Woran sich keine Frau gewöhnen kann
An viele Unannehmlichkeiten und Ungeheuerlichkeiten im Leben kann man sich gewöhnen, werden sie einem mit schöner Regelmäßigkeit vorgesetzt. Man kann sich schließlich nicht ein halbes Jahrhundert mit dem gleichen Elan darüber erregen, dass der Ehemann hinter allen Damen mit Oberüberweite herjappelt.
Wenn man deswegen nicht schon im siebenten Ehejahr die Scheidung verlangt hat, kann es sein, dass man am Tag der Goldhochzeit Mitgefühl spürt, weil der Mann bei den Überoberweiten nicht mehr hoch im Kurs steht.
Ich kenne auch eine Frau, die gelassen hinnimmt, dass der Mann jährlich ein Auto zu Schrott fährt. Sie fragt dann bloß: „Verletzte?“ Und wenn dies nicht der Fall war, seufzt sie erleichtert und klebt weiter Borten an Lampenschirme. In Heimarbeit. Jährlich ein neuer Wagen muss schließlich verdient werden!
Ich weiß auch von einer Dame, die nach zehn Ehejahren die geldverschlingende Spielleidenschaft ihres Mannes als Krankheit wie jede andere sieht und ihm Essigpatschen macht, wenn er nach verlustreichen Nächten vor sich hinsiecht.
Abgestumpft, gutmütig, verständig, könnte man da sagen. Aber die ganze Erklärung kann das nicht sein, denn die beschriebenen Damen haben auch ein paar Dinge, auf die sie im Laufe der Jahrzehnte mit immer heftigeren Aggressionen reagieren. Meistens sind das dann – für Außenstehende – Kleinigkeiten.
Die Frau mit dem Geldverspieler kriegt Wutanfälle wie Rumpelstilzchen, wenn ihr Mann das nasse Badetuch vor der Badewanne liegen lässt.
Und die Frau vom Schrottfahrer muss den Raum verlassen, wenn sich ihr Mann schnäuzt. „Er schnäuzt so widerlich“, sagt sie. „Ich könnte ihn umbringen!“
Eine Untugend der Mitmenschen gibt es aber, an die sich keine Frau gewöhnen kann. Ich zumindest habe noch keine Frau erlebt, die „geduldig warten“ gelernt hat.
Auch dann nicht, wenn sie vier Kinder großgezogen hat, die nie zum vereinbarten Termin nach Hause gekommen sind. Auch dann nicht, wenn sie mit einem Mann lebt, für den sie seit Jahrzehnten das Nachtmahl über Dunst warm halten muss.
Mild abgeklärt zu Hause hocken, in der Überzeugung, dass es egal ist, ob sich die fix vereinbarte Heimkehr der Lieben um Stunden verzögert, kann keine Frau. Ich auch nicht. Ich erlebte mich noch nie hilflos wütender als in der Situation einer gramvoll Wartenden. Warum das so ist, weiß ich nicht.
Ich weiß nur eines: Wäre ich beim Warten nicht mehr wütend, wäre das ein grobes Indiz für einsetzenden Mangel an Zuneigung.