24 Izzy war wach und angezogen, noch bevor die zwei Sonnen aufgegangen waren. Sie hatte in ihrem alten Zimmer in der Burg geschlafen, ihre Schwester zusammengerollt neben ihr. Bevor sie zur Tür hinausging, hielt Rhi sie auf und umarmte sie.
»Sei bitte vorsichtig.«
»Das werde ich. Versprochen.« Sie küsste ihre Schwester auf beide Wangen und drückte sie noch einmal. »Ich denke, es wird nicht lange dauern. Streite dich nicht mit Daddy.«
»Okay.«
Izzy öffnete die Schlafzimmertür, und Rhi fügte hinzu: »Und bring mir etwas mit.«
»Etwas mitbringen? Was zum Beispiel?«
»Etwas Hübsches. Landestypisches. Nur nichts mit großen Schleifen. Kleine Schleifen sind in Ordnung. Farbmäßig sind Silber und Rosa gut. Oder sehr dunkles Rot. Keine hellen Rottöne. Und Mum lässt mich noch kein Schwarz tragen, aber Blautöne sind okay für sie und – wo willst du hin? Na ja, ich mag auch Grün! Dunkelgrün! Und viel Glück, Izzy! Ich liebe dich!«
Izzy kam am Fuß der Treppe an, wo ihr Vater auf sie wartete. Er lächelte ihr zu. »Silber und Rosa sind aber ihre Lieblingsfarben.«
»Ich habe beschlossen, dass sie nicht noch mehr Zeit allein mit Keita verbringen darf. Rosa?« Sie schnaubte. »Ehrlich?«
Glucksend beugte Briec sich hinab und küsste sie auf die Wange. »Bitte sei vorsichtig, um meiner geistigen Gesundheit willen. Deine Mutter wird absolut unerträglich sein, wenn dir irgendetwas zustößt. Und ich würde jemanden, der mich so wenig ärgert wie du, eindeutig vermissen.«
Izzy umarmte ihren Vater. »Ich verspreche, mich nicht in Gefahr zu bringen, damit du keine Klagen hören musst.«
»Das ist mein Mädchen.«
Izzy trat von ihrem Vater zurück und hängte sich ihre Reisetasche über die Schulter. »Ich hab dich lieb, Daddy.«
»Ich hab dich auch lieb.«
Sie lächelte und ging auf die Tür zu.
»Und Izzy …« Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. »Wenn du deine Großmutter triffst, denk an Rhi. Nicht an deine Mutter. Nicht an dich. Es geht um deine Schwester, vergiss das nicht.«
»Ich werde daran denken. Ich verspreche, die alte Schlampe nicht umzubringen, wenn ich nicht muss.«
Briec wandte eilig den Blick ab und räusperte sich. Sie wusste, er hätte gerne gelacht, aber er versuchte, ernst zu bleiben.
»Danke.«
Izzy ging zur Tür und öffnete sie. »Sag Mum, wir sprechen uns, wenn ich wieder da bin.«
Da sie die Antwort ihres Vaters nicht hören wollte, ging sie die Treppe hinunter und über den Hof zu den Ställen.
»Morgen, Generalin!«, sagte einer der Stalljungen, der gerade herauskam, und blieb stehen, um ihr die Tür aufzuhalten.
»Morgen, Richard.«
Izzy ging hinein, blieb aber wie angewurzelt stehen, als sie ihre Mutter an Dais Box stehen sah. Dai hatte den Kopf über den unteren Teil der Boxentür gestreckt, und Talaith streichelte ihn von seiner Stirnlocke bis zum Maul.
»Du verwöhnst ihn«, sagte Izzy, als sie sich auf die andere Seite des Pferdekopfes stellte.
»Ich kann nicht anders. Er ist schön.«
»Und loyal.«
Talaith grinste. »Ja, die Loyalität …«
»Keine Sorge, Mum. Ich habe nicht vor, die alte Schlampe umzubringen. Ich glaube zwar immer noch, dass das Ganze eine verrückte Idee ist, aber wenn die Chance besteht, dass sie helfen kann …«
»Glaubst du, das ist der Grund, warum ich mir angesichts deiner Reise Sorgen mache? Das ist es nicht. Ich bin mir zwar sicher, dass meine Mutter deiner Schwester nur zu gern helfen will, aber für dich, Izzy, wird sie keine Verwendung haben. Und wenn sie für jemanden keine Verwendung hat …«
Izzy nahm die Hand ihrer Mutter und hob sie an ihre Brust. »Überlass sie mir. Ich verspreche, dass ich vorsichtig bin. Sehr vorsichtig.«
»Und was ist mit der Reise durch die Wüstenländer? Es ist ein riesiges Gebiet, Izzy.«
»Ich habe Karten und …«
»Keine Sorge«, hörte Izzy eine Stimme aus einer anderen Box. Sie ließ die Hand ihrer Mutter los, wirbelte herum und sah Éibhear neben dem Pferd stehen, mit dem er nur ein paar Tage zuvor nach Garbhán geritten war. »Oh. Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe. Ich kratze ihr nur gerade die Hufe aus.« Er gab dem Pferd einen Klaps aufs Hinterteil. »Stimmt’s nicht, Mädchen?«
Dann nahm er die Zügel der Stute und führte sie aus der Box. »Ich wollte gerade sagen, Aidan hat einige Jahre bei einem Onkel in den Wüstenländern gelebt. Also wird er uns führen, sobald wir über die Grenze sind.«
»Oh.« Talaith schaute zwischen Izzy und Éibhear hin und her. »Ich wusste nicht, dass du Izzy auf dieser Reise begleitest.«
»Mum will, dass wir uns um die Eisendrachin kümmern, falls sie sich als wirkliches Problem herausstellt. Es ist nicht das erste Mal, dass die Mì-runach so eine Art von Ausflug machen. Abgesehen davon wird es nett sein zu sehen, wo du herkommst, Talaith.«
»Stimmt.« Ihre Mutter verengte fast unmerklich die Augen, aber sie fragte Éibhear nicht weiter aus, was Izzy merkwürdig vorkam, da Briec sich ständig darüber beschwerte, dass seine Gefährtin zu viele verdammte Fragen stellte.
»Na ja«, sagte Talaith und stellte sich auf die Zehenspitzen, während Éibhear sich ein bisschen herunterbeugte, damit sie ihn auf die Wange küssen konnte. »Seid vorsichtig, ihr beiden. Und ich hoffe, ihr seid rechtzeitig zum Erntefest zurück.« Sie küsste auch Izzy auf die Wange. »Viel Glück, mein Schatz.«
»Danke, Mum.«
Talaith trat zurück, musterte die beiden noch einmal und sagte dann: »Ja, also … na gut.« Sie machte einen Bogen um Éibhear und sein Pferd und ging zur Tür.
Als ihre Mutter weg war, wandte Izzy sich zu Éibhear um und starrte ihn an.
Er lächelte. »Also, bist du dann fertig?«
Aidan gähnte und wünschte sich wieder einmal, zurück im Bett zu sein, wo er hingehörte. Also ehrlich, was er manchmal für Freunde tun musste … das war wahrscheinlich auch der Grund, warum er nicht viele davon hatte.
Er warf einen Blick zu Uther hinüber und beobachtete, wie der Drache in Menschengestalt die Nase an den Hals seines Pferdes drückte.
»Du kannst es nicht essen, Uther.«
»Ich weiß.«
»Dann hör auf, daran zu schnuppern.«
»Es ist nicht meine Schuld, wenn es lecker riecht.«
»Wir finden schon etwas zu essen für dich, sobald wir unterwegs sind.«
»Warum machen wir das noch mal?«, fragte Caswyn. Statt an seinem Pferd zu schnüffeln, hatte er ihm seine überkreuzten Arme auf den Rücken gelegt und seinen Kopf auf den Armen abgelegt. Ein paarmal war Aidan sicher, ihn schnarchen zu hören. Caswyn war einer der wenigen Drachen, die er kannte, die im Stehen schlafen konnten … und mit offenen Augen. Aye. Es war abschreckend.
»Weil Éibhear ein notgeiler Idiot ist«, antwortete Aidan auf die Frage seines Kameraden.
»Das dachte ich mir.«
Gerade kam die wunderschöne Lady Talaith aus dem Stall. Ihr Götter, sie war wirklich wunderschön. Wäre ihr Gefährte kein labiler Monarch gewesen, dessen Brüder sogar noch labiler waren, hätte Aidan zumindest seine Flügelspanne zur Schau gestellt. Er war immer der Meinung gewesen, an einem Golddrachen mit ausgebreiteten Schwingen im frühen Morgenlicht sei etwas Besonderes, womit er jede Frau rumkriegte. Aber er hatte von Éibhear und seiner eigenen Sippe – als er noch gezwungen gewesen war, mit ihnen zu sprechen – genug Geschichten über den Wahnsinn der Gwalchmai fab Gwyar und der Cadwaladrs gehört, um einzusehen, dass es Frauen gab, die das Risiko einfach nicht wert waren.
Aber wenn es eine gab, die möglicherweise das Risiko doch wert war, dann …
Als sie an ihnen vorbeikam, sah Aidan die Sorge einer Mutter auf diesem schönen Gesicht und hatte das Bedürfnis, sie zu beruhigen. »Wir werden uns sehr gut um deine Tochter kümmern, Mylady Talaith.«
Sie blieb stehen, schaute jeden einzelnen der Mì-runach an, grinste und sagte zu Aidan: »Wenn meine Tochter in ihrer Eigenschaft als Generalin unterwegs ist, ist ihr höchstes Anliegen das Wohlergehen ihrer Soldaten. Wenn sie dagegen etwas ohne ihre Soldaten macht, geht sie Risiken ein, die die meisten als höchst gefährlich bezeichnen würden. Daher der Name Izzy die Gefährliche, den sie erhalten hat, lange bevor ich sie kennengelernt habe. Also sage ich das als jemand, der sicher ist, dass ihr alle jemanden habt, dem ihr so wichtig seid wie mir meine Tochter – was auch immer ihr tut: Lasst euer Leben nicht von ihr aufs Spiel setzen. Denn etwas sagt mir … mit euch wird sie es wirklich versuchen. Sie wird sich große Mühe geben.«
Sie schauten ihr nach.
»Was war das denn?«, fragte Aidan seine Kameraden. Seine dämlichen Kameraden.
»Keine Ahnung«, seufzte Uther. »Aber ich mag den Dolch, den sie ans Bein geschnallt trägt.«
»Aye«, stimmte Caswyn zu. »Sehr sexy. Ich glaube, es liegt an ihren Schenkeln.«
»Kann eigentlich irgendwer«, fragt Aidan, »so dumm sein wir ihr beide?«
»Bevor du dich aufregst …«, begann Éibhear, aber Izzy unterbrach ihn mit einer kleinen Geste.
»Nein, nein. Ich rege mich nicht auf.«
Éibhear zwang sich, den Kopf nicht mit den Händen abzuschirmen. Er wusste einfach, dass sie ihm irgendetwas an den Kopf werfen würde. »Nicht?«
»Nein. Es ist bestimmt gut, Aidan dabeizuhaben, wenn er sich wirklich in den Wüstenländern auskennt.«
»Das tut er. Er weiß sogar, wo man die Nolwenns findet.«
»Und die Mì-runach als Schutz … Könnte eine Generalin sich mehr wünschen?«
»Ich denke nicht.«
»Dann ist das in Ordnung. Lass uns aufbrechen.«
Sie drehte sich um, und er machte einen schnellen Schritt rückwärts, aber sie nahm nur die Zügel ihres und seines Pferdes und führte sie aus dem Stall.
Éibhear geriet langsam in Panik, schaute sich um, erwartete, einen Pfeil auf seinen Kopf zufliegen zu sehen oder einen Mörder mit einem vergifteten Messer hinter einer Ecke. Aber da war nichts.
Kopfschüttelnd und vor sich hinmurmelnd, wie dumm er doch sei, folgte er Izzy. Er war gerade aus dem Stall getreten, als ein stinkendes, sabberndes, knurrendes Bündel schmutzigen, ekelhaften Fells mit seinem Kopf kollidierte und ihn umwarf.
Izzy beobachtete, wie ihr Hund genau das ausdrückte, was sie fühlte, ohne dass sie etwas tun oder sagen musste. Dagmar musste ihren perfekt gezüchteten Hunden Befehle geben. Bei Macsen war das nicht nötig.
Éibhear packte Macsen an beiden Seiten seines Halses und hielt ihn fest, aber der Hund schnappte weiter und versuchte, ihm das Gesicht abzubeißen.
»Ruf ihn zurück!«, schrie Éibhear. »Oder ich zünde den Bastard an!«
Izzy pfiff kurz, und Macsen ließ von ihm ab. Éibhear ließ ihn los, der Hund sprang von seiner Brust, ging um ihn herum und schnappte noch einmal nach seinem Kopf, bevor er sich an Izzys Seite gesellte und sich zu ihren Füßen setzte.
»Siehst du?«, sagte Izzy und zeigte auf den Hund. »Das ist Loyalität. Loyalität, und er hört auf mich. Ich finde das unschätzbar wertvoll.«
Éibhear kam auf die großen Füße und klopfte sich den Staub von der Hose und seinem Fellumhang. »Er ist ein Hund, Izzy.«
»Ja. Nur ein Hund. Und dennoch schafft er es, besser zu sein als du.«
Sie saß auf und klopfte Dai den Hals. »Ich werde nicht versuchen, dich davon abzuhalten, mit mir zu kommen, Éibhear. Aber wenn du mir in die Quere kommst, werde ich dich und deinen Mì-runach-Abschaum zerquetschen. Klar?«
Sie wartete keine Antwort ab, sondern drehte nur ihr Pferd herum und ritt mit Macsen an Dais Seite zu dem Pub, wohin Celyn Brannie für einen kleinen spätabendlichen Drink entführt hatte.
Éibhear gab sich größte Mühe, seine Kameraden nicht anzuschauen und konzentrierte sich auf die davonreitende Izzy. Abgesehen davon musste er die Gesichter seiner Drachenkameraden gar nicht sehen, um genau zu wissen, was sie dachten.
»Du hast sie gevögelt, oder?«, fragte Aidan.
Éibhear zuckte die Achseln, immer noch ohne sie anzuschauen. »Vielleicht.«
»Weißt du, woher ich das weiß? Weil sie dich hasst.«
»Es ist kein Hass. Es ist Verwirrung. Ich habe sie überwältigt mit meiner …«
»Dummheit?« Aidan schüttelte den Kopf. »Wenn deine Brüder herausfinden …«
»Lass uns einfach nicht alle Albtraumszenarien gleichzeitig heraufbeschwören, ja?«, blaffte Éibhear.
»Wollen wir das wirklich tun?«, fragte Aidan ihn. »Denn soweit ich das beurteilen kann, hasst sie dich; ihre Mutter hat uns gerade düstere Warnungen um die Ohren gehauen; und obwohl sie dich und uns alle bedroht hat, hattest du etwas, das ich nur als jämmerlichen, liebeskranken Gesichtsausdruck bezeichnen kann.«
»Ach das war das, was ich gerade gesehen habe?« Uther zog angewidert die Oberlippe hoch. »Ich finde das verstörend.«
Éibhear hatte genug und wollte auch kein weiteres Wort darüber verlieren. Er schritt auf sein Pferd zu. »Aufsitzen, Mì-runach. Wir reiten los!«