Aktion „Streicheleinheiten“

Gibt es in einer Ehe Schwierigkeiten, ist es üblich, dass sich der Ehepartner, der sich als der Schwächere sieht, Verbündete holt, was in der Praxis heißt, dass er in Krisenzeiten – zum Beispiel – nur Leute einlädt, von denen er weiß, dass sie halbwegs seiner Ansicht sind, was die Krise betrifft.

Und dann, nach dem Essen, bringt er den Konflikt zur Sprache, erzählt von der Unmöglichkeit, mit dem Partner auszukommen, von den „Wahnsinnsaktionen“, die dieser Mensch setzt, und von der Sturheit, die ihm das Leben zur Hölle macht.

So eine Situation kennen wir doch alle: Da sitzt der Ehemann und sagt: „Und gestern hat sie …“ Und die Gäste staunen: „Was? Du hast wirklich …?“ Und der Ehemann nickt, schaut seine Frau funkelnden Auges an und ruft: „Na, hast du vielleicht nicht? Streit bloß nicht ab, dass du hast …“

Nein, die Frau kann es nicht abstreiten, sie nicht, aber sie will ihre gestrige Aktion verteidigen, will erklären, warum sie sich so verhalten hat, doch das gelingt ihr nicht, denn die Gäste fallen über sie her.

„Also nein“, ruft einer, „so kindisch kannst doch nicht sein!“ Und ein anderer: „Wie kannst du nur?“ Und der, der eigentlich aus uralter Tradition auf ihrer Seite stehen sollte, rügt: „Ehrlich, so geht’s wirklich nicht, meine Gute!“

Blicke der Anteilnahme treffen den Ehemann, die saugt er gierig auf, verschränkt die Arme über der Brust, bekommt den zufriedenen Gesichtsausdruck, den seine lieben Züge seit Tagen entbehren mussten; locker lehnt er sich zurück und sagt: „Na! Glaubst du wenigstens ihnen? Sie sind nämlich objektiv!“

Ich halte jede Wette, dass die Ehefrau ihnen nicht glauben wird. Von einer ganzen Mannschaft heruntergeputzt zu werden, verstärkt nicht Einsichten, sondern den Groll. Der kann in solchen Situationen sogar so vehement werden, dass die Gerügte aufspringt, die Runde verlässt und dabei schreit: „Habts mich doch alle gern!“

Und dann schaut der Ehemann hinter ihr her, zuckt traurig mit den Schultern und seufzt: „Na, da seht ihr’s selber! Nichts zu machen mit ihr!“

Die Gäste sehen es und sind ergriffen. Man hat ja nicht geahnt, was der arme Kerl zu tragen hat! Von da an bis zum späten Abschied kriegt der Ehemann nur mehr verbale Streicheleinheiten. Dazu war die ganze Aktion ja auch da! Wer von seinem Partner nicht gestreichelt wird, muss sich eben woanders betreuen lassen.

Liebe macht blind - manche bleiben es
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