Zweites Kapitel

Keely hatte es sich in dem Badezuber bequem gemacht, den man ihr in ihrem Zimmer im Gasthof Zum Eberkopf in der Nähe von Ludlow, Shropshire, hergerichtet hatte. Das Zimmer war düster, kaum größer als ein Wandschrank, mit nur einem kleinen Fenster, von dem aus man den gepflasterten Hof sehen konnte. Aber es war ordentlich und sauber, und die Bettlaken waren makellos.

Ob ihr Vater sie anerkennen würde? fragte Keely sich zum hundertsten Mal.

Bei den heiligen Steinen Gottes! Natürlich würde er sie anerkennen, versicherte sie sich selbst und malte sich ihr ergreifendes Treffen aus.

Wie sie würdevoll durch den großen Saal in Schloß Ludlow schreiten würde, wo Robert Talbot in einem Sessel vor dem Kaminfeuer sitzen, sich bei ihrem Eintritt erheben, sie in seine Arme nehmen und gegen seine Brust drücken würde. Seine Tochter würde er sie nennen, und sie würde Vater zu ihm sagen. Gemeinsam würden sie Megan beweinen. Dann würde ihr Vater ihr versprechen, sie zu lieben und zu schützen und die Wunden zu heilen, die die achtzehn Jahre ihr zugefügt hatten, in denen sie einander nicht gehabt hatten.

Was für eine wunderbare, rührende Szene. Zu wunderbar. Schwarze Gedanken begannen, diesen vollkommenen Tagtraum zu verdunkeln.

Wohin sollte sie gehen, wenn Robert Talbot ihr den Rücken kehrte? fragte Keely sich. Vor vielen Jahren hatte er ihre Mutter verlassen. Woher hatte Megan dieses blinde Zutrauen genommen, daß dieser verantwortungslose englische Herzog seine uneheliche Tochter lieben und sie vor aller Welt anerkennen würde? Schließlich war sie nur ein Bastard.

Und Rhys! Sie hatte nicht einmal eine Chance gehabt, sich von ihrem geliebten Bruder zu verabschieden. Was hatte Rhys getan, nachdem er entdeckt hatte, daß sie verschwunden war, verstoßen von Madoc?

Jemand klopfte an die Tür und riß sie aus ihren düsteren Gedanken. Es war Odos Stimme, die rief: »Bist du bereit, kleines Mädchen?«

»In ein paar Minuten bin ich soweit.«

Keely kletterte aus dem Zuber und trocknete sich ab. Sie zog einen leichten Wollrock an, so veilchenblau wie ihre Augen, und dazu eine langärmelige weiße Leinenbluse mit einem tiefen, runden Halsausschnitt. Dann stieg sie in ihre schwarzen Reitstiefel und legte sich den juwelenbesetzten Drachenanhänger an, der sich auf dem strahlenden Weiß der Bluse funkelnd abhob.

Anschließend bürstete sie sich das Haar und bändigte die ebenholzschwarze Mähne in einem Zopf. Schließlich öffnete sie die Tür und bat ihre Cousins herein.

»Habt ihr gebadet?« fragte sie die beiden und musterte sie von Kopf bis Fuß. Als sie wie zwei Riesenbabys brav nickten, fügte sie hinzu: »Ich muß schon sagen, ihr seht gut aus.«

»Du siehst auch wunderschön aus, kleines Mädchen«, gab Odo das Kompliment zurück. »Bist du nun bereit, deinen Vater aufzusuchen?«

Obwohl sich der Magen bei diesen Worten zusammenkrampfte, hob Keely entschlossen den Kopf. »So bereit, wie man nur sein kann.«

»Sollen wir unsere Sachen mitnehmen?« fragte Hew.

»Wir holen sie später«, antwortete Keely mit einem Lächeln, das sowohl ihre beiden Cousins wie sie selbst ermutigen sollte. Dann nahm sie ihren Mantel und machte sich auf den Weg, ihre Cousins auf den Fersen.

Der Stallknecht hatte bereits Merlin und die Pferde ihrer Cousins gesattelt und in den gepflasterten Innenhof geführt. Die drei stiegen in die Sättel und machten sich auf den Weg nach Schloß Ludlow.

Das Dorf Ludlow und die Hügel, in die es eingebettet lag, zeigten sich in zeitloser Schönheit. Die Sonne stand an einem wolkenlosen Himmel, und aus dem Westen wehte ein leichter Sommerwind. Hübsch anzusehende, reetgedeckte Häuser waren über die dicht bewaldeten Hügel verstreut, und bunte Wildblumen – dunkelviolette Disteln, blaue Kornblumen, orange und rosa Zistrosen, Goldruten und blaßrosa Majoran – blühten üppig auf den Wiesen.

Schließlich tauchte Schloß Ludlow vor ihnen auf, grau und bedrohlich, wie ein in Stein verwandeltes, urzeitliches Ungeheuer. Keely stockte der Atem. Vor Angst verkrampfte sich ihr der Magen, ihr Herz schlug wild. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie wirklich Angst. Mit all diesen Ungewißheiten zu leben, war wahrlich nicht einfach.

Keely zwang sich, ein paarmal tief Luft zu holen. Sie mochte ein Feigling sein, aber niemand brauchte das zu wissen.

»Oben auf dem Turm ist die Flagge des Herzogs gehißt«, rief Odo und deutete nach oben.

»Dann ist der Herzog zu Hause«, fügte Hew hinzu.

»Ich fühle mich nicht wohl«, erklärte Keely, die der Mut verlassen hatte. Sie versuchte, Merlin zu wenden. »Versuchen wir es doch morgen. Ich bin sicher, bis dahin geht es mir wieder besser.«

»Jetzt bist du soweit gekommen, nun mußt du deinen Weg zu Ende gehen«, entgegnete Odo und versperrte ihr mit seinem Pferd den Weg.

Widerstrebend nickte Keely. Am liebsten wäre sie den ganzen Weg nach Hause, nach Wales, zurückgaloppiert, aber es gab nur den Weg nach vorne.

Da in England Frieden herrschte, konnten Keely und ihre zwei Begleiter ungestört über die stets heruntergelassene Zugbrücke und die äußeren Befestigungsanlagen in den inneren Hof reiten. Niemand hielt sie auf oder befragte sie, bis sie das Hauptgebäude erreicht hatten.

»Was ist Euer Begehr?« Der Mann, offensichtlich ein mit großer Befugnis ausgestatteter Bediensteter, versperrte ihnen den Eingang zum großen Saal.

»Wer seid Ihr?« entgegnete Keely. O Gott! Sie hatte nicht so hochnäsig klingen wollen. Überheblichkeit gehörte sich nicht für Bastarde.

»Ich bin Mr. Dobbs, der Majordomus des Herzogs«, ließ der Mann sie von oben herab wissen. »Und wer seid Ihr?«

»Lady Glendower«, antwortete Keely mit der Andeutung eines Lächelns. »Ich habe dem Herzog etwas Wichtiges mitzuteilen.«

Dobbs musterte sie von Kopf bis Fuß und bemerkte ihre recht gewöhnliche Aufmachung. So wie dieses junge Ding daherkam, war ihm noch keine Lady unter die Augen gekommen.

»Seine Gnaden ist beschäftigt«, erklärte Dobbs und versuchte sie hinauszugeleiten. »Versucht Euer Glück an einem anderen Tag.«

Obwohl ihr Mut sie so gut wie verlassen hatte, wich Keely nicht vom Fleck. Ginge sie jetzt, würde sie niemals wiederkehren.

»Die Belange, über die ich mit dem Herzog zu sprechen wünsche, haben Vorrang vor allem anderen«, bestand Keely. »Laßt ihn bitte wissen, daß ich hier bin.«

Der Majordomus wollte gerade den Mund öffnen und sie fortschicken, als eine Frauenstimme aus dem Saal sich einmischte. »Wer ist das, Dobbs?«

Dobbs wandte sich um und rief: »Eine junge Frau, die darauf besteht, mit Seiner Gnaden zu sprechen.«

»Bringt sie zu mir«, erklärte die Lady.

Dieser Saal übertraf alles, was Keely je gesehen hatte. Er war riesig, hatte eine hohe Balkendecke und zwei große Kamine. Farbenprächtige Banner hingen von den Balken, und prächtige Gobelins schmückten die Wände.

Keely starrte den blonden, blauäugigen Engel an, auf dessen Geheiß sie den Saal betreten hatte. Das Mädchen war ein, zwei Jahre jünger als sie und trug ein hellblaues Seidenkleid, das ihre Figur betonte. Neben diesem Engel stand eine eher unscheinbare ältere Frau.

»Mylady, darf ich Euch Lady Glendower vorstellen«, ließ sich Dobbs vernehmen, wobei er das Wort Lady besonders betonte. »Lady Glendower, darf ich Euch Lady Morgana vorstellen, die Tochter Seiner Gnaden.«

Morgana Talbot schenkte dem zierlichen Eindringling ihre ganze Aufmerksamkeit. Die zarte Schönheit des Mädchens war ihr sofort aufgefallen – der schwarz glänzende Zopf, der makellose helle Teint mit dem zarten rosa Schimmer auf den Wangen und die schlanke, frauliche Figur.

Und dann sah Morgana die Augen des Mädchens – sie waren veilchenblau, dieselbe seltene Farbe wie die Augen ihres Vaters. Ihr Blick blieb auf dem Funken sprühenden Drachenanhänger haften, der die andere Hälfte des Anhängers zu sein schien, den ihr Vater stets trug. War dieses Mädchen vielleicht die Frucht eines Fehltritts aus der Jugendzeit ihres Vaters?

Keely wußte, der Engel vor ihr war ihre Halbschwester. Ob es noch andere Geschwister gab? Sie trug ein sehr teures Kleid. Keely blickte an sich herunter, an ihrem bescheidenen Aufzug, und fühlte sich wie in Lumpen gehüllt. Sie war tatsächlich nur die arme Verwandte.

Jede der beiden Schwestern sah in der anderen die Eigenschaften, die sie bei sich selbst vermißte. In diesem Augenblick waren zwei Feindinnen geboren.

»Lady Glendower, meine Gesellschaftsdame, Mrs. Ashmole«, stellte Morgana Talbot die beiden Frauen einander vor.

Keely nickte der älteren Frau zu.

Mrs. Ashmole musterte sie von oben bis unten. Ihrem Gesichtsausdruck konnte Keely entnehmen, daß sie die Prüfung nicht bestanden hatte.

»Seine Gnaden ist leider nicht anwesend«, erklärte Morgana. »Kann ich Euch helfen?«

»Die herzogliche Flagge weht über Ludlow«, widersprach Keely.

»Ihr habt mich falsch verstanden. Mein Vater besucht gerade Freunde«, entgegnete Morgana scheinheilig lächelnd. »Was genau wollt Ihr mit ihm besprechen?«

»Ich fürchte, das ist eine private Angelegenheit«, erwiderte Keely. »Ich werde in ein paar Tagen wiederkommen.«

»Nein!«

Keely starrte die Blondine überrascht an.

»Seine Gnaden ist ein bedeutender Mann und hat nicht für jeden Zeit, der ihn zu sprechen wünscht«, beharrte Morgana. »Sagt mir, worum es geht, und ich überbringe Eure Nachricht.«

»Vielen Dank, aber das möchte ich lieber nicht tun«, entgegnete Keely und wollte gerade gehen.

»Mein Vater hat Euch doch nicht mit dem Versprechen verführt, Euch eine gesellschaftliche Stellung zu verschaffen?« fragte Morgana.

Entsetzt drehte Keely sich um und starrte offenen Mundes ihre Schwester an.

»Hübsche Frauen zu verführen ist die Lieblingsbeschäftigung meines Vaters«, log Morgana.

Keely wurde kreidebleich und wich wie vom Donner gerührt einen Schritt zurück. War es ein Fehler gewesen, nach Schloß Ludlow zu kommen? Nein – Megan hatte sich nie geirrt, wenn sie etwas gesehen hatte. Etwas stimmte hier nicht. Keely konnte die gefährliche Mischung aus Angst und Haß beinahe sehen, die ihre Halbschwester umgab.

»Ich möchte mich für die Störung entschuldigen, die mein Eindringen verursacht hat«, verabschiedete sich Keely steif. »Ich werde ein andermal wiederkommen.«

»Wen soll ich Seiner Gnaden melden?« ließ Morgana nicht locker.

Keely zwang sich zu einem Lächeln. »Sagt Seiner Gnaden, daß seine Tochter ihn besuchen wollte.«

»Betrügerin«, zischte Mrs. Ashmole; aus ihrem Mund klang das wie ein Fluch.

Keely merkte, daß Odo und Hew vor sie treten und eingreifen wollten. Mit einer Hand hielt sie die beiden zurück.

»Mein Vater hat zwischen Shropshire und London Dutzende von Bastarden gezeugt. Selbstverständlich erkennt er sie niemals an«, erklärte Morgana giftig, was so gar nicht zu ihrem engelsgleichen Aussehen paßte. »Dobbs!«

Der Majordomus der Talbots, der offensichtlich in Hörweite geblieben war, um nichts zu versäumen, kam in den Saal geeilt.

»Werft diesen Bastard aus meinem Schloß«, befahl Morgana.

Dobbs blickte zu Keely, zögerte und ging dann auf sie zu. Der fürchterliche Anblick der zwei walisischen Riesen, die ihm in den Weg traten, ließ den Diener erstarren.

»Es besteht kein Anlaß, sich Umstände zu machen, Mr. Dobbs«, erklärte ihm Keely, ihre Haltung bewahrend. »Ich finde den Weg selbst hinaus.«

Blind vor Tränen floh Keely aus dem Saal die Stufen hinunter. Beinahe wäre sie in der Hast, mit der sie der erlittenen Erniedrigung zu entkommen suchte, mit einem jungen Mann zusammengestoßen.

Der fünfzehn Jahre alte Henry Talbot, der einzige Sohn und Erbe des Herzogs, trat schnell zu Seite, um dieser wunderschönen Vision, die ihm da entgegenflog, Platz zu machen.

Wer war sie? Ein neuer Dienstbote? Während er ihr nachblickte, dachte Henry, daß er gerne mit ihr seiner neuen Lieblingsbeschäftigung nachginge – der Liebe.

Als er sich umwandte, um seinen Weg die Treppe hinauf fortzusetzen, sah Henry sich zwei Riesen gegenüber. Er sprang ihnen aus dem Weg und blieb, den Rücken an der Wand, stehen. Falls es sich hier um die Aufpasser der jungen Dame handelte, würde er sich nie ihrem Zauber hingeben können.

Mit einem schnellen Blick vergewisserte Henry sich, daß er nicht mehr Gefahr lief, niedergetrampelt zu werden. Der Weg war frei, und er eilte in den großen Saal, wo seine Schwester vor Wut schäumte.

»Wie kann diese Schlampe es wagen, so mir nichts dir nichts in diesen Saal zu marschieren!« wütete Morgana, während sie vor dem Kamin auf und ab ging.

»Beruhigt Euch, Mylady«, erhob Mrs. Ashmole die Stimme. »Dieses Frauenzimmer ist nichts als eine geldgierige Betrügerin.«

Morgana drehte sich um und runzelte die Stirn. »Sie wird es auf keinen Fall wagen, nochmals hier aufzutauchen.« Aus den Augenwinkeln erspähte die blonde Schönheit ihren jüngeren Bruder. »Mrs. Ashmole, bitte laßt mich alleine, mein geliebter Bruder kommt zu Besuch.« Bei diesen Worten verzog sie den Mund zu einem Lächeln, das jedoch nicht die Augen erreichte.

Henry schnaubte verächtlich, als die alte Dame den Saal verließ. Wenn seine Schwester lächelte, verhieß das nichts Gutes – und in der Regel für ihn.

»Ashmole kann so langweilig sein«, erklärte ihm Morgana. »Obwohl ich zugebe, daß ihre Ergebenheit ungewöhnlich ist.«

»Ashmole wird für ihre Ergebenheit gut bezahlt«, entgegnete Henry. »Was hattest du vorhin für eine hübsche Lady zu Besuch?«

»Die Schlampe war keine Lady«, zischte Morgana. »Das Biest besaß die Frechheit, hier hereinzumarschieren und mit Vater sprechen zu wollen.«

»Hübsch war sie jedenfalls.«

»Auf eine gewöhnliche Art vielleicht.«

Henry unterdrückte ein Lächeln und musterte seine Schwester aus den Augenwinkeln. Daß sie dem Mädchen ein solches Lob zukommen ließ, überraschte ihn.

»Was wollte sie denn?« fragte er.

»Das Miststück hatte vor, Vater zu erzählen, sie sei seine lange verlorene Tochter.«

»Glaubst du denn, daß sie wirklich ...?«

»Anbetracht dieser veilchenblauen Augen und dem verfluchten Drachenanhänger besteht kaum ein Zweifel, wer ihr leiblicher Vater ist«, unterbrach Morgana ihn. »Wie das Vater wieder ähnlich sieht, seine Bastarde über das ganze Land zu verstreuen.«

»Veilchenblaue Augen wie Vater«, wiederholte Henry. »Warum hast du nicht nach ihm rufen lassen?«

»Warum sollte ich ihn wegen so einer Nebensächlichkeit wie dem Auftauchen eines seiner Bastarde stören?« hielt Morgana dagegen. »Und außerdem, möchtest du dein Zuhause wirklich mit so einem Weibsstück niedriger Abstammung teilen?«

»Bastarde sind nicht erbberechtigt«, meinte Henry. »Wie sollte sie uns schaden?«

»Es ist schon schlimm genug, daß die Gräfin von Cheshire so hinter Vater her ist«, beklagte sich Morgana. »Wir brauchen nicht noch jemand, der es auf unser Erbe abgesehen hat.«

»Mein Erbe«, stellte Henry richtig.

»Natürlich, wie du meinst.«

»Was Lady Dawn angeht«, bemerkte Henry, »ist Vater hinter ihr her. Ich habe noch gesehen, wie ...«

»Ach! Ihr Männer seid alle gleich.«

»Und was soll das schon wieder bedeuten?«

Morgana ließ die Frage unbeantwortet. Statt dessen lenkte sie das Gespräch auf ihr Lieblingsthema – sich selbst. »Was mich angeht, ich kann mich nicht entscheiden zwischen Richard Devereux und Willis Smythe. Wen von beiden soll ich heiraten?«

»Es kümmert mich nicht im geringsten, welcher Unglückliche deine Hand gewinnt«, antwortete Henry mit schmerzlichem Gesichtsausdruck.

»Diese Haltung geziemt sich nicht für den zukünftigen Herzog von Ludlow«, schimpfte Morgana. »Zwar ist Devereux ein Graf und einer der reichsten Männer Englands, aber Baron Smythe sieht teuflisch gut aus.«

»Dann heirate Devereux und nimm dir Smythe als Liebhaber«, riet ihr ein merklich angewiderter Henry. »Wo ist Vater?«

Morgana zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich liegt er mit Lady Dawn im Bett«, erklärte sie übelgelaunt. »Warum willst du das wissen?«

»Weil er, du hirnverbrannte Närrin, erfahren muß, daß ...«

»Verlier kein Wort über sie«, drohte Morgana, »oder du wirst es bereuen!«

»Vater hat das Recht zu wissen, daß er noch ein Kind hat«, bestand Henry. »Außerdem würde ich meine andere Schwester gerne kennenlernen.«

»Wenn du Vater ein Sterbenswörtchen davon erzählst, werde ich ihm von dem hübschen Mädchen erzählen, das du ...« Morgana sprach den Satz nicht zu Ende. Statt dessen warf sie ihm einen durchtriebenen Blick zu. »Ich weiß, was du getan hast, und ich weiß, daß Papa dir gesagt hat, du sollst die Finger von den Mädchen in Ludlow lassen. Du hast schon zwei Bastarde in die Welt gesetzt. Wie viele soll Vater denn noch unterstützen?«

»Du hast gewonnen«, gab Henry widerwillig nach.

»Schwörst du es?«

»Ich schwöre, Vater nichts von seinem anderen Kind zu erzählen.«

»Ich wußte, ich kann mich auf dich verlassen«, jubelte Morgana und küßte ihn auf die Wange, bevor sie auf dem Absatz kehrtmachte, um den Saal zu verlassen.

Kaum war er alleine, wischte sich Henry die Backe mit dem Ärmel ab und setzte sich. Zwar hatte er geschworen, seinem Vater kein Sterbenswörtchen zu verraten, aber er hatte nicht versprochen, ihrer bislang unbekannten Halbschwester zu sagen, wo sie ihren Vater finden konnte, wenn er nach London abreiste.

»Dobbs!« rief Henry. Als der Majordomus ein paar Augenblicke später auftauchte, gab er ihm Anweisung, den drei Besuchern, die soeben Ludlow verlassen hatten, einen Mann hinterherzuschicken. »Er soll es im Gasthof Zum Eberkopf versuchen. Das ist der einzige Gasthof weit und breit. Dann brauche ich Pergament, eine Feder und einen Boten meines Vaters. Und zwar schnell, Mann.«

Jeder Hoffnung beraubt, sprang Keely auf Merlin und verließ den Innenhof von Schloß Ludlow im Galopp. Sobald sie die äußeren Befestigungsanlagen hinter sich gelassen hatte, ließ sie die Zügel streifen, damit ihre Cousins sie einholen konnten. Wortlos ritten die drei dahin.

Madoc hat recht gehabt, dachte Keely. Sie war tatsächlich die Prinzessin von Nirgendwo.

Die ländliche Gegend erschien ihr nun nicht mehr wie eine Idylle. Die dünne Besiedlung war nur ein Spiegel ihrer eigenen Verlassenheit, die reetgedeckten Häuser waren nun ärmliche Hütten in ihren Augen. Sogar die unzähligen Wildblumen, die sich sanft im Sommerwind wiegten, schienen sich über sie lustig zu machen.

Irgendwo zwischen Schloß Ludlow und dem Gasthof Zum Eberkopf wurde aus Keelys tiefer Herzenspein eine leise vor sich hin brodelnde Verärgerung, und schließlich kochte sie vor Wut. Der Herzog von Ludlow hatte ihre geliebte Mutter geschwängert und sie anschließend im Stich gelassen. Dafür würde er teuer bezahlen. Aber wie? Sich an einem der mächtigsten Peers Ihrer Majestät zu rächen, schien so gut wie unmöglich.

Einem anderen Angst einzujagen ist falsch, hörte Keely die Stimme ihrer Mutter sie schelten.

Keelys Wut war so schnell verflogen, wie sie gekommen war. Doch mit der Wut war auch ihre ganze Kraft verschwunden. Sie fühlte sich müde und ausgelaugt. Ihre niedrigeren Triebe – deren Ursprung zweifellos in dem schlechten englischen Blut zu suchen war, das durch ihre Adern floß – mußten strikt unter Kontrolle gehalten werden. Wenn sie diesen unseligen Kräften nachgab, würde dies gewiß zu ihrem Untergang führen.

»Was sollen wir nun machen?« fragte Hew, als sie alle drei zu Tisch in der Gaststube saßen.

»Keely wartet einen oder zwei Tage«, meinte Odo, »und dann versucht sie noch einmal, ihren Vater zu sehen. Diesmal gehen wir zur Abendbrotzeit nach Schloß Ludlow, da treffen wir den Herzog gewiß an.«

»Ich kann nicht nach Ludlow zurück.« Keely schüttelte traurig den Kopf. »Dieses Mädchen – meine Halbschwester – will mich dort nicht sehen.«

»Vielleicht wollte sie nur vorsichtig sein«, wandte Odo ein.

»In ihren Augen konnte ich deutlich sehen, daß sie erkannte, wer ich bin«, widersprach Keely. »Sie fühlt sich durch mich bedroht.«

»Du bist die Tochter des Herzogs«, warf Odo ein, »genauso wie sie.«

»Nicht ganz genauso«, berichtigte ihn Keely. »Ich bin der Bastard des Herzogs.«

»Ich denke, wir sollten wieder nach Hause gehen«, erklärte Hew. »Rhys wird uns vor Madoc beschützen.«

Keelys Gesicht spiegelte ihre abgrundtiefe Traurigkeit. »Die Prinzessin von Nirgendwo ist eine Frau ohne Zuhause«, flüsterte sie mit gebrochener Stimme. »Es ist nicht nötig, daß ihr mein Exil mit mir teilt. Ich wünsche, daß ihr beide nach Wales zurückkehrt.«

Odo griff nach ihrer Hand, und Hew legte seine Hand auf ihre beiden Hände.

»Wir drei stehen das gemeinsam durch«, erklärte Odo.

»Das hätte ich nicht besser sagen können«, bekräftigte Hew.

»Klar hättest du das nicht«, meinte Odo. »Weil du ein hirnverbrannter Idiot bist.«

Keely mußte über die beiden lachen und wollte gerade das Wort ergreifen, als die Tür zur Gaststube aufflog und ihre Aufmerksamkeit gefangennahm. Gekleidet in die Livree des Herzogs von Ludlow betrat ein herzoglicher Bote die Schenke. Er ließ den Blick über die spärlichen Gäste schweifen und trat auf sie zu.

Als er ihren Tisch erreichte, erkundigte sich der Mann: »Seid Ihr die Frau, die heute morgen auf Schloß Ludlow war?«

Unruhig kaute Keely auf ihrer Lippe, bevor sie schließlich nickte.

Der Bote zog ein Pergament hervor und reichte sie ihr.

Einen langen Augenblick starrte Keely verwirrt zunächst den Mann und dann das Pergament in ihrer Hand an. Langsam öffnete sie es und las. Schließlich sah sie auf und schenkte dem Boten einen veilchenblauen Blick und ein Lächeln.

»Soll ich auf ein Antwortschreiben warten?« erkundigte sich der Bote freundlich, von ihrem bezaubernden Lächeln hingerissen.

»Bitte bestellt, ich möchte mich bedanken.«

Der Bote nickte und verließ ohne ein weiteres Wort den Gasthof.

»Laß mich die Nachricht sehen«, sagte Hew.

»Du kannst doch nicht lesen«, erinnerte ihn Odo.

»Du auch nicht«, schoß Hew zurück.

»Habe auch nicht behauptet, daß ich es kann«, hielt Odo dagegen. »Na, kleines Mädchen, sind das gute Nachrichten?«

»Ich habe einen Bruder namens Henry«, erzählte ihnen Keely. »Er schreibt, unser Vater wird in der dritten Septemberwoche in seine Residenz nach London zurückkehren. Er ist sicher, daß ich dort ohne Einmischung seitens Lady Morgana mit ihm sprechen kann.«

»Das sind in der Tat gute Nachrichten«, meinte Odo.

»Brechen wir jetzt gleich nach London auf?« flehte Hew. »Ich hätte es nie zu träumen gewagt, daß ich den Tag erlebe, an dem ich in das Herz unserer Feinde reise.«

»Natürlich gehen wir nach London.« Odo versetzte seinem Bruder einen Klaps. »Keely muß doch ihren Vater treffen.«

»Es ist nicht nötig, daß ihr beide mich nach London begleitet«, erklärte ihnen Keely. »Ich bin sicher, daß ich allein zurechtkomme.«

»Glaubst du wirklich, wir würden dich alleine reisen lassen?« fragte Odo.

»So leicht wirst du uns nicht los«, fügte Hew hinzu.

»Ich wollte euch nie loswerden«, antwortete Keely. »Na gut, haben wir genug Münzen, um unsere Ausgaben zu bezahlen?«

»Na na, kleines Mädchen, jetzt fang nicht an, dir den Kopf über solche Nebensächlichkeiten zu zerbrechen«, erhob Odo die Stimme. »Geh du nach oben und schlaf dich aus. Heute nachmittag reisen wir ab.«

Keely lächelte und erhob sich von der Bank. Sie beugte sich zu den beiden Männern, um ihnen beiden einen Kuß auf die Wange zu geben. »Ich habe euch sehr lieb«, meinte sie, was beide vor Verlegenheit rot werden ließ.

Sobald sie nach oben verschwunden war, warf Hew seinem Bruder einen Blick zu. »Na, was jetzt?«

»Wir haben nicht viele Münzen«, gestand Odo. »Aber das ist noch lange kein Grund, sich Sorgen zu machen. Wir schaffen es bis London, und wir werden bis zur dritten Septemberwoche nicht verhungern. Irgend etwas wird sich ergeben.«

Wieder flog die Tür zur Gaststube auf, und ein hochgewachsener, gutaussehender Mann trat ein. Sein arrogantes Auftreten und seine vornehme Kleidung schrie förmlich: »reicher Edelmann«. Der hochgestellte Herr suchte unverzüglich den Wirt auf und erklärte mit lauter Stimme: »Ich brauche für eine Stunde ein ordentliches Zimmer und ein heißes Bad. Selbstverständlich werde ich den Preis für einen ganzen Tag entrichten. Wie weit ist es bis nach Schloß Ludlow?«

»Eine halbe Stunde die Straße entlang, Mylord«, gab der Wirt zur Antwort. »Bitte folgt mir. Ich werde Euch mein bestes Zimmer zeigen.«

Odo, der den Edelmann nicht aus den Augen ließ, als dieser die Treppe hinaufging, lehnte sich zu seinem Bruder hinüber und flüsterte: »Es ergibt sich gerade was.«

Hew zuckte zusammen und blickte ihn entsetzt an. »Denkst du das, was ich denke, daß du denkst?«

»Was, zum Teufel, brabbelst du da?« fuhr Odo seinen Bruder an und knuffte ihn. »Drück dich klar und deutlich aus.«

»Für Wegelagerei kann man gehängt werden«, gab ihm Hew leise zu bedenken.

»Nenn es einfach Plündern«, riet ihm Odo. »Und überhaupt, erhängt werden ist ein schnellerer Tod als zu verhungern.«

»Wir werden schon nicht erwischt«, flüsterte Hew zurück, und seine Miene hellte sich auf.

Stirnrunzelnd sah Odo ihn an. »Wie kannst du dir da so sicher sein?«

»Wir tragen die Karneole bei uns«, erklärte ihm Hew und zog einen der glatten, rotbraunen Steine aus seiner Tasche. »Keely hat gesagt, in diesen Steinen stecke ein Zauber, der uns vor Ungemach schützt. Das hat Megan ihr beigebracht.«

Odo schloß die Augen, als könne er die abgrundtiefe Dummheit seines Bruders nicht länger mit ansehen und unterdrückte das Verlangen, ihm eine zu scheuern. »Ich kenne die vollkommene Stelle, um unseren Freund zu treffen«, erklärte er und stand auf. »Komm, gehen wir.«

Hew sah ihn verständnislos an. »Welchen Freund?«

Diesmal versetzte Odo ihm einen Klaps und knurrte: »Du hirnverbrannter Idiot.«

»Ach«, rief Hew. Endlich hatte er verstanden und folgte seinem Bruder hinaus.

Eine Stunde später waren Odo und Hew bereit für ihren »Plünderstreifzug«. Die unmaskierten Plünderer legten sich im dichten Gehölz entlang der Straße auf die Lauer und warteten auf ihr Opfer, das sich in diesem Augenblick in gemächlichem Tempo Schloß Ludlow näherte.

Immer näher kam der Edelmann.

Beinahe war auf der Höhe ihres Verstecks.

Odo gab Hew das Zeichen loszureiten. Sie stürmten vor und hinter dem ahnungslosen Reiter auf die Straße. Erschrocken bäumte sich dessen Pferd auf, wobei der Hut des schwarzgekleideten Edelmanns zu Boden fiel und eine flammendrote Mähne enthüllte. Er wollte nach seinem Degen greifen, ließ aber die Hand am Griff, als er eine Schwertspitze an seinem Nacken spürte.

»Wer wagt es, sich an einem Peer der Königin zu vergreifen?« fauchte der Graf von Basildon in einem Ton, der aus seiner tiefen Verachtung keinen Hehl machte.

»Wer auf dieser Straße reist, muß Maut zahlen«, erklärte ihm Odo. »Und diesen Maut treiben wir ein.«

»Gebt uns, was Ihr an Münzen bei Euch habt, edler Herr«, fügte Hew hinzu.

Als er ihre Forderung hörte, hob Richard Devereux seine kupferroten Augenbrauen. »Ihr versucht, den Grafen von Basildon auszurauben?«

»Wir versuchen gar nichts«, schoß Odo zurück. »Wir tun es. Gebt mir Euer Schwert mit dem Griff voran, und anschließend den Degen.«

Richard leistete Widerstand und tat nichts dergleichen.

»Beeilt Euch«, fuhr Hew ihn an. »Oder Ihr bedauert es.«

Langsam zog Richard sein Schwert. In dem Augenblick, als er es ihnen reichte, trat er seinem Roß in die Flanke, das daraufhin zur Seite tänzelte. Richard zog den Fuß aus dem Steigbügel, versetzte Odos Pferd einen Tritt und schwang den Schwertgriff in das Gesicht des zweiten Wegelagerers.

»Verschwinde!« rief Hew, der das Gleichgewicht verlor, seinem Bruder zu, und dieser machte sich aus dem Staub, so schnell er konnte.

Hew fiel von seinem Pferd und landete unsanft auf der Straße. In seiner Verzweiflung, dem Engländer zu entkommen, rappelte Hew sich hoch und stolperte in das Unterholz. Ein paar Sekunden später packten ihn zwei kräftige Hände von hinten.

Richard hob die Faust zum Schlag und fauchte: »Ich will dein Gesicht sehen, wenn du deine Zähne schluckst.« Dann stöhnte er, sank wie ein Sack in sich zusammen und begrub Hew unter sich.

»Hast du ihn umgebracht?« starrte Hew seinen Bruder an.

»Nur ein liebevoller Klaps«, beruhigte ihn Odo und hob den Grafen etwas hoch, damit Hew unter ihm herausrutschen konnte. »Er wird bald wieder aus seinem Nickerchen erwachen.«

»Und Alarm schlagen«, erklärte Hew und faßte sich an den Nacken, als spüre er bereits, wie sich die Schlinge um seinen Hals zuzog. »Wir müssen ihn zurückhalten.«

Odo brütete lange darüber nach und meinte schließlich: »Wenn wir sein Pferd stehlen, gewinnen wir genug Zeit, um Keely zu holen und von hier zu verschwinden.«

»Dann machen wir uns nicht nur der Wegelagerei, sondern auch noch des Pferdediebstahls schuldig«, stöhnte Hew.

»Kopf hoch«, tröstete ihn Odo. »Die Engländer können uns nur einmal hängen.«

Die zwei Waliser begannen, den Grafen nach Wertgegenständen zu durchsuchen. Bevor sie sich davonmachten, zog Hew einen der magischen Karneole aus seiner Hosentasche und legte ihn dem Grafen in die rechte Hand.

»Damit uns Keely nicht ausschimpft, wenn sie erfährt, was wir getan haben«, erklärte Hew, als er den fragenden Blick seines Bruders auf sich ruhen fühlte.

»Nimm noch seine Stiefel«, wies Odo ihn an. »Wenn er barfuß nach Ludlow laufen muß, gewinnen wir eine Menge Zeit.«

Odo und Hew stiegen auf ihr Pferd und verschwanden, das Pferd des Grafen im Schlepptau, im Schutz der Wälder von Shropshire.

Als einige Zeit verstrichen war, öffnete Richard die Augen, schaute hinauf in den blauen Himmel und setzte sich schließlich langsam auf. Er faßte sich an seinen schmerzenden Hinterkopf und blickte sich verwirrt um. Wo war sein Pferd? Und wo waren seine Stiefel abgeblieben?

»Verdammte Mistkerle!« fluchte er.

Er betrachtete den rotbraunen Stein in seiner linken Hand. Sollte dies ein Entgelt für das sein, was sie ihm gestohlen hatten? Neben ihm lag sein Hut.

Mit dem Stein in der einen und dem Hut in der anderen Hand stand Richard auf. Den Stein würde er behalten. Er sollte ihn stets an diese Schurken und das, was sie ihm angetan hatten, erinnern.

Sollte ich die beiden je zwischen die Finger bekommen, schwor Richard sich, werden sie sich wünschen, als Kleinkinder gestorben zu sein.

Und dann trat Richard den erniedrigendsten Gang seines Lebens an, den Marsch nach Schloß Ludlow. »Au!« Er bückte sich und entfernte einen spitzen Stein, der zwischen seinen Zehen eingeklemmt war. Befreit von dem Missetäter richtete er sich wieder auf, drückte die Schultern durch und setzte seinen Weg fort.

Die Mistkerle hatten ihm eine wichtige Lektion erteilt, erkannte Richard. Wenn er eines Tages in Irland war, würde er stets auf Rückendeckung achten. Doch Lektion hin oder her, für dieses Verbrechen würden die Schurken teuer bezahlen.

Richard war so damit beschäftigt, sich seine Rache auszumalen, daß er Schloß Ludlow in kürzester Zeit erreichte. Nur das Gelächter der Talbotschen Soldaten riß ihn aus dieser beglückenden Tagträumerei.

Hocherhobenen Hauptes ging Richard über die heruntergelassene Zugbrücke und durch den äußeren Burghof in den inneren Hof. Trotz seines schamroten Gesichts tat der Graf von Basildon, als höre er das Gelächter nicht, das ringsum erschallte, wo er sich zeigte.

»Was, zum Teufel, treibt Ihr da, Devereux?« Die tiefe Stimme gehörte Robert Talbot.

Richard wandte sich um und zog eine rotbraune Augenbraue in die Höhe, als er sich der eindrucksvollen Gestalt des Herzogs von Ludlow gegenübersah. »Ich bin gekommen, Euer Gnaden, um Morgana den Hof zu machen.«

»Ihr seid barfuß von Leicester hierher marschiert?«

»Ich bin ausgeraubt worden, Ihr Dummkopf!« brüllte Richard und wedelte mit seinem Hut in die Richtung des Herzogs. Nun wagte es niemand mehr, über den Grafen zu lachen. Niemand bis auf eine Ausnahme.

Ein kehliges Lachen weckte jedermanns Aufmerksamkeit. »Ach Tally«, gurrte die Gräfin von Cheshire, »Devereux hat die süßesten ...« Blitzschnell hielt ihr der Herzog den Mund zu, so daß sie den Satz nicht vollenden konnte.

»Ich möchte mich für die unerfreulichen Umstände entschuldigen. Selbstverständlich könnt Ihr Euch aus meiner Garderobe nach Gutdünken bedienen«, erklärte Robert Talbot dem Grafen, als er ihn ins Schloß geleitete. »Wir werden den Schuldigen fassen und hängen – da könnt Ihr sicher sein.«

»Laßt die Gegend nach zwei Riesen absuchen«, antwortete Richard.

»Riesen?« wiederholte Talbot, der nicht glauben konnte, was er soeben gehört hatte.

»Ich meine zwei sehr große Männer«, verbesserte Richard. »Sie sprachen mit einem Akzent, vermutlich ein walisischer Akzent.«

»Sehr ungewöhnlich«, meinte Talbot.

Morgana Talbot stand im Torbogen zum großen Saal und sah ihren Vater und den barfüßigen Grafen von Basildon in dem langen Korridor verschwinden. »Was ist passiert?« fragte sie die Gräfin, als diese vorbeikam.

»Devereux ist gekommen, um Euch den Hof zu machen«, antwortete Lady Dawn mit einem hinterlistigen Lächeln. »Der Graf hat die attraktivsten Zehen, falls Ihr an solchen Verlustierungen Vergnügen findet. Ich habe von Lady Mary und von Lady Jane gehört, der Graf von Basildon habe mehr zu bieten, als man ihm ansieht.«

Morgana Talbot starrte die Gräfin an, doch zuletzt gewann ihre Neugier die Oberhand über die Abneigung, die sie der wollüstigen Lady Dawn gegenüber hegte. »Was hat er mir zu bieten?«

»Devereux trägt eine Sommersprosse spazieren auf der Spitze seines ...« Und mit einem kehligen Lachen beließ es die Gräfin von Cheshire dabei und schlenderte in den großen Saal, um auf die Rückkehr der beiden Herren zu warten.