KAPITEL 6

Ich joggte von der Bushaltestelle nach Hause, immer bergauf. Als ich auf schmerzenden Beinen endlich ins Haus taumelte, sehnte ich mich danach, noch einmal zu duschen und dann ins Bett zu fallen, obwohl es noch nicht einmal sechs Uhr abends war.

Aber nach Wuffs üblicher herzlicher Willkommenszeremonie mit Teddys und Bällen und dem ganzen Klimbim brachte ich es nicht übers Herz, sie wieder nur in den Garten hinauszulassen. Sie sollte ihren Spaziergang haben, und wenn ich dabei draufging.

In Mamas Atelier war Licht, aber von Papa nirgends eine Spur. Vielleicht war er bei ihr drin? Er sah ihr gern beim Malen zu.

Ich behielt den Trainingsanzug an, zog aber die durchnässten Turnschuhe und Strümpfe aus. Meine Gedanken hatten sich so intensiv mit Glöckchen beschäftigt, dass ich auf dem Heimweg in jede einzelne Pfütze gestapft war. Linus hatte sich noch nicht gemeldet und das machte mir Sorgen.

Ich suchte in der Eingangsdiele nach meinen Gummistiefeln, bis mir einfiel, dass sie wahrscheinlich in der Garage geblieben waren, seit Papa und ich das Auto gewaschen hatten.

Ich tappte barfuß durch die Waschküche. Die Drahtkörbe quollen über von Papas Wochenwäsche, wie immer freitags. Als ich die Tür zur Garage öffnete, tastete ich automatisch nach dem Lichtschalter rechts von der Tür, doch in der Garage war bereits Licht.

Papas Auto stand da, genau wie er gesagt hatte.

„Papa?“

Papa war nicht da. Meine Stiefel dagegen standen neben der Tür.

Ich wollte schon um den Volvo herumgehen, um kurz einen Blick auf den streikenden Motor zu werfen, als Wuff mit kläglichem Winseln in die Waschküche geschlichen kam.

„Ich komm ja schon, ich komm ja schon“, sagte ich.

Im selben Moment, als ich hinaustrat, ging die Haustür des weißen Nachbarhauses auf. Linus kam heraus.

Zuerst freute ich mich.

Dann wurde ich unruhig.

Er hatte nicht angerufen, obwohl er es versprochen hatte. Das konnte nur eins bedeuten. Glöckchen lebte nicht mehr.

Ich wollte gleich zu ihm rennen und versuchen, ihn zu trösten, ihn vielleicht kurz umarmen.

Doch da fiel mir etwas Katastrophales ein. Ich hatte ja immer noch den durchschwitzten Trainingsanzug an. Jemanden zu umarmen, während man selbst nach Schweiß stinkt, das ist wohl nicht unbedingt ratsam!

Erschrocken sah ich Linus direkt auf mich zukommen. Vermutlich war er zu uns unterwegs, um über Glöckchen zu berichten.

Mamas Fiat stand in unserer Garageneinfahrt. Ich konnte mich gerade noch dahinter ducken.

Aber Wuff hatte keine Lust, mitzumachen. Sie winselte und zerrte an der Leine, während ich wie ein Superspion hinter dem Auto hockte und durch die Fensterscheiben spähte. Mit einem kräftigen Ruck warf sie mich um. Als Linus hinter dem Wagen auftauchte, lag ich platt wie ein Schuhabtreter auf dem Boden.

„Aha, hier liegst du also?“

Ich brauchte ihn nicht anzuschauen, um das Erstaunen in seiner Stimme zu hören.

„Gute Arbeit“, sagte ich.

Ich erhob mich würdevoll und deutete auf den Fiat.

„Musste den Rostschutz checken. Die herbstlichen Straßenverhältnisse setzen ihm zu, aber insgesamt wird er noch halten.“

„Aha“, sagte er.

„Interessierst du dich nicht für Autos?“

„Nein, aber offensichtlich tust du das.“

„Ich hab schon immer mit Papa an Motoren herumgeschraubt, seit ich klein war.“

„Kannst du fahren?“

„Bloß starten und ein bisschen lenken. Und du?“

„Ja, ehrlich gesagt schon. Bin auf dem Hof meines Großvaters schon mit dem Traktor und mit dem Auto auf den Feldwegen rumgefahren.“

Er schwieg eine Weile, wurde ernst.

„Ich war zu dir unterwegs“, sagte er.

„Wie geht’s Glöckchen?“

„So einigermaßen. Der Oberschenkelknochen ist gebrochen, sie haben sie operiert und eine Schiene eingesetzt.“

„Wird sie wieder gesund?“

„Wir wissen noch nicht, ob sie je wieder laufen kann. Und wenn nicht …“

Er schluckte, senkte den Blick. Ich selbst spürte einen Kloß im Hals und wartete geduldig.

„Ist es schlimm?“, fragte ich schließlich leise.

„Ja. Und leer. Vorhin hab ich wie immer ein Stück Wurst auf den Boden fallen lassen, aber niemand ist angerast gekommen, um es zu verschlingen.“

Ich nickte.

„Weißt du, was ich gedacht hab?“, sagte er nach einer Weile.

„Nein“, antwortete ich ehrlich.

„Dass es jemand hier aus der Gegend sein muss, der sie überfahren hat. Wer sonst würde auf diesen schmalen Schotterweg einbiegen? Da steht nirgends ein Schild. Nur die Leute, die hier wohnen, wissen, wohin der Weg führt.“

Es konnte natürlich auch jemand gewesen sein, der sich verfahren hatte, aber Linus’ Überlegung war irgendwie einleuchtend. Ich hatte eine Idee.

„Sollen wir mal checken, wer alles dort entlangfährt?“

„Ja! Vielleicht entdecken wir sogar jemanden mit Frontalschaden. Ein Zusammenstoß mit einem Rottweiler muss ganz ordentliche Spuren hinterlassen.“

„Das Auto kann schon repariert worden sein oder gerade in der Werkstatt stehen. Aber einen Versuch ist es wert.“

Wir gingen auf den Schotterweg hinaus. Wuff zog an ihrer Leine und schnüffelte nach Spuren. Bald ließen wir die Straßenlampen hinter uns.

„Du hast doch hoffentlich keine Angst vor der Dunkelheit?“, fragte Linus.

„Dunkelheit ist nichts als die Abwesenheit von Licht. Simsalabim!“

Ich zog eine Taschenlampe aus der Tasche.

„Die hab ich immer dabei“, sagte ich. „Papier und Bleistift auch.“

„Warum das denn?“

„Kann man immer brauchen. Ich möchte später mal zur Polizei.“

„Und warum?“

„Vor ein paar Jahren wurde das Wochenendhaus meiner Großeltern leer geräumt. Die Diebe hatten jede Menge Spuren hinterlassen und der Nachbar hatte das Kennzeichen eines verdächtigen Autos aufgeschrieben, das auf dem Grundstück stand, doch die Polizei hat sich nicht einmal die Zeit genommen, um die Sache zu untersuchen.“

„Also eine echt schwache Leistung, in deinen Augen?“ Linus grinste.

„Ich finde, die Polizei sollte jedem helfen, der Opfer eines Verbrechens geworden ist.“

„Du wirst dann eh wie alle andern. Hast bloß noch Zeit für Morde und Überfälle und andere Sensationen.“

„Kann schon sein. Aber versuchen will ich es trotzdem.“

Vorläufig brauchten wir kein zusätzliches Licht. Der Schein der Lampen aus den umliegenden Gärten fiel bis auf den Weg hinaus.

Wir hatten die Kreuzung fast erreicht, als wir einen Automotor hörten. Schon bald wurden wir von seinen Scheinwerfern geblendet. Ich tastete nach meinem Notizblock, als das Auto nach links abbog.

„Ich glaube, auf dem Kennzeichen stand JÖNS“, sagte Linus. „Aber ich hab es nicht geschafft, den Volvo von vorn zu sehen.“

„Den Audi“, korrigierte ich.

Niemand ist perfekt. Linus’ Vater hat genau den gleichen Volvo V70 wie mein Papa, also müsste Linus den Unterschied eigentlich erkennen. Aber als er mich jetzt ansah, entstand eine niedliche Falte zwischen seinen Augenbrauen.

„Die sehen ziemlich ähnlich aus“, tröstete ich.

Beide haben vier Räder und eine Karosserie.

Er nickte zufrieden.

Die Rücklichter des Audis leuchteten noch eine Zeit lang rot, bevor sie vor dem ersten Haus nach der Kreuzung erloschen. Der Fahrer ging hinein. Wir beeilten uns, das Auto genauer anzuschauen. Es war ein Avant. Ohne einen einzigen Kratzer an den Scheinwerfern und auf dem Stoßdämpfer.

„Ich werd’s aber trotzdem überprüfen“, sagte ich.

„Was denn?“

„Wart’s ab.“

Ich schickte von meinem Handy aus eine SMS an die Kfz-Zulassungsstelle und erhielt sofort Antwort. Besitzerin des Autos war eine Katrin Hansson in Grödinge. Wahrscheinlich war es ihr Haus, vor dem wir standen.

Von der Auskunft bekam ich die entsprechende Telefonnummer und wählte die Nummer. Ein Mann antwortete:

„Hansson.“

„Hallo, also, guten Tag, ich rufe von … der äh … öh … Autowerkstatt an und leider gibt es da ein Problem mit der Rechnung für die Reparatur an Ihrem Auto …“

„Mein Auto ist in keiner Werkstatt zur Reparatur gewesen“, sagte er und knallte den Hörer auf.

„Den Audi können wir vergessen“, teilte ich mit.

Linus zuckte die Schultern.

„Mein Vater arbeitet dort drüben“, sagte er und deutete in die Dunkelheit hinüber.

„Im Industriegebiet?“

„Nein, ganz hinten, nach dem Wohngebiet. Im selben Haus gibt es auch eine Autowerkstatt.“

„Dann weiß ich genau, wo das ist. Mikaela und ich haben dort in den Sommerferien gejobbt.“

„In Kalle Svenssons Werkstatt?“

„Nein, im Büro. Wir haben für einen, der Harry hieß, Papiere sortiert und Waren eingeräumt. Ich hätte gern in der Werkstatt mitgearbeitet, doch da hat Kalle bloß gelacht. Ist Harry noch da?“

„Nein, inzwischen teilen sich mein Vater und Kalle das Büro. Ich hab Kalle ein paar Mal getroffen, als ich für meinen Vater Werbung sortierte. Meine Mutter will nicht, dass ich das daheim mache, weil das so ein Durcheinander gibt. Außerdem ist der Computer meines Vaters viel cooler als meiner, darum benutze ich ihn jedes Mal, wenn ich dort bin.“

Wir kehrten zur Kreuzung zurück und folgten dem Schotterweg bis zur Straße.

„Hast du dort mit Wuff trainiert?“, fragte Linus mit einem Kopfnicken zum roten Häuschen des Hundesportvereines.

„Nein. Wuff ist nach der JMS-Methode erzogen worden.“

„Was ist das denn?“

„Jede Menge Süßigkeiten. Und Glöckchen?“

„Wir haben sie auch selbst erzogen. Aber offenbar nicht genügend. Sonst wäre sie wohl nicht abgehauen.“

Vor uns leuchteten Scheinwerfer auf. Als das Auto näher kam, erkannte ich es gleich.

„Das sieht aus wie das Auto von meinem Vater“, sagte Linus.

Na, allmählich macht er sich ja, dachte ich. Allerdings hat Samuel Wester, der Freund von Mikaelas Mutter, auch einen Volvo V70.

Das Auto fuhr langsam an uns vorbei. Ich winkte, sah aber nicht, ob Samuel Wester zurückwinkte.

„Mein Vater würde nie hier entlangfahren“, fuhr ich fort. „Der Weg ist viel zu holprig. Das macht den Unterbau kaputt.“

Inzwischen waren wir bei dem einsamen Wegabschnitt angelangt, wo Wuff und ich Glöckchen gefunden hatten. Der Verkehr auf der Schnellstraße klang wie ein fernes Summen. Ansonsten war es ringsum dunkel und still.

Nachdenklich sah ich zu dem ungefähr zwei Meter entfernten Gebüsch hinüber, wo Glöckchen gelegen hatte.

„Eigenartig, dass sie hinter den Büschen lag“, sagte ich.

„Bestimmt hat dieser Idiot, der sie überfahren hat, sie dorthin geschleppt, damit niemand sie findet und sie dort einfach stirbt.“

„Ich glaube, die meisten würden davor zurückscheuen, einen fast sechzig Kilo schweren Rottweiler anzufassen. Das heißt, wenn man den Hund nicht kennt.“

„Und das tun nicht viele. Wir wohnen ja noch nicht lange hier.“

„Glöckchen kann dorthin gerobbt sein. Verletzte Tiere suchen meistens Schutz.“

Er zuckte die Schultern. Unmöglich war das nicht.

„Wenn sie auf dem Weg liegen geblieben wäre, hätte man sie vielleicht früher entdeckt“, sagte er bitter.

„Oder sie wäre noch einmal überfahren worden.“

Im selben Moment wurde die Stille von ohrenbetäubendem Lärm zerrissen. Blendendes Licht erhellte die Dunkelheit. Zwei Autos rasten auf uns zu. Wir sprangen schnell zurück.

„Die sind ja total verrückt!“, brüllte ich.

Ich wurde geblendet und konnte von dem vorderen Auto nur so viel erkennen, dass es ein dunkler Lieferwagen war. Aber das hintere, ein funkelnagelneuer Mercedes, wurde einen Augenblick lang erhellt. Ein echter Superschlitten! Obwohl ich ihn ein wenig zu lang bewunderte, gelang es mir, fast das ganze Kennzeichen zu sehen. Nur bei der letzten Zahl war ich mir nicht ganz sicher, ob es eine Drei oder eine Acht war. Oder möglicherweise eine Neun? Ich tippte auf eine Drei und schickte der Zulassungsstelle eine SMS, erhielt aber die Nachricht, dieses Kennzeichen existiere nicht.

„Ich werd es im Internet nachschauen müssen“, sagte ich.

„Unglaublich, was für Idioten!“, schnaubte Linus. „Es würde mich nicht wundern, wenn einer von diesen wild gewordenen Rennfahrern Glöckchen überfahren hätte. Dann hätte sie echt keine Chance gehabt.“

Wir warteten noch zehn Minuten, aber es kamen keine weiteren Autos. Wuff begann ungeduldig an der Leine zu zerren.

„Sollen wir aufgeben?“, fragte ich.

Linus nickte stumm.

„Willst du nicht auch Samuel Wester von deiner sogenannten Autowerkstatt aus anrufen?“, fragte er, nachdem wir ein Stück weit gegangen waren. „Von dieser … öh …“

„Wir wissen doch, wer er ist“, unterbrach ich ihn brüsk.

„Er kann Glöckchen trotzdem überfahren haben.“

Ich zuckte die Schultern, wählte Mikaelas Nummer und versuchte meine Stimme zu verstellen:

„Guten Tag, hier ist … äh … Anderssons Autowerkstatt …“

„Bitte, Svea, mach jetzt keinen Blödsinn“, unterbrach mich Samuel Wester. „Mikaela ist noch nicht nach Hause gekommen. Ruf später an.“

Er legte auf.

„Er ist nicht darauf reingefallen“, sagte ich.

„Kein Wunder, Ä. Andersson.“

„Das war’s nicht. Er hat es bestimmt auf dem Display erkannt.“

„Ist Mikaela noch nicht nach Hause gekommen?“

„Nein.“

„Ihr seid doch Freundinnen?“

„Ja, und?“

„Nichts.“

Ich starrte ihn misstrauisch an. Warum fragte er so viel nach Mikaela? War er etwa in sie verknallt? Das wär dann ein schöne Bescherung. Ich in Linus verknallt. Der in Mikaela verknallt war. Die in Oscar verknallt war. Genau wie Hannamaria.

Plötzlich bekam ich Lust, irgendeine boshafte Bemerkung zu machen, damit Linus Mikaelas schöne Augen vergaß.

„Sie hat mein Fahrrad geklaut!“

„Warum das denn?“

„Um mich zu ärgern.“

„Woher weißt du, dass sie es war?“

„Mein Fahrrad ist blau-weiß gestreift.“

„Blau-weiß gestreift?“

„Meine Mutter ist … Künstlerin.“

„Ich dachte, ich hab dein Fahrrad gesehen.“

„Wo?“

Ich glaubte, er würde sagen „in Mikaelas Garten“.

„Vor dem alten Haus am See.“

„Da wohnt doch diese Hedvig.“

„Und wer ist das?“

„Eine total durchgeknallte Frau. Die führt sich auf wie verrückt, bloß weil man in ihrem Garten ein paar Äpfel klaut.“

„Na und?“

Ja, das klang natürlich nicht besonders durchgeknallt. Ich erzählte, was ich über Hedvig wusste.

„Ihre ganze Familie ist bei einem Unfall ums Leben gekommen, seither lässt sie alles verfallen. Alle Nachbarn finden sie unausstehlich.“

Linus wirkte immer noch nicht überzeugt, sagte aber trotzdem:

„Wollen wir nachschauen, ob dein Fahrad noch da steht?“

Ich nickte. Wir befanden uns ohnehin schon ganz in der Nähe, brauchten bloß auf einen Pfad einzubiegen und ihm bis zu der Bruchbude zu folgen. Jetzt war meine Taschenlampe ziemlich praktisch, aber ich schaltete sie immer nur kurz ein, um den Pfad nicht zu verfehlen.

Hedvigs Haus war möglicherweise früher irgendwann einmal weiß gewesen, aber die Mauern hatten inzwischen einen schmutzig grauen Ton angenommen. An mehreren Stellen blätterte der Putz ab und das Dach war von einem Moosteppich überzogen. Das steil abschüssige Grundstück war verwildert, mit struppigem Gras und einem Feld aus mannshohem Bärenklau bewachsen.

Im Haus war Licht, eine kugelrunde Lampe an der Küchendecke und eine schwächere Lampe im Obergeschoss.

Von Hedvig war nichts zu sehen.

Von meinem Fahrrad auch nicht.

„Es stand aber direkt am Haus, ehrlich“, behauptete Linus trotzig.

Als vermutete er, ich würde ihm nicht glauben.

Das tat ich auch nicht. Ich hatte ja bereits meine Theorie, wo sich mein Fahrrad befand. Bei Mikaela.

„Wir schauen mal hinterm Haus nach“, flüsterte ich.

Wir versuchten durch das Laub zu schleichen, wateten aber ungefähr so lautlos wie eine Herde Nashörner durch den raschelnden Laubteppich. Schritt für Schritt, mit angespannten Nerven. Wuff und ich voraus, Linus in einigem Abstand hinter mir her. Glaubte ich wenigstens. Denn als ich stehen blieb, lief er direkt in mich hinein.

„Au!“

Und gleich darauf Wuffs Gebell, wie ein Echo.

Im selben Augenblick entdeckte ich etwas hinter dem Haus. Ein an die Wand gelehntes Fahrrad! Die Farbe ließ sich in der Dunkelheit nicht erkennen. Ich wollte schon meine Taschenlampe anknipsen, als eine wütende Stimme loskeifte:

„Diebe, Mörder! Jetzt ist es aber genug …“

Wir blieben nicht, um uns anzuhören, was sie sonst noch auf dem Herzen hatte.

Erst als das Licht von Hedvigs Haus nur noch als Pünktchen zwischen den Baumstämmen hinter uns schimmerte, wagten wir stehen zu bleiben, um Luft zu holen.

Linus keuchte angestrengt, ich dagegen hätte noch locker weiterrennen können.

„Hast du es geschafft, das Fahrrad anzuschauen?“, stieß Linus schnaufend aus.

„Nein. Wir müssen noch mal hin.“

Ein paar unschlüssige Falten tauchten zwischen seinen Augenbrauen auf, aber immerhin sagte er nicht Nein. Daher war ich trotz allem mit dem Abend zufrieden. Linus und ich hatten gemeinsame Interessen gefunden: die Jagd nach dem Übeltäter, der Glöckchen überfahren hatte, und die Suche nach meinem Fahrrad.

Kein schlechter Start für eine Freundschaft!

„Kommst du morgen zur Disco?“, rief er mir nach, als ich bereits zu unserer Haustür unterwegs war.

„Zu welcher Disco?“, fragte ich unüberlegt.

Oh nein! So was von superdämlich! Das nicht zu wissen, ist doch total uncool!

„Ach so, du meinst die Disco!“

Er sah mich an. Vermutlich wartete er auf eine Antwort.

„Vielleicht“, sagte ich.

Er nickte und hob lässig die Hand.

Ich starrte seinen Rücken an, während Wuff winselnd mit dem Schwanz wedelte und die Schnauze an die Haustür presste. Wie sollte sie auch meine Verwirrung verstehen? Als Hund macht man etwas. Oder auch nicht. Von quälenden Haarspaltereien bleibt ein Hund verschont.

Warum hatte Linus gefragt, ob ich zur Disco gehe?

1. Weil er wollte, dass ich hinkomme?

2. Weil er einfach neugierig war?

Was soll ich tun?

Die coole Clique ging regelmäßig zur Disco ins Jugendhaus, wenn sie nicht gerade eine eigene Party feierte. Womöglich wären die morgen alle da! Die würden mich natürlich vor Linus verspotten – weil ich nicht richtig tanzen konnte, weil ich die falschen Klamotten trug und weil ich mich falsch schminkte.

Weil einfach alles an mir falsch war.

Ich gehe nicht.

Aber dann würde ich Linus nicht treffen. Auf der Disco hatte es schon bei vielen gefunkt. Vielleicht würde Linus dann auf Ebba oder Hannamaria abfahren. Es wäre einfach unerträglich, sie Händchen haltend auf dem Schulhof oder schmusend hinter der Turnhalle sehen zu müssen.

Ich muss hingehen!

Aber was sollte ich dann anziehen?

Warum war das Leben nur so kompliziert …

Ich möchte ein Hund sein!

Plötzlich fiel mir ein, dass ich Mikaela eine SMS schicken könnte. Ich brauchte sie nicht auszufragen, wo sie steckte, wollte bloß einen Rat von ihr.

„Was für Klamotten sind für die Disco angesagt? Bitte um schnelle Antwort! Svea.“

Ich schickte die Nachricht ab.

Todeswald
00000000000_cover.html
b978-3-440-13892-2_000017.xhtml
b978-3-440-13892-2_000022.xhtml
b978-3-440-13892-2_000312.xhtml
b978-3-440-13892-2_000441.xhtml
b978-3-440-13892-2_000728.xhtml
b978-3-440-13892-2_000831.xhtml
b978-3-440-13892-2_001025.xhtml
b978-3-440-13892-2_001404.xhtml
b978-3-440-13892-2_002063.xhtml
b978-3-440-13892-2_002222.xhtml
b978-3-440-13892-2_002285.xhtml
b978-3-440-13892-2_002628.xhtml
b978-3-440-13892-2_002649.xhtml
b978-3-440-13892-2_003079.xhtml
b978-3-440-13892-2_003220.xhtml
b978-3-440-13892-2_003362.xhtml
b978-3-440-13892-2_003451.xhtml
b978-3-440-13892-2_003512.xhtml
b978-3-440-13892-2_003789.xhtml
b978-3-440-13892-2_004271.xhtml
b978-3-440-13892-2_004304.xhtml
b978-3-440-13892-2_004707.xhtml
b978-3-440-13892-2_005026.xhtml
b978-3-440-13892-2_005462.xhtml
b978-3-440-13892-2_005578.xhtml
b978-3-440-13892-2_005737.xhtml
b978-3-440-13892-2_006494.xhtml
b978-3-440-13892-2_006797.xhtml
b978-3-440-13892-2_007134.xhtml
b978-3-440-13892-2_007377.xhtml
b978-3-440-13892-2_007784.xhtml
b978-3-440-13892-2_008131.xhtml
b978-3-440-13892-2_008699.xhtml
b978-3-440-13892-2_008907.xhtml
b978-3-440-13892-2_009053.xhtml
b978-3-440-13892-2_009334.xhtml
b978-3-440-13892-2_009512.xhtml
b978-3-440-13892-2_009663.xhtml
b978-3-440-13892-2_010120.xhtml
b978-3-440-13892-2_010203.xhtml
b978-3-440-13892-2_010276.xhtml
b978-3-440-13892-2_010609.xhtml
b978-3-440-13892-2_010781.xhtml
b978-3-440-13892-2_010815.xhtml
b978-3-440-13892-2_011093.xhtml
b978-3-440-13892-2_011446.xhtml
b978-3-440-13892-2_011573.xhtml
b978-3-440-13892-2_011725.xhtml
b978-3-440-13892-2_012069.xhtml
b978-3-440-13892-2_012419.xhtml
b978-3-440-13892-2_012708.xhtml
b978-3-440-13892-2_012876.xhtml
b978-3-440-13892-2_012970.xhtml
b978-3-440-13892-2_012982.xhtml
b978-3-440-13892-2_012988.xhtml
b978-3-440-13892-2_013181.xhtml
b978-3-440-13892-2_013468.xhtml