Keith

13. KAPITEL

Eric öffnete die Augen und wurde sich allmählich des Geruchs von Schmutz um sich her bewusst. Er ruhte in unbequemer Lage auf dem rauen Holzfußboden seiner Geheimkammer statt auf dem Satinbett darüber. Er runzelte die Stirn, sein Kopf noch immer nicht ganz klar, und drückte seinen Nasenrücken zwischen Daumen und Zeigefinger.

Er entsann sich des plötzlichen Gefühls von Gefahr, das ihn aus den Tiefen seines todesähnlichen Schlafes in einen Zustand von Beinahe-Wachsein befördert hatte. Automatisch hatte er mit seinem Zeigefinger auf den versteckten Knopf gedrückt, um sich hier hinunterfallen zu lassen. Jetzt war er in Sicherheit und das Gefühl tödlicher Gefahr verschwunden.

Eric stellte sich auf den kleinen Hocker, der sich für ebendiesen Zweck in der Kammer befand, und langte nach oben, um den Handgriff an der Unterseite seiner Matratze zu fassen zu bekommen. Er zog ihn nach unten und griff dann noch höher, um das Schloss des Deckels zu erreichen. Einen Moment später schwang er sich hinaus und landete leichtfüßig auf dem Boden.

Er stimmte seine Sinne ab, und als er keine Bedrohung wahrnahm, ging er durch den Raum hinüber zu dem Sarg, den Roland auf einer Bahre aufgestellt hatte. Er klopfte an den Deckel und war nicht überrascht, als Roland aus einer versteckten Klappe der Bahre selbst hervorkam anstatt aus dem polierten Hartholzdeckel.

Er richtete sich auf und strich über seine zerknitterten Kleider. „Was, in Gottes Namen, ist geschehen?“

„Ich bin mir nicht sicher.“ Eric stand reglos da. „Tamara ist hier.“

Roland konzentrierte sich ebenfalls. „Und noch andere mehr. Drei – nein, vier andere Personen. Jetzt sind sie fort.“

Nickend entriegelte Eric die Tür. Rasch durchschritten sie den dunklen Gang. Eric betätigte den Mechanismus und presste von innen gegen das Weinregal, das den Zugang zur Geheimkammer verbarg. Es gab ein paar Zentimeter nach und verklemmte sich dann. Er drückte stärker und zwang die verborgene Tür auf. Beide Männer hielten inne, als sie den Keller betraten.

Die elektrische Glühbirne über ihnen schien grell. Was vormals ein gut bestücktes Weinregal gewesen war, lag jetzt in Trümmern; bloß eine oder zwei Flaschen waren heil geblieben. Das Aroma stürmte auf Eric ein und ließ ihn schwindelig werden, bis er die Plastikeimer auf dem Fußboden stehen sah, die bis zum Rand mit Glasscherben und Holzstücken gefüllt waren.

Ein alter Besen und eine Kohlenschaufel lehnten gegen einen der Eimer. Der Boden unter seinen Füßen war feucht von Wein. Ein anderer Duft stieg Eric in die Nase; er wirbelte herum und entdeckte sogleich den kleinen Fleck an der Wand nahe der Geheimtür. Er wusste, dass es Blut war. Tamaras Blut.

Er eilte die Treppe hinauf, durchquerte das Haus und kam schlitternd zum Stehen, als er den Salon betrat.

Tamara war gerade dabei, die beiden hinteren Beine eines schweren Tisches auf den Boden zu stellen. Sie fuhr mit den Fingern über die abgesprungene Kante und seufzte schwer, als sie sich bückte, um eine antike vergoldete Uhr aufzuheben. Sie hielt die Apparatur an ihr Ohr und legte sie dann vorsichtig auf den Marmortisch. Eric blickte sich im Raum um und erkannte, dass sie einen Großteil des Schlamassels schon wieder in Ordnung gebracht hatte.

Sie wandte sich leicht zur Seite, sodass er die dunkellila Haut an ihrem Kinn ausmachte, und hob einen umgestürzten Stuhl auf, um ihn an seinen angestammten Platz zurückzustellen.

„Tamara.“ Er trat langsam auf sie zu.

Beim Klang seiner Stimme schaute sie auf und warf sich ihm in die Arme. Er spürte ihre Tränen und das Zittern, das geradewegs aus dem Zentrum ihres Körpers zu kommen schien. Kein einziger Teil von ihr war ruhig. Er schloss seine Arme so fest um ihre schmale Taille, wie er es eben wagte, und hielt sie fest. Roland hatte den Raum mittlerweile ebenfalls betreten und betrachtete schweigend den angerichteten Schaden.

„Wer ist hierfür verantwortlich?“ Eric trat gerade weit genug zurück, um mit sanften Fingern ihr Kinn anzuheben und ihr verletztes Gesicht in Augenschein zu nehmen.

„Es war … es war Curtis. Aber es geht mir gut, Eric. Es ist halb so schlimm, wie es aussieht.“

Erics Zorn sorgte dafür, dass ihm die Worte schier im Hals stecken blieben. „Er hat dich geschlagen?“ Sie nickte. Er langte um sie herum, um vorsichtig ihren Hinterkopf zu berühren, und als sie zusammenzuckte, wusste er, dass er die Wunde gefunden hatte. „Was hat er dir sonst noch angetan?“

„Er …“ Sie blickte in seine Augen, und er wusste, dass sie daran dachte, ihn zu belügen, ehe sie erkannte, dass das vollkommen zwecklos gewesen wäre. „Er hat mich gegen die Wand gestoßen, und ich habe mir den Kopf angeschlagen, aber mir geht es gut.“

Er forschte nach der Wahrheit ihrer Aussage, erkundete ihren Verstand und fragte sich, ob sie wahrhaftig in Ordnung war.

„Er muss hier gewütet haben wie ein tollwütiger Bulle“, merkte Roland an.

„Ich habe ihn noch nie so zornig gesehen“, sagte Tamara.

„Noch wirst du ihn je wieder so sehen müssen.“ Eric entließ sie aus seinen Armen und tat einen einzigen Schritt zur Tür hin. Ebenso schnell wie elegant versperrte Roland ihm den Weg. Eric wusste, dass für ihn kaum eine Chance bestand, an seinem kraftvollen Freund vorbeizukommen.

„Ich glaube, wir sollten uns die Geschichte zunächst einmal zu Ende anhören, bevor wir irgendetwas unternehmen, Eric.“

Eric sah Roland einen Moment lang an und nickte schließlich. „Aber vergiss nicht“, sagte er. „Ich habe ihn gewarnt, was geschehen würde, falls er ihr ein Leid zufügt.“

Eric wandte sich an Tamara und bemerkte, dass sie sich ihm mit unsicheren Schritten näherte. Er legte einen Arm um sie und half ihr auf das Kanapee. Roland verließ den Raum und kehrte einen Moment später mit einer der verbliebenen Weinflaschen zurück. Er trat hinter die Bar, schenkte ein Glas voll ein und brachte es Tamara.

„Lass dir Zeit“, sagte er behutsam. „Erzähl uns alles von Anfang an.“ Er nahm in einem unbeschädigten Sessel Platz, während Eric angespannt und abwartend dastand, von dem Wunsch beseelt, dem Mistkerl innerhalb der nächsten paar Sekunden die Finger um die Kehle zu legen.

Tamara nippte an dem Wein. „Ich nehme an, der Anfang ist gar nicht mal so übel. Ich habe Daniel davon überzeugt, seine Nachforschungen einzustellen. Er hat sich dazu bereit erklärt, als ich ihm sagte, dass ich sonst für immer fortgehen würde.“

Eric runzelte die Stirn. „Er hat zugestimmt?“

„Ja, und das ist noch nicht alles. Ich habe ihn darum gebeten, sich mit dir zu treffen, mit dir zu reden. Ich möchte, dass er dich mit denselben Augen sieht, wie ich es tue, und genau wie ich begreift, dass du mir niemals schaden würdest. Auch hierzu ist er bereit.“

Eric setzte sich schwerfällig. „Kaum zu glauben …“

„Ich bin nicht im Mindesten der Ansicht, dass das eine gute Idee ist“, sagte Roland. „Aber das spare ich mir für nachher auf. Sprich weiter, meine Liebe.“

Eric verfolgte, wie Tamara einen weiteren Schluck trank, und bemerkte, dass ihre Hand, die das Glas hielt, nach wie vor zitterte. Er rückte näher zu ihr. „Als Daniel Curtis darüber informiert hat, dass er die Forschungen einstellen würde, war Curtis außer sich und uneinsichtig. Er sagte, er werde mit oder ohne Daniels Hilfe weitermachen. Daniel sagte ihm, wenn er die Angelegenheit nicht auf sich beruhen ließe, würde er seinen Job beim DPI verlieren. Daraufhin machte Curtis sich fuchsteufelswild aus dem Staub … Ich hätte allerdings niemals für möglich gehalten, dass er hierherkommen würde.“

Eric schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. „Wie hast du davon erfahren?“

„Durch Jamey, den Jungen, mit dem ich arbeite. Er ist so eine Art Hellseher, obwohl die Gabe nur schwach ausgeprägt ist, sofern es nicht mich betrifft. Er kannte deinen Namen, Eric. Und er wusste von meinen Albträumen. Er war vollkommen außer sich, als er mich anrief, und nachdem ich ihn abgeholt hatte, bestand er darauf, hierherzukommen. Er sagte, jemand hätte vor, dich umzubringen.“

Eric schaute zu Roland hinüber, und beide Männer runzelten die Stirn. Tamara indes bemerkte davon nichts und fuhr in ihrem Bericht fort. „Als wir hier eintrafen, hörte ich, wie Curtis unten Sachen zerschlug. Jamey rief die Polizei, und ich ging hinunter, um Curtis aufzuhalten. Ich fürchtete, dass dein Ruheplatz irgendwo dort unten ist.“

Sie schloss die Augen, und Eric wurde klar, dass sie tatsächlich um sein Leben gebangt hatte. „Ich sagte Jamey, er solle oben bei der Haustür bleiben, aber er ist dennoch runtergekommen.“

„Eigensinniger Bursche“, bemerkte Roland.

Bei diesen Worten leuchteten Tamaras Augen auf, und ihr Kinn schoss empor. „Du hättest ihn sehen sollen. Er hat sich wie ein Löwe auf Curtis gestürzt und ihn geradewegs zu Boden gerissen, als Curtis versuchte, mich erneut zu schlagen.“

„Wurde der Junge verletzt?“ Wieder war es Roland, der sprach.

Eric war zu beschäftigt damit, die wechselnden Ausdrücke auf Tamaras Gesicht zu beobachten und die Emotionen dahinter zu deuten. Just in diesem Moment veränderte sich ihre Miene von Neuem, erfüllt von stiller Wut; er spürte, wie sie in ihr aufstieg, und ihre Heftigkeit überraschte ihn. Er hätte nicht gedacht, dass sie eines gewalttätigen Gedankens fähig war.

Ihre Stimme klang eigenartig dumpf, als sie sagte: „Hätte Curtis Jamey wehgetan, hätte ich ihn umgebracht.“

Eric warf Roland einen verwirrten Blick zu, der sie gleichermaßen aufmerksam zu mustern schien wie er selbst. Tamara schüttelte sich. Sie blinzelte zweimal, und das Feuer in ihren Augen erstarb allmählich. „Dann kam die Polizei, und ich habe ihn wegen Körperverletzung angezeigt. Er wird die Nacht im Knast verbringen, sodass wir Zeit haben, uns darüber klar zu werden, was jetzt zu tun ist.“

Sie legte eine Hand auf Erics Arm. „Es tut mir leid, dass die Polizei da mit hineingezogen wurde. Die Cops erwarten, dass wir beide heute Abend auf dem Revier vorbeischauen und eine Aussage machen.“

„Eigentlich sollte ich wütend auf dich sein, Tamara, aber nicht weil du die Polizei gerufen hast – sondern weil du dein Leben riskiert hast. Du hättest getötet werden können!“

„Hätte er dich umgebracht, wäre ich ohnehin gestorben. Ist dir das noch nicht klar geworden?“ Während sie sprach, schmiegte sie sich in seine Umarmung und legte ihren Kopf auf seine Schulter. „Du musst das Haus wieder auf Vordermann bringen. Curtis wird mit seinem DPI-Ausweis herumwedeln und morgen früh wieder auf freiem Fuß sein.“

„Pech für ihn, sollte er sich dazu entschließen, die Sicherheit seiner Gefängniszelle so schnell aufzugeben.“

„Eric, du kannst … ihm nichts antun. Das würde diesen Schwachköpfen beim DPI lediglich einen Grund liefern, dich weiterhin auf Schritt und Tritt zu verfolgen.“

„Glaubst du, das kümmert mich?“

„Mich kümmert es.“ Sie setzte sich auf und sah ihm eindringlich in die Augen. „Ich habe die Absicht, von jetzt an mit dir zusammen zu sein, Eric, ganz gleich, wohin du gehst. Ich würde mich freuen, wenn wir dieses Land besuchen könnten, wann immer uns der Sinn danach steht, und wenn ich Daniel hin und wieder einen Besuch abstatten könnte. Ich möchte unser gemeinsames Leben genießen. Bitte lass nicht zu, dass deine Wut alles kaputt macht, bevor es überhaupt begonnen hat.“

Ihre Worte kühlten seine Wut wie Eiswasser. Sämtliche Argumente, die sie angeführt hatte, besaßen Hand und Fuß, und obgleich er St. Claire nach wie vor für einen moralischen Opportunisten hielt, wusste er, dass Tamara diesen Mann liebte. Er sah hilflos hinüber zu Roland.

„Ich würde mich in dieser Angelegenheit nicht auf eine Diskussion mit ihr einlassen“, erklärte er trocken.

Eric seufzte. Es gab nichts auf Gottes weiter Erde, das ihn dazu veranlasst hätte, Curtis Rogers nach dem, was er getan hatte, ungeschoren davonkommen zu lassen. Gleichwohl nahm er an, dass er es auf einen späteren Zeitpunkt verschieben musste, über entsprechende Vergeltungsmaßnahmen nachzugrübeln. Es hatte keinen Sinn, mit Tamara zu diskutieren. Sie war nicht im Mindesten rachsüchtig – es sei denn, es ging um diesen Jungen, Jamey. Und das verwirrte ihn.

„Was das Tor und die Haustür betrifft“, sagte er, als er ihre fortwährende Sorge um seine Sicherheit gewahrte. „Ich werde heute Abend einige Anrufe tätigen, und im Morgengrauen habe ich eine zuverlässige Truppe hier, die sich darum kümmert.“

„Aber es ist ihm schon einmal gelungen, hier einzudringen“, sagte Tamara.

„Hunde!“ Roland erhob sich hastig. „Das würde das Problem lösen. Wir schaffen uns zehn, nein, zwölf von diesen Kampfhunden an, von denen man so viel hört. Dobermänner oder etwas in dieser Art. Die reißen einen Mann in Stücke.“

„Ich glaube, eine Direktleitung zum Polizeirevier wäre genauso wirkungsvoll.“ Eric konnte die Belustigung in seiner Stimme nicht unterdrücken. Roland besaß fürwahr eine gewalttätige Ader. „Eine Alarmanlage, die die Polizei alarmiert, sobald jemand hier eindringt. Ich gebe zu, dass ich es hasse, wenn unsere Sicherheit von irgendwelchen Cops abhängt, doch das wird nur notwendig sein, bis“, er brach ab und warf Tamara einen Blick zu, „bis mir etwas Besseres einfällt. Warum statten wir derweil dem Polizeirevier keinen Besuch ab und bringen die Unannehmlichkeiten hinter uns? Womöglich können wir den Rest der Nacht noch retten. Ich hatte so viel vor …“

Es schien ihr unvorstellbar, dass es ihm gelang, sie nach allem, was sie heute Nacht durchgemacht hatte, zum Lachen zu bringen. Gleichwohl, er schaffte es. Als sie das Polizeirevier verließen und er hinter dem Lenkrad des, wie er es nannte, „eigenartig missgestalteten Automobils“ Platz nahm, kringelte sie sich schier vor Lachen angesichts seiner Schalttechnik.

Das Haus war, soweit möglich, wieder in Ordnung gebracht worden. Roland hatte für sie ein hell brennendes Kaminfeuer entfacht, und inmitten des Raums thronte eine mit zwölf anmutigen weißen Rosen gefüllte Vase. Ihre Aufmerksamkeit wurde von einer Karte beansprucht, die am Stiel einer der Blumen hing. Sie hob die Karte hoch und las sie. „Mit bestem Dank für dein beeindruckendes Heldentum. Roland.“

Sie schüttelte den Kopf und wandte sich um, als sie hörte, wie erste Klänge von Musik den Raum füllten. Wieder einmal Mozart. „Dein Freund ist ohne Frage höchst galant.“

„Du weckst derlei in einem Mann“, erklärte Eric ihr.

Sie lächelte und begab sich in seine Arme. „Was hat es mit deinen Vorhaben auf sich, die du vorhin erwähnt hast?“

„Ich dachte, du möchtest vielleicht tanzen.“

Sie legte den Kopf zurück und küsste sein Kinn. „Das würde ich gerne.“

„Oh nein. So wie du gekleidet bist, könnte ich niemals mit dir tanzen.“

Sie runzelte die Stirn, trat einen Schritt von ihm zurück und schaute auf ihre Jeans und das Sweatshirt herab. „Ich gebe zu, ich sehe heute Abend nicht sonderlich elegant aus, aber ich …“

„Ich habe eine Überraschung für dich, Tamara. Komm mit.“ Er drehte sie in Richtung der Treppe und schob sie die Stufen hinauf. Er führte sie ins Schlafzimmer, in dem sie zuvor schon gewesen war, und ließ sie im Türrahmen warten, während er zwei Öllampen entzündete. Er wandte sich einem Schrank zu, packte die beiden Griffe und öffnete die Türen mit großer Geste.

Neugierig trat sie vor, als er in den dunklen Schrank griff und behutsam ein Kleid daraus hervorholte, das er dann über seine Arme legte. Als er sich zu ihr umdrehte, setzte Tamaras Herz einen Schlag lang aus. Das Kleid schien für eine Prinzessin gemacht. Der jadefarbene Stoff schimmerte. Der Ausschnitt war herzförmig, die Ärmel gebauscht und der Rock so weit, dass sie sicher war, dass sich darunter Petticoats befanden. Der Satinstoff war am Saum gerafft und entlang der Unterseite in regelmäßigen Abständen mit winzigen weißen Schleifchen versehen, um den gerüschten weißen Unterrock zur Schau zu stellen.

Sie öffnete den Mund, sagte jedoch nichts.

„Das Kleid gehörte meiner Schwester“, erklärte Eric ihr. „Für gewöhnlich pflegte sie, ihre Taille in Korsetts zu zwängen, aber sie war auch nicht so schlank wie du. Ich nehme an, dir wird es auch ohne Korsett passen.“

Sie zwang sich, den Blick von dem Kleid abzuwenden und wieder ihn anzusehen. Ihr Herz zog sich zusammen. „Das Kleid deiner Schwester … Jacqueline. Und du hast es die ganze Zeit über behalten.“

„Ich schätze, ich bin ein wenig sentimental, wenn es um meine kleine Schwester geht. Sie trug das Kleid, als sie mich in Paris zu einer Vorstellung des jungen Amadeus begleitete.“

Tamaras Blick, der über den glitzernden Satin geglitten war, schnellte nun wieder empor. „Mozart?“

„Derselbe. Wenn ich mich recht entsinne, war Jacqueline nicht übermäßig begeistert.“ Er lächelte auf sie herab. „Ich würde dich gern in diesem Kleid sehen, Tamara.“

Sie rang nach Luft. „Oh, aber ich könnte nicht … es ist zu wertvoll. Lieber Himmel, es muss ein Vermögen gekostet haben, das Kleid die ganze Zeit über in solch gutem Zustand zu erhalten.“

„Und zudem hat es auch jede Menge Wirbel verursacht“, sagte er. „Aber für dich ist mir nichts zu teuer, meine Liebste. Es würde mich glücklich machen, es dich tragen zu sehen. Tu es für mich.“

Sie nickte, und Eric verließ den Raum. Sie war überrascht davon, stellte sein Verhalten jedoch nicht infrage. Stattdessen entledigte sie sich ihrer eigenen Kleidung inklusive ihres Büstenhalters, da Teile ihrer Brüste von dem gewagten Ausschnitt enthüllt werden würden. Sie berührte das Kleid ehrfürchtig und schlüpfte mit größter Vorsicht hinein, da sie Angst hatte, es beim Anziehen zu zerreißen.

„Eric!“

Auf ihren Ruf hin kehrte er zurück, und sie bot ihm ihren Rücken dar. Schweigend zog er die Schnüre zu und band sie ordnungsgemäß fest. Er trat zwei Schritte zurück, und sie drehte sich langsam zu ihm um. Sein Blick glitt über sie, gefühlvoll sah er ihr in die Augen. Dann blinzelte er hastig und schüttelte den Kopf. „Du siehst traumhaft aus, Tamara. Zu schön, um wahr zu sein. Ich frage mich beinahe, ob du dich wohl in Luft auflöst, wenn ich blinzle.“

„Sehe ich wirklich gut aus?“ Das Kleid fühlte sich eng an, und ihre Brüste waren so nach oben gedrückt, dass das Oberteil sie kaum verhüllte.

Eric lächelte, nahm ihre Hand und drehte sie zu den Schranktüren um, die immer noch offen standen. Ihr waren die Spiegel auf den Innenseiten der Türen zuvor nicht aufgefallen, doch jetzt taten sie es umso mehr.

Er ließ sie dort stehen und wandte sich ab, um eine Lampe hochzuheben, damit sie ihr Spiegelbild deutlicher erkennen konnte.

Erneut hielt sie den Atem an. Das war nicht Tamara Dey, die ihr aus dem Spiegel entgegenblickte, sondern eine schwarzhaarige Schönheit aus dem 18. Jahrhundert. Sie konnte die Verwandlung kaum glauben. Dieses Kleid! Es war eher ein Kunstwerk als ein Kleidungsstück. Sie schaute dankbar zu Eric auf, ehe sie erstarrte und erneut einen Blick in den Spiegel warf. „Es ist wahr! Du hast kein Spiegelbild!“

„Eine Absonderlichkeit, die ich nach wie vor zu beheben versuche, Liebste.“ Er schloss die Türen und nahm ihre Hand in seine. „Was nun das Tanzen betrifft …“

Er führte sie wieder in den geräumigen Salon hinunter, drückte auf einen Knopf, und die Klaviersonate brach abrupt ab. Einen Moment später drang ein Menuett aus den Lautsprechern.

Eric sah sie an, streckte einen Zeh vor und verbeugte sich förmlich. Tamara lachte, als sie seine Gedanken auffing. Sie verbeugte sich zu einem tiefen Knicks, das nachahmend, was sie in einigen Filmen gesehen hatte. Er ergriff ihre Hand und zog sie auf die Füße.

„Sieh mich an, während wir uns drehen“, wies er sie einen Moment später an. „Die Augen sind beim Tanzen ebenso wichtig wie die Füße.“

Tamara schaute ihm in die Augen, statt auf ihre nackten Zehen zu blicken, die unter dem Saum hervorlugten. Sie versuchte seine Schritte zu imitieren.

„So ist es richtig.“ Seine Stimme war sanft, sein Blick jedoch so intensiv wie die Flammen im Kamin. „Du lernst schnell.“

„Ich habe einen ausgezeichneten Lehrer.“ Sie berührte ihn, als er nach vorn trat, und zog sich dann genauso zurück, wie er es tat. „Du musst mit jedem schönen Mädchen von Paris getanzt haben.“

Er schenkte ihr ein Lächeln. „Kaum. Ich habe dergleichen immer gehasst.“ Er hob ihre Hand über ihre Köpfe empor, legte seine andere auf ihren Po und bedeutete ihr, sich unter ihren vereinten Fingern zu drehen. „Vielleicht braucht man einfach den richtigen Partner.“

„Das scheint mir auch so. Ich habe auch noch nie gern getanzt, nicht einmal in der Highschool.“ Sie hielt unvermittelt inne.

„Jetzt bist du aus dem Takt gekommen. Wir sollten nochmals von vorn beginnen.“

„Nein. Ich glaube, jetzt bin ich an der Reihe, die Lehrerin zu sein.“ Sie ließ ihn stehen und eilte zur Stereoanlage. Sie machte sich an den Knöpfen zu schaffen, bis die CD schließlich stoppte, und schaltete das Radio ein. Sie ging die Sender durch, bis sie auf dem Oldiekanal die wohlvertrauten Klänge der Righteous Brothers vernahm.

„Perfekt.“ Sie kehrte zu Eric zurück, legte die Arme um seinen Hals und drückte ihren Körper so dicht an seinen, wie es das aufgebauschte Kleid zuließ. „So tanzt meine Generation … wenn sie den richtigen Partner dazu hat. Leg deine Arme um meine Taille, und halt mich fest.“

Er tat wie geheißen, und sie legte ihren Kopf auf seine Schulter, während sie begannen, ihre Körper ganz langsam im Rhythmus von „Unchained Melody“ zu wiegen.

„Deine Methode hat ihre Vorzüge. Ist das alles? Wirklich leicht zu lernen.“

„Nun ja, es gibt verschiedene Varianten.“ Um dies zu demonstrieren, wandte sie ihm ihren Kopf zu und liebkoste seinen Hals mit den Lippen. Er bewegte seine Hände tiefer, umfasste ihren Po und drückte sie gegen sich. Er senkte den Kopf und knabberte an ihrem Ohr.

„Du lernst schnell“, lobte sie ihn, sein eigenes Kompliment wiederholend.

„Ich habe eine ausgezeichnete Lehrerin“, erwiderte er. Langsam hob er den Kopf, ließ seine Lippen zu ihrem Kinn gleiten und presste sie dann auf ihren Mund. Er küsste sie voller Inbrunst, bis sie atemlos war. Seine Hände ruhten auf ihrem Rücken, und er beugte sich über sie und zog eine Spur aus Küssen über ihre Haut, über den Hals und bis zu ihren Brüsten.

Sie hob sich ihm entgegen und griff in sein Haar. Ihre Finger lösten geschickt die Schleife und fuhren durch die dichten schwarzen Wellen. Er langte um sie herum, um eine ihrer Brüste aus ihrem Satingefängnis zu befreien und sie an seinen Mund zu führen.

Er ließ seine Zunge über ihren längst festen Brustwarzen spielen, ehe er die Lippen darum schloss und gierig daran saugte. Sie bemerkte erst, dass sie zurückgewichen war, als sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Sie öffnete die Augen und bemühte sich, statt der lustvollen Seufzer, die er ihr bescherte, vernehmliche Worte hervorzubringen. „Eric … was ist mit … Roland?“

„Er hat Besseres vor, als uns zu stören.“ Er hielt nur kurz inne, um sprechen zu können; dann fuhr er fort, sie vor Verlangen schier um den Verstand zu bringen. Als sie sich seinem Mund entgegenhob, reagierte er darauf, indem er seine Zähne um ihre Brustwarze schloss.

Sie erbebte vor Lust. Er hielt sie mit seinem Körper an die Wand gedrückt und benutzte beide Hände, um ihre voluminösen Röcke an der Vorderseite emporzuraffen, was wahrlich kein einfaches Unterfangen war. Gleichwohl war es ihm bald darauf gelungen, sie weit genug hochzuschieben, um ihre nackten Oberschenkel zu berühren und zu ihrer empfindsamsten Stelle vorzudringen.

Er hielt inne, als kein Fetzen Nylon ihn daran hinderte, sie zu streicheln. Scheinbar hatte sie gewusst, wohin diese Nacht führen würde, und deshalb in weiser Voraussicht von vornherein auf einen Slip verzichtet. Verführerisch sanft verwöhnte er sie, tauchte mit den Fingern in sie und streichelte sie, bis sie sich vor Verlangen kaum beherrschen konnte.

Als er sich schließlich zurückzog, dann nur, um sich seiner störenden Kleidung zu entledigen; dann presste er sich hart gegen ihren Oberschenkel, damit sie spürte, wie erregt er war. Hungrig strich er an ihren Beinen entlang, bevor er ihren Po umfasste und sie hochhob. Er drang mit einem einzigen zielsicheren Stoß in sie, und sie ließ den Kopf zurücksinken, als es ihr die Luft aus den Lungen trieb. Jetzt waren ihre Brüste dicht vor seinem Mund, und Eric ergriff gierig die Initiative.

Tamara schlang die Beine um seine Hüfte, die Arme um seinen Hals und ritt ihn wie einen ungezähmten Hengst. Er drang in sie ein und fiel in einen entfesselten Rhythmus. Innerhalb weniger Minuten erbebte er, und auch sie fühlte sich auf den Wogen der Lust höher und höher getragen.

Seine Zähne schlossen sich fester um ihre Brustwarze, doch anstelle von Schmerz verspürte sie durchdringendes Vergnügen. Ihr gesamter Körper schien zu erbeben. Weiter und weiter trieb er sie, bis sie sich wand vor Verlangen. Selbst als die unkontrollierten Zuckungen einsetzten, sehnte sie sich nach mehr.

„Bitte“, stöhnte sie, und ihre Finger fuhren durch sein Haar.

Weiterer Aufforderung bedurfte er nicht. Sie spürte ein Stechen an ihrer Brustwarze, gefolgt von dem unerträglichen Kribbeln, als er noch stärker saugte. Bei seinem ersten gierigen Schluck explodierte sie vor Verlangen, und beide Höhepunkte schüttelten sie wie einer. Ihr ganzer Körper bebte vor Vergnügen, selbst als sie bemerkte, wie er sich versteifte, ein letztes Mal in sie eindrang und an ihrer erhitzten Haut ein tiefes lang gezogenes Stöhnen ausstieß.

Als würden ihm mit einem Mal die Knie weich, sank er langsam zu Boden und zog sie mit sich. Er umarmte sie fest, ohne sich aus ihr zurückzuziehen. Er ließ von ihren Brüsten ab, und Tamara schmiegte an seinen Oberkörper.

„Lieber Himmel, Weib“, flüsterte er in ihr Haar. „Du treibst mich weiter, als dass ich es je für möglich gehalten hätte. Du erregst mich bis ins Mark. Habe ich dir schon gesagt, wie sehr ich dich liebe?“

„Ja, in aller Stille. Aber es würde mir nichts ausmachen, wenn du es mir noch einmal sagst.“

Er küsste sie auf die Schläfe. „Ich liebe dich, Tamara, mehr als mein eigenes Leben. Es gibt nichts, das ich nicht für dich tun würde. Ich würde für dich sterben.“

Sie befeuchtete sich die Lippen. „Würdest du dich mit Daniel treffen?“

Er zögerte, und sie spürte, wie sich sein Kiefer anspannte. „Das wird nicht das Geringste ändern.“

„Ich glaube doch.“ Sie hob ihren Oberkörper leicht an und blickte ihm ins Gesicht. „Es würde mir so viel bedeuten.“

Eric legte seine Hand hinter ihren Kopf, um sie erneut zu sich hinabzuziehen; er barg das Gesicht in ihrem Haar und sog seinen Duft ein. „Wenn es dir so wichtig ist, werde ich es tun. Wenn du im Morgengrauen zu St. Claire zurückkehrst, sag ihm, dass ich unmittelbar nach Sonnenuntergang vorbeikommen werde.“

Ihre Hände fanden seine, und sie verschränkte die Finger mit den seinen. „Danke, Eric. Das wird die Dinge ändern. Du wirst sehen.“ Sie hob den Kopf und presste ihre Lippen auf seine. „Allerdings werde ich ihn anrufen. Ich will nicht im Morgengrauen gehen.“

Sie spürte, wie sich sein Körper anspannte, und wusste, dass er das nicht so ohne Weiteres hinnehmen würde. „Sie werden Curtis nur über Nacht festhalten, Eric. Was, wenn er hierher zurückkehrt, während du schläfst?“

„Fraglos würdest du ihn mit ausgefahrenen Krallen an der Tür begrüßen, meine Tigerin. Aber ich werde nicht zulassen, dass du dich in Gefahr begibst, um mich zu schützen. Für was für einen Mann hältst du mich?“

„Wenn er dich am Tage findet, wärst du wehrlos.“

„Tamara, sobald es hell wird, werden die Handwerker hier sein, um bis Mittag alle nötigen Reparaturen fertigzustellen. Sie werden angewiesen, die Polizei über jeden Eindringling zu informieren und die neue Alarmanlage einzuschalten, bevor sie gehen. Niemand wird meine Ruhe stören.“

„Dann werde ich gehen, wenn sie es tun.“

Seine Augen funkelten vor Ungeduld. „Du gehst im Morgengrauen.“

Sie schüttelte den Kopf von einer Seite zur anderen. „Ich werde nicht gehen.“

„Ich werde nicht zulassen, dass eine Frau im Kampf meinen Platz einnimmt.“

Die Härte in seiner Stimme ließ ihr brennende Tränen in die Augen schießen. „Ich bin nicht einfach irgendeine Frau. Ich bin die Frau, die dich liebt, Eric. Ich würde Curtis lieber mit meinen Nägeln und Zähnen jeden Zentimeter Haut vom Leib ziehen, ehe ich zuließe, dass er bei Tage in deine Nähe kommt.“

Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle empor, doch sie kämpfte dagegen an. „Du weißt nicht, wie ich mich gefühlt habe, als mir klar wurde, dass er heute hier war … dass er dich womöglich bereits ermordet hatte. Mein Gott, hätte ich dich jetzt verloren, hätte ich nicht mehr weiterleben wollen.“

Zärtlich, nicht hart, legte er die Hände auf ihre Schultern und ihren Nacken. „Und du, meine Liebe, weißt nicht, wie ich mich gefühlt habe, als ich erwachte und feststellen musste, dass du geschlagen wurdest, während ich nur ein paar Meter entfernt lag, außerstande, dich zu verteidigen. Wie hätte ich es ertragen sollen, wäre ich aufgewacht und hätte dich tot gefunden, ermordet in meinem eigenen Haus?“

„Dergleichen wird niemals passieren. Curtis könnte mir nie wirklich etwas antun. Er hat sich bloß deshalb so aufgeführt, weil er sich so um mich sorgt.“

Erics lange Finger ergriffen ihr Kinn und drehten ihren Kopf leicht zur Seite, sodass er den blauen Fleck näher in Augenschein nehmen konnte. „Und ich nehme an, dies ist ein Zeichen seiner grenzenlosen Hochachtung.“

„Er war außer sich. Sofort als ihm klar wurde, was er getan hatte, bereute er es.“

„Ohne Zweifel würde er auch bereuen, dich getötet zu haben, sobald er die Tat begangen hätte.“

„Aber er würde niemals …“

„Meine Liebe, du bist zu vertrauensvoll. Und zu naiv. Sosehr es mir auch widerstrebt, das zu tun, aber es wird mir klar, dass ich dich vor die Wahl stellen muss: Entweder gehst du bei Sonnenaufgang, oder ich treffe mich nicht mit St. Claire. Und bevor du jetzt zustimmst, mit der Absicht, dich wieder herzuschleichen, wenn ich schlafe, solltest du bedenken, dass ich deine Gegenwart spüren würde. Ich weiß es, wenn du in meiner Nähe bist, meine Liebe.“ Seine Stimme wurde sanfter, und er berührte die Haut ihrer Wangen mit den Fingerspitzen.

Sie unterdrückte den starken Drang zu weinen. Trotz ihrer Bemühungen rann ihr dennoch eine Träne über die Wange, und er beugte sich vor, um sie mit seinen Lippen aufzufangen. „Willst du den Rest dieser Nacht tatsächlich mit Streiten verbringen?“

Sie schüttelte den Kopf, nicht länger in der Lage, wütend zu sein. Er wollte sie lediglich beschützen, genauso wie sie ihn beschützen wollte. Sie verstand seine Beweggründe nur zu gut.

Sie senkte den Kopf, bis sich ihre weichen Lippen auf seinen schmeichelnden Mund legten, und schmeckte das Salz ihrer eigenen Träne.

Noch lange, nachdem sie außer Sicht war, stand Eric in der Tür, ohne auf den heller werdenden Himmel im Osten zu achten.

„Wenn du noch weitere fünf Minuten so dastehst und Maulaffen feilhältst, wirst du auf ewig dort verharren, mein liebeskranker Freund.“ Roland trat um Eric herum, stieß die schwere Tür zu und besah sich das kaputte Schloss. „Ich nehme an, deine Leute treffen innerhalb der nächsten Stunde ein, um den Schaden zu beheben?“

Eric nickte stumm.

„Um Himmels willen, lass dich nicht so gehen, Mann!“

Eric zuckte zusammen, schaute Roland an und grinste dümmlich. „Ist sie nicht etwas ganz Besonderes?“

Roland verdrehte die Augen und drückte Eric ein Glas in die Hand. „Du bist weiß wie eine frisch gekalkte Wand. Du ernährst dich nicht anständig. Die paar Schlucke, die du dir erlaubst, sind ohne Zweifel süß, Eric, aber sie reichen nicht aus, um deine Lebenskraft zu erhalten.“

Eric kommentierte Rolands reichlich derbe Bemerkung mit grimmiger Miene, auch wenn ihm bewusst war, dass sein Freund recht hatte. Er fühlte sich schwach, und ihm schwindelte. Er leerte das Glas und ging hinüber zur Bar, um es nachzufüllen.

„Sag mir“, begann Roland bedächtig. „Ist bereits eine Entscheidung gefallen?“

„Worüber zum Beispiel?“ Eric nippte an dem Glas und wartete ab.

„Du weißt sehr genau, worüber, Eric. Diese Entscheidung muss getroffen werden. Hat unsere Herzdame diesbezüglich ihre Meinung kundgetan?“

„Du kannst nicht im Ernst annehmen, dass ich erwäge, meinen Fluch an sie weiterzugeben?“

Roland seufzte. „Seit wann betrachtest du Unsterblichkeit als Fluch?“

„Aber genau das ist es.“ Eric knallte das Glas auf die polierte Hartholzoberfläche. „Für mich ist es ein niemals endender Albtraum.“

„Und was für eine Art Albtraum waren die letzten Tage für dich, Eric?“ Eric antwortete nicht darauf, da er wusste, dass Roland in diesem Punkt recht hatte. „Ich war der Meinung, ich hätte dir vor zwei Jahrhunderten in Paris das Leben gerettet, nicht, dich verflucht. Ich ziehe bloß deshalb die Einsamkeit vor, weil ich nicht anders kann, Eric. Meine Chance auf Freude bot sich mir vor Jahrhunderten, und ich habe sie verloren. Ich erwarte keine weitere. Aber du … du wirfst deine fort.“

Eric beugte den Kopf vor und presste seine Fingerspitzen gegen seine Augen. „Ich weiß nicht, ob ich ihr das antun könnte.“ Er hörte Rolands Seufzen und hob den Kopf. „Dennoch habe ich eine Entscheidung getroffen. Ich habe eingewilligt, mich mit St. Claire zu treffen.“

„Das kann nicht dein Ernst sein.“

„Es ist mein voller Ernst. Es bedeutet Tamara unendlich viel, St. Claire zu zeigen, dass ihr von mir kein Unheil droht. Offenbar ist sie der Meinung, ich könne das bewerkstelligen, indem ich mit dem Mann rede. Selbstverständlich habe ich meine Bedenken, aber …“

„Das Einzige, was durch so ein Treffen bewerkstelligt wird, ist deine Vernichtung. Denk darüber nach, Eric. Ob nun mit Absicht oder nicht, Tamara hat dich in die Höhle des Löwen gelockt, so wie St. Claire es von Anfang an geplant hat. Sobald du drinnen bist, wird es kein Entkommen mehr geben.“

Eric stand reglos da und ließ sich Rolands Worte durch den Kopf gehen. Der Gedanke, dass es sich bei diesem Treffen womöglich um eine Falle handelte, nagte an ihm, seit Tamara das Thema zum ersten Mal zur Sprache gebracht hatte. Natürlich wusste er, dass sie an einer möglichen Verschwörung keinen Anteil hatte. Und wenn es tatsächlich eine Falle war, gab es keine bessere Möglichkeit, Tamara die wahre Natur der Menschen vor Augen zu führen, denen sie vertraute. Vorausgesetzt natürlich, dass es ihm gelang zu entkommen.

Roland sträubte sich, als er seine Gedanken las. „Und nehmen wir an, du beweist dem Mädchen, dass du in diesem wichtigen Punkt richtigliegst, und verlierst dabei dein Leben?“

„Das wird nicht geschehen. Das darf nicht geschehen, um Tamaras willen. Ohne mich wird es für sie so sein wie zuvor. Sie ist ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.“

Roland schnitt eine Grimasse. „So wie die Dinge im Augenblick liegen, fürchte ich eher, dass du ihr ausgeliefert bist.“

Eric lächelte. „Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.“