Exeter
22. Januar 1915
Lieber Mr. Asher,
ich frage Sie als Ethiker: Hat eine verheiratete Frau mit Kindern das Recht, einen Teil ihres Lebens ausschließlich für sich allein zu führen? Darf sich diese Frau, wenn sie weiß, daß sie weder ihren Kindern noch ihrem Mann damit schadet, an einen Ort zurückziehen, der unantastbar ist, zu dem sie allein Zutritt hat, an dem nur sie sich aufhält; dies alles zur eigenen Bildung und Erholung, um etwa zu lesen oder zu nähen, vielleicht auch Briefe oder Gedichte zu schreiben? Wird nicht jedem Mann eines gewissen Bildungsgrads fraglos ein solcher Rückzugsort zugestanden, der unantastbar ist, wo weder Ehefrau noch Kinder willkommen sind, wo er nach Gutdünken lesen, rauchen, schreiben, sich in geistige Betrachtung versenken oder auch Freunde und Kollegen empfangen kann – ein Raum, den man allgemein als Arbeitszimmer, Büro oder Bibliothek bezeichnet? Wenn das aber so ist, warum soll dann eine Frau – verheiratet und mit Kindern – kein Recht auf einen ähnlichen Rückzugsort haben? Und warum sollte es dieser Frau, wenn sie sieht, daß in ihrem eigenen Heim wegen der ständigen Inanspruchnahme durch die Kinder, die Dienstboten und selbst durch ihren Mann sowie infolge des mangelnden Respekts vor ihren Bedürfnissen kein Rückzug möglich ist, warum sollte es dieser Frau dann nicht erlaubt sein, sich anderswo eine Zuflucht zu suchen, von der keines der Familienmitglieder weiß?
Ich erwarte Ihre Antwort auf diese Fragen, die mich Tag und Nacht beschäftigen und die der Kern einer, wie Sie zutreffend vernommen haben, schweren ehelichen Verstimmung sind.
Mit Achtung vor Ihrem Urteil
Etna Bliss Van Tassel