21. Kapitel
»Ich sehe lächerlich aus«, sagte Poste, als er den Arm ausstreckte und die Ärmel seines ockerfarbenen Anzugs beinahe bis zu seinen Ellenbogen hinaufrutschten.
»Natürlich tust du das. Aber du sollst ja auch ein hoher Angestellter eines Werbeunternehmens sein. Es wird bestimmt niemandem auffallen.«
Jadak selbst sah in seinem magentafarbenen Anzug und den kniehohen Stiefeln nicht viel besser aus, aber er war überzeugt, dass sie die Charade bis zum Ende der Mission aufrechthalten konnten.
Die beiden Personen, denen die Kleidung eigentlich gehörte, trugen nun nur noch ihre Unterwäsche und lagen verkrümmt im großen, opulent eingerichteten Bad des Hotelzimmers, an Hand- und Fußgelenken mit Elektrohandschellen gefesselt und mit einem Streifen Klebeband über dem Mund. Poste und Jadak waren erst vor einer Stunde örtlicher Zeitrechnung auf Holess angekommen. Am Raumhafen hatten sie sich einen luxuriösen Luftgleiter gemietet und waren direkt zu ihrem edlen Hotel im Stadtzentrum geflogen. In ihrer Suite in der sechsunddreißigsten Etage, die einen unbehinderten Ausblick auf den Berg der Gerechtigkeit bot, hatten sie sich auf die Lauer gelegt, gemeinsam mit den zwei Ganoven, die Rej Taunt ihnen mitgeschickt hatte. Als die beiden hohen Angestellten hereingekommen waren, hatten sie kaum Gelegenheit gehabt, ihre Koffer zu öffnen, da wurden sie auch schon von den zwei Weequays bewusstlos geschlagen. Der Anzug des Größeren der beiden Menschen schlotterte locker um Jadaks Körper, aber die Kleidung des Kleineren ließ Poste aussehen, als wäre er in einem plötzlich eingelaufenen Anzug gefangen. Nichtsdestotrotz sahen sie um einiges glaubwürdiger aus, als das bei den Weequays mit ihren Haarknoten der Fall gewesen wäre.
»Seid ihr bereit?«, fragte der Weequay, der Erf hieß, in akzentlastigem Basic.
Jadak straffte die Anzugjacke. »Es kann losgehen.« Er nickte Poste zu, der noch immer ein unglückliches Gesicht machte, sich aber von seinem Anblick in der großen Spiegelwand des Bads losriss.
Erf zog zwei Blaster aus den tiefen Taschen seines Mantels. »Sind gesichert und bereits auf Betäubung gestellt.« Er warf einen Blick auf den Wahlhebel, um sicherzugehen, dann reichte er Jadak die Waffen.
Eine davon steckte der Pilot ein, den anderen, stärkeren Blaster reichte er Poste. Der Junge überprüfte noch einmal den Wahlhebel, die Batterieladung und den Gaslevel, ehe er die Pistole in sein Schulterhalfter steckte.
»Hier ist Koffer«, sagte der andere Humanoide. »Da drin Datenkarte.«
Jadak nahm den kleinen Koffer entgegen, und dabei empfand er etwas, was er zunächst für eine Art Déjà-vu hielt. Eine Erinnerung beförderte ihn geradewegs zurück in die untersten Ebenen des Senatsgebäudes auf Coruscant, wo er den Senatoren Des’sein, Largetto und Zar einen ganz ähnlichen Koffer überreicht hatte. In Jadaks Gedächtnis fühlte diese Erinnerung sich nicht älter an als höchstens einen Monat.
»Die antarianische Rangerin, die das Kommando über das Schiff übernehmen wird, nennt sich Folee. Sie finden sie in Salik-Stadt, der Hauptstadt der westlichen Gebiete. Der Kennsatz lautet …«
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Poste. Die Erinnerung löste sich auf und war verschwunden. »Du wirkst ein wenig geistesabwesend.«
Jadak wandte den Blick ab. »Ich bin nur noch mal den Plan durchgegangen.«
»Hältst du es jetzt doch nicht mehr für eine so gute Idee?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich wollte nur sichergehen, dass ich nichts vergesse.«
Sie schnappten sich ihre kleinen Rucksäcke, gingen zu ihrem gemieteten Luftgleiter in der Hotelgarage und zwängten sich in die Schalensitze. Der Gleiter war ein vierzig Jahre alter Incom T-11 mit einem formschönen Rahmen und einem geschwungenen Bug, ausgestattet mit einem leistungsstarken Repulsorlift und breiten Antriebsdüsen. Jadaks Hände fanden ganz instinktiv die richtigen Instrumente, und binnen weniger Augenblicke hatten sie abgehoben und schlängelten sich durch die dicke Luft des Planeten in den Verkehr auf der 30-Meter-Straße.
Holess war eine Welt von großer natürlicher Vielfalt und Heimat einer korpulenten Spezies von Humanoiden, die, wie man vermutete, mit den langohrigen Lannik verwandt waren. Die Einheimischen drängten sich in hoch aufragenden Städten zusammen, und die ergiebigen Duraniumvorkommen, die hier schon seit Jahrtausenden abgebaut und exportiert wurden, hatten dem Planeten Reichtum beschert. Die Holessianer hatten mehr Geld und Freizeit zur Verfügung als die meisten anderen Spezies, und ihr angeborener Wunsch nach Gerechtigkeit war zu einer regelrechten Religion übersteigert. Daher waren die Gesetze hier kleinlicher als sonst irgendwo in der Galaxis, und schon bei der geringsten Unstimmigkeit zogen die Einheimischen vor Gericht. Die Gesetze wurden um ihrer selbst willen verabschiedet, in der Vermutung, dass irgendjemand sie brechen würde und man dann einen neuen Gerichtsprozess anstrengen konnte. Richter wurden verehrt wie Götter und Anwälte – Staatsanwälte und Verteidiger gleichermaßen – wie Berühmtheiten behandelt. In den Geschworenenstand berufen zu werden, war, als würde man an einem heiligen Ritual teilnehmen, und die Holessianer verfolgten den Verlauf von Gerichtsverfahren, wie andere Spezies Sportligen verfolgten. Auf ein Urteil zu wetten galt zwar als Sakrileg, aber die Entscheidung des Richters wurde ausführlich diskutiert und analysiert und war oft noch Jahre nach dem eigentlichen Fall ein Gesprächsthema.
Das Zentrum der holessianischen Rechtsprechung war der Berg der Gerechtigkeit, ein kathedralenartiges Bauwerk, errichtet auf einer natürlichen Erhebung im Zentrum der Hauptstadt. Dort wurden nur die größten und wichtigsten Fälle behandelt, die nicht selten von galaktischem Interesse waren. Obgleich man ihn oft mit dem Turm des Rechts auf dem friedlichen Planeten Bimmisaari verglich, war der Berg der Gerechtigkeit der Mittelpunkt des holessianischen Lebens, und jeder Bewohner dieser Welt musste mindestens einmal in seinem Leben an diesen bedeutenden Ort pilgern. Eine breite Rampe führte spiralförmig von den monolithischen Grundmauern zu den gewaltigen, weit offen stehenden Haupttoren des Gebäudes hinauf. Über dem Eingang prangte ein riesiger Holoschirm, auf dem man noch in mehreren Kilometern Entfernung Live-Übertragungen der Gerichtsverhandlungen im Inneren sehen konnte, begleitet von Werbeeinblendungen für alle nur erdenklichen Produkte und Dienstleistungen.
Die imposanten Türme des Bauwerks dominierten das Stadtbild vor dem Luftgleiter, den Jadak mühelos durch den Verkehr manövrierte. Tief unter ihnen drängten sich Zuschauer auf den breiten Prachtstraßen, die den Berg der Gerechtigkeit umgaben, und jubelten den Richtern, Anwälten und Geschworenen zu, die zum Fuß der Rampe hinabschritten. Behelfsmäßige Verkaufsstände waren entlang der Prozessionsroute aufgebaut, an denen Getränke, Speisen, Kopien von Gerichtsurteilen und Souvenirs feilgeboten wurden, darunter auch kleine Figuren der Akteure.
Der Verkaufsschlager des Tages war eine maßstabsgetreue Figur des Hauptzeugen in einem Fall, der während der letzten Monate ganz Holess in seinen Bann geschlagen hatte: die Klage von Colla-Arphocc Automata gegen die Regierung der Galaktischen Allianz. Die fleischfressenden Colicoiden verlangten, wieder die Produktion der Kampfdroiden aufnehmen zu dürfen, die ihnen in den Jahren vor den Klonkriegen den Ruf eingebracht hatten, brutal und barbarisch zu sein. Nach Ende des Krieges war das Colicoiden-Werksnest gezwungen worden, alle Waffen abzugeben, und weil sie Angst vor einer Bestrafung durch das Imperium hatten, waren die Insektoiden anschließend untergetaucht. Erst vor Kurzem hatten sie sich auf der galaktischen Bühne zurückgemeldet. Sie ließen sich durch einen berühmten Anwalt von Epica vertreten und behaupteten, im Besitz von Dokumenten zu sein, die das persönliche Siegel von Imperator Palpatine trügen und in denen stünde, dass das Verbot zur Herstellung ihrer Kriegsdroiden bereits vor einem Jahr abgelaufen wäre. Die Colicoiden pochten darauf, dass sie nun wieder berechtigt wären, mit Roche, dem Givin-Kartell, Tendrando Arms und anderen Waffen- und Munitionsherstellern in Wettbewerb zu treten.
Die Tatsache, dass der Hauptzeuge von Colla-Arphocc Automata ein ehemaliges Mitglied einer als Colla Designs bekannten Denkfabrik war, hatte den Souvenirmachern auf Holess die Gelegenheit gegeben, sich wieder einmal selbst zu übertreffen. Die Figuren, die an den Ständen verkauft wurden, sahen nicht nur aus wie ein winziger Zerstörerdroide – wenn man vom Fehlen der Zwillingsblaster und der charakteristischen Verteidigungsblase absah –, sondern konnte auch beinahe ganz zu einer Kugel zusammengerollt werden. Dieser Panikreflex ließ sich bei den echten Colicoiden nur selten beobachten und wurde in der Regel durch Begegnungen mit einem uralten Raubtier namens Hueche ausgelöst. Die überlappenden Hornschuppen, aus denen sich die Knochenhülle der Colicoiden zusammensetzte, machten dieses Zusammenrollen erst möglich. Einige Xenobiologen glaubten, dass das Bestreben der Colicoiden, die Hueche auszurotten, direkt für ihren späteren Erfolg als Waffenhersteller verantwortlich war.
Selbst aus einer Höhe von dreißig Metern konnten Jadak und Poste sehen, dass viele der Zuschauer in der Menge diese Spielzeug-Colicoiden kauften und damit Fangen spielten, sie über den Boden rollten oder sie gegeneinander kämpfen ließen.
Als sie sich dem überwachten Luftraum um den Berg der Gerechtigkeit näherten, sendete Poste den Zugangscode, den sie den beiden Werbefachleuten abgenommen hatten. Das Parken in der Nähe der spiralförmigen Rampe war verboten, da die meisten Beteiligten der Gerichtsverhandlungen und alle Pilger zu Fuß – oder im Fall der Letzteren oft auch auf Händen und Knien – zum Eingang hinaufsteigen mussten. Diese Rampe war auf beiden Seiten mit niedrigen Duraniumzäunen gesäumt und bot zahlreiche Rastzonen für die müden Wallfahrer. Diese kleinen Seitenbereiche lagen hinter großen Toren und waren mit Duraniumtafeln verziert, in die man sorgfältig Gesetze und Richtersprüche eingraviert hatte.
Als sie ihre Landeerlaubnis erhielten, steuerte Jadak den Gleiter auf die Schwebeplattform zu, auf der sich die Kontrollkabine für den gigantischen Holoschirm des Gebäudes befand.
Ein Holessianer in einer blauen Tunika erwartete sie bei der Andockbucht der Plattform. »Sind Sie die Vertreter von Desicare Deodorant?«
»Frisch aus Coruscant eingetroffen«, sagte Jadak, als er aus dem Pilotensitz kletterte.
»Knochentrocken und wohlriechend.«
Poste blickte den Holessianer einen Moment ausdruckslos an, dann grinste er. »He, Sie kennen unseren Slogan.«
»Ich benutze Ihre Produkte jeden Tag.«
»Solche Kunden sind uns die liebsten«, meinte Jadak.
»Hier gibt es Gesetze gegen übermäßige Transpiration«, erklärte der Holessianer daraufhin mit ernstem Gesicht.
»Nehmen Sie die Arme hoch«, verlangte Poste.
Der Holessianer drehte sich zu ihm herum. »Ich kann Ihnen versichern, meine Achseln sind absolut knochen …« Er riss die Arme in die Höhe, als er den Blaster in Postes Hand sah.
»Kein Grund, ins Schwitzen zu kommen«, sagte Jadak, während er seinen eigenen Blaster zog. »Lassen Sie uns nur in die Kontrollkabine und befolgen Sie unsere Anweisungen, als wären es Ihre Gesetze.«
Als sie den ovalen Kontrollraum betraten, hatten ihnen alle Anwesenden den Rücken zugekehrt, mit Ausnahme des einzigen Wachmannes. Die Wache schien zu spüren, dass etwas nicht stimmte, und griff nach ihrem Blaster, doch Poste war darauf vorbereitet. Er entwaffnete den Uniformierten und wiederholte die Warnung, die Jadak vor wenigen Sekunden an den anderen Holessianer gerichtet hatte. Die Bewegung am Eingang erregte die Aufmerksamkeit einiger Techniker, und als sie sich von ihren Kontrollschirmen herumdrehten, sahen sie sich zwei menschlichen Anzugträgern mit erhobenen Blastern gegenüber.
»Falls Sie wollen, dass Ihr Produkt mehr Werbezeit bekommt, dann müssen Sie doch nur fragen«, sagte einer von ihnen.
Das ließ auch die anderen auf ihren Stühlen herumschwingen.
»Sie verstoßen gegen Bestimmung eins drei drei drei sechs Strich zwo Strich B des Strafgesetzbuches für unrechtmäßiges Eindringen. Seien Sie gewarnt, dass wir das Recht haben, Klage gegen Sie zu erheben, ungeachtet Ihrer …«
Poste feuerte einen Laserblitz in die Lautsprecherplatte an der Decke und machte der Rechtsbelehrung so ein Ende.
Jadak öffnete den Aktenkoffer und hob die Datenkarte über seinen Kopf. »Wir haben einen neuen Werbespot, und wir möchten, dass ihr ihn abspielt.«
Der holessianische Produzent erhob Einspruch. »Alle Werbesendungen müssen erst dem Medienministerium zur Begutachtung vorgelegt werden, um zu ermitteln, ob der Inhalt für eine öffentliche Präsentation geeignet ist, oder ob gegebenenfalls eine Altersbeschränkung gemäß der vom Anstandsausschuss aufgestellten Richtlinien erhoben werden muss.«
»Ihr könnt uns ja verklagen, wenn das Filmchen nicht euren Standards entspricht«, meinte Jadak.
»Das werden wir auch. Ganz sicher sogar.«
»Haben Sie eine Erlaubnis, diese Blaster zu tragen?«, fragte ein anderer Techniker.
Poste gab noch einen Schuss ab. »Den Nächsten von euch, der etwas zu sagen hat, betäube ich.«
Jadak stieg die mit Teppich ausgelegten Stufen zum geschwungenen Aussichtsfenster der Kabine hinunter. Der Berg der Gerechtigkeit und der Teil der Spiralrampe vor seinem Eingang schienen zum Greifen nahe. Auf dem großen Schirm war gerade zu sehen, wie die Geschworenen ihre Plätze einnahmen. Jadak drehte sich zu dem Produktionstechniker herum.
»Wir werden warten, bis der Hauptzeuge das obere Ende der Rampe erreicht, dann spielt ihr auf mein Kommando hin unseren Spot auf dem Holoschirm ab.« Er klatschte dem Holessianer die Datenkarte in die Hand und erntete dafür einen verabscheuenden Blick.
»Falls Sie hoffen, bei den Colicoiden Eindruck schinden zu können«, sagte der Techniker, »dann sollten Sie bedenken, dass Insektoide nicht auf dieselbe Weise schwitzen wie Humanoide. Gift- und Abfallstoffe werden nicht durch Schweißdrüsen abgesondert, sondern auf anderem Wege. Die Drüsen, die sie besitzen, produzieren vielmehr Abwehrstoffe und Pheromone.«
»Wir wollen ein spezielles Produkt herausbringen, nur für die Colicoiden«, erklärte Jadak.
»Warum tun Sie das dann hier und nicht auf ihrer Heimatwelt?«
»Weil der Großteil des Nestes vermutlich Ihre Übertragung verfolgt.«
»In dem Fall behalten wir uns das Recht vor, einen Anteil an allen Einnahmen zu fordern, die Sie durch den Verkauf Ihres neuen Produktes generieren … was immer es auch sein mag.«
Jadak nickte. »Sicher, und falls es ein Flop wird, behält Desicare sich das Recht vor, Sie an den Forschungs- und Entwicklungskosten zu beteiligen.«
Ein Dutzend verschiedener Unterhaltungen brandete auf.
Jadak wandte sich wieder dem Fenster zu. Er studierte das Patrouillenmuster der holessianischen Sicherheitsgleiter und musterte die Turbolaserbatterie auf dem höchsten Turm des Berges, ein Relikt aus den Zeiten des Yuuzhan-Vong-Krieges. Anschließend senkte er seinen Blick und beobachtete, wie der Colicoide sich in Begleitung eines muskulösen Nautolaners und einer schlanken Frau – vermutlich einer Assistentin des Anwalts, der Colla-Arphocc Automata in dieser Angelegenheit vertrat – dem oberen Ende der Rampe näherte.
Hastig trat Jadak an den nächsten Bildschirm. »Geben Sie mir eine Nahaufnahme des Zeugen und seiner Begleiter«, verlangte er von dem Techniker, der an den Kontrollen saß. Der Holessianer wählte einen der Kamerawinkel aus und legte ihn auf den Schirm, während Jadak ihm angespannt über die Schulter blickte. Der Nautolaner war einer der Schläger, die ihn auf Nar Shaddaa überfallen hatten, und die Frau war Koi Quire von der Kern-Kranken- und Lebensversicherung.
»Wer ist der Anwalt, der die Colicoiden vertritt?«, wollte Jadak wissen, als seine Gedanken nicht länger wild umherwirbelten.
»Lord Lestra Oxic«, antwortete der Techniker.
Der Name kam ihm nicht bekannt vor, aber er beschloss, ihn sich zu merken.
»Gleich ist es so weit«, sagte er dann so laut, dass man ihn auch über die andauernden Diskussionen hinweg verstehen konnte.
»Sie wissen doch hoffentlich, dass Ihr Werbespot unser Interview mit Oberrichter Margo unterbrechen wird?«
»Blenden Sie etwas wie ›Wichtige Eilmeldung‹ ein, bevor Sie den Spot abspielen.«
»Das könnten wir tun«, meinte der Produktionstechniker an seinen Assistenten gewandt. »So könnten wir uns zumindest gegen mögliche Rechtsschritte der …«
»Fangen Sie an!«, befahl Jadak und fuchtelte mit seinem Blaster herum.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie der riesige Schirm einen Moment lang dunkel wurde, dann erschien das Eilmeldungssymbol. Unten vor dem Gebäude bogen der Colicoide, der Nautolaner und Koi Quire gerade um die letzte Kurve der Rampe und marschierten direkt auf die Eingangstüren zu.
»Spielen Sie den Spot ab – jetzt!«
Das dreidimensionale Bild einer Raubkatze mit zwei Reihen messerscharfer Zähne schien geradewegs aus dem Holoschirm hervorzuspringen. Einige der Zuschauer in der Nähe waren überrascht, andere verwirrt, und die meisten erschrocken. Doch Panik löste der zwanzig Meter große Kopf der Kreatur nur bei dem Colicoiden aus. Der Hauptzeuge der Anklage sprang in die Luft, rollte seinen Körper zu einem gepanzerten Ball von zwei Metern Durchmesser zusammen und rollte die Rampe schneller und schneller werdend hinunter.
Der holessianische Cheftechniker eilte an das Aussichtsfenster. »Was für eine Werbung soll das sein? Was ist das für eine Kreatur?«
»Sie wird Hueche genannt«, erklärte Jadak, ohne den Blick von dem dahinrollenden Insektoiden zu nehmen.
Die Zuschauer, die hinter den Protagonisten der Sitzung die Rampe hinaufgestiegen waren, sprangen nun in Deckung, als der riesige Ball zwischen ihnen hindurchpflügte und von den Duraniumzäunen auf beiden Seiten in der Spur gehalten wurde. Kurz sah es so aus, als hätte der Colicoide genug Schwung, um über einen dieser Zäune hinwegzusegeln, doch Rej Taunts Leute waren zur Stelle und sorgten dafür, dass der Zeuge auf der Rampe blieb. Sie rissen eines der Tore zu einem Rastbereich auf und beförderten den zusammengerollten Colicoiden so wieder auf die Rampe, wo er schlingernd und sich überschlagend weiter in die Tiefe rollte. Ein Stück weiter unten korrigierte eine zweite Gruppe von Taunts Handlangern mit einer ähnlichen Aktion erneut den Kurs des Fremdweltlers, sodass er auf den Fuß der Rampe zukullerte, wo nun ein Lastengleiter auftauchte. Auf seiner Ladefläche befand sich eine gewaltige Transportkugel, deren obere Hälfte aufgeklappt war.
Jadak bedeutete Poste, zum Gleiter zurückzugehen, und kurz überlegte er, ob er die Kommunikationsanlage mit ein paar Blasterschüssen außer Betrieb setzen sollte. Schließlich entschied er aber, dass sie bereits genug Schaden angerichtet hatten. Falls die Sicherheitspatrouillen bereits verständigt worden waren – und davon konnten sie wohl ausgehen –, dann stand ihnen noch eine wilde Flucht bevor.
Die Holessianer waren zu sehr damit beschäftigt, die Übertragung zu retten, um den Rückzug der beiden Eindringlinge zu behindern oder zu vereiteln. Jadak und Poste sprangen also in den Speeder und rasten von der Plattform davon, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie der Colicoide in den offen stehenden Frachtcontainer auf dem Lastengleiter rollte. Der Deckel der Kugel fiel zu, der Insektoide war im Inneren gefangen.
»Damit wäre die Sache erledigt«, sagte Poste vom Beifahrersitz aus.
Im selben Moment brachen einige der Sicherheitsgleiter, die über dem Lastengleiter kreisten, aus ihrer Formation aus und rasten auf die Kontrollkabine zu.
»Da kommen sie«, meinte Jadak.
Sie hatten einen großen Vorsprung auf die Patrouillenvehikel, und mit ein wenig Glück würden sie lange vor dem Lastengleiter am Raumhafen eintreffen. Jadak riss das Steuer herum und lenkte den T-11 im Zickzackkurs vom Berg der Gerechtigkeit fort, nur für den Fall, dass irgendjemand übermütig wurde und die Turbolaserbatterie auf sie ausrichtete. Den Schubregler bis zum Anschlag vorgeschoben, raste der Luftgleiter durch eine Ansammlung hoher Gebäude im südlichen Teil der Stadt, da entfuhr Poste eine Reihe wilder Verwünschungen.
»Was ist los?«, rief Jadak.
Der Junge lehnte sich aus dem Gleiter und starrte auf etwas hinter ihnen hinab. »Sie haben sie verloren! Die Kugel, der Colicoide – er ist von der Ladefläche gerutscht.«
»Von der Ladefläche gerutscht?«
»Keine Ahnung, was da genau passiert ist, aber jetzt rollt das verkriffte Ding jedenfalls die Straße runter!«
Ein Dutzend möglicher Erklärungen wirbelte durch Jadaks Geist: Der Lastengleiter war von einem der Sicherheitsgleiter unter Beschuss genommen worden; das System, das die Transportkugel an Ort und Stelle halten sollte, war ausgefallen; der Colicoide hatte sich irgendwie gerade so weit entfaltet, um sich hin und her zu werfen und die Kugel von der Ladefläche zu stoßen.
»Rollt sie noch?«
»Ja, sie wird immer schneller«, berichtete Poste, der weiter über seine Schulter blickte. »Sie bewegt sich den Hügel hinunter auf den Fluss zu.«
»Wo ist der Laster?«
»Der rast hinterher.«
»Wie viele Patrouillenfahrzeuge verfolgen uns?«
Poste drehte sich in dem Schalensitz herum. »Ich zähle drei, aber die sind weit hinter uns.«
Jadak rutschte hinter den Instrumenten hin und her und ließ zischend den Atem entweichen. »Schnall dich an!«
Kaum, dass Poste die Sicherheitsgurte festgezogen hatte, riss Jadak den Speeder in einer Mischung aus Schraube und halbem Looping herum und raste wieder zurück in Richtung Berg der Gerechtigkeit.
»Du hast versprochen, es würde keine weiteren halsbrecherischen Verfolgungsjagden geben!«, schrie Poste, nachdem er sein Frühstück ein zweites Mal hinuntergeschluckt hatte.
»Alte Gewohnheiten wird man nur schwer wieder los.«
Jadak hatte die dahinrollende Transportkugel nun im Blick, aber leider hatten die Sicherheitsgleiter nun auch den T-11 im Blick. Von beiden Seiten schossen sie heran, mit heulenden Sirenen und blinkenden Lichtern. Die SoroSuub-Polizei-Sondermodelle konnten es in Sachen Manövrierfähigkeit mit dem Incom aufnehmen, aber keiner der Piloten war so geschickt wie Jadak, und die Repetierblaster, mit denen sie ausgestattet waren, hatten weder eine große Durchschlagskraft noch eine große Reichweite. Ein Schriftzug wanderte über die Anzeigetafel auf den Dächern der Gleiter und zeigte an, wie viele Gesetze Jadak und Poste bereits gebrochen hatten.
Weniger als einhundert Meter vor und zwanzig Meter unter ihnen polterte die Kugel auf den Fluss zu, und bei jedem flachen Hügel wurde sie in die Luft katapultiert. Fünf Meter über dem Boden raste der Lastengleiter hinter dem Transportcontainer her, aber er war zu langsam, um die Kugel zu überholen, und auch sonst gab es nicht viel, was Taunts Leute tun konnten. Jadak nahm sich einen Moment, um die Straße vor ihnen zu betrachten, dann drückte er das Steuer nach vorne und ließ den Flitzer fast bis auf den Boden hinabsinken, so dicht vor dem Lastengleiter, dass dessen Pilot keine andere Wahl hatte, als auszuweichen. Poste, der erkannte, was Jadak vorhatte, stemmte Arme und Beine gegen den Boden und die Beifahrertür.
Jadak wartete, bis die Kugel den nächsten Hügel erreicht hatte, dann, gerade als sie vom Boden abhob, holte er das letzte bisschen Geschwindigkeit aus dem Antrieb heraus und lenkte den T-11 direkt unter den Behälter.
Die Vorwärtsbewegung des Speeders ließ den Metallball über den geschwungenen Bug, die Windschutzscheibe und die eingezogenen Köpfe der beiden Insassen hinwegrollen, bevor er in der Vertiefung der hinteren Sitzbank hängen blieb. Einen Moment wankte er noch vor und zurück, dann kam er zur Ruhe. Das zusätzliche Gewicht drückte den T-11 auf die Straße hinab, und Funken sprühten unter dem Speeder hervor, bis es Jadak gelang, die Kontrolle über die Repulsorlifts zu erringen. Der Gleiter schoss wieder in die Luft empor, doch die SoroSuubs hatten sie inzwischen wieder eingeholt und hinderten den Incom daran, noch weiter zu steigen.
Erst eine unerwartete Lasersalve aus dem Lastengleiter wendete die Lage zu ihren Gunsten. Von Energieblitzen durchbohrt torkelten zwei der Polizeigleiter in verschiedene Richtungen davon und prallten auf dem Boden auf. Einen Schweif aus Rauch und Feuer hinter sich herziehend schlitterten sie über die Straße, dann pflügten sie durch zwei Zäune, zogen tiefe Furchen in eine Rasenanlage und platschten schließlich in den Fluss.
Wegen der Transportkugel konnte Jadak nicht sehen, was hinter ihnen geschah, aber das plötzliche Verschwinden der anderen SoroSuubs ließ darauf schließen, dass die Ordnungshüter nun den Lastengleiter verfolgten. Der T-11 beschleunigte weiter und sauste über den Fluss hinweg, zwanzig Meter über dem gischtgekrönten Wasser, der aufgehenden Sonne und dem Raumhafen entgegen.
Der Raumfrachter, zu dem der Lastengleiter die Kugel hätte bringen sollen, lief gerade in der Andockbucht warm, als Jadak den Incom daneben landete. Mehrere Humanoide und zwei Gamorreaner eilten herbei, um den Transportcontainer von der Rückbank zu hieven und die Frachtrampe des Schiffes hinaufzuschaffen.
Mit einem Blick auf ihre Kleidung fragte der Captain des Raumfrachters: »Was ist das denn für eine Verkleidung?«
Poste lächelte humorlos. »Wir haben eine Rolle in der Schulaufführung.«
»Was ist mit dem Lastengleiter passiert?«
»Der Pilot hat die Kugel verloren«, erklärte Poste.
»Er wurde von Polizeieinheiten verfolgt, als wir ihn das letzte Mal sahen«, fügte Jadak hinzu.
Der Captain nickte kurz. »Das ist ihr Problem.« Er neigte den Kopf in Richtung seines Raumfrachters. »Unser Colicoiden-Freund hat eine Verabredung auf einer sehr, sehr abgelegenen Welt.« Er begann, die Rampe hinaufzusteigen, hielt dann aber noch einmal kurz inne und drehte sich herum. »Sollen wir euch irgendwohin mitnehmen?«
»Ja«, sagte Poste und schob Jadak mit einem Schulterklopfen vor sich her. »Aber das Wohin hängt ganz davon ob, ob Rej Taunt seinen Teil unserer Abmachung einhält oder nicht.«
»Das wird er. Also dann, kommt rein und sucht euch zwei Kojen in der Gemeinschaftskabine.«
Sie gingen auf direktem Wege zu den Betten, und nachdem Poste alle Kojen überprüft hatte, stellte er seinen Rucksack auf einer von ihnen ab und begann, ihn zu leeren. Dabei sang er ein Lied vor sich hin – dasselbe Lied, das er am Tag ihres Aufbruchs in seiner winzigen Wohnung auf Nar Shaddaa gesungen hatte, während er den Rucksack packte.
»Hat es irgendeine besondere Bewandtnis mit diesem Lied?«
»So stelle ich sicher, dass ich nichts vergessen habe.« Poste deutete auf die Gegenstände, während er weitersang: »Socken und Hemden und Hosen und ein Kamm, und jetzt noch Stiefel und ein Hut und …«
»Schon gut, schon gut, ich hab’s kapiert«, unterbrach ihn Jadak.
»Ich hab das von einem der Alten in der Schlucht gelernt, in dem mein Stamm sich herumgetrieben hat. Anfangs besaß ich nur eine Handvoll Dinge, aber jedes einzelne davon war mir wichtig, und es war ein harter Schlag, wenn eines davon verloren ging, entweder durch Diebstahl oder meine eigene Unachtsamkeit. Damals war ich nicht älter als fünf oder sechs. Je mehr Dinge ich erbeutete, desto mehr Verse hatte das Lied, und als ich schließlich eine ganze Strophe beisammenhatte, glaubte ich, dass ich jetzt wohl reich sein müsste.«
Jadak nickte und lächelte. »Falls nichts dazwischenkommt, wirst du bald eine Woche brauchen, um dieses Lied zu singen.«
Poste grinste. »Der Alte, der es mir beigebracht hat, nannte es eine Gedächtnisstütze.«
»Der Kennsatz lautet: Das Ansehen der Republik in der Galaxis wiederherstellen. Die Kontaktperson erwartet Sie. Der Codesatz, den wir Ihnen gegeben haben, ist eine Gedächtnisstütze, die sie brauchen wird, um ihren Teil der Mission auszuführen. Und die Gesandte wird sich um alles Weitere kümmern.«
Jadak streckte die zitternde Hand nach Poste aus. »Hast du ein Datapad da drin?«