Fünfzig

Sie weckten ihn später mit eiskaltem Regenwasser aus einem Bottich, welches sie ihm über den bereits unterkühlten Körper gossen. Sofort überkamen Clive die Schmerzen der Tortur, welcher sie ihn bislang unterzogen hatten. Flehend blickte er in das Gesicht von Paul. Dessen Augen starrten teilnahmslos zurück.

»Wollen wir es direkt nochmals versuchen.« bot er mit einem aufgesetzten Lächeln an. »Wie du sicher gespürt hast, habe ich dir vorhin eine Besonderheit vorenthalten. Jedes Mal, wenn Coleman gezwungen ist ein neues Utensil aus der Tasche zu holen, kommt das ausgewählte und sämtliche bereits verwendeten Gegenstände zum Einsatz.« klärte Paul den wieder wimmernden Clive auf.

»Lass mich dir zur Wiedergutmachung eine kleine Anekdote erzählen. Sie stammt vom ehemaligen Meth-Koch meines Freundes Prince. Der wurde irgendwo aus dem tiefsten Russland in unser schönes Land verfrachtet. Des Öfteren überkam mich sogar der Eindruck, dass er einer von diesen Schläfern aus dem kalten Krieg sein könnte. Du weißt schon. Einer dieser top ausgebildeten Agenten des KGB, die auf das richtige Codewort zum Zuschlagen warten. Dann verüben sie Anschläge auf Präsidenten und andere hohe Tiere.« begann Paul seine kleine Erzählung, während der er Mais aus einer Konservendose löffelte. »Das Internet ist mittlerweile überfüllt mit wahnwitzigen Aktionen von diesen Russen. Du kannst dir daher sicher vorstellen, dass ich mich auf das Schlimmste eingestellt hatte, bevor er überhaupt ein Wort gesprochen hatte.« Paul winkte mit zuckenden Schultern ab. Die Erinnerung an die Geschichte hatte eine erheiternde Wirkung auf ihn.

»Wie dem auch sei.«

Er stellte die leere Dose beiseite und warf den Löffel achtlos über die Schulter. Klirrend tanzte er auf dem Boden.

»Es stellte sich heraus, dass Bobby, so hieß der Koch, eine Weile in einem russischen Gefängnis zugebrachte. Und von dem was er erzählte, sind unsere Besserungsanstalten im direkten Vergleich ein regelrechtes Disneyland.«

Mit einem Messer schnitt Paul ein sternförmiges Muster in den Boden der Blechdose. Er fluchte leise, weil er sich den Finger an der scharfen Kante eines der entstandenen Dreiecke schnitt, während er sie ein wenig nach innen verbog. Clives Atem ging flach. Mit jeder Bewegung von Paul erwartete er weitere Schmerzen. Der setzte seine Geschichte fort.

»Dort hatten sie eine spezielle Behandlung für Abschaum wie dich. Sie verschönern ihr Aussehen, damit sie dekorativer erscheinen und hoffen damit ihre dreckigen Seelen zu verschleiern.«

Mittlerweile zeigten alle sechs Dreiecke des Bodens in das Innere der Dose. Paul griff lächelnd nach dem Penis von Clive.

»Was man dort vollführt ist Folgendes: Man nimmt sich das beste Stück und hält es fest. Genau so, wie ich es gerade mit deinem jämmerlichen Stück Männlichkeit zwischen meinen Fingern mache. Danach stülpen sie dir eine Konservendose, die zufälligerweise so präpariert ist wie diese hier, darüber. Anschließend wird zusammengepresst und gezogen.«

Mit diesen Worten stülpte Paul die Dose über den Penis von Clive. Er drückte fest zu, sodass sich die Spitzen der einzelnen Bodenteile tief und widerhakenartig in die Haut bohrten. Rückartig riss Paul die Dose nach oben.

Clive wand sich nicht mehr vor Schmerz. Dieses Gefühl ging weit über jede Skala hinaus. Er schrie in seinen Knebel, keuchte durch die bebenden Nasenflügel. Seine Augen drehten sich wie verrückt in ihren Höhlen, als versuchten sie der rotierenden Trommel einer Waschmaschine zu folgen. Die Haut an seinem Hals spannte sich bedenklich über seine Adern und ließ sie hervortreten.

»Sie nennen das die Rose.« belehrte Paul ihn und betrachtete sein Werk angewidert. »Angeblich kräuselt sich die abgestorbene Haut und es gleicht am Ende einer Blume. So viel sei dir versichert: momentan sieht es einfach ekelhaft aus.«

Es folgte ein Schulterzucken.

»Warten wir am besten ab, was die Zeit bringt.«

Mit einem kräftigen Ruck riss Coleman erneut das Klebeband von Clives Mund. Paul sah Clive abwartend an. Ein erbärmliches Schluchzen drang über dessen Lippen.

»Dann wollen wir nach dieser schöpferischen Pause direkt fortfahren. Wie heißen die anderen, die darin verwickelt sind?«

»Todd, Captain Thompson und die Robinsons.« brabbelte Clive leise mit geschlossenen Augen.

»Könntest du das in einer angenehmeren Lautstärke wiederholen, damit ich es verstehen kann?«

»Todd. Captain Thompson. Die Brüder Robinson.« gehorchte Clive, wobei er versuchte seine Stimme zu beruhigen.

»Von wie vielen Brüdern reden wir hier?«

»Zwei. John und Steph Robinson. Sie haben dich in der Fabrikhalle in Empfang genommen.«

Paul erinnerte sich gut an die vermummten Gestalten mit ihren muskelbepackten Körpern.

»Sehr gut Clive. Du machst das sehr, sehr gut. Du scheinst das Spiel verstanden zu haben.« lobte Paul ihn wie einen Welpen, der gerade das erste Mal sein Geschäft im Freien anstatt auf dem Teppich verrichtete. »Waren das sicher alle anderen?«

»Das sind alle von unserem Revier, die von dem Geld wussten.«

»Alle, die von dem Geld wussten? Oder alle, die von Federico korrumpiert worden sind?«

»Alle, die von dem Geld wussten.«

»Hm. Du hast dich auf euer Revier bezogen. Kennst du andere Personen, die von dem Geld wissen und nicht bei euch arbeiten?« bohrte Paul in bedrohlichem Tonfall weiter und weiter.

»Ich kenne keine Namen. Richter. Höhere Beamte. Vielleicht der Bürgermeister. Scheiße! Jeder wollte ein Stück vom Kuchen! Federico gehörte die halbe Stadt«

»Interessant. Umso bedauerlicher finde ich es, dass du keine Namen kennst.« nahm Paul in bemitleidendem Tonfall zur Kenntnis.

»Ich schwöre es! Außerhalb des Departments weiß ich von...«

Der langgezogene Schrei war schrill und unnatürlich hoch. Paul hatte den Hammer erneut niederfahren lassen und dabei das linke Knie in dessen Einzelteile zerlegt.

»Du Bastard!« brüllte Clive ihn an, als Paul sich wieder in sein Gesichtsfeld bewegte.

»Du kennst keine Namen?« fragte Paul abermals in ruhigem Tonfall. Sein Blick versprach weitere Schmerzen.

»Nein du Scheißkerl! Ich bin doch...«

Diesmal war es Coleman, der sich die Zange schnappte. Mit einer fließenden Bewegung amputierte er den Daumen von Clives rechter Hand, woraufhin sich über dessen Körper eine erneute Flut des Schmerzes erbrach. Wie durch ein Wunder verlor Clive bei dieser Behandlung nicht das Bewusstsein. Weshalb er miterlebte, wie sie ihm die Wunde mit dem Schürhaken versiegelten.

»Möchtest du mir jetzt ein paar Namen nennen?«

»Gib ihm einen Moment. Er wird schließlich gerade wie ein ausrangiertes Lego-Männchen in seine Bestandteile zerlegt.« bremste der ehemalige Detective Paul, der wieder zum Hammer griff. Der Teufel alleine ahnte auf welche Körperstelle er ihn das nächste Mal aufprallen lassen würde. Gott hatte mit den Geschehnissen hier nichts mehr zu tun.

»Ich kenne keine Namen.« schluchzte Clive. Seine Stimme bestand lediglich noch aus Pieps-Lauten, kaum wahrnehmbar für das menschliche Ohr. »Ich kenne keine Namen. Ich kenne sie nicht. Warum glaubst du mir denn nicht? Ich kenne sie nicht.«

»Ich glaube dir... denke ich. Vielleicht sollten wir einfach später nochmals darauf zurückkommen.« beschloss Paul mit einer großzügigen Geste und tätschelte Clive die Schulter. Der Zuckte bei der Berührung vor Schreck zusammen und schrie in Erwartung weiterer Schmerzen auf.

»Aber, aber. Immer mit der Ruhe Clive. Eine neue Frage. Wenn du mir keine Namen nennen kannst, dann frage ich mich, ob andere meinen kennen?«

»Die Typen vom FBI.«

»Und wissen die von dem Geld?«

»Scheiße nein, das wollten wir doch für uns.«

»Das heißt, dass sie nicht an der Entführung von Clive beteiligt waren?«

»Warst du nicht dabei? Das FBI hat dich befreit. Und kein Schwanz hat sich für deinen Boy interessiert! Bitte lass mich gehen!«

»Ssh. Ist okay. Ist okay.« strich Paul dem Mann über die Brust, was ihn eigentlich beruhigen sollte. Wie bereits wenige Augenblicke zuvor zuckte Clive unter der Berührung ängstlich zusammen.

»Ganz ruhig Clive.« lachte Paul höhnisch auf. »Ich möchte noch eine letzte Sache von dir wissen. Wo finde ich die anderen?«

Misstrauisch blickte Clive zu seinem Peiniger auf. Tausende Fragen schossen ihm durch den Kopf. Würde er ihn gehen lassen, wenn er hatte, was er wollte? Würde er ihn töten? Warum wollte er wissen, wo die anderen waren? Um sie zu foltern wie ihn? Das waren die Wichtigsten, die immer wiederkehrenden Fragen. Stellen konnte er sie nicht. Dafür hatte er heute genug Schmerzen erlitten.

»John und Steph sind in dem Viertel unterwegs, in dem deine Wohnung liegt. Thompson hat Dienst und Todd müsste irgendwo bei dem Gebäude im Loop herumlungern, an dem wir deinen Nigger aufgegriffen haben. Zufrieden?«

»Fast.« offenbarte Paul, den Zeigefinger seinen rechten Hand wie ein Lehrer ausgestreckt, wenn die Klasse besonders aufmerksam sein sollte. »Dieser Todd. Hat er Prince erschossen?«

»Den Anabolikanigger? Scheiße ja.«

»Dieser Anabolikanigger war mein Freund.« beugte Paul sich über Clive und flüsterte ihm ins Ohr. »Und ich habe mir selbst ein Versprechen gegeben. Willst du wissen, welches das ist?«

Clive schluchzte jetzt am ganzen Körper. Vollkommen aufgelöst und außer Stande sich zu artikulieren. Er spürte in diesem Moment, dass Paul ihn nicht gehen lassen würde. Dass das gerade erst der Anfang gewesen war.

»Dass ich erst mit dem Geld abhaue, wenn ich euch alle geholt und zum Teufel geschickt habe.«

Bei diesen Worten nahm Paul ein Stück Holz als Stößel und stopfte ein Stofftuch in den Mund von Clive. Coleman verschloss ihn anschließend wieder mit Klebeband.

»Säge und Rippenspreizer.« verlangte Paul gefühllos und hob wartend eine offene Handfläche in Colemans Richtung. Sein Blick blieb starr auf Clive gerichtet. Indessen durchstöberte Steve unter dem bereits bekannten klirrenden Geräusch die Tasche. Clives Gefühle sprengten derweil den inneren Damm.

Er hatte verstanden, dass nichts auf dieser Welt ihn jetzt noch retten konnte. Seine Hilflosigkeit ließ ihn den Verstand verlieren. Störrisch wand er sich auf dem Tisch und versuchte sich einige wenige Augenblicke nochmals von seinen Fesseln zu befreien. Ein letztes Aufbäumen flammte in ihm auf, bis er die Sinnlosigkeit seiner Versuche anerkannte.

So sieht also ein lebender Toter aus. Interessant.

Clives Knochen quietschten, als sich das Sägeblatt Stück um Stück in sie hineinfraß. Pauls Mundwinkel zuckten dabei zufrieden. Bei diesem Anblick erschauderte Coleman an diesem Tag abermals. Paul hatte Blut geleckt. Und er lechzte offenkundig nach mehr.

Das Konto
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