Taschenproblem und Chancengleichheit
Zu den vielen Dingen, die noch der Veränderung bedürfen, damit Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau herrschen kann, gehört ohne Zweifel das Oberbekleidungs-Taschenproblem.
Wenn man Taschen – in oder an Kleidungsstücken – nicht nur als Zier, sondern als Behälter versteht, kann man keineswegs von Chancengleichheit für uns Frauen reden.
Geht mein Mann – ohne Mantel – aus dem Haus, trägt er mindestens zehn dieser praktischen Behälter an sich. Herrenoberbekleidungserzeuger haben sie ihm liebevoll aufgesteppt oder eingeschnitten.
Hosensäcke hinten und vorn, Sakkoinnentaschen, Sakkoaußentaschen und Sakkobrusttaschen, Hemdbrusttaschen und – wenn’s vornehm zugeht – Gilettaschen.
Der bekleidete Mann ist total funktionsfähig! Zigaretten, Feuerzeug, Brillen, Schlüssel, Kugelschreiber, Messer, Behelfe zur Familienplanung, Kalender und noch etliches mehr führt er mit sich und hat trotzdem beide Hände frei.
Frauen hingegen steppt man üblicherweise sinnlose Klappen an Jacken, unter denen sich gar nichts oder lächerliche Seidenbeutelchen befinden, die so seicht geschnitten sind, dass sie nicht einmal einen Schlüsselbund beherbergen können.
Und die Hosen verpasst man uns so eng anliegend, dass Kleingeld, in eine Hosentasche versenkt, zwar schmerzhaft den Beckenrand drückend, latent seine Anwesenheit kundtut, aber – in der Straßenbahn etwa – zum Fahrscheinkaufen nicht verwendet werden kann, weil man es aus der „gutsitzenden Hose“ nicht rauskriegt; es sei denn, man benützte eine schlanke, lange Pinzette.
Alles, was Männer griffbereit am Leib artig verteilt herumtragen, müssen wir Frauen in der Handtasche schleppen und werden dann mild belächelt, wenn wir emsig kramen und ewig nichts finden.
Einziger Trost an der Sache ist, dass Taschen, besonders solche aus Futterstoff, ein kürzeres Leben haben als die Kleidungsstücke, in denen sie sich befinden. Eine Handvoll Kleingeld – zum Beispiel – macht einen Männerhosensack in kürzester Zeit funktionsunfähig.
Aber echter Trost ist das auch nicht.
Wer hockt schließlich da und flickt die Säcke und stellt damit die Chancenungleichheit wieder her?
Wir taschenunterprivilegierten Frauen!
Und jeder, der in regelmäßigen Abständen neue Säcke in Herrenhosen einzusetzen hat, weiß, dass einem diese Tätigkeit keinen Trost vermitteln kann.