Das letzte Amen
Danke, dass ihr alle gekommen seid.« Kieran blickte auf seine schrumpfende Gemeinde und rieb mit den Fingern über das hölzerne Podium. Er fühlte sich für diese Predigt nicht inspiriert genug. Er hatte zu viel Angst.
»Morgen werden wir in aller Frühe unseren Feinden zum ersten Mal seit dem Angriff gegenüberstehen. Diesmal, so hoffe ich, wird unser Aufeinandertreffen friedfertig sein. Ich weiß, dass ihr euch nach Rache sehnt. Auch ich tue das. Aber meine Aufgabe ist es, euch zu beschützen. Deshalb werde ich versuchen, eine friedliche Lösung unseres Konflikts zu verhandeln. Falls mir das nicht gelingt –«
»Was dann?«, schrie jemand aus dem hinteren Teil des Raums. »Bückst du dich dann und küsst ihnen die Ärsche?« Kieran schaute perplex auf. Er versuchte den Sprecher in der Gemeinde ausfindig zu machen, aber die hellen Scheinwerfer blendeten ihn, und er konnte hinten im Raum nichts erkennen.
»Nein«, sagte er. Er warf einen kurzen Blick auf den Rest seiner Predigt, erkannte, wie fade sie war, knüllte den Zettel zu einem Ball zusammen und warf ihn über seine Schulter. Ein paar Leute lachten, einige andere setzten sich gerader in ihren Stühlen auf. »Nein. Falls sie uns unsere Eltern nicht umgehend zurückgeben, falls sie versuchen sollten, dieses Schiff zu entern, oder irgendeine feindliche Aktion starten sollten, dann … hat sich der Zentralrat mit mir geeinigt, dass wir unsere Eltern mit Gewalt zurückholen werden.«
Ein Jubelschrei ertönte von weiter hinten, ein paar Pfiffe fielen ein, und dann war plötzlich die gesamte Gemeinde auf den Füßen, klatschte und jubelte freudig.
»Wir werden sie töten! Wir töten sie alle!«, schrie jemand in den Applaus hinein. Einige Jungen stimmten einen Sprechchor an. »Anne Mathers Kopf! Auf einer Stange! Anne Mathers Kopf! Auf einer Stange!«
Schon bald hatte die gesamte Versammlung den Kampfschrei aufgegriffen, und der Raum war von einem blutrünstigen Rausch ergriffen.
Marjorie Wilkins und ihre Schwester standen in der ersten Reihe mit hochgerissenen Armen auf ihren Stühlen und schrien ihre hilflose Wut heraus. Sie hatten kein Video von der New Horizon erhalten. Tatsächlich war das wahrscheinlich der Hauptgrund für all den Zorn im Raum – dass manche sehen mussten, wie Freunde gute Nachrichten von ihren Angehörigen erhalten hatten, während sie selbst leer ausgegangen waren. Das war ein ausreichender Grund, um jeden in einen Wilden zu verwandeln.
Und sie waren Wilde. Sie brüllten mit rot angelaufenen Gesichtern, stießen voller Wut die Fäuste in die Luft und brüllten nach Rache, bis ihre Stimmen heiser waren. Kieran starrte sie fasziniert an. Er erkannte sie nicht wieder. Er hatte keine Ahnung, wie er zu ihnen reden sollte. Sobald er sich wieder gefasst hatte, hob er die Hände und brüllte in das Mikrofon: »Das reicht jetzt! Stopp! Stopp!«
Langsam beruhigte sich die Menge wieder und sah ihn erwartungsvoll an.
»Ich weiß, dass ihr für das, was sie uns angetan haben, Rache nehmen wollt. Ich möchte das auch.«
»Worauf du einen lassen kannst!«, schrie Marjorie, und mehrere Leute lachten.
»Vergessen wir die Verhandlungen!«, rief ein Junge in der ersten Reihe. »Schnappen wir sie uns!«
Mehrere zustimmende Rufe antworteten ihm.
»Wir müssen realistisch sein!«, übertönte Kieran sie. »Wir wollen sie alle bestrafen, aber wenn wir auf ihrem Territorium kämpfen, könnten wir schnell diejenigen sein, die bestraft werden.«
»Kieran scheißt sich an!«, rief jemand aus der Menge, und mehrere andere fielen in den Ruf mit ein, zuerst nur leise, dann immer lauter werdend, bis die gesamte Gemeinde aus vollem Hals brüllte. Einige verteidigten Kieran, aber die meisten grölten mit.
Kieran schmeckte das Salz, als er sich den Schweiß von der Oberlippe leckte. Er war schon einmal in dieser Situation gewesen, vor einer Menschenmasse zu stehen, die ihn verdammen wollte. Er hatte diesen Horror schon einmal erlebt, und es hatte ihn beinahe zerstört.
Nein, sagte er zu sich selbst, nein.
»Haltet eure Klappe! Alle!«, schrie er in das Mikrofon. Marjorie Wilkins, die ihn ignorierte, hechtete über die Lehne ihres Sitzes und sprang auf einen Jungen, der Kieran mit herausgestreckter Zunge verhöhnte. Der Junge konnte sie abschütteln, so dass sie zu Boden ging. Von einer frischen Welle der Wut getragen, verdreifachte sich die Lautstärke von Kierans Stimme, als er in das Mikrofon blaffte: »HALTET VERDAMMT NOCH MAL DIE SCHNAUZE!« Seine Stimme in den Lautsprechern war so laut, dass die Sprechchöre verstummten, die Buhrufe verebbten und die Leute ihn überrascht anstarrten.
Er ließ sie glotzen und wartete ab, bis sich die Ruhe bis in die hinteren Reihen ausgebreitet hatte. Als er wieder sprach, war seine Stimme gefasst, kontrolliert und leise.
»Wenn ihr auch nur für eine Sekunde glaubt, dass ihr da einfach hineinspazieren, einen Haufen Erwachsener erschießen und dann mit unseren Eltern wieder herausspazieren könnt, dann seid ihr ernsthaft geisteskrank.« Er nahm das Mikrofon aus dem Ständer, sprang von der Bühne und lief durch den Mittelgang, wobei er in jedes einzelne Gesicht schaute, an dem er vorbeiging. »Ich habe gesehen, was sie mit unserer Crew bei dem ersten Angriff angestellt haben, und ich sage euch, dass wir sie so nicht schlagen können. Kriegt das endlich ihn eure sturen Schädel hinein.«
Die Menge begann verdrossen zu murmeln, was er sofort erstickte, indem er sie laut übertönte. »Außerdem könnt ihr alle zur Hölle fahren, wenn ihr wirklich glaubt, ich sei ein Feigling. Morgen werde ich ganz allein auf die New Horizon gehen, um mit diesen Mördern zu verhandeln. Sie können mich jederzeit töten, wenn ihnen danach ist. Und warum sollten sie das auch nicht tun? Ich bedeute ihnen nichts.«
Er hatte die Rückseite des Raums erreicht, der wieder still geworden war. Die meisten der Gesichter wirkten peinlich berührt, obwohl ihn auch einige Leute unverschämt angrinsten.
»Ich habe Anne Mather bereits mitgeteilt, dass ich ihr keine Immunität gegen Anklagen wegen Kriegsverbrechen zubilligen werde, weder auf unserem Schiff noch auf New Earth. Sie hat also jeden Grund, mich loszuwerden, aber ich verwette mein Leben darauf, dass sie es nicht tun wird.«
Er suchte die unverschämten Gesichter aus der Menge heraus und starrte jedes einzelne von ihnen nieder, während er durch den Mittelgang zurück zur Bühne ging. Einige von ihnen versuchten seinem Blick standzuhalten, senkten dann aber schlussendlich doch die Gesichter. Marjorie Wilkins sah mit dem zerrissenen Shirt an ihrem schlaksigen Körper aus wie ein geprügeltes Schaf.
»Es ist an der Zeit für euch, erwachsen zu werden. Ihr wollt vielleicht einen großen Showdown, wie ihr ihn aus Romanen kennt, aber das hier ist nun mal kein Roman. Das hier ist Krieg. Und als jemand, der miterleben musste, wie unsere Eltern aus einer Luftschleuse gerissen wurden, kann ich euch sagen, dass Krieg kein Happy End kennt. Für niemanden.«
Er nahm die zwei Stufen zurück auf die Bühne mit einem Schritt und ließ seinen Blick über die Gemeinde schweifen, die nun eingeschüchtert und leise war. Und dann sagte er: »Lasst uns beten.«
Zu seiner eigenen Überraschung senkte sich jeder einzelne Kopf im Raum, wenn auch einige widerwilliger als die anderen.
Der Rest des Gottesdienstes verlief friedlich, obwohl er bemerkte, dass ein paar Leute den Saal verließen. Er entschied sich dafür, dass ihm das egal war. Vielleicht hatte er nicht die Zustimmung von jedem Einzelnen auf dem Schiff, aber das war im Moment auch nicht das Entscheidende.
Menschen waren vielleicht tatsächlich nur oberflächlich verkleidete Wilde – das jedenfalls war, was die Geschichtsbücher zu sagen schienen. Aber es war die Aufgabe der Regierung, über die primitiven Instinkte der Menschheit hinauszuwachsen und ein Verhalten einzufordern, das dem Gemeinwohl zuträglich war. Frieden war immer besser als Krieg. Er tat das Richtige, wenn er versuchte, mit Mather zu reden, und er würde nie wieder zulassen, dass irgendjemand ihn dazu brachte, an sich selbst zu zweifeln.
Sobald er das letzte Amen gesagt hatte, ging er, ohne irgendjemanden anzuschauen, in die Kommandozentrale und bezog dort Stellung. Er beobachtete den kleinen Lichtpunkt auf dem Langstreckenradar, der sich dem Zentrum immer weiter näherte. Dieser Lichtpunkt war die New Horizon, und sobald er endlich in der Mitte des Bildschirms angekommen wäre, könnte er aus einem der Portfenster schauen, wo sie wieder vor den Sternen aufragen würde. Und dann würde es beginnen.
Zur Schlafenszeit ging er allein auf sein Zimmer und nahm ein einfaches Mahl aus trockenem Brot, kaltem Huhn, Feigen und rohem Spargel zu sich. Seine Augen waren auf den sternenbehangenen Himmel gerichtet, den sein Bullauge einrahmte, und er kaute, ohne wirklich etwas zu schmecken. Als er sich ins Bett legte, bedeckte er seine Augen mit einem kalten Lappen. Er wollte eigentlich schlafen, konnte sich selbst aber nicht davon abhalten, immer wieder die Verhandlungspunkte durchzugehen, die er sich eingeprägt hatte. Obwohl selbst monatelange Trainings die Verhandlungen nicht hätten leichter machen können (Mather war einfach zu gerissen), wusste er, dass er sich besser fühlen würde, wenn er genau wusste, was er zu sagen hatte. Es gab ihm die Illusion von Kontrolle.
In den wenigen noch verbleibenden Stunden badete er und zog seine beste Kleidung an. Dann ging er zur Kommandozentrale und setzte sich zu Sarek, während dieser das Schiff zum Treffpunkt steuerte. Sarek sah aus wie ein verhärmter alter Mann, der schrecklich überarbeitet war. Einmal mehr fühlte Kieran den Verlust Arthurs. Er verbot sich selbst, zu intensiv über den Betrug seines engsten Vertrauten nachzudenken, aber gerade jetzt wünschte er sich, mit dem eulenhaften Jungen über alles reden zu können. Er würde jetzt jeden einzelnen Schritt des Plans durchdacht, ihn aus jedem Winkel und jeder denkbaren Perspektive betrachtet haben – ein Talent, das nur wenige besaßen.
Die einzigen beiden Menschen, die er kannte, die auf diese Art zu denken in der Lage waren, bereiteten gerade einen Angriff vor, dem er niemals zugestimmt hätte. Obwohl er jetzt, da er im Begriff war, das feindliche Schiff zu betreten, doch ganz glücklich darüber war, dass eine Gruppe Kinder bereit war, Gewalt mit Gegengewalt zu begegnen, falls es dazu kommen sollte.
»Bist du nervös?«, fragte Sarek ihn und durchbrach damit sein Grübeln. Sarek hatte so tiefe Ringe unter den Augen, dass sie wie Blutergüsse aussahen, und die Haut um seinen Mund hatte sich in Falten gelegt – Erscheinungen, die Kieran bislang nur bei viel älteren Erwachsenen gesehen hatte. Sarek hatte sich in eine totale Erschöpfung hineingearbeitet, und egal was Kieran sagte, egal wie häufig Matt Allbright ihm anbot, ihn abzulösen, damit er ein paar Stunden Schlaf finden konnte – Sarek schüttelte nur gereizt den Kopf.
Kieran glaubte zu wissen, woran das lag: An Schlaf war ohnehin nicht zu denken. Bis sein Vater nicht wieder sicher an Bord der Empyrean war, würde Sarek in seinem Sitz bleiben.
»Wegen was nervös?«, fragte Kieran.
»Wegen des Gesprächs mit dieser Frau. Weil du auf das Schiff musst.«
»Natürlich bin ich das.«
Sarek betrachtete ihn nachdenklich. »Was ist mit dem Zentralrat?«
»Was soll mit denen sein?«, fragte Kieran gereizt.
»Werden sie damit klarkommen?«
Kieran lachte. »Nein. Aber sie sind davon überzeugt.«
»Immerhin.« Sarek klang kläglich. »Das ist die Hälfte der Miete.«
»Versprich mir, dass du die Shuttle-Luftschleuse nicht öffnest, bis du von mir gehört hast, dass Mather uns betrügen will. Kannst du das für mich tun?«
»Ich habe neue Verschlüsselungscodes für die Türen geschrieben. Sie werden nicht in der Lage sein, den Hangar zu verlassen, wenn ich nicht von hier aus die Türen öffne.«
»Gut.« Die beiden Jungen starrten einander mit bleichen Gesichtern an, bis Kieran allen Mut zusammennahm und sagte: »Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun würde.«
»Ja, klar.«
»Es ist mir ernst damit.«
»Halt die Klappe«, sagte Sarek.
Kieran wollte ihn umarmen. Plötzlich plagte ihn der Gedanke, dass dies das letzte Mal sein könnte, dass er diesen Jungen sah, der alle diese Monate des Kampfs zu ihm gestanden hatte. Aber Sarek wollte nicht umarmt werden. Er mochte keine Sentimentalitäten, und darüber hinaus wollte Kieran auch nicht darüber nachdenken, dass er heute sterben könnte. Das würde ihn nur noch ängstlicher machen, und er würde keinen Erfolg bei Mather erzielen können, wenn er vor Angst gelähmt war. Also begnügte er sich damit, Sarek auf den Rücken zu klopfen und »Man sieht sich dann« zu murmeln.
»Klar.« Sarek drehte sich wieder zu seinem Bildschirm, als ob es ein Tag wie jeder andere wäre.
Kieran ging aus der Kommandozentrale an den nicht endenden Graffitis vorbei, die ihn als Feigling, als Kapitulierer, als bösen Diktator oder als Heiligen zeigten.
Er nahm die Treppe hinunter zum Shuttle-Hangar auf der Backbordseite, wo er Waverly traf, die vor einem Shuttle mit heruntergelassener Laderampe stand. Sie tigerte nervös auf und ab und rieb sich die Hände.
Als er sich näherte, sah er Schweißperlen auf ihrem Nacken und dass die Haut um ihre Augen angespannt wirkte. Er war nahe genug an sie herangetreten, um ihr Shampoo riechen zu können, als sie ihn bemerkte. Sie hörte auf herumzulaufen und verharrte ohne ein Wort einen halben Meter von ihm entfernt.
»Ist bei euch alles klar?«, fragte er sie. Seine Stimme erschien ihm angespannt, aber die Wut war aus ihr verschwunden. Jetzt, da der Tag, an dem sich ihr Schicksal erfüllen sollte, gekommen war, fühlte sich alles plötzlich viel klarer an.
»Wir haben uns beinahe zu Tode geprobt. Ich glaube, dass wir bereit sind.«
»Gut.« Er scharrte mit der weichen Sohle seines Schuhs über den Boden. »Ihr werdet also auf mich warten?«
»Natürlich.«
»Ich brauche das wahrscheinlich gar nicht zu sagen, aber …« Er warf ihr einen kurzen Blick zu und sah, dass sie ihm zuhörte. In ihren Augen war nicht einmal eine Spur einer Verteidigungshaltung. Sie versuchte ruhig zu sein, so wie immer, strahlte aber dennoch Angst aus. »Du weißt, dass sie mich wahrscheinlich töten werden, wenn ihr versucht zu entern, während ich noch in den Verhandlungen bin.«
»Kieran, wir werden warten, bis wir von dir gehört haben.«
»Ich vertraue dir mein Leben an.«
»Das ist mir klar«, sagte sie sanft, wich jedoch seinem Blick aus.
Obwohl es schien, als sei noch mehr zu sagen, fanden keine weiteren Worte den Weg aus seinem Mund. Er wandte sich zum Gehen, aber plötzlich stürzte sie in seine Richtung vor, schlang ihre Arme um seine Schultern und hielt sich an ihm fest.
Zuerst war er überrascht und bewegte sich gar nicht, aber bald fanden seine Arme in ihre natürliche Position – um ihren Körper geschlungen, so dass seine Handflächen auf ihrem Rücken lagen. Sie roch noch so, wie er sie in Erinnerung hatte, und fühlte sich auch fast so an, obwohl sie nicht mehr so weich war. Sie hielten einander für … er wusste nicht wie lange umschlungen. Es konnten Sekunden oder Minuten gewesen sein, als sie ihn endlich losließ, sich die Tränen aus den Augen wischte, sich umdrehte und zurück in das Shuttle rannte. Als er sie gehen sah, erinnerte er sich an den schrecklichen Tag, als er Zeuge gewesen war, wie sie in ein anderes Shuttle stieg, einer schrecklichen Tortur unter Anne Mathers grausamen Händen entgegen. An diesem entsetzlichen Tag hatte er sie angefleht zu bleiben, wieder aus dem Shuttle auszusteigen, nicht zu gehen. Auch jetzt wollte er sie anflehen zu bleiben, aber stattdessen drehte er sich um und verließ den Shuttle-Hangar. Der einzige Laut, den er hörte, war das Schlurfen seiner Sohlen auf dem harten Metallboden.
Er lief einmal quer durch das Schiff zum Shuttle-Hangar auf der Steuerbordseite und zu dem Shuttle, das am nächsten an den Luftschleusen stand. Er drückte den Knopf, um die Laderampe herabzulassen, und die Versiegelung öffnete sich mit dem Geräusch zerbrechender Eierschalen. Dieses Shuttle war niemals zuvor geöffnet worden, seit es auf der Erde auf die Empyrean gebracht worden war. Es roch nach uralten Klebstoffen und Dichtmitteln.
Er setzte sich in den Pilotensitz und kontaktierte die Kommandozentrale. Sarek nahm ihn mit einem flüchtigen Grunzen zur Kenntnis, und Kieran hörte ihn atmen, während er leise und angespannt wartete.
Er beobachtete auf dem Radarschirm, wie der blinkende Lichtpunkt, der die New Horizon darstellte, langsam in Richtung Mittelpunkt vorankroch und endlich nahe genug herangekommen war, um die Kollisions-Protokolle des Schiffs zu aktivieren. Ein Licht flackerte auf dem Bildschirm, die Worte Objekt nähert sich leuchteten plötzlich auf und hüllten das Cockpit in ein kränklich grünes Licht.
»Sie sind hier«, sagte Sarek.
Kierans Achseln waren schweißnass. Seine Hände zitterten, als er den Antrieb warmlaufen ließ, und er rieb seine Handballen gegeneinander, um das verrückte Zittern der Finger loszuwerden. Der Shuttle-Antrieb schnurrte, das Fahrzeug hob vom Boden ab, und er wendete es langsam, so dass es vor den Toren der Luftschleuse stand.
»Sarek«, sagte er, aber die Tore waren bereits dabei, sich zu öffnen. So sanft wie möglich manövrierte er das Shuttle in die Luftschleuse und wartete auf das Geräusch der Hydraulik, die das Tor verschloss, und dann auf das explosionsartige Ablassen der Luft, bis alles, was das Schiff umgab, lediglich ein Vakuum war. Das Tor vor ihm öffnete sich, und sein Herz hämmerte in der Brust.
»O mein Gott«, entfuhr es ihm. Die New Horizon hing direkt vor ihm, riesig und leise und darauf wartend, ihn mit Haut und Haaren zu verschlingen. Plötzlich war er sich nicht mehr sicher, ob er das wirklich schaffen könnte. Aber dann bemerkte er, dass er es bereits tat. Das Shuttle glitt langsam aus der Empyrean heraus, streckte seine Nase heraus wie eine Eidechse, die ihre Höhle verließ. Und bald gab es nichts mehr, wohin er gehen konnte, außer in die Fänge dieser Frau.
»Sarek«, sagte Kieran mit einem nervösen Kichern. »Sag mir einfach, dass ich kein Menschenopfer bin, kannst du das für mich tun?«
Sarek lachte rauh. »Weißt du was, Kieran? Vielleicht ist es doch wahr, was alle über dich erzählen.«
»Ach, ja?«
»Du hast einen Messias-Komplex.«
Kieran lachte und sagte endlich, was er zuvor nicht herausbekommen hatte: »Mein Freund, ich liebe dich.«
Es folgte ein kurzer Moment sehr lauter Stille. Sarek wollte ihm im Vidschirm nicht in die Augen sehen, aber dann erhellte ein Lächeln sein Gesicht. »Du bist nicht mein Typ.«
Kieran lachte. »Ich nehm das dann mal als ein ›Ich liebe dich auch‹.«
Sareks Lächeln verrutschte, und er blinzelte ein paar Tränen aus den Augen.
»Sei vorsichtig, okay?« Noch ehe Kieran darauf reagieren konnte, hatte Sarek die Komverbindung gekappt. Jetzt war er auf sich allein gestellt.