Kapitel 12
Zwei Tage später war die Diskussion noch in vollem Gange.
»Ich kann nicht fassen, dass du an einem Samstag ein Date hast«, jammerte Celia, die sich auf Neves Bett zusammengerollt hatte wie ein Fötus. Sie hatte PMS und fühlte sich einsam – Yuri hatte beschlossen, dem Grafikdesigner, mit dem sie nun bereits an fünf Samstagabenden in Folge geschlafen hatte, eine ernsthafte Chance zu geben. »Alle haben etwas vor, nur ich nicht.«
»Ist doch gar nicht wahr«, widersprach Neve und griff zur Wimperntusche. »Du bist doch erst zum Dim-Sum-Essen in Soho verabredet und dann mit Grace zum Karaoke – und du hast gesagt, wenn ihr danach noch fit seid, geht ihr in irgendeinen Klub.«
Celia starrte ihr finster auf den Rücken. »Schon, aber ihr unternehmt alle etwas mit eurem Freund. Sogar du!«
»Du wirst dich bestimmt blendend amüsieren, wenn du erst mal unterwegs bist und ein paar Drinks intus hast«, murmelte Neve, während sie sich mit geübtem Griff die Mähne zu einem Dutt drehte und ihn mit Haarnadeln feststeckte.
»Zupf ein paar Strähnen raus, damit du nicht gar so jungfräulich wirkst«, tönte es vom Bett her. »Oder willst du mir vielleicht doch etwas mitteilen?«
»Selbst wenn mit Max etwas laufen würde, was garantiert nie, nie, nie der Fall sein wird, dann wärst du der letzte Mensch, dem ich es erzählen würde. Nein, der Viertletzte.«
»Ach, noch nach Mum, Dad und Douglas? Vielen Dank auch.« Celia musterte sie eingehend. »Aber irgendetwas läuft da zwischen euch, ich spüre es. Du trägst einen Rock, der nur bis zum Knie geht statt übers Knie – und ein Top, in dem man den Ansatz deines Busens sieht. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.«
Neve betrachte sich ein letztes Mal kritisch im Spiegel. Sie konnte ihre schwarzen Sackkleider nicht mehr sehen, deshalb trug sie zur Abwechslung ein Spitzenhemdchen, ein schwarzes Wickeltop und dazu einen schwarzen Glockenrock mit roten Filzröschen am Saum. Sie hatte kurz in Erwägung gezogen, dazu die rote Strumpfhose anzuziehen, die ihre Mutter ihr gekauft hatte, aber darin sahen ihre Waden aus wie die von König Heinrich VIII. Also doch lieber blickdichte schwarze Strümpfe, wie gehabt.
»Das Outfit ist doch okay, oder? Wirke ich etwa … stämmig?«
»Du siehst toll aus«, insistierte Celia. »Du hast wenistens eine richtige Taille! Du weißt ja gar nicht, was für ein Glück du hast. Ich seh aus wie eine verdammte Angelrute.«
»Quatsch.«
»Jedenfalls wirkst du nicht stämmig. Kein bisschen.« Celia klang, als wäre sie den Tränen nah, und sie war blasser als sonst; ein deutliches Zeichen dafür, dass sie innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden ihre Tage bekommen würde.
»Warum bleibst du heute nicht mal zu Hause?«, schlug ihr Neve vor.
»Ich kann doch unmöglich am Samstagabend zu Hause hocken!«, empörte sich Celia und rappelte sich auf. »Mir geht’s gut, siehst du? Ich bin startklar. Lass uns zusammen zur U-Bahn gehen. Und wenn du jetzt statt Stöckelschuhen Ballerinas anziehst, gibt es Haue.«
Celia schleifte bei jedem Schritt die Beine nach, als sie kurz darauf Arm in Arm die Stroud Green Road entlanggingen. »Das mit Max und mir ist wirklich nichts Ernstes«, beteuerte Neve. »Ich liebe William, und für Max ist das alles bloß eine nette Abwechslung. Ein Spiel.«
»Max liebt es, Spiele zu spielen. Wir ziehen ihn zwar immer damit auf, dass er eine männliche Nutte ist, aber wenn er so richtig aufdreht, ist er ziemlich unwiderstehlich.«
»Aber ich habe ihn längst durchschaut. Trau mir doch ein bisschen Menschenkenntnis zu, ja?« Neve legte ihrer Schwester beruhigend eine Hand auf den Arm. »In ein paar Wochen wird er sich derart langweilen, dass er mir sehr sanft und schonend den Laufpass geben wird, und das ist völlig in Ordnung. Wir haben nichts gemeinsam, und auch wenn ich kurz dachte, ich hätte einen Blick hinter seine oberflächliche Fassade erhascht, glaube ich inzwischen, dass dahinter gähnende Leere herrscht.«
»Dann mach jetzt gleich mit ihm Schluss, statt dich von ihm auf all diese Partys zerren zu lassen. Du hasst Partys.« Celia brach ab und bedachte Neve mit einem ungewöhnlich aufmerksamen Blick. »Obwohl du am Donnerstagabend, bevor ich dir die Szene gemacht habe, zur Abwechslung nicht den Eindruck erweckt hast, als würdest du tausend Tode sterben. Man hätte fast meinen können, dass du dich amüsierst. Wie kommt das bloß?«
»Ach, das verstehst du sowieso nicht«, winkte Neve ab.
»Nun komm, erklär’s mir!«
»Erinnerst du dich an meinen Klassenkameraden Danny McGee?« Eine rein rhetorische Frage – alle an ihrer Schule hatten Danny mit den verträumten blauen Augen, dem schelmischen Grinsen und der komischen Art zu rauchen (er hatte die Zigarette stets zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten) gekannt und geliebt. Ihr Bruder Douglas hatte zwar auch als Herzensbrecher gegolten, aber neben Danny hatte er sich ausgemacht wie Quasimodo. Ein Mädchen aus der Klasse über ihr hatte sogar versucht, sich die Pulsadern mit einem Bic-Rasierer aufzuschneiden, weil Danny nach zwei Dates mit ihr Schluss gemacht hatte.
Celia seufzte verzückt. »Danny McGee. Ich habe ein Jahr lang täglich dein Klassenfoto geküsst, obwohl von ihm darauf nur ein paar Stirnfransen und ein Auge zu sehen waren. Was der wohl inzwischen macht?«
Soweit Neve gehört hatte, saß er wegen Einbruch und Körperverletzung im Gefängnis, aber das tat jetzt nichts zur Sache. »Du erinnerst dich vielleicht auch daran, dass ich im Englischunterricht mal zwei Wochen Projektarbeit mit ihm machen musste …«
»Von wegen mit ihm – du hast doch alles allein gemacht.«
»Aber in diesen zwei Wochen hat mich niemand verspottet oder mir diesen grauenhaften Spitznamen nachgeplärrt, und das alles nur, weil sich Danny auf dem Korridor mit mir unterhalten hat«, sagte Neve mit feuchten Augen, dabei hatte Danny damals bloß wissen wollen, ob sie es endlich geschafft hatte, seine Handschrift nachzuahmen.
»Oh, Mann, was war ich eifersüchtig! Und du hast ihn nicht ein einziges Mal nach Hause mitgebracht«, sagte Celia verbittert, als hätte sie das bis heute nicht verwunden. »Und was hat das jetzt mit Max und all den Partys zu tun?«
»Naja, du weißt bestimmt noch, dass mich Mum immer zur Schuldisco geschickt hat, selbst das eine Mal, als ich so getan habe, als hätte ich eine bakterielle Meningitis. Ich habe mich dort stundenlang vor Charlotte und ihren Freundinnen auf dem Klo versteckt, bis mich Dad wieder abgeholt hat.« Neve schluckte, denn es tat selbst nach all den Jahren noch weh. »Und in dieser Zeit habe ich mir immer ausgemalt, wie es wäre, an der Seite von Danny McGee die Disco zu betreten. Die anderen hätten mich für cool gehalten und sich darum gerissen, mit mir zu reden. Ungefähr so ist es, wenn ich mit Max auf diese Partys gehe, und ich wünsche mir jedes Mal, Charlotte könnte mich sehen. Es ist gewissermaßen eine kleine Entschädigung für meine Schulzeit und meine grauenhaften Jugendjahre, also sei so gut und lass mir meinen Spaß, ja?«
Neve versuchte mit aller Macht, die Tränen zurückzuhalten, damit ihre Wimperntusche nicht verlief, Celia dagegen rieb sich hemmungslos mit dem Jackenärmel die feuchten Augen, ehe sie ihre Schwester einmal kurz, aber fest umarmte. »Man kann unmöglich böse auf dich sein, wenn du solche Sachen sagst«, brummelte sie. »Also gut, dann genieß deine alberne Pseudo-Affäre mit Max ruhig weiter, meinen Segen hast du.«
»Danke. Und wie gesagt, allzu lange wird es nicht mehr dauern. Diese ganzen Partys sind ziemlich zeitraubend. Ich hatte seit Wochen kein Buch in der Hand, dabei habe ich mit William ausgemacht, dass wir endlich mal Tristram Shandy lesen und uns alle zwei Kapitel per Mail darüber austauschen. Er ist schon ganz sauer auf mich, weil ich seit Wochen hinterherhinke.«
Celia drückte ihre Hand. »Hm, wenn das alles ist, was du mit William so treiben wirst, dann hat Max als Freund wohl doch mehr Potenzial. Zumindest weiß er, wie man sich amüsiert.«
Neve schaubte. »Du liegst so was von falsch, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll, dich zu korrigieren.«
Sie hatten die U-Bahn-Station erreicht, und Celia kramte in sämtlichen Fächern ihrer Handtasche nach ihrer Netzkarte. »Ah, da ist sie ja. Tja, ich mach mich wohl besser gleich auf den Weg. Für wann bist du mit Max verabredet?«
»Halb sechs.« Neve warf einen Blick auf die Uhr über ihnen. »Aber er kommt immer zehn Minuten zu spät.«
»Und das lässt du dir gefallen?«
»Naja, man muss in einer Beziehung eben Kompromisse eingehen. Ich mache kein Theater wegen seiner Unpüntklichkeit, dann kann er sich auch nicht aufregen, wenn es eine halbe Stunde dauert, bis ich endlich bestellt habe und mein Essen dann trotzdem zurückschicke, weil es in Sahne oder Butter schwimmt … Lach nicht!« Neve kniff ihre Schwester in den Arm, worauf diese quiekend das Weite suchte, obwohl sie durch ihre Lederjacke nicht viel gespürt haben konnte.
»Du bist einfach zum Knutschen.« Celia trat einen Schritt zur Seite, weil Neve zu einer neuerlichen Attacke ansetzte. »Ich gehe jetzt. Pass auf dich auf, und tu nichts, was ich nicht auch tun würde.«
Neve verschränkte die Arme und setzte ihre prüdeste Miene auf, weshalb Celia erneut kicherte, als sie zur Tür ging. Dort drehte sie sich noch einmal und winkte, ehe sie verschwand.
Mittlerweile war es zwanzig vor sechs, und Neve ließ die Arme sinken, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass sie schon ungeduldig wartete, als sie Max wie erwartet unter der Brücke auf sich zukommen sah. Er hatte sie erspäht und legte einen Zahn zu.
»Hallo, meine Schöne«, keuchte er, sobald er bei ihr angelangt war, und küsste sie auf beide Wangen. Sein Gesicht war kalt. »Entschuldige, dass ich zu spät komme. Irgendwie vergeht die Zeit einfach schneller, sobald ich meine Wohnung verlasse.«
»Ich habe mich gerade erst von Celia verabschiedet.« Neve hielt den Blick gesenkt, denn sie musste erst warmlaufen. In den ersten fünf Minuten fühlte es sich nach wie vor etwas seltam an. Sie war stets von Neuem eingeschüchtert in Anbetracht seines attraktiven Äußeren und benötigte ein Weilchen, um ihre Meinung von ihm zu revidieren und die innere Stimme, die sich fragte, was zum Teufel er eigentlich von ihr wollte, zum Schweigen zu bringen.
Als sie sich so weit gefasst hatte, dass sie ihn ansehen konnte, stellte sie fest, dass er Jeans und einen Mantel mit Hahnentrittmuster trug, der schon bessere Zeiten erlebt hatte, aber zweifellos von Marc Jacobs oder Prada stammte. Der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht, als er seinerseits den Blick über sie gleiten ließ. Dann ergriff er ihren Arm, um sie zum Eingang der U-Bahn-Station zu dirgieren.
Neve rührte sich nicht von der Stelle. »Wo willst du hin?«
»Na, zur U-Bahn. Wir gehen doch kegeln, oder?«
Nach dem aufregenden Donnerstagabend war Neve bewusst geworden, dass bislang sämtliche Vorschläge für ihre Verabredungen von Max gekommen waren. Sie hatte sich nur über ihr Outfit den Kopf zerbrechen und sich zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort einfinden müssen.
Deshalb hatte sie beschlossen, die Initiative zu ergreifen, als Max ihr offenbart hatte, dass er für Samstagabend noch keine Pläne hatte. Auf ihre ursprüngliche Anregung, den Abend zur Abwechslung zu Hause zu verbringen, damit sie sich endlich Tristram Shandy widmen konnte, hatte Max mit einer Empörung reagiert, die ausnahmsweise nicht rein auf die komische Wirkung abzielte. »Ich habe seit meinem zwölften Lebensjahr keinen Samstagabend mehr zu Hause verbracht, und ich fange ganz sicher nicht jetzt damit an.« Er war sogar noch konsternierter gewesen als Celia. »Ich rufe ein paar Leute an. Es muss doch irgendwo irgendetwas los sein.«
»Wir gehen zuerst bowlen und danach essen«, hatte Neve entschlossen gesagt, denn beide Aktivitäten waren einigermaßen erschwinglich, und ihr Gehalt kam erst in einer Woche. Max hatte ohne zu zögern eingewilligt, aber als sie nun seine verdatterte Miene sah, wurde ihr klar, dass er sich unter »bowlen gehen« etwas anderes vorgestellt hatte als sie.
»Wir müssen gar nicht mit der U-Bahn fahren«, sagte sie und deutete auf ein großes rotgraues Gebäude auf der anderen Straßenseite. »Da drüben ist ein riesiges Bowlingcenter.«
Max starrte mit gerunzelter Stirn auf die windschiefen Kegel an der Fassade des Gebäudes. »Ich hatte da eher an Bloomsbury Bowls oder All-Star Lanes gedacht …«
… und nicht an einen hässlichen Betonklotz, in dem es weder kitschige Retro-Deko noch auf Fünfzigerjahre getrimmte Kellnerinnen gab. »Innen ist es ganz nett«, murmelte Neve. »Ich dachte, wir könnten ja mal was hier in der Gegend unternehmen.«
»Da drin klingt die Musik aus den Lautsprechern bestimmt grauenhaft blechern, und beim Anlauf wieselt einem ständig ein kleiner Kläffer zwischen den Beinen rum, stimmt’s?«
»Warst du etwa schon mal drin?«
»Nein, aber es erinnert mich frappant an die Kegelbahn in Didsbury, in der ich meinen zehnten Geburtstag gefeiert hab.« Max atmete tief durch. »Also gut, los geht’s. Kann nicht schaden, wenn ich mich mal auf Augenhöhe mit dem gemeinen Fußvolk begebe.«
Es lief besser als erwartet. Max verzog zwar theatralisch das Gesicht, als sie die Halle betraten, in der mit Limonade vollgepumpte Kinderhorden kreischend hierhin und dorthin liefen, und er verdrehte die Augen, als Neve darauf bestand, dass der für den Schuhverleih zuständige Angestellte ein Fußdeo in ihre Leihschuhe sprühte, ehe sie hineinschlüpfte. Aber danach war ihre Verunsicherung wie weggeblasen, denn hier befand sie sich auf vertrautem Boden.
Bowling war in ihrer Familie eine Geburtstags- und Feiertagstradition, aber auch eine »Belohnung für eine gute Schulnote«-Tradition und nicht zuletzt eine »Barry, schaff die Kinder aus dem Haus, sie machen mich wahnsinnig«-Tradition.
Neve konnte ihre Namen in die elektronische Punktezählmaschine eingeben, obwohl bereits die meisten Buchstaben abgegangen waren, und sie wusste, dass auf der Bahn ganz links die Kugeln einen Rechtsdrall bekamen, weil sie verzogen war. Sie wusste auch, dass man am Anfang am besten eine der schweren grünen Kugeln nahm und gegen Ende eher eine leichtere orangefarbene.
Ja, sie zerbrach sich sehr wohl darüber den Kopf, wie es wohl von hinten aussah, wenn sie schwerfällig auf die Bahn zuwatschelte, aber Max war viel zu sehr von der Tatsache abgelenkt, dass sie besser spielte als er und achtete weder auf ihren Hintern noch auf ihre Beine, die in den Leihschuhen kürzer und stämmiger aussahen als sonst.
»Können wir nicht auch die seitlichen Rinnen erhöhen lassen, so wie die da?«, jammerte er, als wieder einmal einer seiner Bälle in der Rinne landete, und deutete auf die Nachbarbahn.
»Das macht man nur für die ganz Kleinen«, sagte Neve, worauf er schmollend die Unterlippe nach vorn schob, und wenn sie nicht bloß eine Pfannkuchenbeziehung geführt hätten, dann hätte sie ihn vermutlich zum Trost geküsst.
Stattdessen zielte sie zweimal absichtlich daneben – ihren Ehrgeiz ein wenig zu drosseln war ein weiterer Kompromiss, den sie bereit war einzugehen. Sie gewann die beiden Spiele trotzdem haushoch, und das, obwohl Max bei seinen letzten Würfen doch noch einen hydraulischen Bumper zu Hilfe nahm, was die Teenager von der Nebenbahn mit verzücktem Quietschen goutierten. Er konnte einem aufmerksamen Publikum einfach nicht widerstehen.
»Das war peinlich«, stellte er fest, nachdem sie die Leihschuhe wieder gegen ihr normales Schuhwerk ausgetauscht hatten und auf die Stroud Green Road hinaustraten. »Aber du … du hast es ja echt drauf.«
Neve hob die Hand. »Ich hab mir drei Fingernägel abgebrochen, falls es dich tröstet.«
»Och, soll ich mal pusten?«, säuselte Max, was sie daran erinnerte, dass sie heute nur zu zweit unterwegs waren und nicht wie sonst von einem Tross schleimender »Freunde« begleitet wurden. Sie wusste nicht so recht, wie sie reagieren sollte.
»Später vielleicht. Vorausgesetzt, du warst brav«, sagte sie, um einen spielerischen Tonfall bemüht, aber es klang trotzdem eine Spur zu lehrerinnenhaft. »Sehr, sehr brav.«
»Und was ist, wenn ich sehr ungezogen war?«, fragte Max.
Neckte er sie? Neve musterte ihn von der Seite. Eindeutig.
»Dann gibt es kein Dessert für dich«, konterte sie und zog ihn am Ärmel, weil sie die Straße überqueren wollte. »Und das würdest du bereuen, denn da, wo wir jetzt hingehen, gibt es ein göttliches Tiramisu.«
»Kein Nobel-Fresstempel also?«
»Das gemeine Fußvolk verkehrt nicht in Nobel-Fresstempeln, sondern in Etablissements wie diesem hier.«
Sie hielt vor dem riesigen italienischen Restaurant, in dem ihre Familie traditionellerweise jedes Bowling-Event ausklingen ließ. Max spähte etwas argwöhnisch durchs Fenster, hinter dem soeben ein Kellner vorbeieilte, der eine mit unzähligen Kerzen bestückte Geburstagstorte trug.
»Sieht ganz nett aus. Das Essen muss gut sein, sonst wäre der Laden nicht so voll, oder?«
Neve kam nicht mehr dazu, ihm von der Holzofenpizza vorzuschwärmen, denn in diesem Moment schwang die Tür auf und der Besitzer, ein runzliger kleiner Mann, der von einem Ohr zum anderen grinste, drückte sie an sich.
»Miss Neve«, sagte er und hielt sie auf Armeslänge von sich, um sie zu betrachten. »Du biste ja nur noch eine Schatten deiner selbst! Zeit für eine ordentliche Teller Pasta, hm?«
»Nur ein winziges Portiönchen«, flötete Neve und hörte Max hinter sich kichern, während Marco sie gestenreich hereinbat.
»Den besten Tisch im Hause für Miss Neve«, brüllte er quer durch den Raum und fügte dann, zu Max gewandt, aus dem Mundwinkel hinzu: »Wenn du sie nicht anständig behandelst, danne zerren dich meine Jungs in den Hinterhof und schneiden dich in Stücke.«
»Ich bin sehr nett zu ihr«, versicherte ihm Max. Marco geleitete sie zu einem Tisch am Fenster, wo sich die beiden dann darum zankten, wer von ihnen Neve den Stuhl zurechtrücken durfte. Neve wäre am liebsten im Boden versunken.
Max ging siegreich aus der Schlacht hervor, dafür entfaltete Marco eine blütenweiße Stoffserviette und breitete sie ehrfürchtig über ihrem Schoß aus.
»Iche bringe euch gleich eine Flasche Wein. Aufs Haus«, insistierte er, obwohl Neve heftig protestierte. »Wie geht’s Barry und Margaret? Gute?«
»Tut mir leid«, zischte sie Max zu, als Marco endlich gegangen war, nicht ohne sich vorher nach dem Befinden des gesamten Slater-Clans zu erkundigen und Neve zu fragen, wie es »in ihrer Bücherei« lief. »Ich konnte echt nicht ahnen, dass er sich wie ein besorgter Daddy aufspielen würde.«
»Naja, lächle einfach und tu so, als fändest du meine Scherze witzig – ich will nicht als Zürcher Geschnetzeltes enden«, zischte Max zurück. »Was steht eigentlich hinten auf den Hemden der Kellner?«
»Eine gemütliche Platze für Sie und Ihre Schatze«. Neve musste sich sehr zusammennehmen, um nicht laut loszuprusten. Das hier hatte so gar nichts mit den vornehmen Eröffnungspartys in irgendwelchen Museen gemein, auf denen er sonst mit Mannequins Küsschen austauschte und mit Crème fraîche bestrichene Kanapees knabberte. »Du findest es furchtbar, oder?«, kicherte sie.
»Ich muss nicht unbedingt immer in minimalistischen Restaurants in Soho Mahi Mahi essen. Bier und Pizza geht genauso.« Max schlug die Speisekarte auf. »Dir liegt wohl ganz Finsbury Park zu Füßen, wie?«
»Finsbury Park for ever«, sagte Neve mit todernster Miene, obwohl sie schon wieder losgackern hätte können.
»Deine Wimperntusche ist verschmiert«, bemerkte Max und beugte sich über den Tisch, um ihr mit dem Daumen über die Wange zu reiben. An seinen Arm auf ihren Schultern hatte sich Neve inzwischen gewöhnt, aber das hier fiel in eine ganz neue Kategorie, zumal er die Hand einfach auf ihrer Wange ließ, nachdem er fertig war. »Ich mag die Seite, die ich heute von dir kennenlerne.«
»Was ist das denn für eine Seite?« Neve verspürte plötzlich das Bedürfnis, das Gesicht in seine Handfläche zu schmiegen und wünschte, seine Liebkosung würde etwas bedeuten. Es war schön, so berührt zu werden. Als wäre sie etwas Besonderes. Doch sie zwang sich, stillzuhalten.
»Kichernd und rotbackig … Da kommen deine blauen Augen noch viel besser zur Geltung«, sagte er schlicht, und es klang zur Abwechslung nicht wie einer seiner Anmachsprüche, sondern als wäre es die reine Wahrheit. Dann ließ er die Hand sinken. »Also, was soll ich nehmen, Pizza oder Pasta?«
»Äh, die Pizza ist gut.« Neve war, als könnte sie noch immer seine Finger auf ihrer Haut spüren.
»Teilen wir uns ein Knoblauchbrot als Vorspeise?«
»Max, ich muss dir etwas sagen«, platzte Neve heraus.
Er hob erstaunt den Kopf. »Was denn?«
Sie rückte ihr Besteck zurecht, und dann auch noch die Salz- und Pfefferstreuer. »Das hier ist … ein Riesenschritt für mich, weil ich … Naja, ich habe ein echt gestörtes Verhältnis zum Essen.« Sie lehnte sich zurück und wartete ab. Sie wusste nicht genau, worauf. Wahrscheinlich darauf, dass Max seine Serviette auf den Tisch pfefferte und hinausmarschierte.
»Und inwiefern unterscheidet dich das von 99 Prozent aller anderen Frauen?«, fragte er, das Kinn kämpferisch nach vorn geschoben.
»Ich warne dich nur, weil ich nämlich eine Ewigkeit brauche, um zu bestellen, und manchmal muss ich mein Essen zurückschicken, wenn die Küche meine Anweisungen nicht genau befolgt hat.« Neve biss sich auf die Lippen. »Celia ist immer total genervt, wenn wir essen gehen.«
Max zuckte die Achseln. »Ich gehe jeden Tag mit Leuten essen, die in der Unterhaltungsbranche arbeiten, und die wollen alle ihre Omelettes nur mit Eischnee und bloß keine Kohlehydrate. Manche bringen sogar ihr eigenes Essen mit und bitten den Koch darum, es aufzuwärmen. Ganz ehrlich, ich weiß, was es heißt, ein gestörtes Verhältnis zum Essen zu haben, und ich wette, du bist weit davon entfernt.«
Doch seine Worte wirkten alles andere als beruhigend auf Neve, denn die Leute, von denen er sprach, trugen alle Kleidergröße 32 und erhielten Millionengagen dafür, dass sie auf ihre Figur achteten. Neve dagegen hätte nicht einmal die große Zehe in ein Kleidungsstück Größe 32 quetschen können.
»Naja, ich komm mir eben blöd vor, weil ich so ein Theater mache, und das bei meiner Figur«, murmelte sie. »Bestimmt glauben die meisten Leute, dass ich mir zu Hause kiloweise Kuchen reinstopfe.«
Max musterte sie mit undurchdringlicher Miene. »Das glaubt garantiert niemand«, sagte er schließlich etwas entnervt. »Das bildest du dir bloß ein.«
»Jetzt habe ich alles verdorben, stimmt’s? Ich führe mich auf wie eine Irre. Wahrscheinlich denkst du gerade: ›Meine Güte, wann hält sie bloß endlich den Schnabel? Sobald ich gegessen habe, nehm ich die Beine in die Hand‹.«
»Meine innere Stimme klingt ganz anders.« Max griff nach einer Packung Grissini. »Und jetzt wechsle das Thema, sonst ramme ich mir eins von den Dingern hier ins Auge.«
Neve öffnete ein paar Mal den Mund und klappte ihn wieder zu, wie ein Goldfisch. »Okay, okay«, sagte sie und musterte Max mit schmalen Augen, denn er sah sie an, als würde er ihr nicht zutrauen, dass sie es schaffen würde. »Letztes Jahr habe ich Celia an ihrem Geburtstag hierher zum Essen eingeladen, und sie hatten den Geburtstagskuchen vergessen, also habe ich die Kellner gebeten zu improvisieren …«
Max schenkte ihnen Wein ein, und Neve wollte ganz automatisch abwehren, weil Alkohol viel zu viele Kalorien enthielt, doch dann nahm sie das Glas, das er ihr hinhielt, entgegen und trank ein, zwei kräftigende Schlucke. »Marco hatte an dem Abend frei, musst du wissen«, fuhr sie fort. »Nach dem Hauptgang haben die Kellner auf mein Zeichen das Licht runtergedreht und ›Happy Birthday‹ angestimmt, und dann haben sie Celia eine hinter einer Speisekarte versteckte ›Überraschung‹ gebracht …«
»Lass mich raten: Sie hatten eine Kerze in ein Stück Tiramisu gesteckt. Das ist doch immer so beim Italiener.«
»Von wegen. Sie hatten ihr ein Spezialdessert zusammengestellt: zwei Profiteroles und eine halbe Banane, auf der eine Erdbeere steckte. Es sah aus wie ein …«, sie senkte die Stimme, »… wie ein Schwanz!«
Max hatte gerade einen Schluck Wein genommen, von dem er prompt die Hälfte wieder ausspuckte. »Hast du gerade …?«
»Ja, ich habe ›Schwanz‹ gesagt.« Neve kicherte erneut. »Und die Kellner haben ›Abbeißen, abbeißen‹ gerufen, bis Celia die Erdbeere von der Bananenspitze abgebissen hat.«
»War es ihr peinlich?«
»Nicht die Bohne, sie war begeistert! Mir war es peinlich, weil ihre Freundinnen natürlich dachten, es wäre meine Idee gewesen.« Neve rief sich grinsend den ungläubig-entzückten Blick ihrer Schwester in Erinnerung, dann sah sie zu Max, der versuchte, den Weinfleck auf seinem Hemd mit einer Serviette trocken zu tupfen, und musste lachen. »Ich hoffe, der Themenwechsel war zu deiner Zufriedenheit?«
»Oh, ja. Am besten gefiel mir, dass du ›Schwanz‹ gesagt hast. Hätte nicht gedacht, dass ich dieses Wort je aus deinem Mund vernehmen würde.«
»Ich habe kein Problem mit dem Gebrauch obszöner Ausdrücke«, sagte Neve, denn sooo verklemmt war sie nun auch wieder nicht. »Jedenfalls nicht in der Gegenwart von guten Bekannten. Ich fluche nur nicht so viel, weil das in meinen Augen ein Zeichen von Fantasielosigkeit ist. Wart’s ab, bis ich das F-Wort sage. Du wirst total hin und weg sein.«
»Hmmm … Ich werde mich heute die ganze Nacht schlaflos im Bett herumwälzen und mir alle möglichen Gründe dafür ausmalen, dass du es sagst«, säuselte Max und streckte unter dem Tisch ein Bein aus, um es an Neves Unterschenkel zu reiben. »Das geht bestimmt nicht ohne kalte Dusche ab.«
Neve wurde heiß. Ihre erste Reaktion war, verlegen stotternd zurückzurudern, doch sie nahm noch einen Schluck Wein, dann schoss sie zurück: »Jetzt wo du es erwähnst, fallen mir gleich ein paar Gründe ein, warum ich es in deiner Gegenwart sagen sollte.« Damit trat sie Max gegen das Schienbein, sodass er sich an seiner Brotstange verschluckte.
»Eins zu null für dich«, murmelte er und schenkte ihr ein Lächeln, das so aufrichtig und sogar ein wenig verlegen wirkte, weil sie ihn mit seinen eigenen Waffen geschlagen hatte, dass Neve einfach zurücklächeln musste. Und auf einmal war er nicht mehr der dreiste Casanova, der sie ständig provozierte, und Neve konnte sich entspannen.
Die Stimmung blieb harmonisch, als Neve drei einsame Ravioli mit Ricotta-Spinat-Füllung als Vorspeise sowie den gegrillten Schwertfisch ohne Kartoffeln bestellte und ihren grünen Salat zurückgehen ließ, weil man ihn ihr mit einem Spritzer Olivenöl serviert hatte statt mit dem gewünschten Spritzer Balsamico.
Als sie sich schließlich erhoben, schwankte sie, wohl wegen der mangelnden Kohlehydratzufuhr und der eineinhalb Gläser Weißwein. Max schlang ihr sogleich einen Arm um die Taille.
»Ich bin hohe Schuhe nicht gewöhnt«, klagte sie. »Sie tun mir weh, und außerdem sind sie ein patriarchalisches Instrument, um Frauen zu Krüppeln zu machen, damit sie nicht mit Siebenmeilenschritten durchs Leben eilen können.«
»Warum trägst du sie dann?«, fragte Max, dessen Arm immer noch auf ihrer Hüfte ruhte, obwohl sie längst ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte und durchaus in der Lage war, ohne fremde Hilfe zu gehen, wenn auch etwas unsicher.
»Naja, sie sind hübsch, und sie lassen meine Knöchelpartie schlanker aussehen.« Neve schmiegte sich an ihn, weil ihnen draußen ein eisiger Wind entgegenblies.
»Du verträgst keinen Alkohol«, bemerkte Max. »Ausgehen ist billig mit dir.«
Sie hatten sich die Rechnung geteilt. Eigentlich hatte Neve ihn einladen wollen, aber Max hatte argumentiert, dass er doppelt so viel gegessen und getrunken hatte und die Reste mit nach Hause nahm.
Im Nu waren sie vor ihrem Gartentor angekommen – viel zu rasch für Neves Geschmack, denn sie begann zu frieren, sobald Max sie losließ. »Kommst du noch auf einen Kaffee mit hoch?«, fragte sie. »Und wenn ich Kaffee sage, dann meine ich auch Kaffee.«
Diesmal war es Max, der zögerte. »Ich sollte nach Hause zu Keith. Ich muss mit ihm Gassi gehen.«
Sofort war Neves Misstrauen geweckt. Unter der Woche schien Keith ganz gut zurechtzukommen, während Max bis in die Puppen auf der Jagd nach einer Bettgenossin war. »Wenn ich dich auf einen ›Kaffee‹ hereingebeten hätte« – sie deutete die Anführungsstriche mit den Fingern an –, »hättest du dann trotzdem Nein gesagt?«
»Autsch! Du bist heute echt voller Überraschungen, Süße.« Er hob ihr Kinn an, um sie zu küssen. Seine Augen glänzten im Licht der Straßenlaternen.
Neve hatte den üblichen flüchtigen Schmatz erwartet, auf den sie abmachungsgemäß Anspruch hatte, doch Max hauchte ihr einen sanften, zärtlichen Kuss auf die Lippen, der sich definitiv nach Vorspiel anfühlte. Und dann gleich noch einen, länger diesmal, intensiver. Wie sollte sie da widerstehen? Sie wollte ihm gerade ein paar Zentimeter entgegenkommen, um den Kuss zu erwidern, als Max einen Schritt zurücktrat.
»Tja, ich sollte jetzt wirklich gehen«, sagte er freundlich. »Du hörst bald wieder von mir.« Er eilte davon, ohne ihre Antwort abzuwarten, während Neve ihm verblüfft nachstarrte.
»Echt unfassbar«, brummte sie, öffnete das Tor und marschierte empört zur Haustür. Ja, es sollte eine platonische Beziehung sein, aber sie hatten sich ausdrücklich darauf geeinigt, dass sie sich küssen würden. Warum küsste er sie nicht richtig? Fand er sie etwa nicht attraktiv? Was für einen Sinn hatte denn eine Pfannkuchenbeziehung, wenn ihr Pfannkuchenfreund sie nicht attraktiv fand? Das war doch …
»Neve! Warte!«
Sie fuhr herum. Max kam schnaufend auf sie zu, seine Wangen waren leicht gerötet.
»Was willst du noch?«, fragte sie argwöhnisch, denn ihr schwirrte gerade ein ziemlich überzeugendes Argument durch den Kopf, um Schluss zu machen. Vielleicht ging es ihm ja ähnlich.
»Ich habe ganz vergessen, dich zu fragen, ob du heute Abend Spaß hattest.«
Er war echt unmöglich, und allmählich fand sie ihn wirklich ziemlich … süß.
»Fast«, antwortete sie wahrheitsgemäß.
Max nickte. »Und bist du bereit zuzugeben, dass ich der netteste, charmanteste Mensch bin, den du kennst?«
»Niemals. Eher hörst du von mir das F-Wort«, scherzte sie. Er würde es ihr bestimmt nicht übel nehmen. Jedenfalls nicht sehr.
Er blieb am Fuße der vierstufigen Treppe stehen. »Ich gehe jetzt wirklich nach Hause, was bedeutet, dass ich morgen nicht erst meinen Rausch ausschlafen muss, was wiederum bedeutet, dass wir nachmittags etwas unternehmen könnten, wenn du magst.«
»Steht mal wieder eine Eröffnungsparty oder Vernissage an?«
»Nein, nichts dergleichen. Komm doch einfach gegen fünf zu mir, und ich koche uns etwas Schönes.« Er wandte sich zum Gehen, als wäre sein Vorschlag die normalste Sache der Welt.
Es gab zahllose Argumente, die dagegen sprachen, dass Neve wie das sprichwörtliche Opferlamm bei ihm aufkreuzte, aber in der Eile fiel ihr nur eines ein: »Ich weiß doch gar nicht, wo du wohnst.«
»Schwache Ausrede.« Er schenkte ihr sein verhasstes schmieriges Grinsen. »Ich maile dir meine Adresse. Ich häng dir sogar einen Anfahrtsplan von Google-Maps an.«
»Ich weiß nicht recht. Ich habe morgen viel vor.« Das war nicht gelogen, aber bis vier hatte sie ihre diversen sozialen Verpflichtungen garantiert alle hinter sich gebracht.
»Verstehe. Und wenn du morgen nicht so ›viel vorhättest‹«, sagte er und ahmte ihre Gänsefüßchen nach, »würdest du dann trotzdem Nein sagen? Schließlich hast du mich eben noch zum Kaffee eingeladen.«
»Aber ich wollte wirklich nur mit dir Kaffee trinken.«
»Und ich will wirklich nur mit dir essen«, erwiderte Max mit einem prüden Gesichtsausdruck, der Neve bekannt vorkam – normalerweise sah sie ihn, wenn sie in den Spiegel blickte. »Ich kann mich durchaus beherrschen, und ich bin ziemlich sicher, dass ich es aushalte, drei Stunden in meiner Wohnung mit dir allein zu sein, ohne über dein unwilliges Fleisch herzufallen.«
Das klang ja, als würde sie sich für so unwiderstehlich halten, dass er ihren Reizen unmöglich widerstehen konnte. Neve schämte sich, und sie fragte sich auch, wie unwillig ihr Fleisch eigentlich war, wenn es sie schon bei ihren Abschiedsküssen nach deutlich mehr Leidenschaft verlangte. »Entschuldige«, murmelte sie zerknirscht. »Ich komme gern.«
Er wirkte nicht gerade überzeugt. Sie trat von einem Fuß auf den anderen, verunsichert und verlegen, weil sie sich ausnahmsweise moralisch nicht im Recht fühlte. Schließlich begann er schelmisch zu grinsen. »Okay, dann also bis morgen. Und solange du dich an dein Safeword erinnerst, kann ja nichts schiefgehen.«