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2 Bercelak ließ den Kuhkadaver auf den Boden fallen und sah ihn nachdenklich an. Wäre Rhiannon ein Drache gewesen, hätte er ihn einfach verbrannt und sie hätten ihn gefressen. Doch da sie ein Mensch war, würde er sich vorerst anpassen müssen. Zumindest bis sie ihre Kräfte zurückbekam.

Also benutzte er vorsichtig seine Krallen, um das Fell des Tieres zu entfernen und warf es beiseite. Dann hängte er das Tier an einem Bratspieß über die Feuerstelle. Er wählte ein paar seiner besten und wertvollsten Kräuter – die er aus den Wüsten von Alsandair bekommen hatte – und würzte das garende Fleisch.

Mit einem Seufzen setzte er sich, um in die Flammen zu sehen und nachzudenken.

Prinzessin Rhiannon war eindeutig so gemein wie er sie in Erinnerung hatte, und das machte sie nur noch begehrenswerter. Das überraschte ihn nicht. Drachenmänner mochten ihre Frauen gern gefährlich. Es machte die Paarung so viel interessanter und intensiver. Aber natürlich ging es ihm langsam auf die Nerven, dass sie ihn ständig »Nichtswürdiger« nannte.

Niemand musste ihn an seinen Vater erinnern.

Die anderen Drachenkrieger, mit denen er kämpfte, verstanden nie, warum Bercelak im Kampf niemals zuckte. Niemals Anzeichen von Furcht oder Panik zeigte. Wenn sie gelebt hätten wie er, hätten sie das auch nicht getan. Aber bis man mitten in der Nacht mit dem Ruf »Wir werden angegriffen!« geweckt und von seinem wohlmeinenden, aber eindeutig wahnsinnigen Vater aus dem Bett geworfen worden war, wusste man nicht, was Angst war.

Seine Mutter war von königlicher Geburt. Sein Vater … nicht so ganz. Was bedeutete, dass keiner Bercelak irgendetwas geschenkt hatte. Er musste sich alles erarbeiten, was er hatte, und er hatte dabei nur eines im Kopf: kristallblaue Augen, lange, weiße Haare und ein Fauchen, das eine Armee von Dämonen in die Flucht schlagen konnte.

Seit dem Tag, an dem er ihr begegnet war – als ihn diese wunderschönen blauen Augen mit so viel Hass angesehen hatten –, wusste er, dass er sie haben musste.

»Ich will seinen Kopf!«, hatte sie gekreischt. Und eine Minute lang hatte er geglaubt, sie würde ihn bekommen.

Doch dann hatte er gehört: »Ach, lasst ihn in Ruhe. Meine Tochter reagiert über wie immer.«

Ein großer, schöner roter Drache kam auf ihn zu. »Er hat es nicht mit Absicht gemacht, Rhiannon.«

Seine Mutter verneigte sich, aber er starrte die Königin weiter an. Und er wusste, dass es die Königin war. Allein wie sie sich bewegte und ihre Haltung verrieten ihm das. Ehrfurcht erfüllte ihn.

Sie hatte ihren Wachen bedeutet, ihn loszulassen, dann hatte sie gelächelt und dabei ihre Reißzähne gezeigt. »Shalins Sohn.«

Sobald er frei war, verneigte er sich sofort. »Ja, meine Königin. Bercelak der Schwarze, Sohn von Ailean.«

»Ja. Du siehst ihm sehr ähnlich. So gut aussehend.« Eine rote Klaue mit pechschwarzen Krallen liebkoste seinen Kiefer. Er spürte, wie sich seine Mutter neben ihm versteifte, und wusste, dass es mehr ihret- als seinetwegen war. Seit Jahren hörte Bercelak schon, dass die Königin einmal im Bett seines Vaters gewesen war und ihn nie vergessen hatte. Und dass sie ihm nicht vergeben hatte. Denn am nächsten Morgen hatte er die damals noch zukünftige Königin verlassen, um sich mit Bercelaks Mutter und ehemaligen Freundin der Königin, Shalin, zu treffen. Die, wenn man der Geschichte Glauben schenken durfte, eine Axt nach seinem Vater geworfen hatte, als Ailean zu ihr kam.

Bis zu diesem Tag hatte Bercelak keine dieser Geschichten geglaubt. Sein Vater, der von niederer Geburt war, mit einer Drachenprinzessin? Nicht sehr wahrscheinlich, hatte er immer gedacht. Und dennoch … ein Blick auf die Drachendame vor ihm, und er fragte sich, ob all die Geschichten vielleicht doch wahr waren. Denn sie sah ihn mit etwas im Blick an, was er nicht benennen konnte. Vielleicht auch mit etwas, das er nicht benennen wollte. Mit fünfzig Wintern war er viel zu jung für solch tiefsinnige Gedanken …

»Sag mir, Sohn des Ailean, was ist dein Lebenstraum? Zauberer? Krieger? Schwertmacher? Woran denkst du, wenn du nachts wach liegst?«

Er antwortete ehrlich, unfähig, diese dunkelblauen Augen anzulügen. »Von Ruhm und Reichtum. Von Macht.«

»Ich verstehe. Du magst aussehen wie dein Vater, aber dessen Ambitionen waren nie so groß.« Sie warf seiner Mutter einen Blick zu, doch erst Jahre später verstand er, was dieser Blick bedeutete. Dann wandte sie sich ab und ging.

»Du wirst hierbleiben, Sohn des Ailean«, warf die Königin beiläufig über ihre Schulter zurück. »Du wirst dich üben und zu einem meiner Streitdrachen werden. Du wirst diesen Thron schützen und mich und alle anderen, die ich für wert erachte.«

Dann war sie fort. Die Treppe zu ihren Privatgemächern hinaufgegangen.

Ihre Tochter stampfte mit dem Fuß auf und starrte ihn empört an, bevor sie wütend davonmarschierte.

Als die Geschäftigkeit am Hof wieder einsetzte, hörte er seine Mutter vor sich hinmurmeln: »Ich hasse diese Schlampe wirklich von ganzem Herzen!«

Dennoch – seine Mutter ließ ihn dort, als sie nach Hause zurückkehrte. Sie hatte keine Wahl. Danach behandelte ihn die Tochter der Königin wie Schmutz unter ihren Krallen. Und je mehr sie das tat, desto sicherer wusste er, dass er alles tun würde, um sie zu gewinnen. Je gemeiner sie war, desto tödlicher wurde er. Bald war sein Name, Bercelak der Rachsüchtige, überall bekannt, und er hatte die Soldaten in den Krieg gegen die Blitzdrachen geführt … gegen die Unzivilisierten. Unzivilisiert waren sie vielleicht tatsächlich, aber auch würdige Gegner. Der Krieg hatte Jahrzehnte gedauert, aber als der Rauch sich verzogen hatte, stand Königin Addienas Thron sicher, und sie schmückte ihn mit seinem neuen Titel: Bercelak der Große. Dagegen war nichts einzuwenden. Er hatte ihn sich verdient und genug Narben zum Beweis dafür.

Jetzt trug er die aufwendige Rüstung des Obersten Feldherrn, des Anführers der Drachenkrieger und Besten Kämpfers der Königin. Er hatte die Aufmerksamkeit aller Frauen, von denen von niedrigster Geburt bis hin zu einigen aus den wichtigsten Königshäusern. Und obwohl er Spaß an dieser Bandbreite fand, wusste er, dass es nur eine gab, die er fürs Leben wollte.

»Ich muss essen. Ich bin am Verhungern!«

Aus seinen Träumereien gerissen, sah er die Prinzessin an und blickte finster.

»Du hast dich angezogen.« Sie trug ein hellblaues Kleid, das sie sich aus seiner Schatzkammer geholt haben musste. Es bedeckte sie von den Schultern bis zu den Füßen. Obwohl die Farbe des Kleides ihre Augen betonte, sah er sie gerne nackt. Andererseits … diese appetitlichen vollen Brüste und den hinreißenden Hintern vor seinen Blicken zu verbergen, war vermutlich das Beste. Zumindest im Moment.

»Diese Haut ist so empfindlich …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie sie das aushalten. So schutzlos zu sein. Tiere im Wald haben wenigstens Reißzähne oder Klauen oder zumindest gute Instinkte. Menschen haben nichts dergleichen!«

Er zuckte die Achseln. »Manche schon. Sie sind unterschiedlich.«

»Du magst sie?« Sie klang nicht hochmütig, nur neugierig.

»Eigentlich nicht. Ich finde sie hinterhältig und schmerzhaft nervtötend. Obwohl sie mit der richtigen Würze sehr lecker sein können.«

Sie nickte zustimmend. »Da hast du recht.«

Natürlich hatte er nur gescherzt.

Mit einem kurzen Kopfschütteln sagte er: »Na so was, Prinzessin, warst du gerade einer Meinung mit mir?«

Verblüfft blinzelte sie. »Äh … nein. Nein, natürlich nicht.« Sie wandte sich von ihm ab und ging zu einem Felsblock hinüber. Sie setzte sich darauf und sah ihn mit hoch erhobenem Kopf an. »Ich bin hungrig. Ich erwarte Essen.«

Er musste mit ihr reden. Sie würde sich sicherlich nicht von einer Veränderung ihrer derzeitigen Umstände lange entmutigen lassen. »Dann setzt du mal besser deinen Hintern in Bewegung. Kartoffeln und Gemüse sind da drüben. Hier ist ein Topf, um sie darin zu kochen, und frisches Wasser. Viel Glück.«

Ihr blieb der Mund offen stehen. »Du … du erwartest, dass ich Essen koche?«

»Ich habe den schweren Teil erledigt. Ich bin zum Bauernhof gegangen, habe den kleinen Bauern erschreckt und ihm seine Kuh weggenommen. Dann habe ich das Fell abgezogen – der Kuh, nicht dem Bauern –, sie auf den Spieß gesteckt, und jetzt überwache ich den Braten. Du kannst also zumindest ein bisschen Gemüse kochen. Wir werden wie Menschen essen. Mit Tellern und Besteck … und einem Tisch.«

»Aber ich kann nicht kochen!«

»Dann lernst du es wohl besser, Prinzessin. Ich will ja nicht, dass du verhungerst.«

 

Sie hasste ihn. Unhöflicher, arroganter, nichtswürdiger Drache!

War das von jetzt an ihr Leben? Gefangen in diesem menschlichen Körper, gezwungen, für einen wütend dreinblickenden Proleten Essen zu kochen?

Hätte ihre Mutter sie nicht einfach umbringen können? Wäre das nicht netter gewesen?

»Ich sehe nicht, dass sich dieser hübsche Hintern bewegt, Prinzessin.«

Sie starrte ihn wütend an, drauf und dran, ihm zu sagen, er solle sich zur Hölle scheren, als ihr Magen knurrte. Bei den Göttern! Was war das denn für ein Geräusch? Musste sie sterben?

Sie sah auf ihren Bauch hinab, die Hände darüber verkrampft, und zum ersten Mal in ihrem ganzen Leben hörte sie Bercelak lachen. Und was noch erschütternder war … sie mochte diesen Klang irgendwie!

»Du hast nur Hunger, Rhiannon«, sagte er freundlich. »Tu, was ich dir sage, und wir werden bald essen. Versprochen.«

Verdrossen aufstöhnend rutschte sie von dem Felsblock und ging hinüber zur Feuerstelle. Wie er gesagt hatte, lagen Kartoffeln und anderes Gemüse neben einem großen Topf voll Wasser. Eine weitere Schüssel mit Wasser stand daneben. Sie kauerte sich nieder und musterte das Essen vor sich. Tatsächlich betrachtete sie das Essen ungefähr fünf Minuten lang, bis sie hörte, wie der Nichtswürdige seinen langen Körper über sie beugte, seine Schnauze direkt hinter ihr, und sagte: »Was genau tust du da?«

Sie ignorierte den Schauer, den seine tiefe Stimme in ihrem Körper auslöste. Verdammt, sie musste ihn ignorieren! »Ich überlege mir meinen Plan.«

»Zum Kartoffelkochen brauchst du einen Plan?«

»Alles im Leben braucht einen Plan, Nichtswürdiger. Ich tue nicht einfach wahllos irgendwas und hoffe, dass alles gut wird.«

»Aber wo ist der Reiz dabei? Der Spaß?«

»Spaß?« Sie sah ihn über ihre Schulter an. »Wann hast du jemals Spaß?«

»Ich habe Spaß!«, schnappte er beleidigt. »Falls es dich interessiert: Ich bin eine sehr spaßige Person.«

»Ach ja?« Sie drehte sich zu ihm um. »Und was machst du zum Spaß?«

»Viele Dinge.«

»Haben die meisten dieser Dinge etwas damit zu tun, etwas umzubringen?«

»Gelegentlich«, grummelte er.

»Eben.«

»Und was machst du zum Spaß?«

Sie zuckte die Achseln. »Ich genieße es, wenn die Leute aus dem Dorf in der Nähe meiner Höhle um ihr Leben rennen.« Sie grinste. »Dieses ganze Geschrei.«

Er schüttelte den Kopf, und die Spitze seiner Schnauze rieb an ihrem menschlichen Körper. »Das ist immerhin mal etwas.«

Der Nichtswürdige lehnte sich zurück und ging wieder zu dem Kadaver hinüber. Sie musste zugeben, zumindest vor sich selbst, dass der Braten köstlich roch. Und verdammt noch mal: er auch.

»Ich muss sagen, Prinzessin, ich bin überrascht, dass du dich immer noch nicht zurückverwandeln konntest.«

Sie zuckte die Achseln. »Meine Fähigkeiten waren immer schon schwächer als die meiner Mutter.«

»Das kommt mir komisch vor. Weiße Drachen sind bekannt für ihre Kräfte.«

»Tja, anscheinend bin ich die Ausnahme von dieser Regel.« Sie musterte eine Kartoffel. Komisch aussehendes Gemüse. »Meine Magie war immer schwächer, und ich bin viel kleiner als die meisten Drachen. Einer der Zauberer, der mich ausgebildet hat, nannte mich den Kümmerling des Wurfs.«

»Das war gemein von ihm. Ich kann ihn für dich töten, wenn du willst.«

Rhiannon konnte ein überraschtes Lächeln kaum unterdrücken. Niemand hatte ihr je angeboten, jemanden für sie zu töten – zumindest keiner, dem sie geglaubt hatte. Aber sie glaubte Bercelak. »Nein, nein. Das ist nicht nötig. Er hat nur die Wahrheit gesagt.«

»Tja, es gibt einen Unterschied dazwischen, die Wahrheit zu sagen, und einfach ein echter Mistkerl zu sein.«

»Weißt du, du bist nicht …« Sie unterbrach sich unvermittelt, aber die schwarzen Augen des Drachen richteten sich sofort auf sie.

»Was bin ich nicht?«

»Na ja … du bist nicht ganz, was ich erwartet hatte.«

»Und was hattest du erwartet?«

»Um es mit deinen Worten zu sagen … einen echten Mistkerl, denke ich.« Definitiv keinen, der ihr Essen kochte. Und er hatte sie nicht ein einziges Mal angeschrien. Sie hatte ihn wirklich … brutaler erwartet. Brutal und tödlich, und dass er nicht zufrieden war, bis sie weinte … was sie niemals tun würde.

»Das kann ich durchaus sein … im Kampf. Wenn ich zu Hause bin, halte ich das nicht für nötig.«

Während sie die Kartoffel quetschte, um zu sehen, ob sie saftig wie Obst war, murmelte sie: »Es gibt Leute, die sagen, du seist grausam. Herzlos. Und das sagen nicht nur unsere Feinde.«

»Und wer sagt solche Dinge?«

»Du willst wohl, dass ich dir das sage, damit du hingehen kannst und sie zur Strecke bringen? Ich habe nicht vergessen, dass du Bercelak der Rachsüchtige warst, bevor du Bercelak der Große wurdest.«

»Weißt du, warum ich diesen Namen hatte?«

»Nein.« Und es sollte ihr auch egal sein, aber sie war irgendwie neugierig.

»Wegen Soaic.«

Aaah, Soaic. Sie hatte ihn einmal rangelassen. Es war nicht schlecht gewesen, aber nichts, was sie in ihr Tagebuch geschrieben hätte. Außerdem hatte er Angst vor ihr. Das hatten sie alle. Um ehrlich zu sein, war ihr Ruf nicht viel besser als der von Bercelak, und sie war noch nie neben dem Drachen aufgewacht, mit dem sie schlafen gegangen war. Sie schlichen sich immer davon, als fürchteten sie, sie würde aufwachen und sie einfach so zum Zeitvertreib umbringen.

»Aye. Soaic.« Sie zuckte die Achseln. »Er hatte viel über dich zu sagen.«

Bercelak goss eine Flüssigkeit über den bratenden Kadaver. »Das dachte ich mir schon. Kennst du die Narbe, die Soaic an seiner rechten Hinterhand hat? Die nicht einmal seine Schuppen verdecken können?«

»Aye. Die hat er aus der Schlacht von …«

»Die hat er von mir – als ich ihn von der Hüfte bis zur Klaue aufgeschlitzt habe.«

»Warum hättest du das tun sollen?« Da sie nicht wusste, was sie sonst mit der dummen Kartoffel in ihrer Hand machen sollte, warf Rhiannon sie ins Wasser.

»Hast du die vorher geputzt?«

Knurrend stand sie auf und wandte sich zu ihm um. »Hast du mir gesagt, dass ich sie zuerst putzen soll?«

»Du hast wirklich noch nie vorher selbst gekocht?«

»Ich bin nicht nur eine Prinzessin – sodass ich das nicht tun muss –, ich bin außerdem ein Drache. Die ganze Welt ist voller Vieh. Warum sollte ich Zeit damit verschwenden, irgendwas zu kochen?«

»Hast du nie Zeit mit Menschen verbracht? Überhaupt nie?«

»Nur, wenn ich mit ihnen rede, bevor ich sie fresse. Aber das mache ich nicht oft. Ich finde, wenn sie anfangen zu schluchzen, ist es schwerer, in Ruhe zu essen.«

Bei diesen Worten lachte er. Bercelak hatte nie über irgendetwas gelacht. Zumindest munkelte man das bei Hof. Aber sie hatte ihn schon zweimal zum Lachen gebracht. Sie. Rhiannon biss sich auf die Lippen, um nicht stolz zu lächeln.

Bercelak verwandelte sich, schnappte sich eine schwarze Hose und zog sie über.

Sie runzelte die Stirn, verwirrt, warum er Kleider anzog. Er sah ihren Ausdruck und zuckte die Achseln. »Vertrau mir, Prinzessin. Es ist viel einfacher, wenn ich angezogen bin.«

Mit einem ablehnenden Schnauben wandte sie sich von ihm ab. Rhiannon schloss die Augen und mühte sich ab, die Schönheit des Drachen zu ignorieren. Und all diese kleinen Narben von seinen Kämpfen machten ihn nur noch schöner. Noch nie hatte sie so auf ein männliches Wesen reagiert, egal ob Mensch oder Drache. Vielleicht war es wegen diesem widerspenstigen menschlichen Körper, den sie ertragen musste. Sie wusste es nicht – aber sie wusste, dass es ihr nicht gefiel.

»Du hast mir nicht gesagt, warum du Soaic angegriffen hast.«

»Er hat schlecht von meinem Vater gesprochen.« Er griff um sie herum, zog die Kartoffel aus dem kochenden Wasser und warf sie beiläufig zurück auf den Haufen. »Ich erlaube niemandem, so über meinen Vater zu reden.«

»Mir hast du es erlaubt.« Rhiannon zuckte zusammen. »Das habe ich nicht so gemeint.« Was, wenn der Mistkerl es gar nicht gemerkt hatte?

Er zupfte behutsam an einer ihrer Haarsträhnen. »Stimmt, aber ich hatte auch nicht vor, mich mit Soaic zu paaren.«

Sie drehte sich langsam zu ihm um. Auch wenn er sie nicht berührte, stand er doch so nah wie möglich bei ihr. Sie konnte ihn riechen, und er roch ziemlich gut. Nicht nach Parfüm wie manche Mitglieder des Königshauses. Es war auch nicht der Geruch nach Blut wie bei jenen, die weniger darauf achteten, sich zu säubern.

»Wir, Nichtswürdiger, werden uns nicht paaren.«

»Doch, das werden wir.«

»Nein. Werden wir nicht.«

»Warum nicht?« Und er schien ehrlich verwirrt. »Hast du noch nie …«

»Bevor du diesen Satz auch nur zu Ende bringst – nein. Ich bin keine Jungfrau. Schon ziemlich lange nicht mehr. Ich überlasse das jungfräuliche Königtum den Menschen.«

»Dann verstehe ich nicht, warum du so dagegen bist, dass wir zusammen sind. Wir sind beide attraktiv und geschlechtsreif. Beide extrem intelligent. Und wir haben uns gegenseitig verdient. Also frage ich mich, wo das Problem liegt.«

Tja, wenn er es so darstellt … »Dachtest du, ich komme freiwillig zu dir, weil meine Mutter es befiehlt?«

Er runzelte verwirrt die Stirn. »Was hat denn deine Mutter damit zu tun?«

»Ich bin nur ihretwegen hier!«

»Stimmt. Aber meinetwegen wirst du bleiben, Prinzessin.«

Sie lachte. Drachen waren von Natur aus arrogant, aber bei den finsteren Göttern des Feuers: Gegen diesen hier wirkten die anderen unsicher und schüchtern.

»Ach ja? Und warum sollte ich?« Sie sah sich in seiner spärlich eingerichteten Höhle um, die passend war für einen Kampfdrachen, der selten zu Hause war, aber wohl kaum für eine Prinzessin. »Deine großen Reichtümer? Dein königlicher Leumund? Also ehrlich … aus welchem Grund sollte ich hierbleiben, außer weil mein menschlicher Körper nicht fliegen kann?«

Sie provozierte ihn. Das wusste sie, und doch konnte sie es sich nicht verkneifen. Und als er nicht sofort antwortete, war sie irgendwie enttäuscht. Sie hatte ehrlich gedacht, er wäre der Herausforderung gewachsen. Anders als andere am Hof ihrer Mutter. Schade, dass sie sich geirrt hatte.

»Das dachte ich mir.« Sie schnaubte noch einmal, drehte sich um und stolzierte davon. Sollte er seine blöden Kartoffeln doch selbst kochen.

Aber sie hätte ihm nicht den Rücken zuwenden sollen. Seine Hand griff in ihre Haare und zog sie zurück an seine Seite. Sie stemmte ihre Hände gegen seine breite Brust, aber er hielt sie fest, bis sie zu ihm aufsah.

Es war kein heftiges Ziehen. Oder gar brutal. Es war einfach … zwingend. Und die Götter sollten verflucht sein … es fühlte sich sogar gut an.

»Geh nicht weg, wenn ich mit dir rede«, sagte er ruhig. Keine Spur von Zorn oder Wut. Tatsächlich sah sie Erheiterung und Lust in seinen dunklen Augen. Selbst sein finsterer Blick war etwas verblasst. »Wenn du mir eine Frage stellst, musst du mir Zeit zum Antworten geben.«

»Lass mich los!«, fuhr sie ihn an.

»Nein. Nicht, bevor wir fertig sind.« Sein Blick schweifte über ihr Gesicht, während er sprach, als söge er jedes Detail in sich auf. »Also, du hast mir eine Frage gestellt. Du hast mich gefragt, was ich dir bieten könnte, damit du bei mir bleibst?«

Er zerrte an den Haarsträhnen, die er in seiner Faust hielt, und sie unterdrückte ein schmerzliches Aufstöhnen.

»Ich werde dir jemanden geben, der deiner würdig ist. Jemand, der mit einer Drachendame wie dir umgehen kann. Ich fürchte deinen Zorn nicht. Ich fürchte deine spitze Zunge nicht. Um genau zu sein, mag ich dich gemein. Je gemeiner, desto besser.«

Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ein weiteres Reißen an ihren Haaren ließ sie stattdessen knurren. »Außer«, fuhr er fort, »wenn wir uns paaren. Dann wirst du dich mir ausliefern – voll und ganz. Du wirst mich alles mit diesem Körper machen lassen, was ich will – ob in Menschen- oder in Drachengestalt. Denn wir werden mit beidem spielen, Prinzessin. Wir werden eine Menge spielen.« Diesmal grinste er. Ein breites Grinsen, das schöne weiße Vorder- und Reißzähne erkennen ließ und das hübscheste menschliche Gesicht, das sie je gesehen hatte. Augenblicklich wurden ihre Nippel unter ihrem Gewand hart, und eine plötzliche heiße Feuchtigkeit breitete sich zwischen ihren Schenkeln aus. »Das soll nicht heißen, dass du dich nicht ab und zu wehren sollst. Es macht mir nichts aus, wenn ein paar meiner Kampfnarben von dir stammen. Aber am Ende, sozusagen, wirst du dich mir unterwerfen. Freiwillig. Gerne. Und mit einem Lächeln auf diesem wunderschönen Gesicht. Und wenn du als Königin regierst, werde ich an deiner Seite sein. Dein Gemahl. Dein Kampfdrache. Ich werde den Thron und dich mit einem Grimm schützen, den keiner je vorher erlebt hat. Du wirst mein Zeichen gut sichtbar und mit purem Stolz tragen. Gemeinsam werden wir Söhne und Töchter hervorbringen, die uns stolz machen und unsere Blutlinie fortsetzen. Wir werden ein Paar sein, das man fürchtet. Von dem nur flüsternd gesprochen wird. Und wenn wir unsere Vorfahren in der nächsten Welt wiedersehen, werden wir die Ewigkeit zusammen verbringen und jene in Angst und Schrecken versetzen, die vor uns kamen.«

Seine andere Hand wanderte herauf, streichelte sanft ihre Wange, glitt dann an ihrem Kiefer und ihrem Hals hinab, bis sie unter ihr Gewand glitt und fest, aber zart ihre Brust hielt. »Das werden wir tun, Prinzessin. Und deshalb wirst du bleiben.« Sie keuchte, als seine Hand ihre Brust drückte, seine Finger mit ihren empfindlichen Nippeln spielten.

»Denn letzten Endes wirst du mich lieben. Das verspreche ich dir.«

Sein Mund schwebte dicht vor ihrem, und sie hob ihr Kinn ein wenig, in der Erwartung, dass er sie küssen würde. Seine Lippen streiften ihre, dann sagte er: »Also, lass mich dir zeigen, wie man Kartoffeln kocht, damit wir essen können.«

Er ließ sie los. Einfach so. Sie starrte ihn empört an, als er neben dem Topf mit dem kochenden Wasser niederkniete. »Siehst du«, sagte er ruhig, »als Erstes musst du die Kartoffel sauber machen, bevor du sie klein schneidest.«

Und zum ersten Mal in Prinzessin Rhiannons Leben wusste sie nicht, ob sie töten oder weinen sollte. Im Augenblick war sie sich sicher, dass es womöglich beides sein konnte.