20. Kapitel
Ich war jung und verliebt und arbeitete für Molpols Wanderzirkus.
Aber vielleicht sollte ich am Anfang beginnen.
Ich wuchs auf Generis auf, wo meine Eltern an den Stromschnellen des Atrivis-Flusses ein Wildnishotel besaßen und bewirtschafteten. Die nächste größere Siedlung befand sich einen Viertagesmarsch entfernt, aber die meisten Gäste zogen es vor, sich mit dem Luftgleiter dort hinbringen zu lassen. So dauerte die Reise natürlich nur knapp eine Standardstunde. Schließlich kauften meine Eltern selbst einen Luftgleiter und brachten mir bei, wie man damit fliegt. Als ich zwölf Jahre alt war, wurde es zu meiner Aufgabe, die Gäste zum Hotel hin und von dort zurück in die Stadt zu fliegen. Um die Wartung und Pflege des Speeders musste ich mich natürlich auch kümmern. Wenn ich nicht gerade irgendwo hinflog, erledigte ich, was sonst noch im Haus anfiel. Das Leben dort war angenehm, aber für einen jungen Mann, der fest entschlossen war, die Sterne zu sehen, doch etwas langweilig.
Das Hotel zog viele wohlhabende Reisende an, die die Wildnis erleben wollten, ohne auf den Luxus zu verzichten. Für mich und meine Geschwister bedeutete das, dass wir den ganzen Tag bereitstehen mussten, um ihnen ihre Wünsche zu erfüllen. Als immer mehr Gäste ihre Kinder mitbrachten, wenn sie uns besuchten, wurde ich mit der Aufgabe betraut, die Kleinen bei Laune zu halten, während ihre Eltern in der Wildnis angelten, jagten, wanderten oder durch die Stromschnellen fuhren. Das klingt jetzt vermutlich nach der schlimmsten Aufgabe, die man an so einem Ort nur haben kann, aber ich liebe es zu lachen, und ich wurde mit der Gabe geboren, andere zum Lachen zu bringen – oft auf meine eigenen Kosten. Mir machte es nie etwas aus, den Trottel zu spielen, und weil die Kinder mich so mochten, wurden auch ihre Eltern auf mich aufmerksam. Sie luden mich fortan jedes Mal, wenn sie das Hotel verließen, ein, sie doch auf ihren Heimatwelten zu besuchen. Für mich waren diese Orte so fantastisch, dass ich kaum an sie glauben mochte, also erzählten die Gäste mir wundervolle Geschichten über die Welten des Mittleren und Äußeren Randes, und mein Wunsch, Generis so bald wie nur möglich zu entfliehen, wurde immer stärker.
Generis war zu abgeschieden, als dass die Herrschaft des Imperiums dort deutlich zu spüren gewesen wäre, aber die Gäste des Hotels hielten meine Eltern über die galaktischen Ereignisse auf dem Laufenden. Ich wusste, dass der schnellste Weg, eine Raumschiffpilotenlizenz zu bekommen, über eine der Imperialen Akademien führte, aber ich wollte mich nicht für all die Zwangsjahre verpflichten lassen, außerdem hatte ich kein großes Interesse daran zu lernen, wie man einen TIE-Jäger fliegt. Also versuchte ich es in der zivilen Raumfahrt und ging bei mehreren Fracht- und Transportunternehmen in die Lehre, ehe ich es schließlich wagte, mich als selbstständiger Pilot zu versuchen. Irgendwann wurde ich dann vom Molpol-Zirkus angeheuert, um einen ihrer leichten Raumfrachter zu steuern.
Bereits damals existierte der Molpol schon seit über einhundert Standardjahren. Er war nicht groß, aber beliebt und erfolgreich, vor allem auf den entlegeneren Welten, wo die Ankunft des Zirkusses jedes Jahr ein Grund zum Jubeln war. Auf den zivilisierten Welten machten wir uns über jede nur erdenkliche Berühmtheit lustig: HoloNet-Stars, Sportler, Politiker – sogar Palpatine, zumindest bis wir eine Warnung aus dem Imperialen Palast erhielten, diese Nummer entweder aus unserem Repertoire zu nehmen oder die Konsequenzen zu tragen. Wenn wir einen Auftritt auf einem abgelegenen Planeten hatten, studierten wir zuvor die lokalen Mythen und Legenden und ließen das in unser Programm einfließen. Und mit abgelegen meine ich Welten, die so unterentwickelt waren, dass die Bewohner noch immer fossile Brennstoffe verheizten, um Energie zu gewinnen, und einem unberechenbaren Klima ausgesetzt waren und an Krankheiten starben, die auf den Kernwelten schon Jahrtausende zuvor ausgemerzt worden waren. Planeten, wo der Gedanke, sich der Schwerkraft zu widersetzen, noch wie Magie wirkte. Die Tatsache, dass wir gerade vom anderen Ende der Galaxis angereist waren, überstieg das Vorstellungsvermögen der Einheimischen. Für sie war es so, als wären wir von einem anderen Teil des Planeten gekommen. Das Wichtigste war ohnehin, dass wir alles mitbrachten, was man sich von einem Zirkus nur wünschen konnte: exotische Tiere, Musik und zahlreiche talentierte Künstler, von Freakshow-Kreaturen über Ryn-Akrobaten bis hin zu meisterhaften Illusionisten von Rang und Namen einer Magierin wie der Großen Xaverri.
Der Molpol verstand sich als eine Art Gegenpol zum Circus Horrificus mit seinen wilden Arqets, Akk-Hunden und Gladiatorenkämpfen. Statt den Leuten Gewalt zu zeigen und sie dadurch zum Chaos anzustacheln, so wie es damals auf Nar Shaddaa geschah, ging es beim Molpol um Wunder und pure Unterhaltung. Die einzigen Gemeinsamkeiten mit dem Horrificus waren, dass wir auch einen Rancor hatten – einen Albino-Mutanten, der auf den Namen Schneeberg hörte –, und dazu das übliche Aufgebot an fleischfressenden Katzen, Herdentieren, Kameloiden und Affen. Unsere Tierpfleger und Dompteure hatten die gesamte Galaxis durchkämmt, um die interessantesten Kreaturen für den Zirkus zu finden – ein Dianoga, einen Nexu, einen Mynock, einen Lavafloh –, aber für die Jüngsten unter den Zuschauern hatten wir natürlich auch einen Taurill, Fledermausfalken, Energiespinnen und Kyntix. Der damalige Besitzer des Molpol war ein Ortolaner namens Dax Doogun, und er träumte davon, unserer Menagerie einen Sarlacc hinzuzufügen, nur leider gab es keine umsetzbare Möglichkeit, eine solche Kreatur von einem Planeten zum nächsten zu schaffen.
Für den Transport unserer anderen Tiere griffen wir auf ein altes Landungsschiff zurück, ein C-9979 von Haor Chall, das so umgebaut war, dass es von einer Besatzung aus Fleisch und Blut geflogen werden konnte – es gab nie viele Droiden beim Molpol. Außerdem war es mit einem riesigen Hyperantrieb der Klasse sechs ausgestattet worden, und die riesigen Drehscheiben in den Frachträumen, die die Neimoidianer installiert hatten, um ihre Panzer und Kampfdroiden abzusetzen, hatten wir so umgebaut, dass wir dort unsere Banthas, Acklays und Gundarks – und natürlich Schneeberg – unterbringen und bewegen konnten.
Der Millennium Falke gehörte bereits zur Flotte des Molpol, als ich dort anfing. Es kam mir merkwürdig vor, dass ein so leistungsstarkes Schiff sich im Besitz eines Zirkus befand, außerdem hatten die früheren Eigentümer des Raumfrachters ihn mit einem Hyperantrieb ausgerüstet, wie ihn sonst nur das Militär verwendet, und ein Lasergeschütz hatten sie ebenfalls eingebaut. Aber je mehr Zeit ich hinter dem Steuer des Falken verbrachte, desto klarer wurde mir, dass dieses Schiff perfekt zum Molpol passte. Es war so beweglich wie unsere Akrobaten, so ungewöhnlich wie die Kreaturen in unserer Freakshow. Seine Glanzzeiten hatte es schon lange hinter sich – es war übersät mit Kampfspuren, wurde nur durch Spucke und Drähte noch zusammengehalten und hätte dringend einer Generalüberholung bedurft. Oh, und es war das launischste Schiff, das ich je geflogen bin.
Im Laufe der Zeit wuchs mir der Falke ans Herz, aber nicht halb so sehr wie die Hauptattraktion des Molpol, eine junge Luftakrobatin, die unter ihrem Bühnennamen Sari Danzer bekannt war. Sie war wunderschön und anmutig, und sie konnte Repulsorliftsprünge vollführen, die selbst den sensationsverwöhntesten Zuschauer verblüfften und faszinierten. Im Gegensatz zu mir hatte sie den Zirkus im Blut. Ihre Darbietungen waren im Verlaufe vieler Generationen von den Mitgliedern ihrer Familie perfektioniert worden, und sie hütete ihre Geheimnisse ebenso streng wie die Jedi einst die ihren hüteten. Durch den cleveren Einsatz von Lasern und anderen Hilfsmitteln konnte Sari die Menge Glauben machen, dass sie sich in Luft auflöste, schrumpfte oder größer als ein Bantha wurde – oder dass sie wie ein Meteor durch die Luft sauste. Selbst wenn sie nicht in der Manege stand, bewegte sie sich auf eine Weise, die völlig schwerelos schien.
Sie war der Star des Molpol, und unglücklicherweise war sie sich dessen nur allzu bewusst.
Ihre Forderungen kannten keine Grenzen, und sie bestand darauf, dass man allem, was mit ihr zu tun hatte, die größte Aufmerksamkeit schenkte. Nie durfte auch nur eine Wimper sich von den anderen abheben, stets musste ihre Kleidung perfekt sitzen, und wehe, es geschah ein Fehler. Gelang ihr eine ihrer Darbietungen nicht absolut perfekt, war sie tagelang wütend. Noch schlimmer war es nur, wenn jemand anderes einen Fehler machte, wie zum Beispiel, dass einem der Bühnentechniker bei der Lichtshow oder der Musik ein kleines Versehen unterlief. Sie schrie einen zwar nicht an, aber ihre eisige Stille konnte ohrenbetäubend sein. Doch nichts davon konnte verhindern, dass ich mich in sie verliebte.
Ich war nur der Pilot, und sie schenkte mir kaum Beachtung, doch es gelang mir, diese Kluft zu überbrücken. Jeder beim Molpol erledigte zwei Aufgaben, und so beschloss ich, mich der Clownstruppe anzuschließen, wenn auch nur aus dem einzigen Grund, um zwischen den Nummern ein paar Worte mit Sari wechseln zu können. Gemeinsam mit fünfzehn anderen Clowns kletterte ich aus einem Landgleiter, in den eigentlich nur vier Personen passten, oder ich rannte durch die Manegen und fiel dabei so oft hin, bis ich nicht mehr konnte, und wenn ich dann hinter die Bühne zurückkehrte, stand sie da und bereitete sich auf ihren Auftritt vor, und ich wünschte ihr Glück oder bewunderte ihr Kostüm. Ich glaube nicht, dass sie sich in irgendeiner Weise körperlich von mir angezogen fühlte, aber es gefiel ihr, dass ich die Leute zum Lachen bringen konnte, sodass sie in der bestmöglichen Stimmung waren, wenn sie ihre Kunststücke darbot.
Normalerweise reisten die Darsteller gemeinsam in einem alten Passagierschiff von Welt zu Welt. An Bord gab es natürlich keine Privatsphäre, Gerüchte waren allgegenwärtig, und ständig gab es Streit. Der Falke war für den Besitzer und den Direktor des Zirkusses und ihre seltenen Gäste reserviert, außerdem wurden mit ihm die Erträge aus den Vorstellungen transportiert. Dennoch fragte Sari mich oft, wie ich es nur aushielt, die ganze Zeit mit dieser »Schrottmühle von einem Schiff« herumzufliegen. Ich versuchte stets, die Vorzüge des Falken anzupreisen, aber da hörte sie mir meist schon gar nicht mehr zu. Schließlich brachte ich jedenfalls genügend Mut auf, um zu fragen, ob sie ihre überfüllte Unterkunft an Bord des Passagierschiffs für ein paar Tage gegen den relativen Luxus einer Privatkabine an Bord des Falken tauschen wollte. Unser Tourneeplan sah zwei Vorstellungen auf unterentwickelten Welten im Anoat-Sektor vor, und der Gouverneur des Sternensystems hatte Doogun und den Zirkusdirektor eingeladen, während dieser Zeit mit einem seiner Schiffe zu reisen. Nicht einmal ich hätte mir eine perfektere Gelegenheit erträumen können. Es standen keine Hyperraumsprünge an – wir mussten Treibstoff sparen und unsere Ausgaben beschränken –, also lag eine Dreitagesreise im Normalraum vor uns, vom dritten Planeten des Systems zum siebten. Ich versuchte, die Einladung so beifällig wie möglich vorzubringen, aber ich war sicher, sie wusste, was meine Hintergedanken waren, und sie wusste auch, dass ich wusste, dass sie es wusste. Sari erklärte, dass sie den Falken erst gründlich inspizieren wollte, bevor sie eine Entscheidung traf, und dass sie diese Inspektion unangekündigt durchführen würde. Sie ließ es wie einen Scherz klingen, aber ich erkannte, dass sie es ernst meinte.
Also verbrachte ich die nächsten Tage damit, den Raumfrachter innen wie außen auf Vordermann zu bringen. Ich saugte die Frachträume und den Ringkorridor aus, polierte das Instrumentenpult im Cockpit und polsterte den Kopilotensitz neu aus. Ich war besessen davon, den Falken so perfekt zu machen, wie ich nur konnte, und ich ließ mir dabei nicht einmal von Molpols Arbeiterdroiden helfen. Es gab zwei Kabinen an Bord, aber ich konzentrierte meine Arbeit auf die größere der beiden, in der sonst Dax Doogun schlief. Ich wusch das Bettzeug, installierte neue Illuminatoren, schrubbte die Sanieinheit und stellte die Schalldusche neu ein, außerdem platzierte ich auf den Tischen neben der großen Koje Kerzen und stellte eine Liste von Musik zusammen, die über die Lautsprecheranlage des Schiffes abgespielt werden konnte. Ich füllte die Bordküche mit Essen und Wein, und dann bat ich den Koch des Molpol, ein besonderes Mahl zuzubereiten, das ich wiedererhitzen und Sari servieren könnte. Die Darsteller und die Arbeiter des Zirkusses waren gleichermaßen amüsiert über meine unermüdlichen Bemühungen, und die meisten von ihnen halfen mir gerne bei dieser kleinen Verschwörung. Selbst Dax Doogun ließ sich dazu überreden, einen Dejarik-Holospieltisch im Hauptabteil des Falken einzubauen. Ich wusste, dass Doogun dieses Spiel liebte, noch wichtiger war für mich aber natürlich, dass Sari es ebenfalls mochte, und ich verbrachte fortan jeden freien Moment damit, verschiedene Spielzüge und die Regeln zu lernen. Weil ich darüber hinaus auch wusste, dass sie eine starke Abneigung gegen Gewalt hatte, versiegelte ich den Zugang zur Turbolaserbatterie.
Während all dieser Vorbereitungen malte ich mir aus, wie es sein würde: das gemeinsame Abendessen mit Wein, die stimmungsvolle Musik, danach eine Runde Dejarik, bei der wir uns näherkommen konnten – und wenn dann mein Kintan-Schreiter ihren mantellianischen Savrip schlug …
Schließlich kam der Tag, an dem Sari ihre spontane Inspektion durchführen wollte. Wir hatten gerade die zweite unserer drei Vorstellungen auf Delphon gegeben. Die primitiveren Kulturen dort hatten eine Legende, wonach ein tödlicher Schwarm Asteroiden auf den Planeten hinabgestürzt war und ein Raumschiff den Planeten mit Genomproben sämtlicher einheimischer Tier- und Pflanzenarten verlassen hatte. Diese Legende versuchten wir in unser Programm einzubauen, und obwohl die Besucher unseren Erzählungen keinen Glauben schenkten – das sollten sie auch gar nicht –, spielten sie dennoch mit, und so wurde diese Show zu einer unserer erfolgreichsten überhaupt. Sari war natürlich, wie immer, der Höhepunkt.
Ihre Inspektion des Falken begann an der Einstiegsrampe, und sie kniete sich sogar hin, um sie zu überprüfen. Im Innern des Schiffs ging sie geradewegs ins Cockpit und strich mit ihrem weiß behandschuhten Finger über das Instrumentenpult, das Steuer und zahlreiche Kontrollhebel und Schalter, außerdem setzte sie sich auf den Kopilotensitz und drehte sich damit einmal im Kreis. Anschließend kehrten wir in den Hauptteil des Schiffes zurück, wo sie zweimal durch den Ringkorridor ging, bevor sie die kleineren Kabinen und Frachträume betrat und dort auf der Suche nach Staub oder Spinnweben in die dunklen Ecken blickte. Als sie nichts fand, lächelte sie beeindruckt – oder zumindest zufriedengestellt von meinen Bemühungen. Schließlich gingen wir ins Hauptabteil, und ich zog das Tuch beiseite, das ich über dem Dejarik-Holospieltisch ausgebreitet hatte. Als ich das Leuchten in ihren Augen sah, wusste ich, dass ich den Test bestanden hatte. Am Ende der Inspektion sagte sie einfach nur: »Ja.«
Wir brachen unser Lager auf Delphon ab, nahmen die Zelte auseinander und säuberten den Bereich. Die Pfleger und Dompteure führten die Tiere zurück in das Haor-Chall-Landungsschiff, und Sari und ich gingen an Bord des Millennium Falken. Ich ließ den Navicomputer die kürzeste Route nach Delphon 7 speichern, weil ich vorhatte, die meiste Zeit über den Autopiloten fliegen zu lassen. Die Rebellenallianz begann erst viel später damit, im Großraum Yavin ihre geheimen Basen einzurichten, und die einzige Gefahr, die man damals beim Sublichtflug fürchten musste, waren Piraten – und nach dem, was ich gehört hatte, hatten die imperialen Truppen die Piraten in diesem Sektor zurückgedrängt. Davon abgesehen griffen diese Kriminellen für gewöhnlich keinen Zirkus an.
Während Sari sich duschte und Schminke und Glitter vom Leib wusch, deckte ich den Tisch im Hauptabteil, dann öffnete ich den Wein, damit er atmen konnte, holte das aufgewärmte Essen, zündete die Kerzen an, die ich ringsum aufgestellt hatte, und ließ die Musik über Interkom abspielen. Als Sari dann aus dem Ringkorridor in den Frachtraum trat, war sie in bequemere Kleidung geschlüpft, und ihr Anblick verwandelte mich auf ewig.
Wir nahmen einander gegenüber am Tisch Platz, und ich schenkte uns Wein ein.
»Auf eine ereignisreiche Reise«, sagte ich und hob mein Glas. Lächelnd hob sie ihres, um mit mir anzustoßen.
Die beiden Gläser waren nur noch Millimeter voneinander entfernt, da meldete sich plötzlich der Pilot des Landungsschiffes über die Lautsprecher der Technikstation.
»Piraten!«
Ich sprang auf, verschüttete dabei den ganzen Wein und rannte hinüber, um mir das Kom-Headset überzustreifen. »Bist du sicher?«, fragte ich.
»Ihr Schiff trägt das Symbol der Flammenklaue«, erklärte der Captain.
»Wissen die denn nicht, dass wir ein Zirkus sind?«, fragte ich.
»Sie wissen es, aber es scheint sie nicht abzuhalten«, schnappte er.
»Hast du einen Hilferuf abgesetzt?«, wollte ich wissen, obwohl ich die Antwort bereits zu kennen glaubte.
»Sie blockieren unsere Kom-Kanäle«, erklärte der Captain.
Sari und ich eilten ins Cockpit, und wir hatten kaum unsere Sicherheitsgurte angelegt, als auch schon ein Warnschuss vor dem Bug des doppelflügeligen Landungsschiffes und des Passagierkreuzers vorbeizischte. Der Laserblitz war von einem leichten Kreuzer abgefeuert worden, der mindestens ebenso alt wie das C-9979 war und auf dem das Piratensymbol der Flammenklaue prangte. Ein Dutzend modifizierter Sternenjäger flog neben dem Schiff her.
»Wer ist das?«, fragte ich den Captain.
»Die Schwarzloch-Bande«, lautete die Antwort.
Ich fluchte lautlos. Piraten vom Schwarzen Loch … Sie waren vielleicht nicht gerade die Kreativsten bei ihrer Namenswahl, doch sie gehörten zu den gefürchtetsten Geißeln der Raumstraßen diesseits des Kerns.
»Haben sie irgendwelche Forderungen gestellt?«, fragte ich.
Er sagte: »Nur, dass wir auf Regosh landen sollen.«
Regosh war der Hauptmond von Delphon IV, ein Trabant mit niedriger Schwerkraft und ohne größere Populationszentren, der ebenso dicht bewaldet war wie meine Heimatwelt. Die Atmosphäre enthielt genügend Sauerstoff für die Menschen und Humanoiden unter uns, aber einige der Freakshow-Kreaturen würden Atemmasken tragen müssen – vorausgesetzt, die Piraten hatten nicht vor, uns sofort zu töten.
Ich überlegte, ob ich den Kreuzer mit den Turbolasern des Falken ins Visier nehmen sollte, entschloss mich aber fast sofort dagegen. So manövrierfähig das Schiff auch sein mochte, ich war am Steuer nicht geschickt genug, um gleichzeitig anzugreifen und ihrem Beschuss auszuweichen. Sari schien meine Gedanken zu lesen.
»Wir sollten abwarten und sehen, was passiert«, meinte sie.
»Sie könnten versuchen, uns zu versklaven«, gab ich zu bedenken.
Sie nickte. »Dann müssen wir uns eben etwas einfallen lassen.«
Ich änderte den Kurs und folgte dem C-9979 und den anderen Schiffen unserer kleinen Karawane in Regoshs dünne Atmosphäre. Die Schwarzloch-Jäger führten uns zu einer gewaltigen Lichtung auf der nördlichen Halbkugel, wo bereits weitere Mitglieder der Piratenbande warteten. Einige von ihnen trugen Repetierblaster, und auch sonst sah diese bunt zusammengewürfelte Gruppe aus Mitgliedern der brutalsten und verbrecherischsten Spezies des Äußeren Randes nicht so aus, als könnte man vernünftig mit ihnen reden. Diesen Kreaturen würden vermutlich nicht einmal meine komischsten Stürze ein Grinsen entlocken. Als alle Zirkusschiffe gelandet waren, befahl der Anführer der Raumpiraten der Besatzung des C-9979 in gebrochenem Basic, von Bord zu gehen. Wir anderen sollten bis auf Weiteres in unseren Schiffen bleiben.
Da wurden die Absichten der Schwarzloch-Bande plötzlich offensichtlich, und ich empfand gleichzeitig Erleichterung und Verzweiflung: Sie wollten unser Landungsschiff entführen.
Drei Standardstunden lang beobachteten wir, wie die Tiere aus dem großen Schiff auf die Lichtung geführt wurden, ebenso ruhig und geordnet, wie es vor einer Vorstellung der Fall wäre. Sie wurden aber nicht festgebunden, und so begannen mehrere der Kreaturen, die an diese Freiheit nicht gewöhnt waren, zum Waldrand hinüberzustapfen und an den Blättern von Regoshs üppiger Pflanzenwelt zu kauen. Einige der Großkatzen und Gundarks schlichen noch weiter und verschwanden im Wald. Die kleineren Tiere – die Schneeechsen, Eopies, Nerfs und einige andere Spezies – drängten sich in der Mitte der Lichtung zusammen, als warteten sie auf weitere Anweisungen der Dompteure.
Schließlich hatte auch die letzte Kreatur das Landungsschiff verlassen, und nun eilten die Piraten an Bord und starteten den Antrieb. Die anderen Schwarzloch-Schiffe hoben ebenfalls ab, und einen Moment später waren sie schon nicht mehr zu sehen.
Sari und ich rannten aus dem Falken, genau wie die anderen Arbeiter und Darsteller des Molpol, die aus ihren Schiffen hasteten. Ein paar Schritte vom Fuße der Rampe entfernt blieb ich stehen, um mich umzusehen. Regoshs fahler Himmel verdunkelte sich bereits, und der Wald, der ringsum aufragte, war erfüllt vom Gebrüll und Geschrei der einheimischen Tierarten. Ich hatte ein mulmiges Gefühl, und dieses Gefühl wurde noch stärker, als ich sah, wie Hunderte von Augenpaaren in der Düsternis zwischen den Bäumen aufleuchteten.
Mit erstaunlicher Geschwindigkeit brach etwas aus dem Wald hervor, dann rannte es über die Lichtung, schnappte nach einem der kleineren Tiere und verschwand damit auf der anderen Seite wieder im Dickicht. Sekunden später tauchte eine zweite dieser Kreaturen auf, und auch sie hatte eines unserer Tiere im Maul, als sie wieder in den Wald eintauchte. Ihr folgte eine dritte, dann eine vierte …
Der Molpol verfügte nur über wenige Waffen, und bei den meisten davon handelte es sich um die zeremoniellen Gewehre, die die Scharfschützen bei ihren Kunststücken benutzten. Ein paar der Arbeiter hatten echte Blaster, aber das war bei Weitem nicht genug, um die Angriffe dieser Bestien abzuwehren, die sich zweifelsohne die ganze Nacht hindurch fortsetzen würden. Ich dachte darüber nach, ob ich mit den Turbolasern des Falken den Waldrand in Schutt und Asche legen sollte, als mehrere der Tierpfleger zu mir herübereilten.
»Wir müssen diese Tiere in den Falken schaffen«, rief einer von ihnen.
Ich blickte ihn daraufhin wohl reichlich verdutzt an, denn er wiederholte die Aufforderung noch einmal, mit ohrenbetäubender Lautstärke diesmal.
Ich schüttelte den Kopf, um einen klaren Gedanken zu fassen, und versuchte, die anderen darauf hinzuweisen, dass der Falke nicht groß genug war, um auch nur ein Drittel der Tiere zu beherbergen, selbst wenn man die Kabinen für die Besatzung und die Frachträume miteinbezog.
»Dann wirst du eben dreimal fliegen müssen«, sagte der Ryn, der oft die Rolle meines Kopiloten übernommen hatte.
»Dreimal fliegen? Wohin denn?«, fragte ich mit einer Stimme, die zu schrill war, um noch nach mir zu klingen.
»Zurück nach Delphon«, sagte man mir.
Einen Moment später brüllten sie alle gleichzeitig auf mich ein, und meine Ohren klingelten vor den immer gleichen Aussagen.
Wir mussten es tun, um der Tiere willen. Wir konnten sie nicht auf Regosh zurücklassen, wo sie alle sterben würden. Die großen Tiere konnten sich selbst verteidigen, aber die kleineren mussten gerettet werden. Nur der Falke war schnell genug, um diese Aufgabe zu erledigen, und nur ich konnte ihn durch all die Mikrosprünge steuern, die nötig sein würden. Die anderen würden derweil auf dem Mond bleiben und versuchen, die Raubtiere auf Abstand zu halten.
Also trat ich beiseite, um den Pflegern Platz zu machen, und sofort begannen sie, die Tiere in den Falken zu treiben. Ich wünschte, die Piraten hätten uns wenigstens genug taanabisches Stroh dagelassen, um die Deckplatten des Schiffes damit auszulegen, aber sämtliche Tiernahrung war mit dem Haor-Chall-Landungsschiff verschwunden. Als ich meinen Schock schließlich überwunden hatte, rannte ich ebenfalls an Bord und aktivierte die Sauerstoffgeneratoren und die Trägheitsdämpfer und stellte die Luftfilter auf die höchste Stufe. Doch meine Nase sagte mir bereits, dass es unmöglich war, den Gestank zu neutralisieren, der von den nervösen Schneeechsen und den anderen Kameloiden ausging. Tatsächlich bezweifelte ich, dass der Falke jemals wieder so riechen würde wie zuvor.
Als wäre das noch nicht schlimm genug, schien Schneeberg plötzlich den Eindruck zu gewinnen, dass der Falke die kleinen Tiere verschlang, und er beschloss, ihnen zu Hilfe zu eilen. Ich weiß nicht, ob jemals zuvor ein Albino-Rancor einen YT-1300-Raumfrachter angegriffen hat, aber genau das geschah nun, und die einzige Möglichkeit zu verhindern, dass das Schiff platt gewalzt und von ätzendem Speichel zersetzt wurde, bestand darin, die Repulsortriebwerke zu aktivieren und mit dem Falken außer Reichweite von Schneebergs langen Armen zu fliegen, während die Dompteure ihr Bestes taten, um ihn wieder zu beruhigen. Ich weiß nicht, wie lange ich so in der Luft kreiste, aber es war jedenfalls lang genug, um viele der Tiere an Bord schiffskrank zu machen, und der Gestank wurde noch schlimmer, als sie sich plötzlich übergaben und weitere üble Gerüche ausdünsteten.
Bei all dem Durcheinander hatte ich Sari völlig aus den Augen verloren, aber ich vermutete, dass sie in ihre Kabine an Bord des Passagierschiffes geflohen war. Vielleicht können Sie sich meine Überraschung vorstellen, als ich aus dem Verbindungsgang zum Cockpit trat und sie im Schneidersitz auf dem nunmehr schmutzigen Boden des Hauptabteils vorfand. Ihr Abendkleid war hoffnungslos verdreckt und zerrissen, ihr Gesicht mit unidentifizierbarem Schmutz beschmiert und ihre Schminke verlaufen. Ich sah, dass sie leise weinte, und ich eilte an ihre Seite und murmelte eine Entschuldigung nach der anderen, für alles, was mir nur einfiel, einschließlich des Piratenüberfalls.
Sie blickte mich einen langen Moment an, dann wischte sie sich die Tränen unter den Augen fort und lachte. »Du bist ein Trottel«, sagte sie, »auch wenn du nicht im Clownskostüm steckst.« Ich setzte zu einer gestammelten Entgegnung an, doch sie schnitt mir das Wort ab. »Warum, glaubst du, bin ich beim Zirkus? Wegen des Applauses? Wegen der Handvoll Credits, die wir verdienen?« Sie deutete auf die stinkenden Schneeechsen und Eopies, die sich um sie herum aneinanderdrängten. »Ich liebe Tiere, Purn. Und ich glaube, wenn wir sie alle zurück nach Delphon geschafft haben, dann könnte ich auch dich lieben.«
»Letzten Endes brauchten mein Ryn-Kopilot und ich vier Flüge, um all die Tiere nach Delphon zu transportieren«, fuhr Purn fort. »Aber dank des Falken haben wir die Mikrosprünge in Rekordzeit zurückgelegt, und so verloren wir nur insgesamt zwölf unserer Zirkustiere an die Raubtiere von Regosh.«
»Was ist mit den großen Tieren passiert?«, fragte Allana, die gespannt auf der Kante ihres Stuhls saß.
»Nun, die blieben auf Regosh und führten dort ein neues Leben in Freiheit.«
»Sogar Schneeberg?«
»Sogar Schneeberg.« Purn lächelte. »Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, machte er einen sehr zufriedenen Eindruck.«
»Weil er keine Zirkustricks mehr aufführen musste?«
»Vielleicht war das auch ein Grund, ja. Aber ich denke, Regosh hat ihn ein wenig an seine Heimatwelt Dathomir erinnert.«
»Meine Mama …«, begann Allana, doch dann unterbrach sie sich und setzte noch einmal von Neuem an. »Was wurde aus den kleinen Tieren?«
Trauer mischte sich in Purns Lächeln. Er drehte leicht den Kopf und blickte Han und Leia an. »Der finanzielle Schaden, den die Piraten mit ihrem Überfall angerichtet hatten, erwies sich schließlich als zu groß, und Dax Doogun musste alles verkaufen – selbst den Namen Molpol.«
»Wurde die Schwarzloch-Bande je gefasst?«, fragte Leia.
»Einige Mitglieder schon. Der Rest hat sich irgendwann dem Zann-Konsortium angeschlossen.«
»Ich nehme mal an, das bedeutet, dass Doogun auch den Falken verkaufen musste«, sagte Han.
»Unglücklicherweise ja. Hätte ich die Credits gehabt, ich hätte das Schiff sofort gekauft, aber damals war ich noch weit davon entfernt, wohlhabend zu sein.«
Ein leises Klopfen erklang von der Tür, dann schob eine hinreißend aussehende Twi’lek ihren Kopf ins Zimmer. »Tut mir leid, dass ich euch unterbrechen muss, aber du musst jetzt die letzten Preise verleihen.«
Purn bedeutete ihr einzutreten. »Nur noch einen Moment.« Er blickte wieder zu Han. »Wo war ich?«
»Sie hätten den Falken gern selbst gekauft …«
Purn nickte. »Ach ja. Der Falke war eines der ersten Stücke aus dem Zirkusinventar, von dem wir uns verabschieden mussten. Ich persönlich habe ihn an Cix Trouvee verkauft.«
»Und dann?«, wollte Allana wissen.
»Nach dem Ende des Molpol wandte ich mich wieder der Fliegerei zu, aber ich musste erkennen, dass ich keinen Spaß mehr dabei empfand. Ich vermisste die Arbeit mit den Tieren, darum arbeitete ich die nächsten paar Jahre als Dompteur bei einigen anderen Zirkussen, ehe ich schließlich begann, Tiershows zu organisieren. Und das tue ich heute noch.«
Han rieb sich das Kinn. »Sie sagten, der Falke hätte bereits zum Molpol gehört, als Sie dort anfingen?«
»Ja. Dax Doogun hatte das Schiff einige Jahre zuvor erstanden.«
»Wissen Sie vielleicht, von wem?«
Purn überlegte einen Moment. »Ich kann mich daran erinnern, dass der Falke vorher eine Art Lazarettschiff war.«
»Wirklich?«, fragte Leia überrascht.
»Aber ich fürchte, mit mehr kann ich Ihnen nicht dienen.«
»Doogun wird sich aber doch bestimmt noch daran erinnern, oder?«, meinte Han.
»Ja, das ist anzunehmen. Aber ich hatte seit … oh, seit mindestens zwanzig Jahren keinen Kontakt mehr mit Dax.«
Allana machte ein langes Gesicht. »Wissen Sie, wo er ist?«
»Es tut mir leid, kleine Dame, aber das weiß ich nicht.«
»Wir werden ihn schon finden«, meinte Han zuversichtlich, um das Mädchen aufzumuntern.
»Sie haben gar nicht erzählt, was aus Sari wurde«, warf Leia ein.
Purn lachte laut. »Oh, wie konnte ich das nur vergessen! Ich habe sie geheiratet.« Er deutete auf die Twi’lek, die geduldig neben der Tür wartete. »Sari, lass mich dir Han, Leia und Allana Solo vorstellen, und das hier ist ihr Droide, Ce-Dreipeo.«
»Es ist mir ein Vergnügen«, sagte Sari.
»Und uns erst«, meinte Leia mit einem breiten Lächeln.
»Man könnte sagen, der Zirkus hat uns zusammengebracht«, meinte Purn. »Aber ich persönlich glaube ja eher, dass es der Falke war.«