12. KAPITEL

 

Verdammter Lui! Jean-Luc hatte keinen Zweifel, dass dieser Bastard dahintersteckte. Die Erinnerung an den schreckensblassen Ausdruck auf Heathers Gesicht folterte ihn, während er zu ihrem brennenden Haus fuhr. Er hatte Heather selbst hinfahren wollen, aber der Sheriff hatte darauf bestanden, dass sie mit ihm kam. Also saß Jean-Luc auf dem Beifahrersitz seines BMW, denn Robby hatte angeboten, ihn zu fahren. Er war erst zweimal bei ihr zu Hause gewesen, und doch spürte er den Verlust. Für Heather musste es noch tausendmal schlimmer sein.

Ihr Leid schmerzte ihn viel mehr als sein eigenes halb zerstörtes Chateau in Frankreich. Er hatte es vor dreißig Jahren gekauft, damit er so tun konnte, als hätte er Wurzeln, die bis zu einer alten Adelsfamilie zurückreichten. Aber in Wahrheit hatte er nie eine Familie gehabt, und ein Haufen kalter Steine konnte niemals die Wärme und den Trost schenken, nach denen er sich sehnte.

Als sie durch das kleine Gewerbegebiet von Schnitzelberg fuhren, bemerkte Jean-Luc einige alte Gebäude, die mit Brettern vernagelt waren. »Diese Häuser könnten Steinkeller haben.«

»Aye«, antwortete Robby, »wir sollten sie uns ansehen.«

»Ihr glaubt, Lui könnte sich in einem von ihnen verstecken?«, erkundigte sich Ian vom Rücksitz des BMW. »Angus hat uns ein wenig von Lui erzählt.«

»Ja, was für ein mieser Kerl«, fügte Phineas MacKinney hinzu. »Hat alle deine Alten umgebracht, was?«

Jean-Luc drehte sich in seinem Sitz um und schaute nach hinten. Er kannte Ian schon seit Jahrhunderten. Der Vampir mochte wie 15 aussehen, aber er war viel älter. Angus hatte ihn bei der Schlacht von Solway Moss, 1542, verwandelt. Neben ihm saß ein großer schwarzer Mann mit dem irgendwie unpassenden Nachnamen MacKinney.

»Ich glaube, wir haben uns noch nicht kennengelernt. Ich bin Jean-Luc Echarpe.«

»Phineas heiße ich, aber du kannst mich Dr. Phang nennen.«

»Danke, dass Sie gekommen sind«, er wendete sich an den dritten Mann auf dem Rücksitz. »Sie gehören zu Romans Tagwache.«

Phil nickte. »Jetzt wo Connor und Roman weg sind, gibt es niemanden mehr, den ich tagsüber bewachen kann.« Der Sterbliche lächelte. »Aber irgendwer muss ja auf Sie aufpassen.«

»Du bist cool, Bruder«, verkündete Phineas.

Jean-Luc stimmte zu. Ein vertrauenswürdiger Sterblicher war schwer zu finden. Die Malcontents sahen Sterbliche als minderwertiges Vieh an, und es bereitete ihnen Freude, sich von ihnen zu nähren und sie zu töten. Die Vamps hatten sich ebenfalls von Sterblichen ernährt, bis Roman das synthetische Blut erfunden hatte, aber sie waren nie Mörder. In Wirklichkeit hatten sie versucht, die Sterblichen vor den Malcontents zu beschützen. Sie hatten im großen Vampirkrieg von 1710 Hunderte von ihnen umgebracht.

Aber jetzt verwandelte Casimir, der Anführer der Malcontents, Diebe und Mörder in Ihresgleichen, um die Reihen seiner Armee des Bösen zu stärken. Ihre Mission: Löscht die guten Vamps aus und terrorisiert die Menschenwelt.

Angus war 1710 der General der Vamps gewesen, und Jean-Luc sein Rangnächster. Angus hielt immer nach guten Vamps Ausschau, die er rekrutieren konnte. Vertrauenswürdige Sterbliche zu finden war noch schwieriger. Nur wenige Sterbliche waren Willens, ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, um Vampire zu beschützen. Phil war einer von ihnen.

»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte Jean-Luc ihm.

»Kein Problem. Aber zurück nehme ich ein Flugzeug.« Er warf einen misstrauischen Blick auf Ian. »Ich mag es nicht, mitzukommen, wenn du dich teleportierst. Ich weiß genau, dass ich eines Tages rematerialisiere, und mein Kopf sitzt falsch herum auf meinen Schultern.«

Ian lachte. »Angus überprüft immer, ob unter seinem Kilt noch alles Wichtige vorhanden ist.«

Robby räusperte sich, als er in Heathers Straße einbog. »Glaubst du, Lui hat das Feuer gelegt?«

»Ja.« Jean-Luc schloss seine Hände um den Messinggriff seines Stocks. »Als er mich vor zwei Nächten angegriffen hat, hat er gehört, wie ich Heathers Namen gerufen habe. Sie war einigermaßen sicher, bis er ihren Nachnamen herausgefunden hat und wo sie wohnt. Dieses Feuer ist seine Art, anzukündigen, dass er jetzt alles weiß.«

»Warum hat er sie nicht beim Stadtfest angegriffen?«, fragte Phil.

»Es macht ihm Spaß, Katz und Maus zu spielen. Er wird die Sache in die Länge ziehen, um mich ein bisschen länger foltern zu können.« Jean-Luc wurde von einer Welle aus Schuldgefühlen übermannt, als er den Feuerwehrwagen vor Heathers Haus entdeckte.

Eine Menschenmenge hatte sich auf der Straße versammelt. Der Wagen des Sheriffs, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, beleuchtete die Szene mit seinem Blaulicht. Heather war von den Neuigkeiten so überwältigt, dass sie nicht protestieren konnte, als Billy sie mit zu seinem Auto geschleift hatte.

Angus hatte um die Schlüssel zu ihrem Truck gebeten, damit er ihre Tochter und das Kindermädchen zum Haus fahren konnte. Heather hatte ihm die Schlüssel benommen übergeben, ohne weitere Fragen zu stellen. Erst nach einer gründlichen Untersuchung des Tracks auf jede Art von Sprengsatz, hatte er erlaubt, dass Emma, Bethany und Fidelia ihn bestiegen.

Robby verlangsamte den BMW auf Schritttempo, als er sich der Menschenmenge näherte. »Mrs. Westfield kann nicht in ihrem Haus bleiben.«

»Ich weiß.« Jean-Luc nickte. »Ich muss sie davon überzeugen, bei mir einzuziehen. Das ist der einzige Ort, an dem sie jetzt noch sicher ist.«

Sie parkten hinter dem Wagen des Sheriffs. Jean-Luc stieg aus und überblickte die Umgebung. In der Luft hing der schwere Geruch nach verbranntem Holz, aber es waren keine Flammen zu sehen. Die Feuerwehrleute hatten das Feuer bereits gelöscht.

Er klopfte mit dem Stock auf den Boden, während er die Menschenmenge betrachtete. Lui trieb sich vielleicht immer noch in der Nähe herum.

»Von vorn sieht das Haus in Ordnung aus«, stellte Robby fest. »Muss ein kleines Feuer gewesen sein.«

Es war in der Tat seine Handschrift. »Er hatte nicht vor, etwas zu zerstören, er wollte nur eine Nachricht hinterlassen.«

Angus parkte Heathers kleinen Pick-up hinter dem BMW. Emma, Fidelia und Bethany hatten sich alle hineingequetscht und stiegen jetzt aus. Der ängstliche Ausdruck auf dem Gesicht der Vierjährigen traf Jean-Luc wie ein Schlag in die Magengrube.

Angus ging auf seine Angestellten zu - Robby, Ian, Phineas und Phil. »Untersucht die Umgebung. Wenn Lui euch zum Kampf herausfordert, ruft nach Verstärkung.«

Die Wachen trennten sich schweigend.

Nun trat Angus zu Jean-Luc und gab ihm Heathers Schlüssel. »Emma und ich werden jetzt verschwinden. Es ist zu spät, um sich noch nach Budapest zu teleportieren, aber wir gehen heute Nacht nach New York und reisen dann morgen gen Osten.«

»Verstehe.« Jean-Luc steckte Heathers Schlüssel in die Tasche. Er kannte die Gefahren, die eine Reise in den Osten mit sich brachte. Ein Vampir konnte in Flammen aufgehen, wenn er sich aus Versehen in direktes Sonnenlicht teleportierte. »Ich hoffe, ihr findet Casimir.«

»Wir müssen ihn umbringen, ehe noch ein Krieg ausbricht.«

Jean-Lucs Brust zog sich zusammen. Er kannte Angus seit 1513, dem Jahr, in dem Roman sie beide verwandelt hatte. Beide waren für ihn die Brüder geworden, die er nie gehabt hatte. Wenn er sie verlor, wäre er wirklich allein. »Sei vorsichtig, mon ami.«

»Du auch.« Angus legte Jean-Luc eine Hand auf die Schulter. »Ich habe dich im Kampf immer bewundert. Du wirfst dich stark und furchtlos in die Schlacht.« Er warf einen Blick auf Heathers Haus. »Ich wünsche dir genau so ein Leben. Du verdienst es, glücklich zu sein.«

Jean-Luc nickte. Er verstand die unausgesprochene Botschaft. Angus war mit Heather einverstanden. Die wichtigere Frage war, ob Heather je mit ihm einverstanden sein würde. »Gott sei mit dir.«

»Und mit dir.« Angus drehte sich schnell um. Kein Zweifel, dass der große Schotte nicht mit Tränen in den Augen erwischt werden wollte. Er nahm Emmas Hand, und die beiden gingen die Straße hinunter.

Jean-Luc wusste, dass sie sich teleportieren würden, sobald sie einen abgeschiedenen Ort gefunden hatten. Eine kleine Hand schloss sich um seine, und als er hinabblickte, bemerkte er Bethany, die sich an ihm festhielt. Im anderen Arm hielt sie den gelben Bären. Er hatte drei Milchflaschenpyramiden schnell hintereinander zerschmettert, sodass der Verkäufer ihm nur zu gern den Bären überließ, damit sein Milchflaschenlager nicht vollkommen zerstört wurde.

»Hier sind zu viele Leute. Ich kann nichts sehen«, flüsterte das kleine Mädchen. »Ist mein Haus noch da?«

»Ja, und es sieht von vorne ganz gut aus. Das Feuer ist schon gelöscht.«

Ihre Unterlippe bebte. »Ich will meine Mama.«

Ich will sie auch. »Wir finden sie.« Er führte Bethany durch die Menge.

»Was meinen Sie, wer das Feuer gelegt hat?«, fragte Fidelia, die sich neben ihnen einreihte. »War es dieser fiese Kerl Louie?«

»Ich glaube schon.«

»Ich hätte zu Hause bleiben sollen. Er wäre jetzt mit Blei gefüllt, wenn ich ihn erwischt hätte.« Sie tätschelte ihre Handtasche.

Bethany blieb stehen und zog an Jean-Lucs Hand. »Ich will nicht, dass meinen Puppen wehgetan wird.«

Seine Kehle zog sich zusammen, als er sah, wie ihr eine Träne die Wange herunterlief. Er ging vor ihr in die Hocke. »Wenn irgendetwas verlorengeht, werde ich es ersetzen.«

Ihre grünen Augen waren genau wie die ihrer Mutter. Doch Heathers Augen konnten vor Wut aufblitzen, belustigt funkeln oder hart werden, wenn sie misstrauisch wurde. Bethanys Augen standen einfach weit offen, nichts weiter als sorgenvoll und liebebedürftig. Tief in sich spürte er, wie sein Herz darauf reagierte. Fühlte es sich so an, Vater zu sein? Mon Dieu, das war ein Gefühl, mit dem er nie mehr gerechnet hatte. Es war... merkwürdig.

Er hatte immer geglaubt, dass es beim Elternsein in erster Linie um Schutz und Pflicht ging. Er hatte nicht erwartet, dass dazu auch eine solche... Zärtlichkeit gehörte. Er war sich nicht sicher, ob es ihm gefiel. Es fühlte sich verdammt verletzlich an. Wenn diesem kleinen Mädchen etwas geschah, wie konnte er dann noch mit sich selbst leben?

»Alles wird gut.« Er wischte ihre Träne mit dem Daumen weg und hoffte, er klang überzeugend.

Er richtete sich auf und führte sie durch die Menge.

»Mama!« Bethany riss sich von ihm los und rannte nach links. Der kleine Grüne Bär fiel aus ihrer Tasche auf die Straße.

Heather stand etwa zehn Meter entfernt und sprach mit dem Sheriff. Sie drehte sich nach der Stimme ihrer Tochter um und öffnete die Arme.

»Mama, geht es meinem Spielzeug gut?« Bethany sprang in die Arme ihrer Mutter.

Heather richtete sich auf und hielt ihre Tochter dabei fest. »Es ist alles okay, Liebes. Das Feuer ist nicht bis zu deinem Zimmer gekommen.« Ihr Blick begegnete kurz Jean-Lucs, dann sah sie fort.

Der Schmerz, den er darin erkannte, schnitt ihm ins Herz. Er hob den kleinen Bären auf und ging auf sie zu. »Es tut mir so leid.«

»Warum?« Billy sah ihn misstrauisch an. »Hatten Sie damit etwas zu tun?«

»Natürlich nicht«, mischte Heather sich ein. »Er war mit uns beim Stadtfest.«

»Er könnte jemanden bezahlt haben, es zu tun«, murmelte Billy. »Er hat irgendetwas vor, das rieche ich.«

»Ich habe gleich was mit dir vor«, knurrte Fidelia und drückte ihre Handtasche gegen ihre Brust.

»Wie groß ist der Schaden am Haus?« Jean-Luc gab Fidelia den kleinen grünen Bären, damit sie ihn aufbewahrte.

»Wir hatten Glück.« Heather setzte Bethany wieder ab. »Wir haben nur die Küche im hinteren Teil verloren. Mein Vater hat sie vergrößert, als ich noch klein war, deshalb stand hinten am Haus ein Teil vor. Der ist größtenteils verschwunden, aber der Hauptteil des Hauses ist noch in Ordnung.«

»Du hast Glück, so eine neugierige Nachbarin zu haben.« Billy deutete auf das Haus rechts von ihrem. »Thelma hat gesehen, wie sich ein fremder Mann hinten an Heathers Haus herumgetrieben hat. Sie war bereits dabei, den Notruf zu informieren, als das Feuer ausgebrochen ist.«

Jean-Luc hatte keine Zweifel daran, dass der Mann Lui gewesen war. »Hat sie den Mann beschrieben?«

»Warum wollen Sie das wissen, Mr. Sharp?« Billy starrte ihn vernichtend an. »Kennen Sie ihn?«

Jean-Luc wurde zusehends nervös. »Ich würde Heather oder ihrer Familie nie Leid zufügen.«

»Na, irgendwer hat es aber getan«, fauchte Billy giftig. »Hast du irgendwelche Feinde, Heather? Noch irgendwelche anderen Liebhaber?«

»Nein.«

»Schüler verärgert?«

»Nein.«

Billy stellte sich auf seine Absätze. »Ich nehme an, es könnte dein Ex gewesen sein. In letzter Zeit hat Cody sich sehr merkwürdig benommen.«

Während Heather ihre Tochter an sich zog, starrte sie Billy wütend an. »Jetzt ist nicht die richtige Zeit, das zu besprechen.«

»Fürs Erste wird dein Haus abgesperrt. Niemand darf mehr rein.«

Heather sah ihn fassungslos an. »Aber unsere Sachen...«

»Niemand darf rein«, wiederholte Billy. »Der Tatort darf nicht verunreinigt werden.«

»Das ist lächerlich«, entgegnete Heather. »Das Verbrechen ist in der Küche passiert. Wir könnten durch die Eingangstür und direkt rauf in die Schlafzimmer gehen.«

»Ich will mein Spielzeug«, wimmerte Bethany und drückte ihren großen gelben Bären an sich.

Billy zeigte mit einem Finger auf Heather. »Du gehst da nicht rein. Letztes Wort.«

Wütende Röte überzog Heathers Wangen.

»Keine Sorge«, versicherte ihr Jean-Luc. »Ich kümmere mich darum, dass ihr alles habt, war ihr braucht.«

»Ich kann dich doch nicht so viel bezahlen lassen.« Sie drehte sich um und starrte Billy an. »Wann können wir wieder ins Haus?«

Gelangweilt zuckte er mit den Schultern. »Könnte ein paar Wochen dauern. Oder Monate. Ich stelle einen Hilfssheriff ab, damit keiner an euer Zeug geht. Könnt ihr irgendwo bleiben?«

Seufzend gab Heather sich geschlagen. »Ich überlege mir schon etwas.«

»Du bleibst bei mir«, verkündete Jean-Luc. »Ich habe ein Gästezimmer, das dir zur Verfügung steht, solange du willst.«

Billy kniff die Augen zusammen. »Gehört Ihnen nicht diese schicke Boutique am Stadtrand?«

»Ja. Le Chique Echarpe.«

»Wie auch immer«, murmelte Billy. »Dann wohnen Sie auch in dem Laden?«

»Fürs Erste, ja.«

»Entschuldigen Sie uns einen Augenblick.« Billy griff sich Heathers Arm und zog sie einige Meter weg.

Jean-Luc legte eine Hand auf Bethanys Schulter, damit sie ihrer Mutter nicht hinterherlief. Er drehte sich zum Haus um, aber Billys geflüsterte Worte konnte er immer noch hören.

»Ich weiß nicht warum, aber der Kerl ist hinter dir her, Heather. Er könnte das Feuer gelegt haben, damit du gezwungen bist, bei ihm einzuziehen.«

»Das würde er nicht tun«, murmelte Heather.

»Woher willst du das wissen? Wie lange kennst du den Typen schon?«

Heather seufzte. »Seit Freitag.«

»Und du willst bei ihm einziehen? Ich hätte nicht gedacht, dass du so dumm bist.«

Jean-Luc umklammerte den Messinggriff seines Stocks. Er hatte genug. Er marschierte zu den beiden.

»Vertraust du ihm wirklich?«, fragte Billy.

Jean-Luc blieb stehen und hielt den Atem an, während er auf Heathers Antwort wartete.

»Ja«, flüsterte sie. »Das tue ich.«

Das war genau, was er zu hören gehofft hatte, dennoch durchfuhr es ihn wie ein kleines Beben. Sie drehte sich um und sah ihm in die Augen. Ein zögerliches Lächeln zog an ihren Mundwinkeln, aber in ihren Augen blieb Misstrauen zurück. Sie mochte sagen, dass sie ihm vertraute, aber er hatte dennoch das untrügliche Gefühl, dass sie damit nicht vollkommen glücklich war. Er würde vorsichtig weitermachen müssen. Wenn sie die Wahrheit über ihn zu bald herausfand, könnte er sie ganz verlieren.

Heather war einzigartig. Er war sich nicht sicher, was es genau war, vielleicht eine Mischung aus verschiedenen Dingen. Ihre Haare und ihr Gesicht waren wunderschön, aber das lief ihm in seinem Beruf häufiger über den Weg. Sie hatte einen Körper, der ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Er wollte jeden Zentimeter ihrer Haut anknabbern.

Dennoch waren seine Gefühle mehr als einfache Lust. Es gefiel ihm, wie sie sprach, wie ihr Verstand arbeitete, er mochte ihren Sinn für Humor und ihr Mitgefühl. Er mochte einfach alles an ihr. Es war so simpel, und doch fühlte es sich weltbewegend an.

»Kommst du mit mir nach Hause?«

Sie sah in seine Augen, und ihr Gesichtsausdruck wurde weicher. »Ja. Lass mir nur eine Minute Zeit.«

Billy streckte die Hand nach Heathers Arm aus und verzog das Gesicht, als sie ihn wegzog. »Ich komme morgen vorbei, um sicherzugehen, dass es dir gut geht.« Er warf Jean-Luc einen warnenden Blick zu.

»Sie ist bei mir sicher.« Er berührte ihre Schulter. Glücklicherweise wich sie nicht zurück.

Augenblicklich drehte Billy sich um und stapfte durch Heathers Vorgarten. Er brüllte nach einem Hilfssheriff, der ihm Absperrband bringen sollte.

»Ich glaube einfach nicht, dass das hier wirklich passiert«, flüsterte Heather, als sie anfingen, das gelbe Band um ihre Veranda zu wickeln. »Wir haben nicht mal was zum Anziehen.«

»Du hast Glück. Ich stelle zufällig Kleidung her.«

Zweifelnd betrachtete sie ihn. »Hast du Designeroutfits, die mir oder Bethany passen würden? Oder Fidelia?«

Beim Anblick der älteren Frau kam er ins Grübeln. Sie war fast so breit, wie sie hoch war. »Ich entwerfe auch Bettwäsche.«

Heather rollte mit den Augen. »Der Toga-Look dürfte nach ein paar Tagen seinen Reiz verlieren. Ich fahre beim Lagerverkauf vorbei und nehme da ein paar Sachen mit. Der hat zum Glück rund um die Uhr geöffnet.«

»Ich fände es schöner, wenn du etwas wirklich Gutes hättest.«

»Das ist alles, was ich mir im Moment leisten kann.«

»Du wirst nicht dafür bezahlen.« Er deutete auf ihr Haus. »Daran bin ich Schuld.«

»Du hast das Feuer nicht gelegt.«

»Ich weiß, wer es getan hat.«

Sie riss ihre Augen weit auf. »Bist du sicher, dass er es war?«

»Ja. Das ist Luis kranke Art, uns mitzuteilen, dass er deine Identität kennt.«

Einen kurzen Augenblick blitzte Panik in ihrem Gesicht auf, ehe sie sich wieder unter Kontrolle bekam. »Das hatte ich befürchtet.«

»Dann ist dir vollkommen klar, in welcher Gefahr du dich befindest. Lui wird beim nächsten Mal etwas noch Schlimmeres versuchen.«

»Deshalb bin ich verzweifelt genug, um bei dir einzuziehen.«

»Ich dachte, du vertraust mir.«

Das alles kostete so unglaublich viel Nerven. »Habe ich denn jetzt noch eine andere Wahl?«

Das tat weh. »Du kannst mir vertrauen, Heather. Ich verspreche, ich beschütze dich und Bethany.«

Forschend blickte sie ihm in die Augen. »Ich will dir vertrauen. Ich glaube, ich vertraue dir wirklich, aber das geht alles so schnell. Der Bär, den du für meine Tochter gewonnen hast - das war wirklich nett, so ziemlich das netteste, was je ein Mann für uns getan hat.«

»Danke.« Er trat näher zu ihr. »Der Kuss war auch nicht so schlecht.«

Ihre Wangen röteten sich zart, und sie wendete ihren Blick ab. »Normalerweise mache ich nicht... Ich weiß nicht, was...«

Er legte einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Ihr Blick wanderte hoch bis zu seinem Kinn und blieb dort haften. »Du musst mir etwas versprechen.«

Heather hob ihren Blick und sah ihm in die Augen. »Was?«

»Du darfst das Studio nie ohne eine Leibwache verlassen. Das Gleiche gilt für Fidelia und Bethany. Ihr müsst zu jeder Zeit geschützt sein.«

»Das können wir tun.«

»Und du musst meinen Befehlen gehorchen, ohne zu zögern.«

Das hörte sich gar nicht gut an. »Ich werde nicht zulassen, dass irgendwer mich kontrolliert.«

»Ich will dich auch nicht kontrollieren. Ich will, dass du am Leben bleibst.«

Sie biss sich auf die Unterlippe. »Na ja, dagegen habe ich natürlich auch nichts.«

»Gut. Wenn Lui angreift, bleibt keine Zeit für Widersprüche. Du musst tun, was ich sage.«

Ein Schauder durchlief ihren Körper. »Du hast vor, ihn umzubringen, richtig?«

»Ich habe keine Wahl. Entweder er oder wir.«

»Zum ersten Mal bin ich froh, dass Fidelia diese ganzen Waffen mitschleppt.«

»Ich nehme euch jetzt mit zum Einkaufen. Mein Auto steht da drüben.« Er zeigte auf seinen BMW.

Jetzt galt es, klar und vorausschauend zu planen. »Wir brauchen nur wenige Dinge. Etwas Kleidung und Malbücher für Bethany, damit sie beschäftigt ist. Sie dreht vielleicht durch ohne ihr Spielzeug.«

»Wirklich?«

»Hast du schon mal eine Vierjährige gesehen, die nichts zu tun hat? Das ist kein schöner Anblick.«

»Oh.« Er warf einen Blick auf das Haus, das jetzt vollkommen mit gelbem Absperrband abgesperrt war. Ein Hilfssheriff stand auf der Verandatreppe. »Keine Sorge. Ich kümmere mich darum.«

»Wie?«

»Vertrau mir.« Er zeigte auf seinen BMW. »Wartet im Wagen. Er ist nicht abgeschlossen. Ich bin gleich bei euch.«

»Was ist mit meinem Truck? Meine Handtasche war noch drin.«

»Ich habe die Schlüssel. Robby bringt ihn später zum Studio.«

»Okay.« Sie ging hinüber zu Bethany und umarmte sie. Während sie mit Fidelia sprach, schickte Jean-Luc eine telepathische Nachricht an Robby, Ian, Phineas und Phil.

Wir treffen uns bei Heathers Wagen. Wenn ihr Phil seht, bringt ihn auch mit. Er war sich nicht sicher, wie gut der sterbliche Wachmann mentale Nachrichten empfangen konnte.

Robby tauchte als Erster auf. Jean-Luc gab ihm die Schlüssel zu Heathers Wagen mit der Anweisung, ihn zum Studio zu fahren. Ian, Phineas und Phil schlössen sich ihnen bald an.

»Kein Anzeichen von Lui?«, erkundigte sich Jean-Luc.

»Nay«, antwortete Ian. »Es würde helfen, wenn wir wüssten, wie er aussieht.«

»Ich habe noch nie erlebt, dass er zweimal gleich ausgesehen hat. Aber ich erkenne seine Stimme. Und seine Augen. Sie sind schwarz mit einem merkwürdigen Leuchten. Man kann den Hass spüren, aber da ist noch etwas anderes, etwas... nicht ganz Richtiges.«

»Also ist der Typ ein Psycho«, bemerkte Phineas.

»Und sehr gefährlich«, fügte Robby hinzu. Er deutete auf die Menschenmenge. »Diese Leute sind sterblich. Man kann den Unterschied riechen.«

Phil lachte. »Willst du sagen, dass wir stinken?«

Robby grinste. »Einige mögen das sagen, aber ich nicht. Ich finde, Sterbliche riechen... süß.«

»Ich bin so was von nicht geschmeichelt«, erwiderte Phil kopfschüttelnd.

Phineas saugte die Luft ein und sah den Sterblichen neugierig an. »Du riechst irgendwie anders, Alter.«

Während Phils Lächeln verblasste, tauschte er einen misstrauischen Blick mit Robby. Jean-Luc runzelte die Stirn. Er spürte etwas Unterschwelliges, zu dem ihm der Zugang verwährt war, aber jetzt war nicht der richtige Augenblick, um das zu besprechen. Er bat Phil, sie beim Einkaufen zu begleiten, und erklärte den drei Vampiren dann ihre Undercover-Mission. »Schafft ihr das?«

»Aye, das ist der reinste Spaziergang«, antwortete Robby. »Wir sehen euch dann später.«

Erleichtert stellte Jean-Luc fest, dass Heather und ihre Familie auf dem Rücksitz seines BMW saßen. Er setzte sich hinters Lenkrad.

Phil machte es sich im Beifahrersitz bequem und drehte sich dann zu den Frauen um. »Ich bin Phil Jones. Ich beschütze Sie tagsüber.«

»Nett, Sie kennenzulernen«, murmelte Heather.

»Hola, Felipe«, sagte Fidelia mit rauchiger Stimme.

Phil drehte sich schnell wieder nach vorn.

Beim Lagerverkauf wurde Phil mit Fidelia geschickt, während Jean-Luc auf Bethany und Heather aufpasste.

In der Kinderabteilung suchte Heather einige T-Shirts und Shorts aus dem Regal aus, in dem alles um die Hälfte reduziert war. Je mehr sie versuchte, ihm Geld zu sparen, desto verärgerter wurde Jean-Luc. Als er das beste Kinderkleid im Laden entdeckte, warf er es in den Einkaufswagen.

»Sie hat zu Hause genug schöne Kleider«, widersprach Heather.

»Du hast gesagt, du würdest mir nicht widersprechen.«

Sie schnaubte. »Das war für Zeiten, in denen wir wirklich in Gefahr sind.«

»Das könnten wir auch jetzt sein. Vielleicht versteckt sich Lui in der Spielzeugabteilung, während wir uns hier unterhalteten.«

»Das werden wir ja sehen.« Sie schob den Wagen zum Spielzeug. Eines der Räder quietschte mit jeder Drehung nervenaufreibend.

Jean-Luc ging hinter ihr her. Sein Stock klopfte auf dem Linoleumfußboden, und er sah sich wachsam um. Es waren kaum noch Leute im Laden.

Bethany sprang hüpfend herum und drückte den gelben Bären an sich. Plötzlich blieb sie mit großen Augen stehen. »Guck mal, Mama. Die Barbie da hat ein Krokodil.«

Heather drehte sich um und suchte einige Malbücher aus. »Du hast jede Menge Barbies zu Hause.«

»Aber keine, die Krokodile jagt.« Jean-Luc warf sie in den Wagen.

»Juhu!« Bethany war begeistert.

Doch Heather wirbelte herum und blickte ihn vernichtend an. »Das war meine Entscheidung.«

Sie hatte recht, aber es war eine so überraschende Erfahrung, wie glücklich es ihn machte, das kleine Mädchen vor Freude tanzen zu sehen. Er trat von einem Fuß auf den anderen und blickte schuldbewusst nach unten. »Ich werde versuchen, mich zu beherrschen.«

Heathers Mundwinkel zuckten. »Ist es so schwer? Ich schwöre, wenn du Kinder hast, wirst du sie bis ins Mark verwöhnen.«

Sein Herz erstarrte für eine Sekunde. Er konnte keine Kinder bekommen. Im Augenblick zwischen Tod und Verwandlung starb der Samen des Vampirs. Jede Nacht erwachte das Herz bei Sonnenuntergang wieder zum Leben, das Blut rauschte durch die Adern, und der Verstand schnellte zurück ins Bewusstsein. Aber der Samen blieb tot.

Roman, der ein ausgezeichneter Wissenschaftler war, hatte einen Weg gefunden, dieses Hindernis zu überwinden. Er hatte lebendiges menschliches Sperma genommen, die DNS des Spenders gelöscht und seine eigene dafür eingesetzt. Shanna war bereits schwanger, als Roman plötzlich ein Problem bewusst wurde. Die DNS eines Vampirs entsprach nicht exakt der eines Sterblichen. Roman hatte mit der Angst gelebt, was er Shanna angetan haben könnte, aber nach neun Monaten hatte sie einen gesunden Jungen ohne Fangzähne und mit einem gesunden Appetit auf die Milch seiner Mutter zur Welt gebracht.

Mit einem Mal wurde Jean-Luc klar, dass er doch Kinder haben konnte. Mit Romans Methode konnte er Vater werden. Sein Blick blieb auf Heather ruhen, und er stellte sich vor, wie in ihr sein Kind heranwuchs.

»Stimmt etwas nicht?«, fragte sie.

»Nein. Alles in Ordnung.« Aber das war es natürlich nicht. Jetzt, da die Saat in seinen Gedanken gesetzt war, wuchs bereits der Keimling Hoffnung.

Er hatte Roman um seine liebende Frau und seinen anbetungswürdigen Sohn beneidet. Es war Jean-Luc nie in den Sinn gekommen, dass auch er eine Familie haben könnte. Lui war ihm dabei immer im Weg gewesen, hatte als versteckte Bedrohung in den Schatten gelauert. Aber das erneute Auftauchen des Attentäters konnte ein verborgener Segen sein. Endlich würde Jean-Luc Gelegenheit haben, ihn loszuwerden. Und das eröffnete ihm die verschiedensten neuen Möglichkeiten.

»Du hattest eben einen komischen Ausdruck im Gesicht.« Heather legte eine Schachtel Buntstifte in den Einkaufswagen. »Ich dachte, du bist vielleicht wütend.«

»Ich bin wütend auf Lui und entschlossen, ihn endlich zu besiegen.«

Heather schob den Einkaufswagen in die Damenabteilung weiter. »Ich bin bloß froh, wenn endlich wieder alles normal ist.«

Normal? War es das, was sie wollte? Seine Vision der Zukunft geriet ins Wanken. Wie konnte er Heather davon überzeugen, einen Vampir zu heiraten und ein Kind mit mutierter DNS auszutragen? Das war nicht gerade der amerikanische Traum.

Und wollte er das überhaupt? Er fühlte sich zu Heather hingezogen, aber waren seine Gefühle echt oder bloß eine Reaktion auf die Gefahr, in der sie sich befanden? Konnte er für sie die Art von Liebe empfinden, die Jahrhunderte überdauerte? Konnte er mit einer Sterblichen verheiratet sein?

War es fair, Heather an einen Mann zu binden, der den Tag über tot war? Finanziell konnte er sie großzügig unterstützen, aber er würde jeden Tag des Familienlebens nicht erreichbar sein.

Trotzdem, Roman und Shanna schienen sehr glücklich zu sein. Jean-Luc wollte auch so ein Glück. War Heather dafür die Richtige?

Als er bemerkte, wie sie die billigsten Artikel des Damensortiments auswählte, zog er die Brauen zusammen. Er musste sich jedenfalls keine Sorgen darüber machen, dass sie ihm Schulden aufhalste. Aber sie verdiente so viel mehr als das. Er würde eine eigene Auswahl für sie treffen, wenn sie in seinem Studio waren.

»Muss ich mich für die Arbeit aufbrezeln?«, fragte sie.

»Nein. Tagsüber bist du allein, bis auf Alberto und die Wachen.«

Sie sah ihn neugierig an. »Und wann arbeitest du?«

»Nachts. Jetlag. Ich habe mich noch nicht umgewöhnt.« Es war erbärmlich, sie anlügen zu müssen. »Außerdem ist meine kreative Phase immer nachts.« Das stimmte immerhin. Tagsüber konnte er noch nicht einmal einen Herzschlag produzieren.

Scheinbar verwirrte sie sein Zeitplan, ihr Stirnrunzeln ließ das jedenfalls vermuten. »Wie viele Stunden pro Woche soll ich arbeiten?«

Er zuckte mit den Schultern. »Darüber müssen wir uns jetzt keine Gedanken machen. Wenn du gar nicht arbeiten willst, würde ich das auch verstehen. Du kannst den Rest der Woche freinehmen, wenn du möchtest.«

»Das ist sehr nett, aber ich glaube, ich würde mich lieber beschäftigen.«

Er nickte. »Unsere erste Priorität ist deine Sicherheit. Die zweite ist es, Lui aufzuhalten. Die Modewelt kann eine Weile ohne uns auskommen.«

»Verstehe.« Als sie sich umdrehte, um ein Regal Jeans durchzusehen, nahm er den billigen BH, den sie in den Einkaufswagen gelegt hatte, und sah sich schnell die Größe an. C-Körbchen. Er musste unwillkürlich lächeln.

Bethanys Kichern verriet ihn, und Heather drehte sich um und erwischte ihn mit ihrem BH in der Hand.

Sie hob ihre Augenbrauen. »Gibt es ein Problem?«

Schnell ließ er den BH fallen. »Non. Es ist eine sehr gute Größe.«

Ihre Wangen wurden rot. »Ich muss dringend fünf Kilo abnehmen. Eigentlich zehn.«

»Heather...«

»Ich bin die letzten fünf Kilo Babyspeck einfach nicht losgeworden...«

»Heather, ich finde...«

»Und dann habe ich noch fünf zugenommen, weil ich mich während er Scheidung mit zu viel Schokolade therapiert habe.«

»Heather, ich finde, du bis perfekt, so, wie du bist.«

Sie wurde noch röter. »Das sagst du nur so.«

»Weil es stimmt, ja.«

»Aber deine Entwürfe sind alle für dünne Models.«

Es schien ihm wirklich nicht viel zu bedeuten. »Weil die Leute erwarten, dünne Models auf dem Laufsteg zu sehen. Das bedeutet nicht, dass ich sie so bevorzuge. Ich mag dich, Heather. Ich dachte, das hätte ich heute Abend klar zum Ausdruck gebracht.«

Ein Paar Jeans flogen in den Einkaufswagen, dann drehte sie sich weg von ihm. Es fiel ihr schwer, Komplimente zu akzeptieren. »Du sprichst nicht einmal meinen Namen richtig aus. Bethanys auch nicht.«

Er lächelte. Sollte das etwa eine Herausforderung sein? »Du sagst meinen auch nicht richtig.«

»Tue ich wohl.« Als Nächstes wählte sie ein einfaches grünes T-Shirt. »Aber Jean-Luc gefällt mir besser als Jean. Jean ist so schlicht, aber Jean-Luc ist mächtig und sexy und... kapitänisch.«

Mächtig und sexy gefiel ihm. »Was soll kapitänisch heißen?«

»Wie ein Raumschiffskapitän. Du bist wie Captain Jean-Luc Picard. » Sie schenkte ihm ein Lächeln. »Du bist daran gewöhnt, Befehle zu geben.«

»Du sagst es wie John-Luke.«

»Na ja, so heißt du ja auch.«

»Nicht auf Französisch. Du solltest es aussprechen, wie die Franzosen es tun.«

»Ach, wirklich?« Sie legte eine Hand in die Hüfte und verlagerte ihr Gewicht auf einen Fuß. »Erleuchte mich.«

»Wie du wünschst.« Er trat näher zu ihr. »Erstens sprechen wir das N in Jean nicht aus.«

»Wie faul von euch.«

Er hob eine Augenbraue. »Das N bedeutet, dass das A nasal ausgesprochen wird. Jean. Versuch es.«

Sie runzelte ihre Nase und sprach das nasalste A aus, das er je gehört hatte. »War das französisch genug für dich?« Sie lächelte süß.

Er unterdrückte ein Lachen. »Noch nicht. Da wäre noch das Luc.«

»Luke.«

»Non. Luc mit französischem U.«

»War das ein Vokal oder hast du an einer Zitrone genuckelt?«

Er lachte. »Komm schon, versuch es einfach.«

»Ich wüsste nicht, wie ich so ein merkwürdiges Geräusch produzieren soll.«

»Es ist ganz leicht, Chérie.« Er hob ihr Kinn mit einem gekrümmten Finger. »Zieh einen Schmollmund.«

Ihre Wangen wurden rot. »Ich werde nicht mitten in einem Geschäft einen Schmollmund ziehen. Schon gar nicht vor meiner Tochter.«

»Wovor hast du Angst?« Er fuhr mit dem Daumen über ihre Lippen. »Ich dachte, du vertraust mir.«

Bethany kicherte. »Mach schon, Mama!«

Mit einem Schnaufen trat sie einen Schritt zurück. »Das ist doch eine Verschwörung.«

Jean-Luc zwinkerte ihrer Tochter zu. »Bethany ist ein sehr kluges Mädchen.«

»Bin ich!« Sie sprang herum und schenkte ihm ihr schönstes Lächeln.

Ein strafender Blick von Heather blieb nicht aus. »Du sprichst unsere Namen auch immer noch nicht richtig aus.«

Er wusste, dass sein TH falsch klang. Es war ein typisches Problem, weil es den Laut im Französischen nicht gab. Dennoch konnte er es nicht lassen, sie anzustacheln. Er wiederholte ihre eigenen Worte. »Erleuchte mich.«

»Es ist eigentlich ganz einfach. Sieh mir zu. Siehst du, wie die Zunge gegen die oberen Vorderzähne stößt?« Sie zeigte es ihm.

So nah wie möglich beugte er sich zu ihr, um ihren Mund zu betrachten. »Ich verstehe.«

»Jetzt versuch es. Zunge gegen die Vorderzähne.«

Er streckte seine Zunge aus und zog sie mit einer schnellen Bewegung an sich, um ihre Zähne mit seiner Zunge zu berühren.

»Aaah.« Sie löste sich von ihm. »Deine Zähne, nicht meine!«

Bethany brach in lautes Kichern aus.

Jean-Luc trat mit einem unschuldigen Blick zurück. »Das muss ich missverstanden haben.«

»Ja, klar.« Wütend starrte sie ihn an, aber dann begannen ihre Mundwinkel zu zucken. Sie sah mit einem Grinsen zur Seite. »Du bist unmöglich.«

Er lächelte. »Aber du magst mich trotzdem noch?«

»Ja. Ich muss den Verstand verloren haben.«

Bethany drückte ihren gelben Bären an sich. »Ich mag dich auch.«

Eine wohlige Wärme machte sich in Jean-Lucs Brustkorb breit. Hier, in diesem gottverlassenen Billigladen, weit weg von der glamourösen Modewelt, erlebte er eine der schönsten Nächte seines langen Daseins.