ELF

Jill kam rutschend am Rathaustor zum Stehen. Sie hielt die beiden Edelsteine fest in ihrer verschwitzten Hand. Sie schien sich in keiner akuten Gefahr zu befinden, zumindest so weit sie die Situation überblicken konnte. Das Restaurant war jedenfalls verlassen gewesen. Dass Nemesis immer noch wie von der Bildfläche verschwunden war, bedeutete im Endeffekt nichts anderes, als dass sie sich verdammt noch mal beeilen musste. Sie wusste nicht, wie, aber Nemesis folgte ihrer Spur gewiss auch jetzt noch, und Jill wollte nichts sehnlicher als von hier verschwinden.

Der Lauf durch die hinter dem Restaurant liegenden Gassen hatte sie außer Atem gebracht und die Ängste weiter in ihr geschürt. Sie wäre fast über den Kadaver einer unmöglichen Kreatur gestolpert, den sie in der tiefer werdenden Dunkelheit nicht hatte ausmachen können doch die dunklen Umrisse zahlreicher Klauen, die tot in den Schatten hingen, hatten genügt, um Jill weiterzutreiben. Das Wesen hatte nichts ähnlich gesehen, was sie je zu Gesicht bekommen hatte das und ihr unentrinnbarer Verfolger Nemesis verursachten ihr leichte Panik. Jill nutzte dieses Gefühl, um ihre Anstrengungen noch zu verstärken und sich stärker zu kontrollieren. Sie wusste aus Erfahrung, dass es für das Überleben wichtig war, an seinen tierischen Instinkten festzuhalten. Ein wenig Angst war gut, sie hielt das Adrenalin in Fluss.

Die Zieruhr war in eine erhöhte Estrade neben dem Tor eingelassen. Jill setzte den blauen Stein an seinen Platz. Das rautenförmige Glasstück löste ein schwaches elektrisches Summen aus, und eine kreisförmige Lichterkette, die die Edelsteine umgab, begann flackernd aufzuleuchten. Der grüne Stein ließ sich ebenso leicht einfügen, und die Lichterkette wurde zu einem geschlossenen Kreis. Es gab ein schweres, mahlendes Geräusch, als die beiden Flügel des Tores aufglitten und den Blick auf einen schattigen Weg freigaben, der von üppigen Hecken gesäumt wurde.

Von Jills Standort aus sah es nicht allzu schlimm aus. Sie trat auf den stillen Pfad und öffnete ihre Sinne. Es war kühl und dunkel. Eine leichte Brise kündete von baldigem Regen und war neben Jill das Einzige, das sich bewegte. Sie ließ die Bäume rascheln, strich über Blätter hinweg und kühlte den Schweiß auf Jills Gesicht und Armen.

Jill konnte das ferne Heulen eines Virus-Zombies hören und bemerkte die fahlen Kleckse frühen Mondlichts auf den Wegsteinen. Aufmerksam, aber ohne eine unmittelbare Gefahr zu spüren, drang sie weiter vor. Ihre Gedanken begannen sich um Carlos Oliveira zu drehen.

Es stimmte wohl, dass er zu Umbrellas Hilfskräften gehörte und wahrscheinlich nicht wusste, was die Firma wirklich im Schilde führte aber er verheimlichte auch etwas. Er war kein so guter Lügner, wie er glaubte, und seine offensichtliche Bereitschaft zu lügen verhieß nichts Gutes.

Andererseits wirkte er keineswegs verschlagen, ein Lügner vielleicht, der es gut meinte oder zumindest einer, der nichts Böses im Schilde führte. Vermutlich war er einfach nur vorsichtig und verhielt sich damit genau wie Jill selbst. Wie auch immer, sie hatte keine Zeit für langwierige Interpretationsversuche, also würde sie auf ihren ersten Eindruck vertrauen: Er war einer von den Guten. Ob ihr das nun half oder nicht, war eine andere Geschichte, aber im Moment war sie bereit, sich mit jedem Verbündeten zu begnügen, der nicht vorhatte, sie umzubringen.

Aber sollte ich mich überhaupt mit jemandem zusammentun? Was, wenn er Nemesis in die Quere kommt und

Wie auf Stichwort hörte sie das Geräusch, ein Zufall, der irreal schien, fast wie ein mörderischer Witz.

„Sstaarrss !“

Wenn man vom Teufel spricht. Scheiße, wo steckt das Ding? Jill befand sich fast in der Mitte des kleinen Parks, wo sich drei Wege kreuzten, und das Geräusch kam von irgendwo vor ihr oder war es hinter ihr? Die Akustik war merkwürdig. Der Bereich vor ihr ließ den leisen, zischenden Ruf klingen, als käme er von überallher. Sie drehte sich um. Ihr Blick schweifte suchend umher, aber der Pfad hinter ihr und jene beiden, die von der offenen Fläche wegführten, verschwanden im Dunkel.

Wohin ? Sie trat ein Stück weit aus ihrer Deckung hervor und verschaffte sich damit mehr Fluchtmöglichkeiten und Bewegungsraum, für den Fall, dass sie es brauchte.

Ein fester, schwerer Schritt. Ein weiterer. Jill neigte den Kopf. Links vor ihr: der Weg, der zur Straßenbahn führte. Außerdem: sich verdichtende Dunkelheit, unmittelbar außerhalb ihres Blickfelds.

Geh zurück, zur Zeitungsredaktion oder zum Revier nein, ich kann ihm unmöglich davonlaufen. Aber da ist die Tankstelle, sie hat einen Lock-down-Schalter aus Metall, und es gibt dort einen Haufen Autos, bessere Versteckmöglichkeiten

Nach vorne und nach rechts. Ein einfacher Plan war besser als gar keiner, und sie hatte keine Zeit mehr, ihre Möglichkeiten noch weiter abzuwägen.

Jill startete durch. Das leise Geräusch ihrer Stiefel verlor sich in einem plötzlichen Aufbranden von Bewegung, anschwellendem Geheul und den harten Tritten abnormer Füße. Jill war sich ihrer selbst absolut bewusst, der Kontraktion ihrer Muskeln, der Laute ihres Herzens und ihrer Lungen, während sie gleichsam über die Steine hinwegflog. Binnen weniger Augenblicke war sie bei dem kleinen Tor, das weiter nach Norden führte und hinter dem ein Gebäudeblock mit verlassenen Autos lag, eine Tankstelle mit Reparaturwerkstatt, ganz in der Nähe von

Sie konnte sich nicht erinnern. Wenn die Straße frei war, konnte sie das städtische Industriegebiet durchqueren und darauf hoffen, nicht auf irgendwelche Zombie-Horden zu stoßen. Aber wenn Blockaden errichtet worden waren, war sie angeschmiert.

Es ist sowieso zu spät.

Sie ließ ihren durchtrainierten Körper das Denken und Handeln für sich übernehmen, schlüpfte durch das Tor und rannte dann geduckt weiter, in die vermeintliche Sicherheit eines Labyrinths aus ineinander verkeilten Autos und Lastwagen. Sie konnte spüren, wie das Monster kam. Sie tauchte in die Schatten ein und erlaubte sich, in sich ein instinkthaftes Verständnis für ihren Part bei dieser Jagd zu finden. Sie war die Beute sie musste so scheu und sensibel für alles sein, wie Nemesis entschlossen war. Wenn sie es richtig anstellte, würde sie überleben und verhindern, dass die Kreatur ihren Hunger stillen konnte. Wenn nicht

Keine Zeit, kein Nachdenken mehr. Nemesis kam. Und Jill fing an zu rennen.

Im Büro des Parkhauses fand Carlos einen halben Karton mit vollen Trinkwasserflaschen und ein noch verpacktes Herrensmokinghemd etwas Sterileres würden sie kaum unter die Finger bekommen. Umgehend tat er für Mikhail, was er konnte, während Nicholai Wache schob und, das Gewehr in der Hand, auf die Autowracks hinausstarrte. Der Hof war still bis auf Mikhails raues Atmen und den einsamen Schrei einer Krähe irgendwo in der Ferne.

Carlos’ medizinisches Wissen ging nicht sehr weit über die Grundanforderungen von Erster Hilfe hinaus, aber er hielt Mikhails Wunde auch nicht für allzu schlimm. Die Kugel war glatt durch seine Seite gegangen, knapp über dem linken Hüftknochen. Ein, zwei Fingerbreit versetzt, und er wäre nicht zu retten gewesen. Ein Schuss in Leber oder Nieren wäre einem Todesurteil gleich gekommen. Wie es aussah, war sein Darm perforiert. Das würde ihn auf lange Sicht zwar auch umbringen, aber bei sofortiger Erstversorgung blieb ihm noch eine Galgenfrist. Carlos säuberte und behandelte die Wunde, klebte Kompressen darauf und bandagierte mittels Streifen, die er aus dem Hemd gewonnen hatte, Mikhails Oberkörper, um den Druck aufrechtzuerhalten. Der Zugführer schien die Schmerzen einigermaßen wegzustecken, wenn ihm auch infolge des Blutverlusts schlecht und schwindlig war.

Aus dem Augenwinkel bemerkte Carlos, dass Nicholai sich bewegte. Er heftete noch etwas Klebstreifen über den Verband, schaute auf und sah, dass der Truppführer einen Laptop-Computer aus seiner Schultertasche gezogen hatte und Tasten betätigte. Sein Gesicht war der Inbegriff von Konzentration. Das Gewehr hatte er sich umgehängt, und so kauerte neben einem zertrümmerten Pick-up-Truck.

„Sir äh, Nicholai ich bin hier fertig“, sagte Carlos im Aufstehen. Mikhail hatte, mit dem Hinweis darauf, dass ihre Lage Flexibilität verlangte, darauf bestanden, dass sie auf eine förmliche Anrede mit Rang verzichteten. Carlos hatte zugestimmt, aber nicht den Eindruck gehabt, dass es Nicholai sonderlich gefiel. Er schien der Typ Mann zu sein, dem Vorschriften heilig waren.

Mikhail stemmte sich, bleich und mit verschleiertem Blick, auf den Ellbogen empor. „Kannst du das Ding irgendwie dazu benutzen, um die Evak-Transporter zu rufen?“ Seine Stimme war schwach.

Nicholai schüttelte seufzend den Kopf. Er klappte den Laptop zu und steckte ihn wieder in die Tasche. „Ich habe ihn auf dem Polizeirevier gefunden und dachte, er könnte nützlich sein Auflistungen der Barrikaden vielleicht oder weitere Informationen über dieses Desaster.“

„Kein Glück gehabt?“, fragte Mikhail.

Nicholai kam zu ihnen. Er wirkte resigniert. „Nein. Ich glaube, unsere beste Chance besteht darin zu versuchen, zum Uhrenturm zu gelangen.“

Carlos runzelte die Stirn. Trent hatte ihm erzählt, dass in einem Uhrenturm angeblich Waffen gelagert würden und dass er sich von dort aus in Richtung Norden halten sollte. Zählte man noch Jills Straßenbahn im Westen und diese neuen Informationen hinzu, fühlte er sich allmählich von Zufällen regelrecht überrumpelt. „Warum zum Uhrenturm?“

Mikhail antwortete leise: „Evakuierung. Dorthin sollen wir die Zivilisten bringen und den Transportern das Zeichen zum Kommen geben. Das Glockenläuten des Uhrenturms wird per Computer gesteuert, ein System, das ein Leuchtsignal ausstrahlt, wenn das Programm benutzt wird. Wir läuten die Glocken, die Helikopter kommen. Nett, was?“

Carlos fragte sich, warum es niemand für nötig gehalten hatte, diese höchst wertvolle Information beim Briefing zu erwähnen, entschied aber, nicht danach zu fragen. Im Moment kam es darauf wirklich nicht an sie mussten zur Straßenbahn. Er kannte Nicholai nicht näher, aber zumindest Mikhail Victor bedeutete keine Gefahr, nicht in seiner Verfassung, und er musste in ein Krankenhaus. Trent hatte gesagt, eines läge nicht weit vom Uhrenturm entfernt.

Aber Umbrellas Augen und Ohren

Nein. Ihre Geschichten glichen der seinen sie hatten gekämpft und ihre Teamkameraden sterben sehen, hatten sich verirrt, einen Ausweg gesucht und waren hier gelandet. Es war nur ein komisches Gefühl, plötzlich zwei Leute mehr in die Sache verwickelt zu sehen. Trent hatte ihn dazu gebracht, jedermanns Motive anzuzweifeln und sich zu fragen, wer noch alles in die angebliche Umbrella-Verschwörung verstrickt war und sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was er sagen konnte und was nicht.

Außerdem hat Umbrella sie genauso übers Ohr gehauen. Warum sollten sie den Bastarden helfen wollen, die uns in diese Scheiße geritten haben? Trent mag ja die Wahrheit sagen, aber er ist nicht hier. Sie dagegen schon, und ich brauche sie. Wir brauchen sie. Jill konnte unmöglich etwas dagegen haben, ein paar weitere Soldaten auf ihrer Seite zu wissen.

„Es gibt eine Straßenbahn, die wir benutzen können, um hier rauszukommen“, sagte Carlos. „Am Uhrenturm, glaube ich. Ganz in der Nähe, führt nach Westen und angesichts all dieser Biester da draußen, die nach frischem Fleisch suchen

„Wir könnten eine Mitfahrgelegenheit aus der Stadt gebrauchen“, unterbrach Nicholai nickend. „Vorausgesetzt, dass die Schienen frei sind. Wunderbar. Sind Sie sicher, dass die Bahn fahrbereit ist?“

Carlos zögerte, dann zuckte er die Achseln. „Ich habe sie nicht selbst gesehen. Ich bin ich würde sagen, einem Cop begegnet, einer Frau. Sie hat mir davon erzählt. Sie war auf dem Weg dorthin, um nachzusehen, und sie sagte, sie würde auf mich warten. Ich wollte nachschauen, ob ich noch jemanden finden könnte, ehe wir verschwinden.“ Er fühlte sich fast schuldig, als er ihnen von Jill erzählte, und jäh wurde ihm bewusst, dass er sich von Trents verrücktem Spionagegefasel völlig kirre machen ließ. Warum sollte er aus Jill ein Geheimnis machen? Wen kümmerte es?

Mikhail und Nicholai tauschten einen Blick und nickten dann beide. Carlos war froh. Endlich ein richtiger Plan, eine klare Vorgehensweise. Das Einzige, was schlimmer war, als tief in der Scheiße zu stecken, war, tief in der Scheiße zu stecken und keinen Plan zu haben.

„Gehen wir“, sagte Nicholai. „Mikhail, bist du bereit?“

Mikhail nickte. Gemeinsam hoben Carlos und Nicholai ihn hoch und stützten ihn so gleichmäßig, wie sie konnten. Sie gingen ins Parkhaus und hatten es fast bis zurück zum Büro geschafft, als Nicholai einen leisen Fluch ausstieß und stehen blieb.

„Was ?“ Mikhail schloss die Augen und sog die Luft tief ein.

„Der Sprengstoff“, sagte Nicholai. „Ich kann nicht glauben, dass ich vergessen habe, warum ich diesen Weg zurückgegangen bin. Nachdem ich Mikhail fand, habe ich einfach

„Sprengstoff?“, fragte Carlos.

„Ja. Nachdem die Zombies angriffen und mein Trupp “ Nicholai schluckte und rang offenbar mühsam um Fassung. „Nun, nach dem Angriff der Zombies verschlug es mich in die Nähe einer Baustelle im Industriegebiet. Dort wurde ein Gebäude abgerissen, glaube ich, und ich sah ein paar weggeworfene Kisten mit Zeichen darauf, die vor hochexplosivem Sprengstoff warnten. Es stand ein verschlossener Anhänger dort. Ich wollte ihn aufbrechen, aber da kam eine neue Welle von ihnen auf mich zu.“

Er fing Carlos’ Blick ein und hielt ihn fest. „Sie würden es sich zweimal überlegen, uns in Gruppen anzugreifen, wenn wir ein paar RDX-Dynamit-Mischungen hätten, die wir gegen sie werfen könnten. Glaubt ihr, dass ihr es ohne mich bis zur Straßenbahn schafft? Ich kann euch dort treffen.“

„Ich finde, dass wir uns nicht trennen sollten“, sagte Mikhail. „Unsere Chancen stehen besser, wenn

„… wenn wir eine Möglichkeit haben, sie daran zu hindern, uns zu nahe zu kommen“, fiel ihm Nicholai ins Wort. „Wir können es uns nicht leisten, dass uns die Munition ausgeht, nicht ohne etwas anderes in der Hinterhand zu haben. Und denkt dran, dass es noch andere gibt die Kreaturen

Carlos hielt es auch für keine gute Idee, ihr Grüppchen aufzusplitten, andererseits schob sich die Erinnerung an das klauenbewehrte Ding beim Restaurant nach oben.

Dieses riesige feón! Jill sagte, es würde wieder Jagd auf sie machen

„Okay“, sagte Carlos. „Wir warten an der Straßenbahn auf Sie.“

„Gut. Es wird nicht lange dauern.“ Ohne ein weiteres Wort drehte sich Nicholai um und lief schnell aus dem Parkhaus in die Nacht hinaus.

Carlos und der bleiche Mikhail kämpften sich schweigend weiter. Sie waren durch das Büro zurück gegangen und auf die Straße hinausgetreten, ehe Carlos auffiel, dass Nicholai nicht einmal nach dem Weg zur Straßenbahn gefragt hatte.

Nicholai musste dem machtvollen Drang widerstehen, erneut den Computer zu checken, kaum dass er außer Sicht war. Er hatte genug Zeit damit vergeudet, vor den beiden verblödeten Soldaten den aufrechten Truppführer zu mimen. Es waren bereits 19 Minuten vergangen, seit Captain Davis Chan einen Spürhund-Statusbericht aus dem medizinischen Verkaufsbüro von Umbrella abgeschickt hatte etwa zwei Blocks vom Parkhaus entfernt , und wenn Nicholai Glück hatte, würde er Chan vielleicht noch dabei erwischen, wie er aktualisierte Memos überprüfte oder versuchte, zu einem der Administratoren durchzukommen.

Nicholai trabte eine schmale, mit Handzetteln gepflasterte Gasse hinunter und setzte über einige Leichen hinweg, die wie hingestreut herumlagen wobei er sich sorgsam von ihren Oberkörpern fernhielt, für den Fall, dass sie doch nicht so tot waren, wie sie aussahen. Und in der Tat versuchte am Ende der Gasse eines der verheerten Geschöpfe seinen linken Stiefel zu fassen zu bekommen. Nicholai sprang problemlos über das Wesen hinweg und lächelte leicht, als das enttäuschte Stöhnen der Kreatur aufklang. Es hörte sich beinahe so jämmerlich an wie das, was Mikhail von sich gegeben hatte.

Carlos Oliveira hingegen nun, er war taffer, als er aussah, und auf jeden Fall klüger kein Vergleich zu ihm zwar, natürlich nicht, aber Nicholai wollte ihn lieber früher als später los werden

Oder auch nicht. Ich könnte diese Scharade auch ganz vermeiden.

Nicholai schob sich durch eine rechter Hand liegende Metalltür in eine weitere Gasse, die mit menschlichen Überresten übersät war, und wog, während er weitereilte, seine Möglichkeiten ab. Er hatte keinen Grund, zum Uhrenturm zu gehen, er musste nur zum Krankenhaus und er brauchte auch nicht die Straßenbahn zu nehmen. Mit Mikhail herumzuspielen und nun auch noch mit Carlos, war zwar vergnüglich, aber keine Notwendigkeit. Er konnte sie sogar am Leben lassen, falls ihm das in den Sinn kam

Er grinste und bog um eine Ecke der sich dahinwindenden Gasse. Was für ein Spaß wäre das? Nein, er freute sich darauf zu sehen, wie das Vertrauen in ihren Augen zerfiel, zuzusehen, wenn ihnen klar wurde, welche Narren sie gewesen waren.

Tick-tick-tick

Nicholai erstarrte. Er begriff sofort, was das Geräusch bedeutete. Krallen auf Stein, vor ihm. Das beinahe sanfte metallische Klicken kam aus den Schatten über und links von ihm. Das einzige zur Verfügung stehende Licht befand sich hinter ihm an der Ecke des Gehwegs eine dieser summenden Sicherheitsneonlampen, die kaum genug Kraft hatten, sich selbst aus der Dunkelheit zu reißen. Er wich in Richtung des Lichtes zurück. Das Ticken wurde schneller und kam näher, die Kreatur jedoch blieb unsichtbar.

„Zeig dich schon“, knurrte er frustriert über diese neuerliche Verzögerung. Er musste zum Verkaufsbüro, bevor Chan verschwand und hatte keine Zeit, sich mit einem von Umbrellas Freaks herumzuschlagen, so sehr er es auch genossen hätte.

Tick-tick-tick

Es waren zwei! Er konnte hören, wie Krallen rechts von ihm über Beton schabten, dort wo er gerade noch gewesen war. Und dann erklang vor ihm im Dunkeln ein schreckliches Kreischen, ein Laut wie der Wahnsinn selbst, wie von Seelen, die zerfetzt wurden

… und dann war es da, schrie und schnellte aus der Dunkelheit hervor, während das andere Biest in den monströsen Gesang einfiel tiefste Hölle in Stereo. Nicholai sah die erhobenen Hakenklauen der Kreatur vor sich, die zuschnappenden, triefenden Mandibeln, die leuchtenden insektoiden Augen, und wusste, dass das andere Wesen nur eine Sekunde dahinter war und sich zum Sprung bereitmachte, noch bevor das erste wieder den Boden berührte.

Nicholai drückte ab. Das Rattern des Schnellfeuergewehrs verlor sich im doppelten Geheul. Die Kugeln fanden ihr Ziel in der ersten Kreatur, und ihr Kreischen veränderte sich, als sie zuckend zum Stehen kam, keine drei Meter entfernt.

Nicholai ging, immer noch feuernd, in die Hocke, ließ sich nach hinten fallen und rollte sich auf die rechte Seite in einer einzigen fließenden Bewegung. Das zweite angreifende Untier war zwei Meter entfernt, als er seine Treffer landete. Blutige Flecken erschienen auf seinem glänzend schwarzen Exoskelett, wie Blumen, die explosionsartig erblühten. Auch es kam zuckend und sich in Krämpfen windend zum Stehen, ehe es zusammenbrach und seine schrillen Schreie erst zu einem Gurgeln wurden und dann verstummten.

Nicholai kam entnervt auf die Beine. Er war sich nicht sicher, was die Spezies anging. Entweder hatten sie es mit Hirnsaugern oder mit den amphibienartigen, vielbeinigen Deimos zu tun. Er war auf die Bösartigkeit und die Angriffsmethode gefasst gewesen, hatte jedoch keine Vorstellung davon gehabt, wie schnell sie waren.

Wenn ich auch nur eine Sekunde länger gebraucht hätte

Ihm blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Er war in Eile, schob sich vorwärts, stieg rasch über das dunkle, triefende Gewirr aus Gliedmaßen hinweg und begann zu rennen, sobald er daran vorbei war.

Mit jedem Schritt, den er zwischen sich und die toten Biester brachte, spürte er mehr, wie er seine Fassung wiedergewann, spürte er, wie ihn ein Gefühl von Vollkommenheit von innen heraus durchströmte und wärmte. Sie waren schnell, aber er war schneller und so lange solche Monster frei in der Stadt herumliefen, brauchte er sich keine Sorgen darüber zu machen, dass Mikhail oder Carlos oder irgendjemand seinem Schicksal entkommen könnte. Wenn ihm dieses Vergnügen schon nicht selbst vergönnt war, konnte er doch wenigstens in dem Wissen schwelgen, dass seine Kameraden einem von einem Dutzend Schrecken zum Opfer fielen; dass ihre unzulänglichen Reflexe sie im Stich ließen und ihnen ihr Mangel an Fähigkeiten schließlich zum Verhängnis wurde.

Nicholai schloss die Hände fester um das M16. Ein Aufwallen freudiger Erregung verlieh jedem seiner vitalen Schritte zusätzliche Sprungkraft. Raccoon war definitiv kein Ort für Schwächlinge.

Also hatte er nichts zu fürchten.

Resident Evil - Sammelband 03 - Im Netz der Verraeter
9783833224973.html
9783833224973-1.html
9783833224973-2.html
9783833224973-3.html
9783833224973-4.html
9783833224973-5.html
9783833224973-6.html
9783833224973-7.html
9783833224973-8.html
9783833224973-9.html
9783833224973-10.html
9783833224973-11.html
9783833224973-12.html
9783833224973-13.html
9783833224973-14.html
9783833224973-15.html
9783833224973-16.html
9783833224973-17.html
9783833224973-18.html
9783833224973-19.html
9783833224973-20.html
9783833224973-21.html
9783833224973-22.html
9783833224973-23.html
9783833224973-24.html
9783833224973-25.html
9783833224973-26.html
9783833224973-27.html
9783833224973-28.html
9783833224973-29.html
9783833224973-30.html
9783833224973-31.html
9783833224973-32.html
9783833224973-33.html
9783833224973-34.html
9783833224973-35.html
9783833224973-36.html
9783833224973-37.html
9783833224973-38.html
9783833224973-39.html
9783833224973-40.html
9783833224973-41.html
9783833224973-42.html
9783833224973-43.html
9783833224973-44.html
9783833224973-45.html
9783833224973-46.html
9783833224973-47.html
9783833224973-48.html
9783833224973-49.html
9783833224973-50.html
9783833224973-51.html
9783833224973-52.html
9783833224973-53.html
9783833224973-54.html
9783833224973-55.html
9783833224973-56.html
9783833224973-57.html
9783833224973-58.html
9783833224973-59.html
9783833224973-60.html
9783833224973-61.html
9783833224973-62.html
9783833224973-63.html
9783833224973-64.html
9783833224973-65.html
9783833224973-66.html