14 Gill Street

27. Januar 1915

Liebe Mrs. Van Tassel,

ich empfinde es als eine große Ehre, daß Sie mich in Details Ihrer ehelichen Krise einweihen und sich darauf verlassen, daß ich Ihnen bei der Beantwortung schwieriger Fragen helfen kann. Aber ich muß Ihnen sagen, daß ich nur ein Universitätslehrer bin und kein Richter über menschliches und gesellschaftliches Verhalten. Ich bin nicht verheiratet und war es nie. Die Ehe ist eine besondere Welt, deren Bewohner ein eigenes Wissen besitzen und eine eigene Sprache sprechen. Beides kann man nicht haben, ohne verheiratet zu sein. (Aus ebendiesem Grund sind unverheiratete Geistliche und Richter in meinen Augen besonders schlechte Berater für Menschen, die bei Ehestreitigkeiten Hilfe suchen.) Aber da ich Wissenschaftler bin, werde ich Ihnen, wenn Sie gestatten, einige Fragen stellen, durch deren Beantwortung Sie vielleicht besseren Einblick in Ihre Schwierigkeiten gewinnen werden.

Wird nicht der persönliche Rückzugsort des Ehemanns, von dem Sie sprechen – der unantastbare Raum im Haus, den wir im allgemeinen Arbeitszimmer oder Bibliothek nennen –, im Grunde genommen in dem Moment zwischen den beiden Ehepartnern vereinbart, wo sie sich in einer gemeinsamen Wohnung niederlassen und ein Raum zu ebendiesem Zweck bestimmt wird? Oder, um es anders zu sagen, kann ein Rückzugsort, der nicht zwischen beiden Ehepartnern vereinbart wurde, der einem der Partner nicht einmal bekannt ist, gleichermaßen respektiert werden? Hätte eine Frau nicht guten Grund, ihrem Ehemann zu mißtrauen, wenn sie entdeckte, daß er heimlich ein Zimmer gemietet hat, selbst wenn der Ehemann dort lediglich lesen, schreiben und nachdenken wollte? Wäre die Entdeckung eines solchen geheimen Raums nicht eine allzu schwere Belastung für das Vertrauen zwischen einem Mann und seiner Frau?

Mrs. Van Tassel, ich kann über Ihre Situation nur Vermutungen anstellen, da ich nichts darüber weiß. Und, was wichtiger ist, ich weiß nichts über Ihr gesundheitliches und seelisches Befinden. Die Fragen, die Sie mir gestellt haben, sind schwerwiegender Natur, sie sind an sich schon beunruhigend und um so beunruhigender für mich, da ich Ihren Gatten täglich sehe, der, das muß ich Ihnen rein als Berichterstatter mitteilen, kaum in der Verfassung ist, eine Anzahl junger Männer in einem Raum zu unterrichten. Ich habe ihn beurlaubt, damit er nach Exeter reisen kann, und habe eine längere Beurlaubung vorgeschlagen, die er ohne Zweifel verdient. Aber Ihr Gatte scheint ein sehr stolzer Mann zu sein, er hat dieses Angebot abgelehnt. Nach allem, was man hört, ist er in einem Zustand schwerer nervlicher Überreiztheit, der vielen seiner Kollegen und Freunde Sorge bereitet.

Ich weiß nicht, wie Ihre unglückliche Geschichte enden wird, aber ich bitte Sie inständig, darüber nachzudenken, ob Sie nicht mit Ihren Kindern nach Thrupp zurückkehren und mit Hilfe von Zeit und unter persönlichem Verzicht die eheliche Gemeinschaft wiederherstellen wollen, für die Sie sich einmal entschieden haben.

Ihr ergebener Freund

Phillip Asher

Alles, was er wollte: Roman
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