3. KAPITEL

 

Jean-Luc hatte erwartet, dass ihre Reaktion unterhaltsam ausfallen würde, und er wurde nicht enttäuscht. Heathers Mund stand offen. Ihre bezaubernden grünen Augen hatte sie vor Schreck weit aufgesperrt. Alles Blut war ihr aus dem Gesicht gewichen, und sie wurde so blass, dass sogar ihre Sommersprossen Farbe verloren.

Er grinste. So viel Spaß hatte er seit Jahren nicht mehr gehabt. Sie öffnete und schloss ihren hübschen Mund, aber keine Worte kamen heraus, sodass sie an einen Fisch erinnerte. Einen bezaubernden Fisch.

Er neigte den Kopf. »Wie meinen?«

Es gelang ihr, sich ein ersticktes Quietschen abzuringen. »Wie können Sie - ich - ich dachte, Sie wären richtig alt.«

Er hob eine Augenbraue.

»Ich meine... oh Gott, es tut mir leid.« Sie strich ihre schweren Locken zurück. Ihre Handtasche fiel auf den Boden. »Ach, Mist.«

Er beugte sich vor, um sie aufzuheben.

»Nein, ich mach das schon.« Sie griff so schnell nach ihrer Handtasche, dass sie taumelte, als sie sich aufrichtete.

Er streckte die Arme aus, um sie aufzufangen.

»Es geht mir gut.« Sie griff nach einer Reihe Kleidungsstücke, um sich zu fangen. Unglücklicherweise teilte sich der Stoff wie das rote Meer, und sie fiel. »Aaah!«

»Ich habe Sie!« Er griff nach ihrem Ärmel. Ratsch.

Sie krachte auf den Boden, und er hielt ihren Ärmel in der Hand. Merde.

Er beugte sich über sie. »Geht es Ihnen gut?« Ihr Rock war hochgerutscht und gab den Blick auf ihre wohlgeformten Beine frei. Er konnte nicht anders, als sich vorzustellen, wie sich diese Schenkel um seine Hüften schlangen. Oder um seinen Hals.

»Sind Sie wirklich Jean-Luc Echarpe?«, fragte sie.

» Oui. »

Sie stöhnte und verbarg ihr Gesicht in den Händen. »Haben Sie einen Keller, in dem ich mich für die nächsten fünfzig Jahre verkriechen kann?«

Den hatte er tatsächlich, und er war kurz davor, sie dorthin einzuladen. Sie würde sein langes Exil mit Sicherheit erleichtern. Aber er hatte nicht das Recht, nur zu seinem eigenen Vergnügen eine Sterbliche einzusperren.

Er setzte sich auf den Boden neben sie. »Es gibt keinen Grund, sich zu schämen.«

»Ich will im Boden versinken! Bringen Sie mich einfach um.«

Sein leises Lachen war atemberaubend. »Das habe ich vorhin auch schon gesagt. Wir sind beide zu melodramatisch, non}«

»Ich habe schreckliche Dinge über Sie gesagt.« Sie ließ ihre Hände sinken. »Es tut mir wirklich leid.«

»Entschuldigen Sie sich nicht für Ihre Ehrlichkeit. Das gefällt mir. In diesem Geschäft sind die wenigsten Menschen ehrlich.«

Sie setzte sich auf und zuckte zusammen, als sie ihren Rock bemerkte. Sie zog ihn eilig wieder über ihre Beine. »Ich verstehe nicht, wieso sie so gut... jung aussehen. Sie haben für Leute wie Marilyn Monroe Kleider entworfen.«

Hatte sie ihn fast gut aussehend genannt? Sein Lächeln verdüsterte sich, als ihm auffiel, dass er jetzt anfangen musste zu lügen. Mist. Sie war so ehrlich zu ihm. »Ich bin der... Sohn des ersten Jean-Luc Echarpe. Sie können mich Jean nennen, damit Sie mich nicht mit meinem Vater verwechseln.«

»Oh. Toll, dass Sie sein Talent geerbt haben.«

Jean-Luc zuckte mit den Schultern. Er hasste es, jemanden zu hintergehen. Deshalb bevorzugte er normalerweise die Gesellschaft von Vampiren. Jede Beziehung mit Sterblichen erforderte eine gewisse Anzahl an Lügen, besonders jetzt, wo er sich verstecken musste. Er reichte Heather ihren Ärmel. »Tut mir leid, dass er abgerissen ist.«

»Schon in Ordnung.« Sie stopfte ihn in ihre Handtasche. »Wie Sie schon sagten, der Stoff ist Mist.« Sie sah sich um und grinste. »Ich kann nicht glauben, dass ich in einem echten Designstudio sitze, mit einem berühmten Modeschöpfer.«

Er lächelte und stand auf. »Dann kommen Sie Montag zur Arbeit?« Er reichte ihr eine Hand, um ihr aufzuhelfen.

»Oh, darauf können Sie wetten. Das ist für mich ein Traum, der wahr wird.« Sie legte ihre Hand in seine.

Er zog sie so schnell hoch, dass sie gegen seine Brust prallte. Sofort schloss er seine Arme um sie. Sie sah mit ihren schönen Augen zu ihm hoch. So ein dunkles, lebendiges Grün. Er konnte hören, wie ihr Herzschlag sich jetzt, da sie in seinen Armen lag, beschleunigte. Das gefiel ihm. »Wissen Sie, wie schön Sie sind?«

Sie schüttelte den Kopf.

Anscheinend konnte er dafür sorgen, dass es ihr die Sprache verschlug. In seinen Venen pulsierte das Blut vor Begehren. Sie fühlte sich so warm und lieblich an, aber er musste aufhören, ehe seine Augen anfingen, rot zu glühen. Sie war eine zu große Versuchung, und er war immer auf der Hut, wirkliche Beziehungen zu vermeiden.

Er ließ sie los. »Ich fürchte, ich kann Sie nur für zwei Wochen beschäftigen.« Wenn der Laden geschlossen war, durfte nur noch der Wachmann, Pierre, das Gelände betreten.

»Ich verstehe.« Sie trat mit traurigem Gesucht zurück. »Mir ist klar, dass ich keinerlei Erfahrung habe. Und ich muss im September wieder unterrichten.«

»Nehmen Sie an, dass ich an Ihnen etwas zu bemängeln haben werde?« Ihr Erröten reichte ihm als Antwort aus und zeigte, dass er einen Nerv berührt hatte. Er nahm an, dass sich hinter ihrer aufmüpfigen Art ein ganzer Stausee voller Selbstzweifel verbarg. Es war ein Trick, den er erkannte, weil er ihn selbst oft benutzt hatte.

Aber warum sollte Heather Westfield an sich selbst zweifeln? Hatte jemand versucht, ihre Lebensgeister zu fesseln? Wenn dem so war, hatte er das plötzliche Bedürfnis, demjenigen seine Faust ins Gesicht zu rammen. »Meine Sorge ist nicht, dass ich mit Ihnen unglücklich sein könnte. Ganz im Gegenteil. Ich könnte zu glücklich mit Ihnen sein.« Zu versucht, sie zu behalten, um die Einsamkeit seines Exils zu lindern.

Sie schluckte hörbar.

»Und ich habe einen Grundsatz, dem ich immer Folge. Ich lasse mich niemals mit einer Angestellten ein. Egal, wie sehr ich mich zu ihr hingezogen fühle.« Er erlaubte sich, seinen Blick über ihren sinnlichen Körper wandern zu lassen.

»Du liebe Güte«, flüsterte sie. Sie trat noch einen Schritt zurück. »Ich - ich suche nicht nach... Ich bin noch nicht so weit... Ich meine, ich...«

»Die Vorstellung einer Beziehung verschlägt Ihnen die Sprache?«

»Eher lässt sie mich vor Schreck erstarren!« Der Typ brachte sie um den Verstand. »Oh, ich meine nicht, mit Ihnen. Ich meine, mit jedem. Ich habe gerade vor einem Jahr eine hässliche Scheidung durchgemacht und...«

Er hob eine Hand, um ihr Einhalt zu gebieten. »Ich werde mich benehmen. Können Sie das auch?«

»Natürlich. Ich bin immer... brav.« Sie sah allerdings ein wenig verzweifelt aus.

Wünschte sie sich insgeheim, unartig zu sein? Wieder überkam ihn die Lust, und er musste seine Hände zu Fäusten ballen, um sie nicht zu packen. Es war so lange her, seit er das letzte Mal... er verdrängte den Gedanken. Er musste sich von sterblichen Frauen fernhalten. Das hatte Jean-Luc auf die schmerzhafteste Art, die man sich vorstellen konnte, gelernt.

Heather schlenderte durch den Gang und berührte die Kleidungsstücke, an denen sie vorbeiging. »Die hier sind cool.« Sie hielt vor einem Haufen Gürtel inne, die aus Leder, Messing und Silber gemacht waren.

»Diese Saison entwerfe ich zum ersten Mal auch Gürtel.« Er trat näher zu ihr heran. Nur die sterblichen Models konnten die Gürtel aus Silber tragen. Simone und Inga hielten sich von allem weit fern, das ihre empfindliche Haut verbrennen konnte. »Was denken Sie darüber?«

»Sie sind schick. Ich mag besonders die breiten, kräftigen, die auf den Hüften liegen.«

Klick. Jean-Lucs übermenschliches Gehör nahm ein Geräusch wahr. Er hob eine Hand, und Heather verstummte mit einem fragenden Blick. Ein Schritt, und noch ein Klick.

Er hatte nicht gehört, dass die Tür sich geöffnet oder geschlossen hatte. Nur jemand, der die Kombination kannte, war in der Lage, die Tür zu öffnen. Ein Vampir, der sich von außerhalb in das Gebäude teleportierte, hätte einen Alarm ausgelöst. Also musste sich diese Person irgendwo von innerhalb des Gebäudes teleportiert haben. Seine Freunde hätten sich angekündigt, also standen die Chancen gut, dass es sich bei ihrem Besucher nicht um einen Freund handelte.

Jean-Luc legte warnend einen Finger an seine Lippen. Er bewegte sich geräuschlos ans Ende des Ganges, auf die Mitte des Raumes zu und spähte durch die Lücke zwischen den Kleidern und der langen Stange, an der sie hingen.

Da war er. Der alte Mann mit dem Stock. Klick. Er stellte den Stock auf den Parkettboden und schob seine Füße vorwärts. Er blieb nach vorn gebeugt, und sein Gesicht blieb verborgen.

Jean-Luc sog die Luft scharf durch die Nase ein. Er nahm hinter sich Heathers Duft wahr, absolut sterblich, aber von diesem Mann witterte er nichts.

Der alte Mann blieb mit einem letzten Klicken seines Stocks stehen. »Ich weiß, dass du hier bist, Echarpe.«

Jean-Luc versteifte sich. Mon Dieu, es war Lui. Er hatte seinen größten Feind mehr als hundert Jahre nicht gesehen.

»Ich bin ein geduldiger Mann. Ich wusste, dass du mit der Zeit achtlos werden würdest. Und hier bist du, unbewaffnet, ohne deine heiß geliebte Leibwache.« Der alte Mann richtete sich langsam auf und streckte seine Wirbelsäule. »In Paris konnte ich dich unmöglich erreichen. Du warst Tag und Nacht von einem halben Dutzend Wachen umgeben.« Er hob sein Kinn.

Jean-Luc atmete scharf ein, als er die Augen des Mannes erblickte. Lui hatte über die Jahrhunderte viele Persönlichkeiten angenommen, und es war ihm immer gelungen, anders auszusehen. Bis auf seine Augen. Sie waren immer dunkel, kalt und angefüllt mit Hass.

Jean-Luc ging langsam rückwärts auf Heather zu, während Lui weiter prahlte.

»Du hast deinen letzten Fehler begangen, Echarpe. Ich bin zu den Eröffnungen aller deiner Geschäfte gegangen, aber du hast dich immer versteckt, wie der Feigling, der du eben bist. Und jetzt, endlich, bist du aufgetaucht. Zum letzten Mal.«

Jean-Luc erreichte Heather und legte einen Finger auf seine Lippen. Sie nickte mit besorgtem Blick.

Er flüsterte ihr ins Ohr: »Lass nicht zu, dass er dich sieht. Flieh durch die Hintertür. Lauf.«

Sie öffnete den Mund, um ihm zu widersprechen, aber er hielt sie auf, indem er ihr einen Finger auf die Lippen legte.

Lauf, formte er mit den Lippen. Er stieß sie sanft auf das andere Ende des Ganges zu.

»Komm aus deinem Versteck, du Feigling«, rief Lui. »Ich habe beschlossen, dich endgültig zu vernichten. Ich werde es vermissen, dich nicht mehr foltern zu können, aber Casimir hat mir eine enorme Summe angeboten. Ich konnte sie nicht ablehnen.«

Jean-Luc schritt den Gang hinab in die Mitte des Raumes. »Verdammt, ich dachte, du wärest tot. Aber egal, du wirst es bald sein.« Er war ein besserer Schwertkämpfer als Lui, nur war er unglücklicherweise gerade nicht bewaffnet. Er schickte in Gedanken eine Nachricht raus.

»Ich kann dich hören«, spottete Lui. »Quengelst nach deinen Freunden, damit sie kommen und dich retten.«

Jean-Luc trat in die freie Mitte seiner Werkstatt. »Ich fechte meine Schlachten selbst aus. Sag mir, wie lange hat es gedauert, bis du dich von unserer letzten Begegnung erholt hast? Wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, hingen deine Eingeweide heraus.«

Mit einem Knurren drehte Lui den Knauf seines Stocks und riss die hölzerne Schneide von einem schmalen, tödlichen Degen. Er warf die hölzerne Hülle beiseite, wo sie scheppernd auf den Boden fiel. »Deine Freunde werden zu spät kommen.« Er stieß zu.

Jean-Luc sprang zur Seite, griff nach einer der Schaufensterpuppen und schleuderte sie von sich, um den ersten Angriff abzuwehren.

Luis Schwert fuhr durch das Plastik und köpfte die männliche Puppe. »Ah, das weckt süße Erinnerungen an die Terrorherrschaft.« Er stieß noch einmal zu und zerschmetterte der Puppe den Oberkörper.

Jean-Luc konnte sich nur noch mit dem Bein der Puppe verteidigen. Wenigstens steckte darin eine Metallstange. Und Robby würde jeden Augenblick mit einem echten Schwert erscheinen.

Uber seinem Kopf war der Luftzug zu spüren, als Luis Degen durch die Luft schnitt. Jean-Luc rannte nach rechts, stützte das Schaufensterpuppenbein auf den Boden und benutzte es, um sich wie beim Stabhochsprung auf einen Zuschneidetisch zu befördern.

Lui schlug nach seinen Beinen, doch Jean-Luc sprang und landete auf der anderen Seite des Tisches. Als Lui nach rechts wich, um ihn zu erwischen, bewegte er sich ebenfalls nach rechts. Er konnte Lui um den Tisch tanzen lassen, bis Robby mit dem Schwert erschien.

Gerade hatte er eine Umdrehung vollendet, als er hinter Lui eine Bewegung bemerkte und erstarrte. Heather schlich sich von hinten an Lui an, bewaffnet mit nicht mehr als einer Handvoll Gürtel. War diese Frau wahnsinnig? Er wagte es nicht, ihr etwas zuzurufen. Das würde Lui erst auf sie aufmerksam machen, und dann würde er sie mit dem Schwert erstechen. Merde! Er schnitt ihr eine Grimasse und deutete mit seinem Kopf, dass sie so schnell wie möglich verschwinden solle.

Heather ignorierte ihn einfach und hatte nur Augen für Lui.

Alles, was Jean-Luc noch tun konnte, war, Lui von ihr wegzulocken. Er rannte in die Mitte des Zimmers und stellte sich mit dem Bein der Schaufensterpuppe dem Kampf. Kleine Plastikstücke flogen durch die Luft, als Lui auf Jean-Lucs minderwertige Waffe einschlug.

»Aufhören!« Heather schwang ihre Gürtel auf Lui zu.

Lui versteifte sich, als das silberne Metall seinen Hinterkopf traf. Ein dünner Rauchfaden stieg empor. Er drehte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht zu ihr um. »Du hinterhältige Schlampe.« Er hob sein Schwert.

»Heather, lauf!« Jean-Luc sprang vor und schlug Lui mit dem Bein der Schaufensterpuppe auf den Kopf.

Der Metallstab ließ Lui zur Seite taumeln. Sein Degen fiel scheppernd zu Boden. Jean-Luc bückte sich, um das Schwert aufzuheben, und sprang dann aus dem Weg, als Heather noch einmal nach Lui schlug.

»Nimm das, du Bastard!« Ihre Augen funkelten wild.

Lui hob seine Hände, um seinen Kopf zu schützen, und das Silber zischte auf seinen Handflächen, wo es das offene Fleisch verbrannte.

Die Tür sprang auf, und Angus und Robby kamen mit gezogenen Claymores hereingerannt. Robby warf einen Degen durch den Raum zu Jean-Luc.

Er fing die Waffe auf und stellte sich dann Lui entgegen. Der Bastard hatte sich zurückgezogen und versteckte sich zwischen den Kleiderstangen. Aus dem Augenwinkel konnte Jean-Luc sehen, dass Angus zwischen zwei Regale glitt. Ohne Zweifel hatte der Schotte vor, sich dem Feind von hinten zu nähern.

Jean-Luc übergab Luis Klinge an Heather. »Wenn er auf dich losgeht, zögere nicht, sie zu benutzen.«

Sie nickte und sah ihm in die Augen. Sein Herz machte einen Aussetzer. Mon Dieu, in was hatte er sie hineingezogen?

»Ich komme wieder, Echarpe«, verkündete Lui. »Aber erst werde ich deine Frau umbringen. Wie in alten Zeiten, non}«

»Sie ist nicht meine Frau! Lass sie da raus.«

»Ah, aber ich kann sehen, dass du etwas für sie empfindest. Ob sie mir wohl genauso zu Willen sein wird wie deine letzte Mätresse?«

»Zur Hölle mit dir.« Jean-Luc ging auf die Regale zu. »Pass auf sie auf«, rief er Robby zu und rannte dann einen Gang hinunter. Er sah, wie Angus aus der entgegengesetzten Richtung kam.

Jean-Luc stieß Kleidungsstücke zur Seite auf der Jagd nach Lui.

»Mist«, murmelte Angus. »Er muss sich teleportiert haben.

Ich suche weiter.« Er sauste in Vampirgeschwindigkeit davon.

»Hast du ihn?«, rief Heather.

»Nein. Er... ist entkommen.« Jean-Luc kochte vor Enttäuschung und schlug seine Klinge durch die Luft. Heather machte große Augen.

Robby eilte um sie herum, seinen Claymore noch fest umschlossen. »Ich muss das Gelände durchsuchen. Jetzt.«

Jean-Luc nickte. »Los.«

In Windeseile war Robby an der französischen Tür und gleich darauf verschwunden.

»Ist alles in Ordnung?« Ein tiefer Seufzer entfuhr Jean-Luc.

»Ich glaube schon.« Heather ließ die Gürtel und Luis Waffe auf einen der Zuschneidetische fallen. »Aber ich verstehe nicht, was hier vor sich geht. Was hat es mit all diesen Schwertern auf sich? Und warum sollte irgendwer einen Modedesigner umbringen wollen?«

»Das ist eine lange Geschichte.« Und eine schmerzvolle. »Ich wünschte, Sie wären weggerannt, wie ich es gesagt habe.«

»Das wollte ich, aber als ich gesehen habe, wie er Sie mit dem Schwert angegriffen hat, und Sie hatten nicht mehr als eine Schaufensterpuppe - ich weiß auch nicht. Ich hätte Angst haben sollen, aber ich habe mein ganzes Leben lang Angst gehabt, und ich habe es einfach gründlich satt. Dann kam all diese Wut in mir hoch. Wut auf meinen Ex, weil er so ein Arschloch ist. Ich musste einfach irgendetwas tun. Und - und ich war gut!«

Jean-Luc nahm ihre Hand in seine. Wahrscheinlich war es ihr Exmann gewesen, der sie in Selbstzweifeln erstickt hatte. Aber sie fing an zu kämpfen, und das erfüllte ihn mit Stolz. »Sie waren sehr mutig. Sie haben vielleicht mein Leben gerettet.«

Ihre Wangen färbten sich rosa. »Ich weiß nicht, ob ich so viel geholfen habe. Sie haben sich wirklich gut geschlagen. Wer war der Kerl?«

»Ich habe seinen wahren Namen nie erfahren. Ich nenne ihn Lui.«

»Louie?«

»Non, Lui.«

Sie runzelte die Stirn. »Das habe ich doch gesagt.«

Jean-Luc seufzte. »Lui heißt ›er‹ en Français. Er ist ein Mörder mit vielen Namen. Jacques Clément, Damiens, Ravaillac. Er stachelt zum Mord an und erfreut sich am Tod.«

Ihre Hand zitterte. »Warum will er Sie umbringen?«

»Weil ich über die Jahrhu... Jahre versucht habe, ihn aufzuhalten. Einmal ist es mir gelungen, und seitdem will er, dass ich leide.« Jean-Luc drückte ihre Hand. »Heather, ich bedaure, Ihnen dies sagen zu müssen, aber Sie befinden sich in großer Gefahr.«

»Das hatte ich befürchtet. Er denkt, ich bin...«

»Er denkt, Sie sind meine Geliebte.«

Heather entzog ihm ihre Hand. »Ich sollte mich dann wohl lieber fernhalten. Ich nehme an, ich kann doch nicht hier arbeiten.«

»Im Gegenteil. Sie sollten hier arbeiten. Ich habe eine Wachmannschaft, die Sie beschützen kann. Im Grunde sollten Sie hier leben, bis wir uns um Lui... kümmern können.«

Das war jetzt allerdings ein bisschen übertrieben. »Ich kann hier nicht leben. Ich habe ein Haus in Schnitzelberg.«

»Sie müssen hier leben. Lui hat in der Vergangenheit bereits zwei Frauen umgebracht.«

Heather schluckte. »Er bringt ihre Freundinnen um?«

»Ja. Es tut mir leid, Sie da mit hineingezogen zu haben, aber ich hatte Sie gewarnt.«

Da hatte er wohl recht. »Ich hätte tun sollen, was Sie mir gesagt haben.«

»Wenn Sie das getan hätten, wäre ich jetzt vielleicht tot. Lassen Sie mich jetzt Ihr Beschützer sein, Heather. Das bin ich Ihnen schuldig.«

»Ich kann nicht bleiben. Meine Tochter...« »Non. »Jean-Luc fühlte sich, als hätte man ihm in den Magen geschlagen. »Sie haben eine Tochter?«

»Ja. Oh mein Gott. Meinen Sie, sie ist auch in Gefahr?« Eine Vision von zerhackten Leichen blitzte in seinen Gedanken auf. Yvonne, 1757. Claudine, 1832. Jean-Luc konnte diesen Schmerz und diese Schuld nicht noch einmal ertragen. »Haben Sie keine Angst. Ich werde sie beide beschützen.«