4. Kapitel

 

»Ich habe sie«, sagte Isard in das Mikro, das am kurzen Kragen seiner Uniform befestigt war. Am Rande der Gleiterbus-Landebucht stehend schwang er das Makrofernglas herum, um den fliehenden YT im Blick zu behalten. Weit unter ihm tauchte der Raumfrachter in die breite Kluft gegenüber des Senatskomplexes ab.

»Captain Archers ARC-Staffel wird die Verfolgung aufnehmen«, sagte der stellvertretende Direktor via Komlink.

»Was ist mit Fang Zar und den anderen?«

»Die waren bereits weg, als die Stoßtruppen sich Zutritt zur Hangarbucht verschafft hatten. Jemand muss sie gewarnt haben.«

Isard ließ das Makrofernglas sinken und eilte über den roten Teppich in Richtung Atrium. »Wir werden uns zu gegebener Zeit um sie kümmern. Im Augenblick hat der Raumfrachter für uns Priorität.«

»Außer Gefecht setzen oder zerstören?«

»Das ist Archers Entscheidung. Versetzen Sie ein Forensik-Team in Bereitschaft, um die Leichen einzusammeln und das Wrack zu durchsuchen, falls es dazu kommen sollte.«

Blasterschüsse beharkten das Heck des Raumfrachters, als der YT aus erhöhtem Terrain in die Tiefe sauste und dabei beinahe mit einem Gleiterbus zusammenstieß, der sich in stattlichem Tempo im Anflug auf eine der Landebuchten in den oberen Etagen des Gebäudes befand. Zwei Speeder mit am Bug montierten Repetiergeschützen kamen um die Ostkurve der Senatskuppel herumgeschossen. Jadak drückte den Steuerknüppel nach vorn, um die Gesandte in eine der Schluchten abtauchen zu lassen, die vom Senatszirkel abstrahlten. Durch Verkehrsspuren schneidend kippte er den Raumfrachter auf die Seite, brachte die Rolle dann zu Ende und stieg steil zum Himmel empor. Bald waren die Speeder vergessen, doch die Gesandte war noch nicht bis zu den Penthouse-Etagen von Republica 500 aufgestiegen, als die Gefahreneinschätzungskonsole losschrillte.

»V-Flügler und ARC-eins-siebziger«, sagte Reeze. »Ich zähle fünf … sechs, sieben. Nähern sich von vier und neun Uhr.«

Jadak gab Schub und zog den Steuerknüppel in den Schoß, um auf mehreren mittleren Luftstraßen für Chaos zu sorgen, als der YT mehrere hundert Meter senkrecht in die Höhe kletterte, seinem eigenen Überschallknall vorauseilte, während die Gefahrenkonsole die ganze Zeit über heulte.

»Noch mehr ARCs.«

Jadak warf einen Blick auf den Hauptschirm der Instrumententafel. Hitzereduzierende S-Flügel teilten sich in Angriffsposition. Die Verfolgerschiffe folgten mit maximalem Tempo, Laserkanonen und Protonenraketenwerfer wurden aktiviert.

»Wurde die Blockade aufgehoben?«

»Gerade eben«, erklärte Reeze, der die Kom-Kanal-Wählscheibe drehte und in sein Headset horchte. »Die Schiffe lösen sich aus den Warteschleifen. Der Großteil des im Anflug befindlichen Verkehrs wurde zu den Sektoren dreizehn bis zwanzig umgeleitet.«

Jadak änderte den Vektor, drehte in einem weiten Bogen nach Osten ab und gab noch mehr Schub auf die Triebwerke. Die Anzeigen verrieten ihm, dass die Klonpiloten ahnten, was er vorhatte. Derjenige der Aufklärungsjäger, der ihnen am nächsten war, schickte der Gesandten einen Warnschusshagel vor den Bug.

»Also, die meinen es ernst.«

»Ich sagte dir doch, dass du in der Hangarbucht zu rüde zu ihnen warst.«

»Richte die Frontaldeflektoren aus und halt die Augen offen!«

Weiter vorn flog die Vorhut einer kilometerbreiten Schneise von Schiffen, die begierig darauf waren, endlich an ihr Ziel zu gelangen. Eskortiert von Polizeivehikeln und V-Flügler-Sternenjägern, waren die Schiffe gleichmäßig verteilt und sanken in gemessener Geschwindigkeit tiefer. Jadak steuerte die Gesandte direkt in ihre Mitte. Er bewegte sich entgegen des Verkehrsstroms und bahnte sich im Zickzack seinen Weg durch die Menge, wobei er einigen der Schiffe so nahe kam, dass er die erschrockenen Mienen von Menschen, Humanoiden und Fremdweltlern gleichermaßen in den Kanzeln ausmachen konnte. Offenkundig hatten die Piloten nicht annähernd so viel Vertrauen in Jadaks Fähigkeiten wie er selbst. Einem durch das plötzliche Auftauchen eines Raubtiers aufgescheuchten Fischschwarm gleich, verließen einige Schiffe unvermittelt ihren bisherigen Kurs und taten ihr Möglichstes, um Kollisionen zu entgehen, doch in vielen Fällen krachten sie dabei gegen in der Nähe befindliche Vehikel und lösten Kettenreaktionen voller Zusammenstöße aus. Die ARC-170er, die vergeblich versuchten, mit der Geschwindigkeit der Gesandten mitzuhalten, stellten das Feuer ein, aus Angst, unbeteiligte Schiffe zu erwischen. Allerdings dünnte sich die Masse aus, bevor die Gesandte auch nur die oberen Bereiche der Atmosphäre erreicht hatte, und die ARC-Jäger kletterten mit Maximalschub höher.

»Energie zu den Heckschilden umleiten«, sagte Jadak, als die Gesandte das Gravitationsfeld von Coruscant hinter sich ließ.

Das hiesige All war mit Trümmern durchsetzt – mit den rauchenden Wracks von Schlachtschiffen der Republik und der Separatisten, mit den geschwärzten Bruchstücken zerstörter Sternenjäger, mit Fragmentsplittern von Orbitalspiegeln. Von den Schiffen der Handelsföderation und der Handelsgilde, die die Schlacht überlebt hatten, fehlte jede Spur, doch die Kreuzer der Heimat- und der Doppelbogenflotte waren nach wie vor auf Verteidigungsposition, für den Fall, dass die Separatisten beschlossen, einen neuerlichen Angriff auf Coruscant zu starten.

Reeze murmelte vor sich hin, während er dem Kom-Verkehr lauschte. »Die verbündeten Schiffe wurden alarmiert. Wir gelten jetzt als feindliches Ziel.«

Jadak stieß den Schubregler ganz nach vorn. Doch anstatt zu versuchen, Abstand zu den riesigen, pfeilköpfigen KTW-Schiffen zu halten, brachte er den YT so nah an die dicht beieinander arrangierten republikanischen Kreuzer heran, wie er es wagte, sauste an den Außenhüllen entlang, schoss von einem Freiraum zum nächsten, nutzte die Schiffe als Deckung, in dem Bestreben, weit genug von Coruscant wegzukommen, um schließlich den Sprung auf Lichtgeschwindigkeit wagen zu können. Doch die ARC-170-Piloten hatten die Verfolgung noch nicht aufgegeben und machten sich jetzt keine Sorgen mehr um unschuldige Dritte. Die Deflektorschilde der großen Schiffe waren mehr als gewappnet, verirrte Laserkanonenladungen abzufangen.

Die erste Salve schüttelte die Gesandte durch.

Jadak riss das Schiff zur Steuerbordseite herum, als wollte er ihren Verfolgerschiffen den Bauch des Raumfrachters präsentieren. »Wir müssen diese Backbordschubdüse schützen …«

Ein ohrenbetäubender Lärm übertönte den Rest des Satzes, und ein Knäuel blauer Energie tanzte über die Instrumententafel. Die Cockpitlichter und Kontrollen blinkten, erloschen und erwachten dann flackernd wieder zum Leben. Jadak schlug mit der Hand gegen die Decke, um den paar Systemen einen »Motivationsschub« zu geben, die sich weigerten, wieder online zu gehen.

»Leichter Turbolasertreffer von der Redlichkeit. Sie drehen bei, um uns mit ihrem Traktorstrahl zu erfassen.«

»Der Steuerknüppel gehört dir.«

Jadak schwang in seinem Sessel herum, um sich dem Rubicon-Navigationscomputer zuzuwenden, und gab eine Sprungdatenanfrage ein.

»Wir können die V-Flügler abschütteln«, meinte Reeze. »Aber diese ARCs verfügen über einen Hyperantrieb der Klasse eins Komma fünf. Die werden uns in die Hölle und zurück folgen.«

»Dann ist Toprawa fürs Erste gestorben. Wir müssen sie von unserer Fährte abbringen.«

»Wohin dann?«

Jadak sah Reeze über die Schulter hinweg an. »Nar Shaddaa ist unsere beste Option.«

Die nächste Laserladung von der Redlichkeit blendete die Gesandte.

»Ein Sturm droht uns in jedem Hafen.«

Jadak wartete auf die Zieldaten des Rubicon und streckte die Hand nach dem Schubregler des Hyperantriebs aus. Die Sterne zogen sich noch nicht zu Strichen in die Länge, als schon die nächste starke Druckwelle den YT bis ins Innerste durchschüttelte. Der Raumfrachter sprang weniger in den Hyperraum, als dass er regelrecht hineingestoßen wurde.

Sie verbrachten den Großteil der Hyperraumreise damit, durch die Eingeweide des Raumschiffs zu kriechen, den Schaden einzuschätzen und sämtliche Reparaturen durchzuführen, zu denen sie imstande waren. Die Energiewaffen, die sie im Augenblick des Sprungs am Heck getroffen hatten, hatten den Sublichtantrieb lahmgelegt. Nachdem sie das Problem miteinander besprochen hatten, beschlossen sie, dass sie das Schiff in die Umlaufbahn um Nar Shaddaa bringen konnten, indem sie sich auf die Höhen- und Bremsschubdüsen verließen.

Für den Rest der Reise durch das Jenseits des Hyperraums kehrten sie ins Cockpit zurück. Keiner von ihnen sprach, bis Reeze das lange Schweigen schließlich brach.

»Was, glaubst du, hat der Jedi eingebaut?«

Jadak schwang in seinem Sessel herum und ließ den Blick über die Instrumente schweifen. »Keine Ahnung.«

»Ist dir nicht in den Sinn gekommen, danach zu fragen?«

»Warum sollte es?«

Reeze antwortete nicht sofort. »Weißt du, wir könnten einfach weiterfliegen. Das Schiff auf Nar Shaddaa reparieren und uns dann auf den Weg in den Äußeren Rand machen.«

»Das könnten wir, aber das werden wir nicht.«

Reeze schnaubte. »Die Mission kommt stets an erster Stelle. Selbst wenn das bedeutet, das Schiff aufzugeben.«

»Die Senatoren spielen ihre Rolle, wir spielen unsere. Mit etwas Glück geht am Ende alles gut aus.«

»Aber diese Sache ist doch ohnehin schon so gut wie vorbei, oder? Jetzt, wo Count Dooku tot ist. Du hast gehört, was sie sagten. Womöglich brauchen sie uns nicht einmal mehr.«

Jadak ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. »Ich sage dir was, Reeze. Wenn das alles ein Ende hat, bis wir Toprawa erreichen, werde ich ernsthaft über das nachdenken, was du da vorschlägst.«

Reeze setzte sich in seinem Sessel auf. »Dann bist du also sauer auf sie – weil sie das Schiff weggeben, meine ich.«

Endlich sah Jadak ihn an. »Sagen wir lieber, ich bin enttäuscht.«

Reeze grinste. »Enttäuschung ist gut.«

»Du bist in Feierlaune, hm?«

»Warum nicht? Es waren viele Jahre, Tobb.«

»In der Tat. Aber schraub deine Hoffnungen besser nicht zu hoch.«

»Wie könnte ich, wo du in der Nähe bist?«

Jadak lächelte, ohne die Zähne zu zeigen. »Also, nach Nar Shaddaa, in dein altes Revier.«

»Ha! Du meinst wohl den Ort, wo regelmäßig auf mir rumgetrampelt wurde.«

Der Rubicon-Navigationscomputer piepte, und Jadak schwang den Sessel herum.

»Verlassen des Hyperraums steht kurz bevor.«

Sie verfielen in unbehagliches Schweigen, während das Schiff in den Realraum eintrat. Nach einem Moment nahm das Sternenfeld wieder Gestalt an. Die Gesandte bebte und ächzte und wurde jetzt bloß noch von reinem Schwung vorangetrieben.

»Das war gar nicht so übel«, setzte Jadak an … als die Systeme des Schiffs mit einem Mal erstarben.

Reeze wackelte in der Dunkelheit an Schaltern. »Nicht die geringste Energie. Kein Licht, keine Kommunikation, keine Reaktion von den Notfallsystemen.«

Jadak verfolgte, wie Nar Shaddaa im Sichtfenster zunehmend größer wurde. »Diese Druckwelle muss den Energiekern aus dem Konzept gebracht haben.«

»Haben wir irgendeine Möglichkeit, das Tempo manuell zu drosseln?«

»Hätten wir Zeit dafür, wäre das durchaus machbar. Doch so, wie die Dinge liegen, wird es uns dorthin verschlagen, wo immer Nar Shaddaa uns hindirigiert.«

Reeze fing wieder an, Schalter zu betätigen, und fluchte. »Besteht irgendeine Chance, in den Orbit einzutreten?«

»Schwer zu sagen.« Jadak schnallte sich vom Sitz ab und stand auf, um sich zum Fenster vorzubeugen. »Bei dieser Geschwindigkeit und mit diesem Anflugwinkel … könnte es sein, dass wir einfach ins All zurückgeschleudert werden. Ich mache mir mehr Sorgen um Flugverkehr, der hochkommt.«

»Das solltest du auch«, meinte Reeze. Er hatte ein Makrofernglas gegen seine Augen gedrückt. »Ich habe Sichtkontakt zu einem Schiff.« Er verstummte und sagte dann: »Oh, Junge …«

Jadak spähte zu dem größer werdenden Schiff hinüber. »Was für eins ist das?«

Reeze ließ das Fernglas sinken. »Ein corellianischer Massengutfrachter – eins der riesigen Action-Modelle. Groß genug, um eine ganze Ladung Hutts aufzunehmen, und dann wäre immer noch genügend Platz für eine Herde Banthas.«

Jadak schnappte sich das Fernglas und hob es an die Augen. Der Schwertransporter, ein leicht abgerundeter rechteckiger Kasten mit einem gewaltigen V-förmigen Flugwerk, wurde von drei zylindrischen Triebwerken angetrieben. »Das Ding steuert direkt in unseren Vektor. Nimmt Geschwindigkeit auf, um zu springen. Ihre Instrumente werden sie warnen.«

»Sie warnen?« Reeze sah Jadak ungläubig an. »Das hier ist Nar Shaddaa. Hier gilt: Je größer, desto besser! In deren Augen sind wir bloß eine Motte. Sie werden nicht ausweichen.«

Jadak verfolgte, wie das gewaltige Schiff vom Planeten aufstieg.

»Deine Entscheidung, Tobb«, meinte Reeze nach einem langen Moment des Schweigens.

Jadak gab dem Schubregler einen letzten Stups und atmete geräuschvoll aus. »Okay, wir müssen hier raus.«

Sie eilten nach achtern, zu einer der Rettungskapseln, die vom Rumpf des Raumfrachters aus abgeschossen werden konnten, ein gutes Stück unterhalb von Hyper- und Sublichtantrieb. Reeze kletterte hastig hinein und klappte die Abdeckung auf, unter der sich der manuelle Freigabeschalter befand. Jadak quetschte sich durch die kreisrunde Luke und versiegelte sie hinter sich. Reeze hatte gerade den Überbrückungshebel betätigt, als die Gesandte mit einem Mal einen Satz nach vorn machte und das Innere der Kapsel in rotes Licht getaucht wurde.

»Die Systeme sind wieder online!«

Jadaks Augen waren groß. »Jetzt läufst du wieder? Ausgerechnet jetzt

Der Sublichtantrieb gab ein Zischen von sich, und der YT drehte abrupt zur Seite, wie um einer Kollision zu entgehen, sodass Jadak und Reeze gegen die geschwungene Wand der Kapsel krachten.

Eine Sekunde später schossen sie spiralförmig ins All hinaus.