EINE EHE, DAS SIND IMMER ZWEI sich überschneidende Geschichten. Ich kann nur die meine erzählen. Was die Geschichte Etnas betrifft (die Geschichte Etnas und Phillips), so weiß ich darüber nur das, was den Briefen zu entnehmen ist, die ich in Etnas Kuchenkasten aus Blech gefunden habe. Ich hefte die Briefe hier an, mit einem gewissen Widerstreben nicht nur wegen ihres (für mich bestürzenden) Inhalts, sondern auch, weil mir das schmale, griffige kleine Paket gefiel, das mein in Leder gebundenes Tagebuch abgab, als ließe sich zwischen seinen mit kunstvollem Prägedruck verzierten Einbänden ein Leben einschließen.

Etna war von Natur aus eine zurückhaltende Person, die nicht dazu neigte, über ihre Gefühle zu sprechen, und daher war kaum zu erwarten, daß sie mich über ihre Beziehung zu Phillip Asher unterrichten würde. Hätte ich nicht zufällig die Briefe Etnas und Ashers entdeckt (als ich aus reiner Nervosität mit einer Hand an der Kuchendose herumspielte und dabei auf den kleinen Schnappriegel des Türchens drückte, so daß dieses aufsprang), so hätte ich vielleicht nie von dieser Korrespondenz erfahren, denn sie wäre mit ziemlicher Sicherheit dem Feuer zum Opfer gefallen. Ich kann nicht behaupten, daß sich mir durch die Briefe das Geheimnis aufklärte, das meine Frau für mich war, aber sie gaben mir immerhin Antwort auf einige Fragen.

Aus Etnas Schreiben vom 22. Oktober erfuhr ich, daß sie früher einmal mit einem Mr. Bass aus Brockton verlobt war, die Verlobung jedoch gelöst wurde. Es ist erstaunlich, daß mir das nie zu Ohren kam, daß weder William Bliss es mir, in aller Arglosigkeit, erzählte, noch Keep, weniger arglos, versuchte, mich mit dieser Neuigkeit zu verletzen (mir einen Stich zu versetzen). Eine Verlobung war damals eine ernste Angelegenheit, beinahe so schwierig zu lösen wie eine Ehe. Ich kann nur vermuten, daß William Bliss, als er sah, wie ich bei der Nachricht von Etnas Abreise nach Exeter die Fassung verlor, es für das klügste hielt, mich nicht mit Geschichten zu belasten, die zu erzählen ohnehin nicht seine Aufgabe war. Ja, es kann gut sein, daß sowohl Bliss als auch Keep glaubten, Etna hätte die Angelegenheit bereits mit mir besprochen. Die meisten Frauen hätten das getan. Aber Etna war, wie wir gesehen haben, nicht wie die meisten Frauen. Etna war eine Frau mit Geheimnissen.

Wie habe ich reagiert, als mir die Beziehung zwischen Etna und Samuel Asher zur Kenntnis kam, die, wie der Briefwechsel deutlich verrät, eine leidenschaftliche Liebesaffäre war? Um ehrlich zu sein, die Entdeckung war nicht so quälend, wie ich, der ich immer wieder ein ausgeprägtes Talent zu leiden gezeigt habe, vielleicht erwartet hätte. Es war, ganz im Gegenteil, beinahe eine Erleichterung, denn irgendwie hatte ich es ja immer geahnt. Ich weiß noch, daß ich bereits an jenem Tag, als ich Etna kennenlernte, Mutmaßungen darüber anstellte, ob sie schon einen oder vielleicht sogar mehrere Liebhaber gehabt hätte. Eine Frau, die die Liebe kennt, besitzt eine gewisse Ausstrahlung, als wäre sie – wie soll ich sagen? Ich möchte nicht grob sein, aber plündern ist das einzige Wort, das mir hier einfällt, und ich halte es für durchaus zutreffend – als wäre sie geplündert worden. Etna war, wenn auch hundertmal mit ihrer Zustimmung, von Samuel Asher geplündert worden, an Leib und Seele. Ich werde nicht bei den Bildern verweilen, die bei dieser Vorstellung hervorgerufen werden; genüge es zu sagen, daß die Sinne eine Intelligenz besitzen, die dem bewußten Denken verwehrt ist, und daß meine Sinne in unserer mißlungenen Hochzeitsnacht bei meiner Braut sehr richtig mehr als nur eine frühere Entjungferung erkannten. Etna war wahrhaft geliebt worden.

Ich werde nie etwas über die Art und die Dauer dieser Liebesbeziehung erfahren. Ich kann niemanden danach fragen – nicht Phillip Asher, der vielleicht ohnehin nicht viel darüber weiß (er war ja damals ein Junge von siebzehn Jahren); und ganz gewiß nicht Samuel Asher, der möglicherweise gar nicht mehr am Leben ist, während ich dies schreibe. Die einzigen Anhaltspunkte, die ich habe, sind Bemerkungen in den Briefen, wobei die Phillip Ashers aufschlußreicher sind als die Etnas.

Etna versichert zwar, ihre Liebe sei echt gewesen, doch von Leidenschaft spricht Asher. »Die Wildheit der Liebe, die sich hinter dem Schleier kultivierten Betragens verbirgt«, schreibt er. Und dies: »Der Ausdruck in Ihrem Gesicht an jenem Morgen, der nun schon so viele Jahre zurückliegt, ist mir zu einer Art Vorbild geworden, an dem ich meine Zuneigung zu jeder Frau messe, der ich mich nahe fühle, und ebenso die Zuneigung jeder Frau zu mir. Sie zählen für mich zu den glücklichsten Menschen, da es Ihnen gegeben war, einem anderen so starke Gefühle entgegenzubringen, ganz gleich, wie traurig der Ausgang war. Denn ist nicht das der Sinn unseres Daseins?«

Wir können nur versuchen, uns vorzustellen, was an jenem »schneereichen Morgen« in Exeter geschehen ist. Hatte Etna Samuel zu Hause aufgesucht, um eine Aussprache herbeizuführen? Um ihm mitzuteilen, daß sie ihre Verlobung mit dem Mann aus Brockton gelöst habe? Warum war es notwendig, Samuel zu Hause aufzusuchen? Hatte er sich bereits aus der Beziehung zurückgezogen? War er im Begriff, nach Kanada abzureisen? War er mit einer anderen Frau verlobt? Und was genau war das für eine »unglückliche Episode« im Haus der »großen Familie« in Exeter? Hat es Liebesschwüre gegeben? Tränen? Warum hält Phillip Asher es Jahre später für notwendig, sich für das Verhalten seiner Familie zu entschuldigen? Oder meint er mit Familie allein seinen Bruder?

Ich habe mir die Geschichte genau ausgemalt. (Sind nicht imaginäre Ereignisse manchmal realer als solche, bei denen man anwesend ist?) Es ist der Sommer 1896. Etna, gerade dreiundzwanzig Jahre alt, ist mit einem Mr. Bass aus Brockton, Massachusetts, verlobt, sagen wir, einem Mr. Josiah Bass, einem älteren Mann, vielleicht sechs- oder achtunddreißig. Etna liebt diesen Mann nicht, aber sein Vermögen (aus der Schuhfabrikation) verheißt ihr eine gewisse Freiheit, die, wie wir heute wissen, für Etna Bliss von größter Wichtigkeit ist, auch wenn sie selbst sich dessen noch gar nicht bewußt ist.

Nun tritt Mr. Samuel Asher auf den Plan, großgewachsen wie sein Bruder, siebenundzwanzig Jahre alt, Lehrer an der vorbereitenden Privatschule, mit – das ist reine Vermutung – hoher Stirn (einer Andeutung von Geheimratsecken vielleicht?), einem blonden Bart und abfallenden Schultern. Er hatte kürzlich Anlaß, Etnas Vater, Thomas Bliss, aufzusuchen, einen gebildeten und toleranten Mann, der sich nicht scheut, einen Juden in sein Haus zu bitten – schon gar nicht einen englischen Juden. (Oder weiß Bliss ganz einfach nicht über Samuel Asher Bescheid, der vielleicht seit Jahren als Mitglied einer Episkopalkirche galt?) Ging es um ein gemeinsames Seminar über Navigationskunde? Um ein Forschungsprojekt? Wir wissen es nicht.

Zwei- oder dreimal ist es vorgekommen, daß Etna und Samuel sich allein im Salon der Familie Bliss befanden, während Etnas Vater sich um andere Dinge kümmerte, und sie haben entdeckt, daß sie verwandte Seelen sind. (Sprechen sie über Astronomie? Nein, wahrscheinlich nicht.) Sie haben mindestens einmal mit Samuels Vater und seinem jüngeren Bruder Phillip zusammen Tennis gespielt. Samuel und Etna freuen sich auf ihre Begegnungen und verstehen es, sie herbeizuführen. Samuel Asher, der sich über alle Vernunft zu dieser aparten Tochter Thomas Bliss’ hingezogen fühlt, obwohl er mit Ardith Silver aus Toronto in Ontario verlobt ist, einer Frau, die er kennenlernte, als sie mit ihrer Familie noch in Exeter lebte, bringt es fertig, selbst dann der Familie Bliss Besuche abzustatten, wenn er weiß (aber vorgibt, es vergessen zu haben), daß Thomas Bliss anderswo zu tun hat. (Wir wollen Samuel keine niedrigen Motive zuschreiben und unterstellen, daß er nur weibliche Gesellschaft sucht, weil seine zukünftige Frau nicht verfügbar ist.) Eine Sommerbekanntschaft entwickelt sich im Lauf des Herbstes zur Freundschaft und verwandelt sich noch vor Weihnachten schnell in etwas, was Leidenschaft sehr ähnlich ist.

Und am Heiligen Abend sucht Samuel Asher die Familie Bliss auf, um ihr Feiertagswünsche zu entbieten. Thomas, der noch keine Ahnung von der heimlichen Zuneigung seines verlobten jungen Freundes zu seiner ebenfalls verlobten Tochter hat, nimmt ihn mit offenen Armen in seinem Haus auf. Etna befindet sich mit ihrer Mutter und Miriam im Salon (Pippa ist bereits verheiratet und lebt in Massachusetts), wo sie letzte Hand an den beeindruckenden Weihnachtsbaum legen, der in der nächsten Stunde angezündet werden wird. Auf der Kredenz steht eine Kristallschale mit Punsch, der reichlich Rum enthält. Etna trägt ein pflaumenfarbenes Samtkleid mit einem Dekolleté, das einiges enthüllt, und sieht beinahe schön aus an diesem Nachmittag.

Samuel, dessen Wangen vom Wetter und von froher Erwartung gerötet sind, begrüßt Etnas Mutter, dann Miriam und schließlich, als allen anderen Formalitäten Genüge getan ist, Etna, deren Wangen so rot sind wie die seinen. (Hätte Thomas, wäre er für Schwingungen der Liebe empfänglich gewesen, nicht etwas daran auffallen müssen, daß Miriam vor Etna begrüßt wurde? Nein, vielleicht nicht.) Thomas macht eine Bemerkung darüber, wie sehr Samuel gewiß seine Verlobte gerade während der Feiertage vermißt. Samuel stimmt höflich zu und sieht, wie Etnas schöne weiße Schultern kaum merklich zurückzucken.

(Und wo ist Josiah Bass, Etnas Verlobter? Nicht da. Er ist einfach nicht da.)

Wie wird Samuel es anstellen, diesen heiklen Abend zum Erfolg zu machen? Er hat nämlich ein Geschenk für Etna, das er ihr aber nicht im Beisein ihrer Mutter und Schwester überreichen kann, weil er diesen beiden nichts mitgebracht hat. Und er kann es ihr auch nicht unter Thomas’ Blicken überreichen, den eine solche Bevorzugung Etnas zweifellos stutzig machen würde. Er verfällt daher auf die Idee, einen Spaziergang anzuregen – beiläufig, höflich. Zuerst fordert er Mrs. Bliss auf und betet insgeheim darum, daß sie ablehnen wird. Das tut sie; es ist ihr zu kalt draußen. Etna hingegen ist sofort bereit, spricht davon, was für ein Vergnügen es sei, den Rauch aus den anderen Häusern aufsteigen zu sehen, unterwegs Weihnachtssängern zu begegnen. Miriam sagt, sie sei müde, und lehnt wunderbarerweise ab.

Kaum fähig, seine Erleichterung zu verbergen, geht Samuel mit Etna ins Vestibül hinaus, wo sie sich, jeder sorgfältig den Blick des anderen meidend, warme Sachen überziehen. Beide fühlen sich in diesem Moment wie Verschwörer, aber keiner verrät etwas davon.

Eine Weile gehen sie schweigend Seite an Seite – nicht den Häusern mit den warmen Feuern entgegen, sondern von ihnen weg. Sie kommen zu einem der vielen Sportplätze der Schule und bleiben am Rand des schneebedeckten Feldes stehen, das im Licht des Mondes liegt.

»Etna«, sagt Samuel.

Er gibt Etna das Päckchen. Sie hält es einen Moment in der behandschuhten Hand, bevor sie es öffnet. (Es tut mir weh, mir vorzustellen, daß ihr dieses Geschenk viel mehr bedeutet als das, welches ich ihr im Park des College überreichte, aber so ist es nun einmal.) Mit kältestarren Fingern zieht Etna etwas ungeschickt die Schleife auf. Das Silber blitzt im Mondlicht. Samuel ergreift Etnas Hand, streift den Handschuh ab und schiebt ihr das Armband über das Handgelenk, das beinahe so weiß ist wie der Mond. Er läßt ihre Hand nicht los.

»Ich mußte dir etwas schenken«, sagt er.

»Das kann ich nicht annehmen«, entgegnet sie.

»Du mußt es annehmen. Du kannst es ja im geheimen tragen.«

»Ich bin verlobt«, sagt Etna überflüssigerweise.

»Ich auch«, antwortet Samuel.

Dann küßt er Etna so (können wir, denke ich, mit Sicherheit annehmen), wie sie noch nie geküßt worden ist, ganz gewiß nicht von Josiah Bass, dem wir häßliche Zähne und einen leicht metallisch riechenden Atem geben wollen. Ashers Kuß löst bei Etna eine ihr bis dahin unbekannte körperliche Reaktion aus, und einen Moment lang versinkt die Welt um sie herum, alles wird bedeutungslos, nur Samuel existiert, zu dem sie sich unwiderstehlich hingezogen fühlt. Sie versteht nicht ganz, was da mit ihr geschieht (im Gegensatz zu Samuel), nennt daher die flatternde Erregung ihres Körpers und den rasenden Schlag ihres Herzens Liebe und schreibt diesen Gefühlen Unsterblichkeit zu. Schon phantasiert sie von Flucht und heimlicher Heirat und ist bereit, ihre Ehre zu opfern.

Samuel erklärt ihr seine Liebe. Im Mondlicht sagt er ihr, daß er sie liebt. Er bittet sie um ein weiteres Stelldichein – ein heimliches diesmal – am Tag nach Weihnachten. Er habe in der Schule, die derzeit wegen der Ferien beinahe leer ist, eine kleine Wohnung.

Etna willigt ein, ganz ruhig.

Die Feiertage gehen vorüber. Etna und Samuel treffen sich wie geplant am 26. mittags um ein Uhr in seiner Wohnung. Etna legt ihren Mantel ab. Samuel schiebt den Ärmel ihres Kleids hinauf, und das Armband kommt zum Vorschein. Er küßt sie auf die Unterseite ihres Handgelenks. Etna schließt die Augen. Einen Moment stehen beide bewegungslos. Dann wird alle Vorsicht in den Wind geschlagen.

(Die Einzelheiten von Etnas erstem Liebeserlebnis muß der Leser sich selbst vorstellen. Ich bringe es nicht übers Herz, sie zu beschreiben.)

Später, als sie auf einem Teppich in Samuels Arbeitszimmer liegen, erklärt Etna dem Geliebten, daß sie den armen Mr. Bass verlassen werde. Samuel widerspricht, das dürfe sie nicht tun, sagt er. Er hat nach der leidenschaftlichen Begegnung den klareren Kopf; ein Ehrgefühl, das manchmal recht unbeständig ist, stellt sich wieder ein. Er könne nicht zulassen, sagt er, daß sie auf diese Weise ihren Ruf aufs Spiel setze. Es gebe keine Zukunft, behauptet er. Es gebe einzig den Moment, den sie jetzt teilen.

Etwas verwirrt fügt Etna sich ihrem neuen Geliebten.

In dieser Woche treffen sich Etna und Samuel dreimal in der Schulwohnung und entdecken dabei ein so intensives sexuelles Einverständnis, daß es beinahe beängstigend ist. Bei ihrem vierten Stelldichein, unmittelbar vor Wiederbeginn der Schule, erklärt Etna von neuem, daß sie ihre Verlobung lösen werde. Samuel reagiert mit Ärger und Bestürzung. Bis zu seiner Hochzeit ist es nur noch ein Monat. Auf ihn warten in Toronto eine Anstellung und eine Verlobte. Er eröffnet Etna, daß er Jude ist.

Etna, entweder so vernarrt, daß ihr die Tragweite dieser Enthüllung gleichgültig ist, oder aber wahre Tochter ihres toleranten Vaters, erklärt Samuel, daß das für sie keinerlei Bedeutung habe. Im Gegenteil, sie liebe ihn nur um so mehr.

Sie lieben sich (wild?, leidenschaftlich?, voll Wehmut?), werden aber von einem Geräusch in einem in der Nähe gelegenen Zimmer gestört. Samuel ist klar, daß es ein Schüler sein muß, der vorzeitig aus den Ferien zurückgekehrt ist. Etna kleidet sich an, und mit einer gewissen ängstlichen Nervosität (vielleicht eine komische Episode?) schmuggelt Samuel Etna aus dem Haus. Beim hastigen Abschied versichern sie sich gegenseitig ihrer Liebe.

Jetzt kommen wir zu jenem Sonntag morgen im Januar (dem Sonntag vor Schulbeginn), mit einem heftigen aus Kanada heranbrausenden Schneesturm (vielleicht von Ardith gesandt?). Die Ashers – eine große Familie, wie Phillip Asher schreibt – sind zu Hause. Phillip, gerade siebzehn, sitzt im Salon und liest. Er hört, wie Samuel zur Haustür geholt wird. Neugierig, wer sich bei diesem unwirtlichen Wetter auf die Straße wagt, rutscht er auf dem Sofa ein Stück weiter, so daß er besser ins Vestibül hinaussehen kann.

Eine ungewöhnlich große und auffallende Frau in einem nassen Umhang und ebenso nassen Stiefeln steht vor Samuel. Phillip erkennt in ihr die Frau, mit der sie einmal Tennis gespielt haben. Teile eines heftigen Gesprächs finden ihren Weg in den Salon. Noch neugieriger geworden, steht Phillip auf und tritt zu einem Tisch. In diesem Augenblick hebt Etna den Kopf, und Phillip sieht in ihrem Gesicht … Ja, was? Die Wildheit der Liebe, wird er später schreiben.

Etna beschwört Samuel. Sie weint. Vielleicht legt sie Samuel die geröteten Hände auf die Arme. Samuel versucht, sie zu beschwichtigen, aber sie läßt sich nicht beruhigen. Sie teilt ihm mit, daß sie ihre Verlobung gelöst hat. Sie kann den anderen Mann nicht heiraten. Sie liebt nur Samuel, und der darf Ardith nicht heiraten. Er darf nicht nach Toronto gehen. Er darf sie nicht verlassen.

Was soll man da tun? Samuel will Etna in einen abgelegenen Raum führen, um dort mit ihr zu sprechen, aber Etna, die jetzt beinahe außer sich ist, geht nicht. Samuel bietet ihr an, ihr einen Wagen zu holen, der sie nach Hause fahren wird. Etna schüttelt den Kopf. Schließlich erklärt Samuel, daß er seine Verlobung nicht lösen könne, daß seine Ehre ihm das nicht gestatte. (Kann er das wirklich gesagt haben? Ich denke, ja. Der Begriff der Ehre war damals klarer als heute.) Vielleicht sagt er ihr auch noch, daß seine Familie ihm niemals erlauben würde, seine Verlobung zu lösen. Ardith kommt schließlich aus einer guten jüdischen Akademikerfamilie, genau wie er.

Phillip tritt an die Tür, und vielleicht sieht Etna auf, und der junge Mann fängt einen Blick von ihr auf.

Phillips Vater, der die geräuschvolle Auseinandersetzung gehört hat, kommt ins Vestibül. Was dieser Tumult zu bedeuten habe, fragt er seinen Sohn.

Samuel bemüht sich, eine respektvolle Antwort zu geben, die seinen Vater veranlassen wird, in sein Arbeitszimmer zurückzukehren. Etna, die die Herrschaft über ihre Gefühle verloren hat, ist offensichtlich nicht fähig, selbst Antwort zu geben.

Asher, der Vater, holt seine Frau, die zunächst schockiert ist über dieses Melodram. Sie errät sofort den Grund des Besuchs und der Tränen und erklärt in frostigem Ton, daß sie sich um die junge Frau kümmern werde (wobei die Frostigkeit ganz deplaciert ist, da sie selbst eben noch in ihrem Schlafzimmer gesessen und bei dem Gedanken an die bevorstehende Abreise ihres Lieblingssohns geweint hat). Etna, die sich plötzlich mit Entsetzen bewußt wird, in was für eine Situation sie sich gebracht, wie tief sie sich erniedrigt hat, macht kehrt und reißt die Tür auf. Samuel kuscht (was ihm die lebenslange Verachtung seines jüngeren Bruders einträgt), sagt nichts und läßt Etna gehen. Phillip, im ersten Moment wie gelähmt, dann von einem heftigen Impuls getrieben, der ungewöhnlichen, wenn auch nicht unbedingt schönen Frau zu helfen, stürzt zur Tür und auf die Straße hinaus. Aber als er das Ende des Gehwegs erreicht, ist Etna verschwunden.

Wie gesagt, das alles ist meine Phantasie.

Aber wie ärgerlich diese Briefe letztlich doch sind! Zunächst bewundert man Phillip Asher (über achtzehn Jahre später) für sein Angebot, seine Bewerbung um den Posten am Thrupp College Etna zuliebe zurückzuziehen – wie ritterlich, denkt man –, aber die Bewunderung erhält einen Dämpfer, wenn er sich wenig später willig Etnas Ablehnung seines Angebots fügt (wobei sie allerdings ganz recht hatte mit ihrer Ablehnung). Schon in dem Brief vom 21. Oktober wird die Saat der Täuschung gesät: Asher berichtet, daß er im Hotel mit mir zusammengetroffen ist, mich aber nicht hat wissen lassen, daß er früher einmal mit meiner Frau bekannt war. Am 22. Oktober, in dem Schreiben, dem wir auch entnehmen, daß Etna verlobt war, läßt sie die Täuschung weiterkeimen: »… sehe ich keinen Grund, mit ihm (das heißt, mit mir, N.VT.) über eine Episode zu sprechen, die so lange zurückliegt.« Man kann nicht umhin, sich zu fragen, welche gedanklichen Freiheiten sich der Mann aus Yale daraufhin herauszunehmen berechtigt fühlte, ob dies ihn nicht veranlaßt hat, an eine gemeinsame Zukunft mit einer Frau zu denken, die ihn immerhin schon seit Jahren fasziniert. Wie unglaublich, daß die geheimnisvolle Frau, der er in Exeter vergeblich nachgejagt war, nun plötzlich auf Edward Feralds Empfang vor ihm gestanden hat. (Eigentlich gar kein so ungewöhnliches Zusammentreffen, könnte man sagen. Beide stammten schließlich aus Akademikerfamilien, und Thrupp war ein Akademikerstädtchen.)

Der Austausch von Kondolenz- und Dankschreiben, der folgt, ist absolut akzeptabel und hält sich durchaus in den Grenzen der Etikette, wenn man sich auch fragt, warum Phillip es für nötig hielt, sich für sein Nichterscheinen zur Beerdigung zu entschuldigen. Mir klingt das wie ein offenkundiger Vorwand, den Briefwechsel weiterzuführen. Und man beachte, wie auch Etna in ihrem Schreiben vom 18. November eine Antwort von Asher erbittet. »Ich würde mich freuen zu hören, wie es ihm (Phillips Bruder) geht«, schreibt sie und unterzeichnet den Brief mit Etna Bliss Van Tassel. Warum? Um bei Asher Erinnerungen an die junge Frau zu wecken, die sie einmal war?

Und warum meint Asher am 24. November, er würde sich gern mit Etna »besprechen«, bevor er meine Einladung zu einem Drink annimmt? Um sich darüber zu einigen, wie man die Täuschung aufrechterhalten kann? (Das Wort Ultimatum ist mir ein großes Ärgernis. Ich hasse Übertreibungen. Mein Milton-Zitat war allenfalls eine Warnung.)

Niemand, der diese Briefe liest, kann bestreiten, daß sich zwischen meiner Frau und Phillip Asher mehr entwickelte als gewöhnliche Freundschaft. Schon bald beginnt man wahrzunehmen, daß Asher in seinen Briefen zwischen den Zeilen heftig, wenn auch im Rahmen des Schicklichen, mit Etna flirtet. »Sie sind mit den Jahren nur schöner geworden.« Wozu war diese Schmeichelei notwendig? Obendrein in ebendem Brief, in dem er erklärt, wie unschicklich es sei, ihr weiterhin zu schreiben! Es ist ganz klar, daß Asher die Beendigung der Korrespondenz auf keinen Fall wünscht; er wartet nur darauf, daß Etna die Verantwortung dafür übernimmt. Und man versteht natürlich Etnas in dem Schreiben vom 27. November geäußerte Weigerung, sich vom jüngeren Bruder ihres früheren Liebhabers Vorschriften machen zu lassen; dennoch hat Asher recht, wenn er in seinem Brief vom 29. November schreibt, daß sie mit ihrem Briefwechsel eine Grenze vielleicht nicht des Anstands, aber doch des ehelichen Vertrauens überschreiten. Das unerträgliche Abendessen, das der arme Mann am Thanksgiving-Tag in Feralds Haus genoß, kann man sich lebhaft vorstellen. Ferald mag Geld haben, aber seine Gespräche sind keiner Aufmerksamkeit wert. Und was seine Frau Millicent angeht – ich schaudere allein bei der Vorstellung.

In seinem Schreiben vom 6. Dezember verfolgt Asher mit der Nachricht von seiner Wahl Etna (brieflich) nach Exeter. Und dann legt er die Entscheidung darüber, ob er das Amt des Vorstands annehmen soll, in ihre Hände! Ist das nicht ein so greifbares Zeichen seiner Verehrung wie etwa eine Jetbrosche? Und als er keine Antwort erhält? Da nimmt er den Posten an, wie er das zweifellos so oder so getan hätte.

Ich kann nicht für andere Leser dieses Briefwechsels sprechen, aber ich muß doch darauf hinweisen, wie die beiden mit dem recht pathetischen Austausch vom 15. und 18. Januar die Grenzen der Freundschaft überschreiten: »Verzeihen Sie mein Schweigen.« – »Es gibt nichts zu verzeihen.« In beiden Briefen fehlen die Schlußformeln, und das verleiht ihnen etwas Atemloses, das an die Stimmung zwischen Liebenden erinnert. Sowohl Phillip als auch Etna kommen immer wieder auf die Unangemessenheit ihres Briefwechsels zu sprechen, aber keiner scheint bereit, ihn zu beenden. Ganz im Gegenteil, Etna vertieft die Beziehung zwischen ihnen noch mit ihren »ethischen Fragen«. Die Fragen sind absurd, und man bekommt unwillkürlich etwas Mitleid mit Asher, dessen Unbehagen sich in seiner Antwort deutlich manifestiert.(Selbstverständlich ist es moralisch nicht einwandfrei, ein Zimmer anzumieten und dies vor dem Ehemann geheimzuhalten. Was hätte Asher denn sagen sollen?) Etnas Satzbildung in diesem Brief ist verschachtelt, als hätte sie ihre Gedanken nicht bändigen können. Es ist beinahe unmöglich, den Fragen zu folgen, und es drängt einen förmlich, diese Epistel zu redigieren. Ihr Stil hat zudem etwas Steifes und zeugt hier – wie soll ich sagen? – von recht undiszipliniertem Denken.

Ashers Antwort und Gegenfragen sind unter den Umständen absolut vernünftig, doch seinen anmaßenden Bericht über mein Verhalten in den ersten Monaten des Jahres 1915 finde ich unerhört. Es versteht sich von selbst, daß ich es als in höchstem Maß heuchlerisch empfinde, wenn er am 15. Februar schreibt, er wolle sein Gewissen als Angehöriger der Familie Asher beruhigen. Das ist meiner Meinung nach reine Pose und, schlimmer noch, nichts weiter als ein Versuch, sein bereits unentschuldbares Benehmen zu entschuldigen.

Natürlich trifft es mich, wenn ich lesen muß, daß Etna Asher am 20. Februar – mit einer gewissen Koketterie, würde ich sagen – auffordert, sie bei ihrem Vornamen zu nennen. Und ich kann nicht verhehlen, daß der letzte Brief, vom 20. April, mich tief verletzt hat. »Liebster Phillip«, schreibt Etna (Wochen der Intimität mit einer einzigen Zärtlichkeit übersprungen!). Was geschah zwischen dem verzweifelten Brief vom 9. März, als ihr ihre Situation in ihrer ganzen Verfahrenheit bewußt zu werden begann, und dem kurzen Schreiben vom 20. April, mit dem sie Asher um eine Zusammenkunft bittet? Ich vermute, sie wollte ihm das Häuschen zeigen. Gab es vielleicht weitere Briefe, die nicht aufbewahrt wurden? Hatten die beiden einander in der Zwischenzeit gesehen?

Die Entdeckung des Briefwechsels tat weh, und besonders weh tat dieses letzte herzliche Schreiben, aber zu der Zeit blutete ich bereits aus vielen Wunden. Völlig von Sinnen stolperte Nicholas Van Tassel mit Pfeilen im ganzen Körper umher und vergoß sein Blut auf den Feldern.

Ein Mann läßt sich zu einer unbesonnenen Äußerung hinreißen, die er dann sein Leben lang bereut. In Etnas Häuschen sprach ich von Scheidung. Ich wollte strafen, meine Autorität geltend machen. Ich wollte die Ehe mit einem Wort vernichten. Ich wollte meine Frau demütigen. Ein törichter Ausspruch aus dem Mund eines törichten Menschen. Habe ich es genossen, Etna mit meinen harten Worten zu erschrecken? Hat es mich gefreut, mit anzusehen, wie sie blaß wurde, wie ihre Beine ihr den Dienst versagten? Nun, einen Moment lang verschaffte es mir vielleicht eine gewisse Genugtuung. Aber wozu hatte ich es getan? Um mich selbst der Frau zu berauben, von der ich seit fünfzehn Jahren besessen bin? Der einzigen Frau, die ich je geliebt habe?

Ich weiß nicht mehr, wie es mir gelang, das Auto zu fahren, und wohin ich fuhr. Als ich nach Thrupp kam, war es schon dunkel. Ich hatte längst die Scheinwerfer eingeschaltet, die die Fahrbahn erleuchteten, aber im übrigen fuhr ich wie ein Blinder durch eine Landschaft, die mir völlig fremd war. Doch einem müden Gaul ähnlich, der den heimatlichen Stall sucht, fand der Stevens-Duryea wie von selbst seinen Weg zu Moxons Haus. Ich parkte in der Einfahrt.

Ein Dienstbote öffnete mir auf mein rasendes Klopfen.

»Professor Van Tassel«, rief Jackson (ob das sein Vor- oder sein Nachname war, habe ich nie erfahren), »Professor Moxon ist nicht da. Er kommt erst am Donnerstag zurück.«

»Ich warte auf ihn«, sagte ich.

Ich ging in den Salon und legte mich auf dem Sofa nieder. Jackson war freundlich zu mir an diesem Abend, und dafür werde ich ihm immer dankbar sein. Er ließ mich schlafen, brachte mir Suppe, ließ mich weiterschlafen und stellte mir keine Fragen. Als ich schließlich am nächsten Morgen ziemlich spät aufstand, führte er mich ins Badezimmer, wo ich ein Bad nahm und mich rasierte. Zum Frühstück aß ich Eier und Toast und blieb danach eine Weile am Tisch sitzen. Ich dachte nichts, während ich dasaß; keine zusammenhängenden Gedanken bildeten sich in Moxons Haus. Nach einiger Zeit stand ich auf, ging zum Auto hinaus und fuhr weg.

Ich weiß nicht, was an diesem Tag aus meinen Studenten wurde. Ich fuhr nicht zum College, sondern nach Hause. Alle, die ich liebte, waren fort. Mrs. Van Tassel sei weggefahren, berichtete eine aufgeregte Abigail. Nach Exeter. Sie habe die Kinder mitgenommen. Ich nickte, mich konnte nichts mehr überraschen. In den letzten vierundzwanzig Stunden war ich gezwungen worden, meine Kandidatur für ein Amt zurückzuziehen, das ich heiß erwünscht hatte, ich hatte entdeckt, daß meine Frau eine von mir getrennte Wohnung besaß, in die sie sich seit nahezu einem Jahr heimlich zurückzuziehen pflegte, und ich hatte erklärt, ich würde mich scheiden lassen. Nichts von alledem hätte ich noch in der vergangenen Woche auch nur im entferntesten für möglich gehalten.

»Auf dem Frühstückstisch liegt ein Brief«, sagte Abigail.

Ich öffnete den Umschlag, als enthielte er eine Rechnung, die ich auf keinen Fall zu bezahlen beabsichtigte.

Lieber Nicholas,

ich bin mit den Kindern nach Exeter gefahren. Bitte folge mir nicht. Laß uns über die Dinge nachdenken, die wir einander gesagt haben.

In Liebe,

Deine Etna

In Liebe meine Etna.

Ich ging aus dem Speisezimmer und ließ den Brief im Flur auf den Boden fallen. Ich ging nach oben in mein Bett. Ich glaube, ich hatte noch keinen einzigen klaren Gedanken. Und so blieb es auch am nächsten Tag und am übernächsten. Ich erinnere mich an einen Telephonanruf vom College, man wollte wissen, ob ich krank sei. Ja, antwortete ich, ich würde in der nächsten Woche keine Seminare halten. Ich erinnere mich an einen Besuch von Moxon und ein bizarres Gespräch im Salon, stockend von meiner Seite, hektisch von seiner. Etna habe mich verlassen, sagte ich, worauf er in hellem Entsetzen und voller Mitleid mit den Armen wedelte. Behalten Sie den Wagen, sagte er, behalten Sie den Wagen, als könnte das helfen, den Schmerz über ein paar kopflose Worte zu lindern.

In den Tagen, die folgten, wuchs mir ein Bart, und ich mußte mir vom Hausmädchen sagen lassen, es sei Zeit, mich zu rasieren. Ich aß häufig Käse und Ei, als wäre ich ins Kinderzimmer zurückgekehrt. Am Freitag wurde Phillip Asher in das Amt des Collegevorstands gewählt.

Am Samstag fuhr ich nach Exeter und erinnerte mich jener Fahrt vor fünfzehn Jahren, als mein ganzes Leben sich um ein einziges Bestreben gedreht hatte. Unterwegs übte ich die Worte ein, die ich Etna sagen wollte.

Denk nicht an Scheidung, würde ich sagen. Die Worte wurden in Wut gesprochen und verdienen nicht mehr Beachtung als die irren Reden eines Wahnsinnigen. Hör lieber auf den Mann, der seit fünfzehn Jahren dein Ehemann ist und Frau und Kinder zu Hause haben möchte. Ihr hättet das Haus nicht zu verlassen brauchen. Es kommt doch häufig vor, daß in der Hitze des Moments törichte Worte fallen. Eine Ehe muß doch stabil genug sein, um sie aufzufangen, ohne daß sie die Beziehung zerstören. Was die andere Sache betraf, die getrennte Wohnung, so würden wir darüber nach ihrer Rückkehr nach Thrupp sprechen. Ich würde vielleicht das College verlassen, könnte ich sagen. Ich würde vielleicht ein Buch schreiben.

Aber Etna hatte andere Vorstellungen, die sie mich gleich bei meiner Ankunft wissen ließ.

»Ich bin mit einer Scheidung einverstanden«, erklärte sie in demselben Salon, in dem sie damals eingewilligt hatte, meine Frau zu werden. Sie hatte das Zimmer in einer Haltung betreten, als hätte sie mich lange erwartet, als hätte sie sich schon gewappnet, sich mit Mauern umgeben.

Wir standen uns auf einem Perserteppich gegenüber. Verschwommen nahm ich Damast und Kristall wahr, Rosenholz und Seide, das Ergebnis der Renovierungsarbeiten vor so langer Zeit. Etnas Gesichtszüge waren angespannt, und mir fiel auf, daß sie dünner geworden war; vielleicht war es die Strenge ihres Ausdrucks und ihrer Haltung, die ihr einen königlichen Glanz verlieh.

»Nein, nein.« Ich schüttelte den Kopf, sicher, daß hinter der getäfelten Tür ihre Schwester Miriam lauschte. »Das habe ich nicht ernst gemeint. Ich war unbesonnen. Ich war wütend. Etna, hör mir zu.«

Sie blieb unerschüttert und wurde so reglos wie der Keepsche Vorfahr auf dem Ölgemälde an der Wand. Ihr Blick war ruhig und fest. Ich betrachtete sie und dachte, wie schon so oft zuvor, daß in ihren Adern fremdes Blut fließen mußte, vielleicht das einer überlegenen Rasse, das diese Mandelaugen und die hohen Wangenknochen hervorgebracht hatte, diese vollkommene Ruhe, die keinen Atem zu brauchen schien. Plötzlich kam mir ein Gedanke, der so verblüffend war, daß ich einen Moment lang das Gespräch nicht fortsetzen konnte. Warum hatte Phillip Asher mir – ausgerechnet mir – offenbart, daß er Jude war? Hatte er schlicht angenommen, ich wüßte das ohnehin, weil Etna mit seiner Familie bekannt war? Oder war vielleicht meine Frau selbst Jüdin?

Ich musterte sie von neuem.

»Bist du Jüdin?« fragte ich.

Die Frage überraschte Etna. Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht«, sagte sie.

»Was soll das heißen?«

»Meine Mutter hat ihren Vater nicht gekannt.«

»Ich verstehe nicht.«

»Die Mutter meiner Mutter war eine Dienstmagd. Sie bekam ein Kind von einem Mann, den sie später nicht nennen wollte oder konnte.«

Das war neu für mich. Ich hatte einfach angenommen, meine Frau wäre mütterlicherseits angelsächsischer Herkunft. »Wieso glaubst du dann, daß du Jüdin sein könntest?« fragte ich.

»Ich könnte alles sein«, antwortete sie.

»Mein Sohn ist möglicherweise Jude?« fragte ich ungläubig.

»Spielt das eine Rolle?« fragte sie.

»Ich weiß es nicht«, sagte ich aufrichtig.

»Ich kann nicht mehr deine Frau sein«, sagte Etna so leise, daß ich nicht sicher war, ob ich richtig gehört hatte. Aber vielleicht wollte ich auch nur nicht richtig gehört haben. Draußen gab es Tumult wie bei einem Autounfall. Es kann nicht schlimmer gewesen sein, dachte ich, als dieser Konflikt im Salon.

»Das ist kein ausreichender Grund«, sagte ich, Überheblichkeit auf Torheit häufend, als kennte ich die Gesetze; hochtrabende Worte vergeudend, wo einfache Worte der Liebe mehr bewirkt hätten.

»Er wird ausreichen müssen«, entgegnete sie mit einer offenbar neu erworbenen, noch etwas zaghaften Bestimmtheit.

Etna ging aus dem Zimmer und ließ ihren Mann, der daran gehindert wurde, ihr die Treppe hinauf zu folgen, zornig stammelnd zurück. Ich schüttelte Miriams überraschend kräftige Hand ab. Doch da traten Männer in den Flur. Man zwang mich, das Haus zu verlassen. Josip Keep bemerkte mit spöttischem Zungenschnalzen, tja, so eine Ehe sei nicht einfach.

Ich fuhr nach Salisbury, einen Küstenort von schlechtem Ruf. Ich suchte ein Bordell auf, meine erste Entgleisung dieser Art seit fünfzehn Jahren. Nach einer Begegnung, an die ich mich heute nicht mehr erinnere, ging ich in eine Bar nicht weit vom Meer und trank eine Flasche Bourbon. Man ließ mich brummelnd in einer mit Leder ausgeschlagenen Nische sitzen. Am Morgen kehrte ich nach Thrupp zurück.

Zu einigen Seminaren erschien ich, andere ließ ich ausfallen. Meine Frau sei weggerufen worden, sagte ich zu jedem, der aussah, als wollte er fragen. Ihre Schwester sei schwer erkrankt, fügte ich hinzu und erfand Miriam mit Vergnügen eine tödliche Krankheit. Meine Kollegen nickten ernst, und wenn sie zu zweifeln schienen, war es mir egal. Ich ging, bevor es zu Äußerungen des Mitleids oder Widerwillens kommen konnte. Ich war wortkarg und ungeduldig. Es hieß, ich sei nicht bei mir.

Im Januar wurde ich zu Phillip Asher bestellt, der in das Büro des Vorstands umgezogen war. (Alle, einschließlich Asher selbst, waren offenbar bereit gewesen, hinsichtlich der Tatsache, daß er Jude war, beide Augen zuzudrücken.) Ich suchte ihn mit Widerwillen auf und ging ohne ein Wort, noch ehe er sein Angebot, mich für ein Semester freizustellen, ausgesprochen hatte. Es war nichts als ein Trostpflaster für einen besiegten Rivalen, dachte ich angewidert, zu jener Zeit noch ohne eine Ahnung von seinem Briefwechsel mit meiner Frau. Ich wußte nur, daß er Etna früher einmal flüchtig begegnet war. Natürlich, sagte ich mir, hat er die Gerüchte über eine zerrüttete Ehe gehört. In seinen Augen war ich doppelt geschlagen, im Beruf wie in der Ehe.

Eine Woche später kehrte ich nach Exeter zurück, nachdem ich samt meinem neu erstandenen schwarzen Ford beinahe von einem graubraunen Sturm verschluckt worden wäre. Etna wurde in den Salon gerufen. Das Zimmer schwamm in dem glanzlosen, stumpfen Licht schmutzigen Schnees. Sie war noch bleicher als zuvor und trug ein hellblaues Tageskleid, das die neue Kantigkeit ihres Körpers zeigte. Schon stellte ich mir vor, wie ich für sie sorgen, Mary Anweisung geben würde, sie mit gesundem Essen wieder aufzupäppeln. Meine Frau war drauf und dran, in Exeter zu verschwinden.

Ich bemühte mich, ruhig und gefaßt zu bleiben. Ich bettelte nicht, und ich schmeichelte nicht, ich trug meine Argumente vor.

Ich hätte eine unbesonnene Äußerung getan, sagte ich. Es sei die Pflicht einer Ehefrau, die kopflosen Reden eines vorübergehend geistesgestörten Ehemanns zu verzeihen. Jeder andere Mann hätte wahrscheinlich ähnliches gesagt, behauptete ich. Was das Häuschen angehe, so sei ich bereit, die Sache ruhiger zu betrachten, und ich sei sicher, wir könnten zu einer Vereinbarung kommen.

»Welcher Art?« fragte sie und setzte sich in einen mit gelber Seide bespannten Sessel. Sie bewegte sich, als wären ihre Knochen zerbrechlich geworden, und ich bekam plötzlich Angst um meine Kinder. Ernährte Keep meine Familie nicht richtig?

»Eine Vereinbarung eben«, sagte ich, obwohl ich in Wahrheit nicht weiter darüber nachgedacht hatte. Ich konnte überhaupt nicht an das Häuschen denken. Allein sein Anblick – sei es vor meinem inneren Auge oder in Wirklichkeit (denn ich war mehrmals dorthin gefahren, um es mir anzusehen, bei verschlossener Tür und davor zurückschreckend, ein Fenster einzuschlagen, da ich noch an eine Versöhnung glaubte) – genügte, um eine Flutwelle auszulösen, die jeden Gedanken in meinem Kopf ertränkte.

Etna faltete ihre Hände im Schoß. »Du würdest bestimmen, wann ich das Haus aufsuchen darf«, sagte sie.

»Nicht unbedingt«, widersprach ich vorsichtig.

»Aber du würdest wissen wollen, wann ich hinfahre, wie lange ich bleibe und was genau ich dort tue«, sagte sie. »Wen ich dort vielleicht empfange.«

Sie verträgt keine Einschränkung, dachte ich. Hat nie eine vertragen.

»Wie geht es den Kindern?« fragte ich.

»Es geht ihnen gut«, antwortete sie.

»Ich möchte von ihnen hören. Ich möchte sie sehen.«

»Sie sind nicht hier«, sagte sie.

»Wo sind sie?«

»Sie sind mit Miriam weggefahren. Auf Besuch zu Pippa in Massachusetts.«

»Du kannst mir die Kinder nicht vorenthalten«, sagte ich scharf.

»Nicholas«, entgegnete sie mit einem Anflug von Sorge, wie man sie von einer Ehefrau erwartet, »du bist nicht in der Verfassung, dich um Kinder zu kümmern, weder um deine eigenen noch um fremde.«

»Bist du es denn?« konterte ich.

»Ich habe Hilfe«, antwortete sie.

»Warum, Etna?« Ich beugte mich vor. »Warum tust du das?«

»Ich habe dir fünfzehn Jahre gegeben«, erwiderte sie.

»Ich hätte dir mein ganzes Leben gegeben«, sagte ich.

»Das sagst du«, entgegnete sie ruhig, »aber du bist nicht bereit, mir eine Stunde echter Freiheit zu geben.«

Da begann ich doch zu betteln. »Etna. Bitte. Komm zurück. Um der Kinder willen. Sie wünschen sich doch nur, daß wir zusammen sind.«

Ich sah, wie sie mit diesem alten Gefühl kämpfte – dem Mitleid. Und ich schäme mich, hier schreiben zu müssen, daß ich es einen Moment lang dankbar annehmen wollte.

»Ich lasse mich scheiden«, sagte sie.

»Aus welchen Gründen?« fragte ich, wütend jetzt.

»Ich habe dich nie geliebt«, sagte sie, als wäre das genug.

Und vielleicht war es das. Es war jedenfalls genug, um mich zum Schweigen zu bringen. Mit Mühe stand ich auf, meine Beine wie die eines uralten Mannes. »Alles weitere erledigen wir über Anwälte«, sagte ich heiser aus dem gähnenden Abgrund, in den meine Frau mich gestürzt hatte.

»Ja.« Mehr sagte sie nicht.

Irgendwie trugen meine Beine mich zur Tür. Ich ging. Meine Frau hielt mich nicht auf.

Das Scheidungsverfahren entwickelte sich nach Belieben des Gerichts, das heißt, es kam kaum voran. Ich ging beinahe unter in juristischem Fachjargon und bedauerlicher Grammatik:

Es wird behauptet,

daß die Ehe der Antragstellerin ein Opfer war, die Folge ihres Zögerns, sich aus einem unüberlegten Verlöbnis zurückzuziehen, das einzugehen sie sich auf Grund mangelnder Voraussicht hatte verleiten lassen und an dem sie später aus falsch verstandenem Pflichtgefühl festhielt;

daß sie nicht daran festgehalten geschweige denn die Ehe mit dem Antragsgegner geschlossen hätte, wenn ihr nicht versichert worden wäre, daß ihren Wünschen in den Punkten, die sie als für ihr Glück und ihr Wohlergehen entscheidend erachtete, stattgegeben würde und daß der Antragsgegner ihre Wünsche nicht als unzumutbar betrachtete.

Ich schickte einen Anwalt nach Exeter, um ihn Nicodemus holen zu lassen. Er hieß Tucker und hatte strenge Anweisungen.

»Das Mädchen läßt er Ihnen«, teilte Tucker Etna mit, die in Josip Keeps Vestibül stand. »Aber den Jungen will er zurückhaben. Wenn Sie nicht einwilligen, nimmt er Ihnen beide Kinder. Unter den gegebenen Umständen würde man sie ihm beinahe mit Sicherheit zusprechen.«

»Was sind das für Umstände?« fragte Etna.

»Die Gerichte sind der Auffassung, daß eine Mutter, die unmoralisch gehandelt hat, die Sitten eines Sohnes verdirbt.«

»Nicht einer Tochter?«

»Die Gerichte entfernen eine Tochter nur ungern aus der Obhut einer Mutter.«

»Das ist doch absurd«, sagte Etna.

»Trotzdem.«

»Und welches ist die unmoralische Handlung?« fragte Etna.

»Besitz einer geheimen Wohnung zu möglichen unmoralischen Zwecken«, antwortete Tucker in perfekter Amtssprache.

Tucker blieb und wartete. Er würde nicht ohne den Jungen gehen.

Nach Beratung mit ihrem Anwalt fügte Etna sich wohl oder übel.

Etna mußte nach Thrupp zurückkehren. Ich hatte von Anfang an gewußt, daß sie das tun würde. Wenn unser Sohn bei mir lebte, würde sie in seiner Nähe sein wollen. Sie ließ sich in dem Häuschen nieder.

Ich hatte den Jungen, und sie hatte Clara, die mit ihr zusammen in dem schmalen Bett im Mansardenzimmer mit den schrägen Wänden schlief. Clara besuchte wieder die höhere Schule für Mädchen in Thrupp, und Nicky ging wieder zur Grundschule. An den Wochenenden wurde Abigail zum fliegenden Boten, wenn sie Clara holte und später, wenn sie sie wieder zurückbrachte, gleich Nicky zu einem Sonntagsessen bei Etna mitnahm.

Ich begann, Etna und Clara durch die Fenster des Häuschens zu beobachten – ein endloses Lichtspiel bescheidener Häuslichkeit. Ich tat es abends, wenn mein rundes Gesicht nicht hinter den Scheiben erkannt werden konnte. Ich übte mich in Verstohlenheit und erlangte in diesem Fach größere Fertigkeit als je in der Rhetorik.

Nicky, in dessen Gesicht ich täglich nach Spuren seiner Vorfahren forschte und der jeden Abend nach seiner Mutter fragte, ließ ich zu Hause in seinem Bett zurück. Ich pflegte nach Drury zu fahren, wo ich eine Lichtung entdeckt hatte, die mir als Parkplatz für den schwarzen Ford diente. Die vierhundert Meter bis zum Häuschen legte ich zu Fuß zurück und postierte mich so, daß ich nicht vom Schein des weißen Leuchters erreicht wurde, dieser Extravaganz, die in dem primitiven Häuschen so deplaciert wirkte wie eine Großherzogin in einer Fischerkate. In seinem gesplitterten Licht pflegte ich Claras frische Haut zu betrachten, die hellen Augenbrauen und die lichtblauen Augen, die mich an die meiner Schwester erinnerten. Im Gegensatz zu ihrer Mutter, die etwas Durchsichtiges bekam, war Clara eine üppige Blüte niederländischer Schönheit.

Etna, die liebende Mutter, bürstete ihrer Tochter das Haar, ohne etwas von dem Beobachter vor dem Fenster zu ahnen. Die Züge meiner Frau waren ruhig, aber bleich, und ich erkannte die Spannung der Haut über den hohen Wangenknochen, die Nervosität in den topasfarbenen Augen, die Sorgenfältchen an den Mundwinkeln.

Stundenlang konnte ich in Nacht und Kälte stehen und Clara bei ihren Schularbeiten oder Etna beim Nähen zusehen. Ich sah, wie Etna am Spülbecken stand und das Geschirr spülte wie ein gewöhnliches Küchenmädchen. Es schien ihr nichts auszumachen, diese Hausarbeiten zu erledigen, von denen einige weiß Gott unangenehm waren – das Hinausbringen der Abfälle, das Waschen und Bügeln von Wäsche, die auf der Leine hinter dem Haus gefror, die Reinigung des Außenaborts. Sollte Clara helfen, so protestierte sie wie ein verwöhntes kleines Mädchen, und manchmal wäre ich am liebsten ins Haus gelaufen, um ihr die Leviten zu lesen. Zu anderen Zeiten wieder kostete es mich die größte Willensanstrengung, nicht durch die Tür zu stürmen und mein Kind zu umarmen, das ohne mich aufwuchs.

Während ich in der Dunkelheit stand, machte ich mir Gedanken über Etnas Vorfahren mütterlicherseits, über ihre unbekannte Herkunft. Der Mann, der das Dienstmädchen geschwängert und dann verlassen hatte, konnte weiß der Himmel woher gekommen sein, sagte ich mir. Möglicherweise war er Jude. Eher aber ein gemeiner Yankee mit ungewöhnlichen Gesichtszügen. Aber er konnte genausogut Türke oder Inder oder Russe gewesen sein. Jeden Abend starrte ich das Gesicht meiner Frau an und fragte mich: Ist sie griechischer Abstammung? Italienischer? Fließt Zigeunerblut in ihren Adern?

Ich dachte auch über Schicksal und äußere Umstände nach. Wäre nicht der Brand ausgebrochen, so wäre ich Etna Bliss wahrscheinlich nie begegnet. Wünschte ich jetzt, diese wenigen Spritzer Öl in der Hotelküche wären nicht ins Herdfeuer getropft? Hätte ich dann vielleicht einsam und allein meine Seezunge gegessen und die junge Frau im topasfarbenen Seidenkleid, die hinter mir saß, nie bemerkt? Und wäre so von der Freude und dem Schmerz der folgenden fünfzehn Jahre verschont geblieben? Hätte vielleicht zwei Monate später die Tochter eines Antiquars aus Thrupp kennengelernt und mich mit ihr verheiratet? Oder hätte drei Tage später eine Frau aus der Pferdebahn aussteigen sehen, der ich nachstellte, um mich schließlich mit ihr zu verloben? Oder wäre auf einem Fakultätsfest im College mit der Frau eines Kollegen bekannt gemacht worden (nein, niemals; ausgeschlossen, das weiterzudenken, niemals wäre ich so tief gesunken) … Oder wäre zwanzig Jahre später als alternder Junggeselle einer Witwe begegnet, die meine berufliche Position und mein kleines Vermögen gelockt hätten? Oder hätte mir andererseits das Schicksal noch viel übler mitspielen können? Hätte es geschehen können, daß ich die Tochter eines Arztes heiratete, die mir ein Kind schenkte, das dann infolge der Nachlässigkeit meiner Frau starb? Es gibt weit schlimmere Geschichten als meine. Das ist mir klar. Aber die Wirkung der äußeren Umstände auf das Geschick eines Menschen ist beträchtlich, das ist nicht zu bestreiten.

Meine abendlichen Fahrten zum Häuschen mehrten sich, wurden zur täglichen Gewohnheit. Wenn ich ein, zwei Stunden am Fenster gestanden hatte, pflegte ich in den Wald zu gehen, um etwas Käse und Brot zu essen und von dem Whisky zu trinken, den ich mitgebracht hatte. Ich trank ziemlich viel in jenen Monaten, und manchmal hatte ich Mühe, den Ford in die Garage zu manövrieren, wenn ich in den frühen Morgenstunden nach Hause kam. Ich schlief morgens lang und kam zu meinen Seminaren, die ich völlig vernachlässigte, oft zu spät oder versäumte sie ganz. Meine Kollegen, anfangs besorgt, dann beunruhigt und schließlich ärgerlich, gingen einer Begegnung aus dem Weg. Mir paßte das gut, ich wollte nur Ruhe und Anonymität, beides nicht leicht zu haben in dieser Anstalt voller mittelmäßiger und ungebärdiger junger Kerle. Im Sommer würde ich aufhören, sagte ich mir mit wohliger Erleichterung.

Nur einmal in der ganzen Zeit, in der ich regelmäßig zu dem kleinen Haus hinausfuhr, um meine Frau zu bespitzeln, wäre ich beinahe ertappt worden. Ich war in den Wald gegangen, um auszutreten, und machte wohl versehentlich irgendein Geräusch, denn als ich fertig war und zum Haus zurückkehren wollte, sah ich Etna am Fenster stehen. Ich hatte den Eindruck, daß sie mir direkt ins Gesicht blickte. Aber so, wie sie den Kopf von einer Seite zur anderen drehte, schien sie mich nicht entdeckt zu haben. Ich sah, wie sie vom Fenster wegtrat. Gleich darauf wurde die Tür geöffnet. Ein Schultertuch um sich ziehend, trat sei fröstelnd ins Freie. Ihre Schritte hinterließen leichte Spuren auf der schneebedeckten Spätmärzwiese.

»Wer ist da?« rief sie, in die Nacht hinausspähend.

Ich stand hinter einem Baum und beobachtete sie, voll Sehnsucht, mich zu zeigen. Wie hatte es dazu kommen können, daß ich, Nicholas Van Tassel, hier hinter einem Baum stand und mich, während hinter mir noch der warme Dampf meines Urins aufstieg, vor der einzigen Frau versteckte, die ich je geliebt hatte?

Aus der Gewohnheit wurde Obsession. (Was, genau, ist eine Obsession? Mein abgegriffenes altes Lexikon sagt mir, daß es ein Zustand zwanghafter Beschäftigung mit einer fixen Idee oder einem unerwünschten Gefühl ist. Das Wort leitet sich natürlich vom lateinischen obsidere [Partizip Perfekt obsessus] her und heißt besetzen; das Stammwort ist sedere, sitzen. Nun, ich saß zwar nicht, aber ich stand. Unerschütterlich.) Manchmal nickte ich völlig erschöpft ein und merkte beim Erwachen, daß ich, an die weiße Holzschindelwand gelehnt, im Stehen geschlafen hatte.

So ging das eine geraume Zeit und wäre vielleicht endlos so weitergegangen, hätte ich nicht eines Abends Anfang Mai, als ich mich dem Haus näherte, in der Auffahrt neben dem Landaulet einen fremden Ford stehen sehen.

Zum erstenmal seit Wochen war ich mit einem Schlag hellwach. Zugleich wurde ich mir der Schwerarbeit meines Herzens bewußt, eines harten Klopfens, das mich veranlaßte, meine Hand auf die Brust zu drücken. Lautlos schlich ich mich zu meinem Lieblingsversteck (einem Fenster hinter dem Chinagrassessel, das oft in Dunkelheit gehüllt war) und spähte, die Faust fest auf die Brust gepreßt, ins Innere des Hauses.

Phillip Asher saß seitlich an dem kleinen Tisch, einen Arm über die Rückenlehne des Stuhls geworfen. Mit der anderen Hand griff er gerade nach einer Teetasse. Er hatte die Beine lässig übereinandergeschlagen und wirkte so entspannt, als wäre er schon früher in diesem Haus gewesen, als wäre er schon oft hier empfangen worden. Das ließ auch die Tatsache vermuten, daß Clara drüben in der Ecke auf ihrer Flöte spielte, ohne sich um seine Anwesenheit zu kümmern. Neben dem gelegentlichen Murmeln der Stimmen (ich konnte nur selten einzelne Wörter ausmachen, es war in erster Linie ein Stummfilm, den ich mir da Abend für Abend ansah) hörte ich sie ihre Tonleitern üben. Etna saß auf dem Sofa und nähte, es sah aus, als wäre Phillip Asher ein Bruder oder Vetter, der auf einen Sprung vorbeigekommen war.

Mein Blick schweifte zum Spülbecken, wo ich die Reste einer Mahlzeit bemerkte sowie Geschirr, das noch nicht gespült war. Ich versuchte, die Teller und das Besteck zu zählen, ich wollte wissen, ob Asher mit meiner Frau und meiner Tochter gegessen hatte.

Hatte Etna mich belogen? Hatten sie und Asher schon die ganze Zeit über eine Affäre? (Es war ja kaum zu befürchten, daß ich das Haus bei Tag beobachten würde.) Hatte er sich den ganzen Nachmittag hier aufgehalten, während Clara in der Schule war, und war ausnahmsweise länger geblieben als sonst, weil er das Beisammensein mit einer fesselnden Frau und ihrem Kind genoß? Plötzlich kam mir ein entsetzlicher Gedanke: Hatte ich Etna mit meinen törichten Forderungen nach der Trennung Asher in die Arme getrieben? Ja, dachte ich, genau das hatte ich getan. Sobald Asher von der Trennung gehört hatte, war er zweifellos unter dem Vorwand, sich als Collegevorstand um mein Wohlergehen zu sorgen, zum Häuschen hinausgefahren, um die Angelegenheit mit Etna zu besprechen.

An diesem Abend gelang es mir nur mit einem Höchstmaß an Selbstbeherrschung, nicht in dieses Haus zu stürmen, den Mann zu packen und ihn zur Tür hinauszuwerfen. Wie konnte er es wagen, sich in solcher Nähe zu meiner Tochter aufzuhalten! Wie konnte er es wagen, sich in meine Familie einzuschleichen!

Asher trank wieder von seinem Tee, der längst kalt geworden sein mußte; ich beobachtete diese häusliche Idylle nun schon seit nahezu einer halben Stunde. Clara setzte ihre Flöte ab und stellte ihrer Mutter eine Frage. An Etnas freundlichem, aber entschiedenem Kopfschütteln erkannte ich, daß sie Claras Wunsch, früher mit dem Üben aufzuhören, abgelehnt hatte. Clara setzte mit trotziger Miene ihr Instrument erneut an, und ich vernahm wieder die gequälten Töne der Flöte. Ich beobachtete, wie meine Tochter auf wenig anmutige Art ihre Beine ausschüttelte, was ihre Mutter sogleich zu einem tadelnden Blick veranlaßte. Asher beugte sich auf seinem Stuhl vor, als wollte er einer seiner Bemerkungen in dem Gespräch, das er mit meiner Frau (meiner Frau) führte, besonderen Nachdruck verleihen. Er saß mit auf die Knie gestützten Ellbogen und wirkte unverschämt ungezwungen. Ich fürchtete, die im kalten Abend dampfenden Atemwolken meiner Wut könnten im Fenster sichtbar sein.

Um mich zu beruhigen, wandte ich mich ab. Ich blickte durch die hohen Tannen zu den Sternen hinauf und fragte mich, warum die Götter mich so schlecht behandelten. Nie hatte ich mich so tief verwundet gefühlt. Der Mann hatte mir das Amt geraubt. Wollte er mir jetzt auch noch die Frau rauben?

Ich wandte mich wieder dem Fenster zu. Im selben Augenblick standen Asher und Etna gleichzeitig auf.

Ich habe diese Szene wohl tausendmal vor mir ablaufen lassen, und ich glaube, das gemeinsame Aufstehen erfolgte zunächst rein zufällig. Vielleicht wollte Etna zu Clara gehen; möglich, daß Asher nur seine Glieder strecken wollte. Wie in Zeitlupe wurden sie, beide mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen, von dem Schwung, mit dem sie sich erhoben hatten, vorwärtsgetragen, erst zwei, dann drei Schritte, so daß sie direkt unter dem weißen Leuchter, diesem Ungetüm der Extravaganz, zusammenstießen. Ihre Hände hoben sich – ihre rechte, seine linke – und umfaßten einander, flüchtig und leicht, vielleicht aus einem ähnlichen Impuls heraus, der Menschen, die zu gleicher Zeit das gleiche Wort aussprechen, veranlaßt, einander erheitert zuzulächeln.

Das hätte ich vielleicht noch ertragen. Diese kurze Vereinigung der Hände hätte ich vielleicht ertragen und vergessen. Schließlich dauerte der ganze Zwischenfall nur ein, zwei Sekunden. Aber in diesen Sekunden gewahrte ich wie in einem Aufblitzen noch etwas anderes, das mir in all diesen Jahren präsent geblieben ist, dessen ich mich lebhafter entsinne als der Gesichter meiner Kinder. Es war der Ausdruck in Etnas Gesicht, er war – wie soll ich ihn beschreiben? Ich kann nur das Wort strahlend verwenden. Sie strahlte. Wie in einem Taumel des Glücks. Es war ein Ausdruck ekstatischer Freude, die scheinbar die Teilnahme des ganzen Körpers verlangte, genauso, als ob der Körper sich mit großer Geschwindigkeit vorwärtsbewegte. Nur einmal hatte ich diesen Ausdruck in Etnas Gesicht gesehen, an jenem Nachmittag im späten Winter vor vielen Jahren, als wir im Schlitten saßen und die Pferde außer Rand und Band dem Stall entgegenrasten. Sie hatte meine Hand ergriffen, und ich war wie erstarrt vor Seligkeit.

Asher und Etna schwankten leicht. Der Moment löste sich in Gelächter auf. Clara beobachtete die Szene mit mißtrauischem Blick, ohne Erheiterung. Mein eigener Blick war wild vor Wut. Am liebsten hätte ich meine Tochter da herausgerissen.

Am nächsten Morgen sandte ich Etna eine Nachricht. Ich würde Clara am späten Nachmittag abholen und mit ihr zusammen essen, schrieb ich. Sie würde bei Nicodemus und mir übernachten, und ich würde sie am folgenden Tag morgens zur Schule bringen. Etna möge Clara eine saubere Schuluniform und ihr Nachtzeug einpacken. Ich würde meine Tochter um fünf Uhr abholen. Ich würde mit dem Ford in der Auffahrt warten, ins Haus kommen würde ich nicht. Ich wäre ihr verbunden, wenn Sie so gut sein wolle, mir Clara herauszuschicken. Mit freundlichen Grüßen und so weiter.

Clara war furchtsam und zornig zu gleichen Teilen, als sie zu mir in den Wagen kletterte – furchtsam wegen dieser Unterbrechung des gewohnten Alltags, zornig, weil sie irgend jemandem die Schuld an der Zerrüttung der Familie geben wollte. Ich machte keinen Versuch, mich zu verteidigen. Sie war ein Kind, zu jung, um etwas von Kompromissen und unerwiderter Leidenschaft zu wissen.

Ich ließ den Wagen in der Wheelock Street stehen, und wir spazierten wie in früheren Tagen Arm in Arm zur College-Grünanlage. Wir unterhielten uns über die Schule und ihre Musikstunden und jetzt, da sie älter wurde, auch über Themen, die über ihren Alltag hinausgingen, wie zum Beispiel ihren Wunsch, den Yosemite Park zu besuchen, von dem sie von ihrer neuen Freundin Rosemary viel gehört hatte. Wir gingen weiter zum Hotel, um dort, wie ich ihr versprochen hatte, zu essen und zum Nachtisch jeder eine heiße Schokolade zu trinken. Allmählich taute sie auf und erinnerte sich ihrer Liebe zu ihrem Vater, und in manchen Momenten waren wir einfach ein Vater und seine Tochter, die zusammen im Hotel Thrupp speisten. Wer hätte uns angesehen, daß wir nicht mehr zusammen in der Holyoke Street lebten, daß wir bei der Heimkehr nicht von Etna erwartet würden, die gerade Nicky badete, daß das Leben nicht weitergehen würde wie zuvor?

Ein hübscher Gedanke, aber unterschwellig beschäftigte mich etwas anderes.

Dreimal ließ ich im Gespräch Phillip Ashers Namen fallen. (Professor Asher, sagte ich, für den Fall, daß er Clara so vorgestellt worden war.) Nachdem ich den Namen das drittemal erwähnt hatte und ihr Schweigen zu diesem Thema nicht mehr aushalten konnte, fragte ich so beiläufig, wie es mir möglich war: »Kennst du ihn eigentlich?«

Nach einem kurzen Zögern antwortete sie, ja, sie kenne ihn.

Ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg, und ließ ein paar Sekunden verstreichen, ehe ich so, als erinnerte ich mich plötzlich wieder, worüber wir gesprochen hatten, fragte: »Wo hast du ihn kennengelernt?«

Clara erklärte, Professor Asher sei ein Freund ihrer Mutter und komme manchmal zu Besuch. Doch das Gespräch erregte sie zu sehr – sie meinte, es gehöre sich nicht für sie, über dieses Thema zu sprechen (auch sie hatte gesehen, wie die Hände unter dem Leuchter zusammengefunden hatten) –, und sie begann zu weinen.

»Clara, Liebes«, sagte ich. »Ich wollte dir nicht das Herz schwermachen.«

»Warum tut ihr mir das an, du und Mutter?« Sie weinte wie ein kleines Kind, schniefend und geräuschvoll.

»Wir wollen dir nichts antun«, entgegnete ich. »Es ist einfach so, daß wir beschlossen haben, vorläufig getrennt zu leben.«

»Gar nicht wahr!« widersprach sie mit dem besseren Wissen der scharfen Beobachterin. »Mutter ist schuld. Du möchtest, daß wir zurückkommen. Das weiß ich.«

»Ja«, antwortete ich. »Das möchte ich.«

»Warum hast du Nicky zu dir geholt und mich nicht?« fragte sie immer noch weinend.

Mir war klar, daß dies der Kern von Claras Zorn war. »Nicky ist noch klein«, erklärte ich, um eine Antwort bemüht.

»Du magst ihn lieber als mich!« warf sie mir vor.

»Nein, Clara, das stimmt nicht«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Ich habe euch beide gleich lieb.«

Ich griff über den Tisch und nahm ihre Hand in die meine, da ich sie an diesem öffentlichen Ort nicht gut umarmen konnte. Die Berührung tröstete sie ein wenig, so daß ich ihre Hand nur ungern wieder losließ.

In diesem Moment ging ein Mann, der gerade das Restaurant betreten hatte – ein Mann, den ich nie gesehen hatte –, an unserem Tisch vorüber und sah Clara an. Es war ein dezenter Blick, nicht aufdringlich in seiner Kürze. Doch als ich mich Clara wieder zuwandte, sah ich, was er gesehen hatte. Die vollen Lippen. Den knospenden Busen unter dem Pullover ihrer Schulkleidung. Vielleicht auch noch die schlanke Taille. Zum erstenmal sah ich meine Tochter so, wie Männer sie in den kommenden Jahren sehen würden.

»Vater«, sagte sie, nachdem sie sich geschneuzt hatte, »warum starrst du mich so an?«

Ich zwang mich, den Blick abzuwenden. Ich musterte den Fremden, der sich gesetzt hatte, ohne zu ahnen, daß er eine Intrige in Gang gesetzt hatte.

Ein Plan begann sich zu formen. Eine Geschichte entspann sich quer durch den Speisesaal.

»Clara«, sagte ich. »Ich glaube, ich weiß ein Mittel, um deine Mutter zurückzuholen.«

Mit Tränen in den Augen sah meine Tochter mich an.

Am Morgen versandte ich drei Briefe: einen an meine Frau; einen an den Präsidenten des College; und einen an den Leiter der Polizeidienststelle Thrupp.

»Meine Tochter Clara hat mir etwas äußerst Bedenkliches zur Kenntnis gebracht«, schrieb ich.

Die Zugfahrt schläfert mich ein. Es ist die Hitze. Man hat mir gesagt, daß wir die Grenze zu Florida überquert haben. Ich glaube es gern, denn in meinem Abteil ist es trotz des halbgeöffneten Fensters (die Fenster weiter zu öffnen ist nicht erlaubt; vermutlich damit niemand auf den Gedanken kommt hinauszuspringen) erstickend schwül. Heute morgen haben wir in Yemassee gehalten, wo sich uns ein ungewohnter Anblick bot – Neger, die auf den Schultern riesige Bananenstauden zu einem Güterzug schleppten, der auf dem Gleis neben uns stand. Sie wirkten erschöpft und resigniert in der glühenden Hitze.

Überall im Zug legen Männer Kleidungsstücke ab – wie Knaben vor dem Sprung in einen Badesee. Zuerst wird das Jackett ausgezogen. Dann wird die Krawatte gelockert. Danach werden die Manschetten geöffnet und die Hemdsärmel aufgerollt. Ich habe einen Mann gesehen, der sogar seine Hosenträger abgenommen hatte. Mit den Kleidern werden offenbar die Manieren abgeworfen, die Stimmung der Leute ist merklich gereizter als während der bisherigen Fahrt. Ein Mann putzte einen Schaffner herunter, weil er ihm ein Getränk ohne Eis brachte (das Eis scheint in Georgia geschmolzen zu sein). Ich habe versucht zu schlafen, wurde aber viel zu bald wieder wach. Meine seidene Schlafmaske war von Schweiß und Tränen durchtränkt.

Wird meine Tochter zu der Beerdigung kommen, wenn ich da bin? Diese Frage quält mich unaufhörlich. Und wenn sie kommt, wird sie dann mit mir sprechen? Normalerweise würde ich sagen, nein, denn sie lebt nun seit achtzehn Jahren bei ihrer Tante und hat in der ganzen Zeit nie etwas von sich hören lassen. Aber das menschliche Herz ist ein geheimnisvolles Ding, und vielleicht hat Clara mir vergeben.

Wie kann das Leben einfach weitergehen, wenn so vielen Menschen unrecht geschehen ist?

Alles, was er wollte: Roman
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