Kartenspiel-Spiel
Eigentlich halte ich Kartenspielen für eine langweilige Sache. Mein Gram, wenn ich verliere, und meine Freude, wenn ich gewinne, halten sich in derart bescheidenen Grenzen, dass ich mich wegen einer so geringen Veränderung meines Gefühlshaushalts nicht einmal zum Kartenmischen bereit erklären würde.
Trotzdem liebe ich seit einiger Zeit diese Art von Freizeitbeschäftigung, denn ich habe mit Erstaunen bemerkt, dass man beim Kartenspielen seine Mitmenschen besser kennenlernt als in langen und ausführlichen Intimgesprächen.
Es ist schon ein erregender Anblick, wenn Freund Adalbert, der sonst so gelassen und kühl Kalkulierende, nach Erhalt von sieben „Bummerln“ plötzlich – und zum Schrecken seiner Ehefrau – die prall gefüllte Brieftasche auf den Tisch knallt und sie als „Einsatz“ für das nächste Spiel geben will.
Wer von den Mitspielern dann fast bereit wäre, die Brieftasche als „Einsatz“ anzunehmen, tut auch gut zu wissen.
Und dass Tante Emma, deren Güte und Verständnis für Kinder immer als erwiesen galt, ihren Lieblingsenkel dauernd verbittert keifend des „Schwindelns“ bezichtigt, gibt einem allerhand zu denken.
Noch mehr zu denken gibt, dass die gute Elfi, die ewige Vorzugsschülerin und Intelligenzbestie, die Grundregeln des „Dreier-Schnapsens“ nicht kapiert und alle paar Minuten nach den näheren Merkmalen einer „Gabel“ fragt und sich mit drei ungedeckten Zehnern in einen „Gang“ wagt.
Hätte ich mich mit Elfi nicht zum Kartentisch gesetzt, hätte ich noch lange Hochachtung vor ihrem „Superhirn“ gehabt.
Das Schönste am Kartenspielen aber ist, dass der Kartenspieler heftig und total emotional reagieren darf. Ungehemmte Schadenfreude kann ihren Lauf nehmen, helle Freude sich grinsend breitmachen, wilde Wut knallend entströmen, wie Gas dem gestochenen Luftballon.
Und wenn Schwager Robert gegen mich gewinnt und ich zische ihm zu: „Ich verabscheue dich!“, dann streicht er lächelnd seinen Gewinn ein und nimmt mir nichts übel.
Dass mein verbittertes Gezischel mit dem Ausgang der Kartenpartie rein gar nichts zu tun hat, sondern mir ein Anliegen ist, seit ich den unmöglichen Menschen in die Familie bekommen habe, ahnt er nicht.
Darum kann ich nur jedermann raten: Spielt Karten! Kartenspielen kann das Zusammenleben ungemein erleichtern!