken, wem der Thron jetzt gehörte.
»Meine Mutter ist tot«, wandte sie sich an die Überlebenden. »Ich bin eure Königin. Verneigt euch jetzt vor mir und zeigt mir eure unsterbliche Loyalität oder verlasst den Berg Devenallt und die Dunklen Ebenen für immer und hofft, dass ich euch in diesem Leben nicht mehr wiedersehen werde.«
Sie dachte, es würde ein paar Momente des Abwartens geben, während die Leute sich entschieden. Doch so war es nicht. Alle zusammen verneigten sie sich vor ihr.
Alle bis auf einen.
Bercelak stand hoch aufgerichtet da und starrte sie an, ohne sich die Mühe zu machen, sein Lächeln zu verbergen. Sie bedeutete ihm, sich hinzuknien und versuchte dabei ihr Bestes, angemessen hochmütig dreinzublicken. Er grinste zurück. Also erlaubte sie sich, ihm die Zunge herauszustrecken, während die Köpfe aller Anwesenden demütig gesenkt waren.
Er lachte laut und lange und erschreckte damit alle anderen – sogar seine Familie – fast zu Tode.
Bercelak ging mit seinem Vater, jetzt in Drachengestalt, hinunter zum Zugang des Berges Devenallt. »Bist du sicher, dass du nicht eine Weile bleiben willst?«
»Nein, Junge. Deine Mutter wartet.« Er grinste. »Und ich lasse sie nicht gern warten – zumindest nicht lange.«
Kopfschüttelnd erwiderte Bercelak das Grinsen seines Vaters. »Die Götter mögen verhüten, dass du eine Frau warten lässt!«
»Nur eine Frau. Genau wie du.« Sein Vater warf einen Blick zurück in die Höhle, wie um sich zu versichern, dass sie wirklich allein waren. »Auch wenn ich nicht zu lange warten würde, Junge. Sie ist immer noch nicht in Besitz genommen, und es gab da drin einige, die sie mit gierigen Augen angesehen haben.«
»Sie ist schön, das überrascht mich also nicht. Aber ich werde sie nicht aufgeben.«
»Daran zweifle ich nicht. Man kann dein Verlangen förmlich sehen, wenn sie in der Nähe ist.«
»Das stimmt. Aber trotzdem will es die Tradition, dass ich bis zum nächsten Vollmond warte.«
»Sei nicht dumm, Junge. Sie ist Königin. Ihr beide schafft Traditionen. Also tu, was du willst, ja?«
Bercelak nickte zustimmend, dann holte er tief Luft und sagte: »Danke, Vater. Für all deine Hilfe heute.«
Sein Vater wedelte die Worte mit einer Klauenbewegung beiseite. »Du bist mein Sohn, Bercelak. Dank ist nicht nötig.«
»Na gut, dann sage ich es so: Ich verabscheue dich nicht mehr.«
Lachend hieb sein Vater seinem Sohn eine Klaue auf den Rücken. Jeder andere wäre mit gebrochenem Rückgrat vom Berg gepurzelt, doch Bercelak blieb aufrecht wie immer. Wenn auch nur, weil er nicht das spöttische Gelächter seines Vaters hören wollte, das ihm nach unten folgte. »Na, das ist ja mal eine gute Nachricht! Zumindest deine Mutter wird sehr glücklich sein.«
»Aber du …«
»Das interessiert mich nicht im Geringsten. Ich will nur, dass meine Kinder stark genug sind, um in diesen Zeiten zu überleben.« Der alte Drache grinste, und Bercelak sah Reihen um Reihen von Reißzähnen, die bei seiner Art immer weiterwuchsen, während sie älter wurden. »Und da du jetzt der Gemahl der Königin bist, würde ich sagen, ich habe meine Sache gut gemacht, oder etwa nicht?«
Bercelak nickte. »Aye. Das hast du.«
»Dann, mein starker Sohn … nimmst du dein tödliches Weib am besten in Besitz, oder du verlierst sie für immer.«
Mit diesen Worten stieg Ailean der Verruchte in die Lüfte und machte sich auf den Rückweg zu Bercelaks Mutter, Shalin – der Bändigerin von Ailean dem Verruchten.
Bercelak drehte sich um und ging zurück in den Thronsaal der Königin. Wenn er an anderen Drachen vorbeikam, grüßten sie ihn, doch keiner forderte ihn heraus. Stattdessen hielten sie den Blick abgewandt. Bis auf ein paar Frauen, die ihr Verlangen offen zeigten. Offensichtlich hatte die Tatsache, dass er Rhiannon noch nicht in Besitz genommen hatte, auch ihr Interesse geweckt.
Viele seiner Brüder und Schwestern warteten in der Halle auf ihn. Sie würden bleiben, bis Rhiannons Herrschaft gesichert war.
Die besten Kämpfer seiner Sippe, einschließlich Ghleanna, waren losgegangen, um Rhiannons Geschwistern die Stirn zu bieten. Sie würden nicht warten, bis diese herkamen.
»Alles in Ordnung?«, fragte er seine verbliebenen Geschwister.
Sie nickten alle, doch Addolgar deutete die vielen Stufen hinauf, die zu dem Raum führten, der jetzt Rhiannons Schlafgemach sein würde … sein Schlafgemach.
»Sie ist raufgegangen. Es ist einiges los, viele Diener sind unterwegs, seit sie raufgegangen ist.«
Bercelak nickte und blickte die lange Treppenflucht hinauf. Seltsam, er fühlte sich plötzlich ein bisschen … nun ja: nervös. Ein Feldherr, der dem Tod viele, viele Male begegnet war, ließ sich nervös machen von einem einzelnen weißen Drachen?
Andererseits … was, wenn sie ihre Meinung geändert hatte? Natürlich waren sie bereits ein Paar, aber sie konnte – theoretisch – mit den Ältesten verhandeln. Der Gedanke, dass sie ihre Meinung geändert haben könnte, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Er durfte sie jetzt nicht verlieren.
Natürlich gab es nur einen Weg, herauszufinden, was sie dachte. Und das war die direkte Konfrontation mit ihr, so, wie es sein Vater ihn bei jeder Herausforderung gelehrt hatte.
»Machst du dir Sorgen, dass sie es sich anders überlegt haben könnte?«, wollte Addolgar wissen.
»Das ist kein unvernünftiger Gedanke.«
»Aye. Vielleicht. Aber das wirst du nie erfahren, bis du …«
»Ich weiß. Bis ich mich ihr stelle.«
»Das Schlimmste, was sie tun kann, Bruder, ist, dich in Asche zu verwandeln.«
Bercelak sah seinen Bruder an, doch der lächelte nur.
»Blödmann.«
Mit diesem letzten Wort machte sich Bercelak auf den Weg die Treppe hinauf zu seiner Zukunft.