11. Kapitel
»Die Allianz zur Wiederherstellung der Republik.«
Mit diesen Worten auf den Lippen erwachte Jadak aus seinen wirren Träumen. Ein 2–1B-Medidroide musterte ihn von seinem Platz bei dem Kontrollgerät, das Sompa noch nicht aus dem Zimmer entfernt hatte.
»Sir?«, fragte der Droide.
Jadak starrte ihn an.
»Sie sagten: ›Die Allianz zur Wiederherstellung der Republik.‹ Möchten Sie noch etwas hinzufügen?«
Jadak fuhr sich mit der Hand über das bärtige Kinn und schüttelte den Kopf. »Habe ich sonst noch etwas im Schlaf gesagt?«
»Nichts Verständliches, Sir.«
»Wie üblich«, brummte Jadak.
Er schwang die Beine aus dem Bett und schlurfte zu der Spiegeltafel hinüber, die die Krankenschwestern ihm endlich zugestanden hatten. Jeden Morgen erwartete er, darin die Reflexion eines Mannes zu sehen, der aus dem Grab gekrochen war. Stattdessen grüßte ihn jedes Mal derselbe blonde Fremde. Er ging ins Bad, zog sich an und schlang einen Teil des Frühstücks hinunter, das ein anderer Droide ihm gebracht hatte. Sompa hatte das Verbot bezüglich des HoloNets aufgehoben, aber Jadak wollte sich das jetzt nicht zumuten, und so verließ er den Raum. Er hatte sich noch immer nicht vollständig an die neuen Beine gewöhnt, darum bewegte er sich vorsichtig durch die Gänge, wobei er die anderen Patienten grüßte, denen er nicht aus dem Weg gehen konnte. Größtenteils war er aber mit den eigenen Gedanken beschäftigt, und mit jeder Sekunde wuchs seine Verwirrung.
Sompa hatte ihn gewarnt, dass er mit Phasen der Frustration rechnen musste, während sein Geist sich bemühte, die Chronologie seiner Erinnerungen wiederherzustellen. Doch Jadak hatte nicht mit der physischen Reaktion gerechnet, die manchmal den Wunsch in ihm weckte, ein Loch in die nächstbeste Wand zu schlagen. Er konnte das Gefühl nicht abstreifen, dass etwas Wichtiges unerledigt geblieben war. Zwar akzeptierte er, dass dieses Gefühl vermutlich mit dem Ereignis zusammenhing, das sich als seine letzte Mission für die Republikanische Gruppe herausgestellt hatte, aber die Frustration saß dennoch tief, weil er sich einfach nicht daran erinnern konnte. Es war, als könnte seine Heilung erst dann abgeschlossen werden und er wieder richtig leben, wenn die Erinnerung an diese Mission zurückkehrte und er damit abschloss.
Die Allianz zur Wiederherstellung der Republik.
Ihre Wurzeln lagen in der Delegation der Zweitausend, bis zu einem gewissen Grad auch in der Republikanischen Gruppe, und zur Zeit der Schlacht von Yavin war sie bereits als die Rebellenallianz bekannt. Doch was hatte das alles mit ihm zu tun, wo er doch während all dieser Jahre im Koma gelegen hatte? Wenn er die Augen schloss, blitzten Bilder von Reeze und der Sternengesandten durch seinen Geist. Reeze hatte gehofft, dass der YT-Raumfrachter eines Tages ihnen gehören würde. Er hatte von einem Leben profitabler und ausgelassener Abenteuer geträumt, von Frauen und Reichtum, und von der Freiheit zu reisen, wohin immer sie wollten.
Jadak knirschte mit seinen neuen Zähnen. Was hatten sie unerledigt gelassen, das nun so dringend erschien? Warum musste er darauf warten, dass die Erinnerung an den Unfall wieder zum Vorschein kam? Warum konnte Sompa ihm nicht einfach die Details geben, damit er endlich wieder nach vorne blicken konnte?
Jadak trat in den Sonnenschein hinaus, der zwischen rasch dahinziehenden Wolken auf die grünen Rasenflächen des Aurora herabstrahlte. In der Ferne sanken Luxusyachten sanft dem privaten Landefeld der Einrichtung entgegen. Das Aurora hatte sogar eine eigene Flotte von Schiffen. Patienten – Klienten vieler Spezies – stiegen aus Luftgleitern mit getönten Scheiben und wurden von Sicherheitspersonal, Mitarbeitern und Droiden willkommen geheißen. Einige von ihnen trafen auch mit einem Tross aus Assistenten und Bediensteten ein. Falls unter ihnen berühmte oder bekannte Gesichter waren, so erkannte Jadak sie nicht. Doch wie sollte er sie auch erkennen, wo doch die berühmtesten Persönlichkeiten seiner Zeit entweder tot oder bis zur Unkenntlichkeit verjüngt waren? Warum war er, ein in Ungnade gefallener Swooprennfahrer, der später heimlich zum Captain eines Raumschiffs geworden war, überhaupt hier, zwischen all diesen Prominenten? Warum erholte er sich in einem privaten Zimmer in einem der exklusivsten Flügeln des Aurora von seinen Verletzungen?
Das Komlink an seinem Gürtel zirpte – Sompa bestand darauf, dass er es bei sich trug.
»Captain Jadak«, sagte eine Droidenstimme, »Sie werden gebeten, in Gebäude eins zurückzukehren und sich direkt in Dr. Sompas Büro zu melden. Sollten Sie Hilfe benötigen, geben Sie einfach Ihren derzeitigen Aufenthaltsort an, und wir werden Ihnen ein Transportmittel schicken.«
»Ich schaffe das schon auf meinen eigenen zwei Beinen«, antwortete Jadak.
Er hatte erst in ein paar Stunden einen Termin bei Sompa, aber der Neurologe hatte die ärgerliche Angewohnheit, Verabredungen ständig zu verschieben. Diese kurzfristige Änderung half nicht gerade, Jadaks Stimmung zu heben. Als er das Büro erreichte, war er angespannt, doch Sompa war nicht da, um ihn zu empfangen. Stattdessen saß im Eingangsbereich die attraktivste Frau, die er je gesehen hatte, ob nun menschlich oder nur humanoid, und einen Moment war er sich nicht sicher, welches von beidem sie denn nun war. Dr. Bezant, die Twi’lek-Psychotherapeutin, war schon eine Augenweide, aber diese Frau …
»Captain Jadak«, sagte sie, während sie aufstand und ihm die Hand hinhielt. »Ich bin Koi Quire. Von der KK&L.«
In ihren hochhackigen Schuhen war sie beinahe so groß wie er. Sie trug einen langen Rock und eine kurze Jacke, die sich eng um ihren Oberkörper schmiegte. Ihre Haut hatte einen goldenen Schimmer, ihre Augen unter der Nickhaut die Farbe blassen Lavendels. Wie ein bunter Regenbogen fiel ihr Haar in Locken und Ringeln über ihre Schultern.
»KK&L?«, wiederholte Jadak.
»Das Kern-Kranken- und Lebensversicherungskonsortium. Ich bin hier, um mit Ihnen über Ihre Police zu sprechen.«
Jadak schüttelte verwirrt den Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern, irgendeine Police bei der Kern-Leben oder einer anderen Firma abgeschlossen zu haben.«
Quire runzelte die Stirn und konsultierte ein tragbares Datengerät. »Jetzt sehe ich, warum Sie so überrascht sind.« Sie lächelte und entblößte dabei schneeweiße Zähne. »Suchen wir uns einen Ort, wo wir reden können, in Ordnung?«
Er folgte ihr den Korridor hinab zu einem leeren Konferenzraum, und sie setzten sich im rechten Winkel zueinander an ein Ende des langen Tisches. Quire öffnete ihre Tragetasche, dann stellte sie einen Computer zwischen ihnen auf und drehte den Bildschirm so, dass sie beide daraufblicken konnten. Sie rief einige Daten auf und benutzte den lackierten Fingernagel ihres Zeigefingers, um eine der Textzeilen zu vergrößern.
»Die Police wurde von einem Unternehmen namens Republikanische Gruppe für Sie abgeschlossen.«
Jadak starrte erst den Text an, dann Quire. »Wann?«
»Ähm, mal sehen.« Sie berührte den Bildschirm und fuhr einige Zeilen mit ihrem Finger nach. »Aber das ist unmöglich!«
»Was?«
»Diese Police wurde vor zweiundsechzig Jahren abgeschlossen, aber Sie …«
»Ich bin älter, als ich aussehe«, sagte Jadak.
Ihre Augenbrauen formten ein V unter ihren lockigen Stirnfransen. »Ja, ungefähr fünfzig Jahre älter!« Sie rutschte auf ihrem Stuhl nach hinten. »Ich weiß, welche Behandlungen hier im Aurora angeboten werden, aber ich hatte keine Ahnung, dass …«
»Kommen wir doch auf diese Police zurück. Geht es um eine Kranken- oder um eine Lebensversicherung?«
Sie lachte. »Da Sie offensichtlich noch quicklebendig sind, Captain, war es wohl eine Krankenversicherung. Mit einer Zusatzklausel, die Unfälle abdeckt.«
»Sie wissen von dem Unfall, den ich hatte?«
»Ich kenne keine Details. Darum kümmert sich eine andere Abteilung. Als das Aurora sich mit der KK&L in Verbindung setzte und uns berichtete, dass Sie …« Sie blickte auf den Schirm. »… aus Ihrem Koma erwacht sind, wurde ich losgeschickt, um Ihnen Ihre Entschädigung auszuzahlen.«
Jadak schob den Bildschirm zu sich heran. »Können Sie in meiner Akte nicht die Einzelheiten meines Unfalls in Erfahrung bringen?«
Sie drehte den Computer wieder zu sich. »Nein, Captain. Selbst wenn ich es könnte, wäre ich nicht befugt, Informationen weiterzugeben, die über meine Instruktionen hinausgehen.«
Jadak kniff die Augen zusammen. »Was sind Sie? Eine Schadensachverständige?«
»Das ist eine eher altmodische Bezeichnung, aber ja, im Grunde haben Sie recht.«
»Wie viel genau steht mir laut dieser Unfallklausel zu?«
Sie räusperte sich vielsagend. »Sie müssen verstehen, Captain, dass die KK&L während all der Jahre Ihre beträchtlichen Gesundheitskosten gedeckt hat.«
»Wie viel?«, fragte Jadak.
»Zehntausend Credits.«
»Ist das viel? Nach den gegenwärtigen Maßstäben, meine ich?«
»Es würde kaum für einen Monat Behandlung in dieser Einrichtung reichen. Aber falls sie vernünftig mit Ihrem Geld umgehen und sparsam sind, könnten Sie davon vielleicht ein ganzes Jahr auf einer Welt wie Obroa-skai leben.«
»Ich weiß nicht, ob ich auf Obroa-skai bleiben sollte.«
»Nun, dann hängt alles davon ab, wie weit Sie reisen und auf welcher Welt Sie sich niederlassen möchten.«
Jadak dachte einen Moment darüber nach. »Entschuldigen Sie die Frage, aber von welcher Welt stammen Sie?«
Sie blickte ihn aus den Augenwinkeln an. »Ist das eine höfliche Art, mich nach meiner Spezies zu fragen?«
»Vermutlich.«
»Ich bin eine Firrerreo.«
»Falls auf Firrerre alle so attraktiv sind wie Sie, würde ich mich gerne dort niederlassen.«
»Das halte ich für keine gute Idee.«
»Zu teuer?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Hat Ihre Spezies dann vielleicht etwas gegen Fremde?«
Ihre Haut nahm einen silbernen Schimmer an. »Firrerre wurde durch einen Virus verheert. Der Planet ist tot. Er steht unter Quarantäne.«
Jadak zuckte leicht zusammen. »Die Yuuzhan Vong?«
»Es war einer von uns, der unsere Welt vernichtete«, erklärte Quire. »Er schloss sich dem Imperator an. Viele Mitglieder meines Volkes wurden in Stasis versetzt und an Sklavenhändler verkauft, aber einige hatten das Glück, gerettet zu werden, und konnten auf Belderone ein neues Leben beginnen.«
Jadak furchte die Stirn. »Ich kenne Belderone. Dort würde ich nicht leben wollen.«
»Das wollte ich auch nicht«, sagte Quire. Einen Moment lang schwieg sie, dann fuhr sie fort: »Ist es wirklich so leicht für Sie, einen Ort zum Leben zu wählen? Haben Sie keine Arbeit, keine unerledigten Aufgaben?«
Jadak musterte sie abschätzig. »Was ist das denn für eine Frage?«
Quire wandte den Blick ab. »Entschuldigen Sie bitte, Captain. Ich war nur neugierig.«
Er zügelte seine Wut. »Ich habe keine Arbeit, aber ich habe Talente.«
»Dessen bin ich mir sicher, Captain.«
Ein Lächeln verzog seine Lippen. »Wie wäre es, wenn ich Ihnen ein wenig von Aurora zeige, bevor Sie wieder aufbrechen?«
Quire lachte. »Ich glaube, ich wurde noch nie eingeladen, ein Krankenhaus zu besichtigen.«
»Ein Heilinstitut«, korrigierte Jadak. »Und das Essen hier ist hervorragend.«
»Flirten Sie mit mir, Captain?«
»Ich versuche es.«
Ihre Haut nahm wieder ihre goldene Farbe an. »Ich fühle mich geschmeichelt, aber ich fürchte, ich muss Ihr Angebot ablehnen.«
»Sie gehen nicht mit älteren Männern aus?«
Sie lachte herzlich. »Ja, es hat mit Ihrem Alter zu tun. Belassen wir es dabei.«
Jadak zuckte mit den Schultern. »Könnten Sie mir dann vielleicht wenigstens einen kleinen Gefallen tun?«
»Und der wäre?«, fragte sie argwöhnisch.
Jadak deutete auf den Computer. »Ich möchte, dass Sie Ihre Vorschriften gerade weit genug überschreiten, um mir zu sagen, was in meiner Akte über den Unfall steht.«
Ihr Lächeln erstarb. »Ich sagte Ihnen doch, es steht mir nicht frei, darüber zu sprechen.«
»Wir reden hier über mein Leben«, sagte Jadak, ernster, als er eigentlich beabsichtigt hatte.
Sie zuckte zusammen. »Es tut mir leid …«
»Warum sollte die Republikanische Gruppe eine Unfallpolice für mich abschließen? Und warum hat Ihr Unternehmen meine Behandlung bezahlt, obwohl ich nur eine Gehirnwelle davon entfernt war zu sterben?«
»Ein vegetativer Zustand ist nicht dasselbe wie Hirntod.«
Jadaks Nasenflügel zuckten. »Das ergibt keinen Sinn. Hat die Republikanische Gruppe auch für Reeze eine Police abgeschlossen? Hat jemand die Haftung für den Unfall übernommen?«
»Ich habe …«
»Mein Kopilot. Hat die KK&L die Kosten seiner Beerdigung übernommen?«
Quire blickte ihn mit versteinertem Gesicht an. »Und ich dachte, wir würden gerade anfangen, uns zu verstehen.«
Jadak ballte die Fäuste. »Ich wäre bestimmt sehr viel umgänglicher, wenn Sie mich ein paar Minuten mit Ihrem Computer allein lassen würden!«
Sie klappte den Computer zu, schob ihn in ihre Tasche und stand auf. »Muss ich den Sicherheitsdienst rufen, Captain?«
Jadak schloss die Augen und stieß den Atem aus. »Nein.«
»Dann werde ich den Zahlungsgutschein beim Kassenverwalter des Aurora hinterlegen.«