25.

Wahre Freunde

Ich habe 1567 Freunde. Doch, das weiß ich genau! Ich zähle sie jeden Morgen durch. Ich bin bei Facebook.

Das kam so: Eigentlich fing alles damit an, dass ich nicht nein sagen kann. Ich war als Kind schon so. Ich kann nicht mal vielleicht sagen. In der Schule schob mir meine Mitschülerin Jenny im Unterricht heimlich einen Zettel zu. Jenny war nicht nur, wie die meisten Mädchen, eine große Pferdefreundin, sie hatte sogar die Ausmaße und Gebissform ihrer Reitbeteiligung körperlich adaptiert. Ich nannte sie aufgrund ihrer Mähnenfarbe »Red Beauty«. Auf dem Zettel stand:

Sie ahnen, was ich angekreuzt habe? Die nächsten Wochen kam ich zumindest jeden Morgen frisch gestriegelt zum Unterricht.

Auch bei Margie konnte ich nie nein sagen, darum haben jetzt wir sechs Kinder. Bei der Erziehung der Kinder ist das Nein ein wichtiges Hilfsmittel. Doch meine pfiffigen Jungs haben meine Nein-Vielleicht-Schwäche sehr früh erkannt und gnadenlos ausgenutzt:

»Dähäd, dürfen wir noch fernsehen?«

»Nei … äääh, neee!«

»Och, warum nicht? Bitte!«

»Jaha gut, aber nur drei Stunden Simpsons!« Nur drei Stunden – ich kann schon manchmal ein harter Bursche sein. »Aber wirklich nur drei Stunden! Danach kurz Playstation und um 23 Uhr ab ins Bett! Morgen ist Schule, und ich muss schließlich noch eure Hausaufgaben machen!«

Ja, ja, ich weiß: Das ist pädagogisch nicht besonders wertvoll, aber je mehr man den Kinder verbietet, desto größer wird der Reiz für sie, es trotzdem zu tun. Meine Erziehungsmethode hat auch wirklich funktioniert. Stundenlanges Fernsehen wurde meinen Kindern zunehmend langweilig. Das lag aber auch daran, dass sie die Fernsehkonsum-Zeiten auf den Computer verlagerten. Youtube, MySpace, Facebook – den ganzen Tag hingen sie vor dem Rechner. Ich konnte meine Kinder nicht mal mehr ganz normal zum Essen rufen, ich musste es ihnen twittern.

Also griff ich zu drastischeren Erziehungsmaßnahmen: Ich habe mich selbst bei Facebook angemeldet. Das war noch einfacher, als eine Zeitung an der Haustür zu abonnieren. Ich musste nur lange überlegen, welches Foto ich von mir reinstellen sollte. Wen wollte ich ansprechen? Junge Leute oder alte Greise? Rote Hip-Hop-Mütze oder seidenes Halstuch? Ich entschied mich für ein ganz normales, aktuelles Foto von 1962. Ich brauchte nur noch meine E-Mail-Adresse eintragen, und schon hatte ich – zum ersten Mal in meinem Leben – ein eigenes Profil. Bill Mockridge war Teil der »Komnjuhnitie«. Denn kaum hatte ich meine, natürlich vollkommen geheime E-Mail-Adresse eingegeben, da ratterte es schon auf meinem Bildschirm. Hunderte von Namen und Gesichtern erschienen auf meiner Seite, einige kamen mir sogar bekannt vor: Arbeitskollegen, Nachbarn, Friedhelm, Doug Graham aus Toronto, das Senfmuseum in Düsseldorf, dazu Menschen, die ich nur fünf Minuten in meinem Leben gesehen und zu Recht vergessen hatte. Und meine sechs eigenen Kinder. Ha! Genau auf die hatte ich es abgesehen.

Ich habe meine Jungs sofort »geaddet« (man lernt heutzutage keine Freunde mehr kennen, man addet sie), dazu noch ihre Mitschüler, Kumpels, Freunde und deren Freundesfreunde. Anschließend habe ich ein paar schöne Fotos von meinen artigen Kindern hochgeladen. »Hochladen« ist wie Fotos in ein Album kleben, nur mit dem Unterschied, dass mein Album bei Facebook die ganze Welt sehen kann. Und die ganze Welt hat die Fotos gesehen: Jeremy 1995 auf Norderney, ohne Badehose! Ups, nach der Bildmitte zu urteilen, muss das Wasser sehr kalt gewesen sein – sehr, sehr kalt. Oder noch ein schöner Schnappschuss: Luki kotzt auf Mallorca vor eine Kneipe. Die Bildergalerie der Peinlichkeiten kannte keine Gnade, jeder meiner Jungs war mit mindestens einem Werk vertreten. Und schon kamen die Rückmeldungen aus aller Welt: Daumen hoch! Gefällt mir!

Das »Gefällt mir« ist auch so eine Erfindung von Facebook. Egal, was die Facebooker auf ihre Seite stellen, es kann von anderen Nerds mit zu viel Tagesfreizeit kommentiert werden. Mit einem Klick auf den Daumen-hoch-Button. Das ist besonders schön, wenn Menschen ernsthafte Artikel auf ihre Seite gestellt haben:

  • Immer mehr ältere Menschen leiden unter Demenz – Gefällt mir!
  • Seehundsterben in der Nordsee – Gefällt mir!
  • Radarfalle in der »Lindenstraße«, Bill Mockridge: Lappen weg – Gefällt mir!

Es dauerte keine zwei Minuten, da standen meine sechs Jungs vollzählig in meinem Arbeitszimmer.

»Dad! Wie konntest du das tun? Wir können uns nirgends mehr blicken lassen. Facebook ist nichts für alte Leute. Darüber macht man keine Witze … Schnell, Liam, zieh Dad den Stecker raus.«

Zu spät! Hehehehe, das Internet vergisst nie …


Facebook? Bei meinen Kindern kein Thema mehr. Und ich? Komplett süchtig! Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mindestens zehnmal auf meine Facebook-Seite gehe, um zu sehen, wer da was gepostet, geaddet oder sonst wie hinterlassen hat. Zum Beispiel jetzt:

Ha! 1568 Freunde! Wieder einer mehr. Mal sehen, wer das ist … Shinji Hakanato aus Tokio! Der hatte bis vor kurzem eine Sushi-Bar in Bonn. Toll, ich wollte schon immer, dass der mein Freund ist. Fast wäre ich sogar schon mal bei ihm essen gegangen. So, hier draufdrücken, bestätigen – und ab dafür!

Facebook ist so praktisch. Man kann auch prima Einladungen per Facebook verschicken. Genau, ich wollte ja noch Friedhelm für Samstag einladen, der ist ja auch bei Facebook. Friedhelm hat lieber virtuelle Freunde, echten traut er nicht – außer uns natürlich. Ich mache einen kanadischen Barbecue-Abend, nichts Großes, vier bis fünf Gäste, Elchsteaks und Bier.

So, die Einladung für Friedhelm habe ich geschrieben, hier draufdrücken – und ab dafür!

Oh, da kommt schon eine Antwort, der Friedhelm ist aber auf Zack!

Hallo Bill, danke für Einladung. Ich komme zufällig Deutschland. Ich freue! Esse aber nur Fisch, keine Elch.
 Grüße Shinji!

Hä? Wieso hat der … Ups, noch eine Nachricht:

Hi Bill, super! Die Reise ist vielleicht ein bisschen weit für ein Barbecue, aber wenn mein ehemaliger Lehrer ruft, bin ich natürlich am Start!
 Best regards,
 Doug Graham

Noch eine Nachricht … Und noch eine … Und … Au Backe! Ich habe beim Versenden der Nachricht nicht auf »Friedhelm« gedrückt, sondern auf »alle«! 1568 Einladungen.

Ich muss los. Erst zur Bank und dann noch ein paar Elchsteaks kaufen …

Top 10 – Senioricons

Das Internet und die Senioren – eine Beziehung mit vielen Missverständnissen. Doch nach und nach machen sich immer mehr ältere Menschen dieses Medium zu eigen, und immer mehr Internet-User der ersten Stunde vergreisen zunehmend. Zu den besonderen Erfindungen der Internetgemeinde gehören die »Emoticons«. Das sind Zeichenfolgen, kreiert aus normalen Satzzeichen (die Dinger auf ihrer Tastatur), mit denen man den Grundtypus eines Smileys darstellen kann. Damit versuchen Internet-Nerds, die kalte elektronische Welt mit einem Hauch von tiefen Gefühlen zu versehen. Das einfachste und bekannteste Emoticon geht so:


:-)


Damit Sie das fröhliche Gesicht des Smileys erkennen können, sollten Sie jetzt Ihr Buch um neunzig Grad nach rechts drehen. Falls Sie diese Zeilen gerade illegal veröffentlicht im Internet lesen, drehen Sie bitte Ihren Bildschirm auf die genannte Weise. Sie können auch einfach den Kopf um neunzig Grad nach links drehen, bis es knackt, und anschließend die Blockade vom Orthopäden Ihres Vertrauens lösen lassen. Natürlich erst, nachdem er Ihnen reflexartig die Einlagen für die Gesundheitsschuhe verschrieben hat.


Also, :-) bedeutet: Ich bin gut drauf, echt happy, ich könnte Bonsais ausreißen!

:-( hingegen bedeutet: Alles doof, ich gebe mir gleich die Kugel, und der Senf ist auch noch alle.


Aber jetzt schlagen die Senioren zurück! Seit einigen Monaten grassieren im Internet Emoticons, die die Befindlichkeit älterer User wiedergeben, unter dem trendigen Branding »Senioricons«. Das Ministerium für Chatten, Posten und Twittern, unter der Leitung von Guido Westerwelle, hat unlängst die zehn meistbenutzten Senioricons gelistet. Die möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:

10 :-$
Mein Zahnarzt hat mich beim neuen Gebiss übel abgezockt!
 
9 8=D – – – – – – – – – – – – – – – – –
Moment, muss dringend Wasser lassen …
 
8 :-}
Das kräuselt mir glatt das Nasenhaar!
 
7 /:=)
Früher war auch nicht alles schlecht!
 
6 :-))))))))
Mir ist heute mein achtes Kinn gewachsen!
 
5 :-p
Können Sie was am Zungenbelag erkennen, Herr Internet-Doktor?
 
4 .-)
Das Auge hab ich damals im Krieg verloren, damit ihr jungen Leute heute Internet habt!
 
3 :-€
Habe heute meinen ersten Rentenbescheid bekommen
 
2 O
Hab heute mein letztes Haar auf dem Schädel verloren!
 
1 §:-)
Ich habe ein neues Toupet!
Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig
titlepage.xhtml
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_000.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_001.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_002.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_003.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_004.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_005.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_006.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_007.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_008.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_009.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_010.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_011.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_012.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_013.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_014.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_015.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_016.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_017.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_018.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_019.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_020.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_021.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_022.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_023.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_024.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_025.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_026.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_027.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_028.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_029.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_030.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_031.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_032.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_033.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_034.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_035.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_036.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_037.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_038.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_039.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_040.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_041.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_042.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_043.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_044.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_045.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_046.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_047.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_048.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_049.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_050.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_051.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_052.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_053.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_054.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_055.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_056.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_057.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_058.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_059.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_060.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_061.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_062.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_063.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_064.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_065.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_066.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_067.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_068.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_069.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_070.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_071.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_072.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_073.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_074.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_075.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_076.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_077.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_078.html
CR!X85H31YYNS2H1CM1Q2ZG8KCA2N81_split_079.html