23
Unheil verkündend, grauweiß und größer als der Todesstern hing die Centerpoint-Station zwischen Talus und Tralus und wurde durch die Schwerkrafteffekte der so genannten Doppelwelten mit Energie versorgt. Die Station drehte sich langsam um eine Achse, die durch zwei dicke Polzylinder gekennzeichnet wurde. Sie war gebaut worden, um als Schwerkraftlinse zu funktionieren, mit der man verstärkte Repulsorenergie durch den Hyperraum lenken konnte, um auf diese Weise ferne Welten einzufangen oder weit entfernt liegende Sterne zu zerstören. An der Oberfläche wechselten sich schachtelähnliche Bauten in der Höhe von Wolkenkratzern mit Überdruckschleusen ab, die groß wie Einschlagkrater waren. Ein erschreckendes Gewirr von Rohren, Kabeln und Leitungen breitete sich in alle Richtungen aus und wand sich durch mehrere Ebenen von Parabolantennenwäldern, kegelförmigen Anlagen und sonstigen Auswüchsen. Aus diesem Durcheinander ragte insbesondere das Wrack eines Raumschiffes heraus, das man mit dem Rumpf verschmolzen und zu Unterkünften umgebaut hatte.
»Ich durfte Ihren Onkel Luke, Lando Calrissian, Belindi Kalenda und Gaeriel Captison als Erste begrüßen«, erzählte Jenica Sonsen Anakin, Jacen und Ebrihim, während ein Turbovator, der frisch gestrichen roch, sie durch einen pinkfarbenen Tunnel zum Mittelpunkt der Station beförderte.
»Ich glaube, wir haben Sie hinterher auf Corellia kennen gelernt«, sagte Jacen.
»Ja. Schön, dass Sie sich daran erinnern.«
»Die simulierte Schwerkraft nimmt zu«, unterbrach Q9 in Basic. Er sprach durch einen Vocoder, den der Droide wie einen Mund benutzte. »Die Zunahme ist eine Folge unserer Abweichung von der Rotationsachse.«
»Danke Q9«, sagte Ebrihim und beugte sich zu dem Droiden, der schon oft betont hatte, dass Maschinen sich allzeit nützlich machen sollten.
Sonsen lächelte über das Gespräch. »Es ist schon lange unser Wunsch, auf Centerpoint eine künstliche Schwerkraft zu installieren, aber im Augenblick müssen wir uns auf die Zentrifugalkraft beschränken. Vielleicht wird uns die Neue Republik, wenn wir ihr im Krieg helfen können, endlich die notwendigen Mittel bewilligen, um die Drehung der Station anzuhalten. Aber selbst ohne künstliche Schwerkraft haben die Mrlssi wahre Wunder vollbracht, um Hollowtown und die anderen Bereiche zu einem perfekten Lebensraum zu machen.«
Sie war eine optimistische, gut aussehende Frau mit schwarzen Locken, langem, dünnem Gesicht und ausdrucksstarken Augenbrauen. Vor acht Jahren, als Centerpoint urplötzlich aktiv geworden war – und so nicht nur zwei ferne Sterne mit präzisen Hyperraumschüssen zerstört, sondern auch tausende von Kolonisten in Hollowtown verbrannt hatte –, war Sonsen die Aufsicht über die Station übertragen worden, während die Überlebenden sich in die Sicherheit von Talus und Tralus zurückzogen. Seitdem leitete sie das Team, das nach und nach das komplexe Innere der riesigen Kugel kartographierte. Selbst Sonsen bezweifelte, ob sie die Beendigung dieser Arbeit noch erleben würde.
»Ist Ihr Team gut mit den Archäologen ausgekommen, die ausgewiesen wurden?«, erkundigte sich Jacen.
Sonsen runzelte die Stirn. »Sie wurden nicht ausgewiesen, sondern ihrer eigenen Sicherheit wegen von hier fortgebracht. Aber natürlich sind wir gut miteinander ausgekommen. Wir alle wollten möglichst viel über die Spezies erfahren, die Centerpoint gebaut und das corellianische System zusammengefügt hat. Allerdings war es meiner Meinung nach ein Fehler der Archäologen, ihre Verlegung zu einem Politikum zu machen. Wenn man jede von Corells fünf Welten als separate Einheit betrachten soll, dann müsste man sich ja auch fragen, ob die Station, die ja ebenfalls ursprünglich nicht im System vorhanden war, gleichermaßen unabhängig sein sollte. Doch ich befürchte, dass Centerpoint auf absehbare Zeit in der Hand der Neuen Republik bleiben wird.«
Ebrihim öffnete den Mund und wollte etwas erwidern, überlegte es sich jedoch anders und schwieg, während sie die Fahrt durch die zweitausend Stockwerke der Station fortsetzten.
Hollowtown, ursprünglich eine energiespeichernde Batterie, war eine offene Kugel, die einen Durchmesser von etwa sechzig Kilometer hatte. Die gewölbten Wände hatten einst Häuser, Parks, Seen, Obstgärten und Felder beherbergt, die von Glowpoint – einer Art Hauptlichtquelle für diese gesamte Station – bestrahlt wurden. Doch abgesehen von einigen Gebäuden, in denen jetzt anstelle der Archäologen Wissenschaftler wohnten, waren die meisten Häuser abgerissen worden. Die einzige Konzession an das frühere Leben hier bildeten die steuerbaren Schattenschilde, die einen Tag-Nacht-Zyklus simulieren konnten.
Entlang der Drehachse befanden sich zu beiden Seiten von Hollowtown große Kegel, die jeweils von sechs kleineren umringt wurden. Diese nannte man die Nord- und Südkegelberge. Die Anordnung dieser Kegel entsprach geometrischen Anforderungen für einen bestimmten Typus antiker Repulsoren.
Sonsen wies sie auf die wunderbare Aussicht hin, während sie alle zu einem kleinen, gut abgeschirmten Kontrollraum scheuchte, der lange Zeit der Besatzung verborgen geblieben war und erst durch Zufall entdeckt wurde, als eine Gruppe Mrlssi nach einem Platz für einen Lebenserhaltungsmonitor suchte.
Ähnlich wie die gefiederten Flugtiere, von denen sie abstammten, hatten die winzigen Mrlssi ein Talent dafür, extrem große Räume bewohnbar zu machen, wie sie es schon Dr. Ohran Keldor bewiesen hatten, der etwa hundert von ihnen im Imperialen Schlundzentrum bei Kessel untergebracht hatte. In Hollowtown sah man mehr Mrlssi als Angehörige irgendeiner anderen Spezies, doch jetzt, da Sonsen mit ihren Gästen den Kontrollraum betrat, war keiner von ihnen zugegen.
In dem mit Instrumenten voll gestopften Raum hielten sich mehrere Menschen, ein Selonianer, zwei Verpine und ein Duros auf. Als die beiden Jedi, der Drall und der kugelköpfige Droide eintraten, drehten sich alle um. Seit sie auf der Station angekommen waren, hatte sich Anakin daran gewöhnt, von allen intensiv gemustert zu werden, aber der grauhaarige Mann, der sich durch die Gruppe im Kontrollraum drängte, verblüffte ihn über alle Maßen. Ebenfalls mit einem Bart, wie Han ihn sich hatte wachsen lassen, sah der Mann seinem Vater erstaunlich ähnlich – wenn er auch ein paar Zentimeter größer und insgesamt stämmiger war.
»Du bist sicherlich Jacen, und du Anakin«, sagte er und zeigte nacheinander auf beide. An Anakin gewandt fügte er hinzu: »Ihr erinnert euch nicht mehr? Jetzt bin ich aber beleidigt. Ich wette, sogar euer Droide hat mich nicht vergessen.«
»Sie waren dafür verantwortlich, Master Ebrihim, Anakin und Jacen in einem Kraftfeld auf Drall einzusperren«, half Q9 aus. »Ich dagegen hatte die Aufgabe, sie zu befreien.«
Der Mann stemmte die Hände in die Hüften und lachte herzhaft. »Das hatte ich schon wieder ganz vergessen.«
»Du bist Thrackan Sal-Solo«, sagte Anakin schließlich, »Dads Cousin.«
Thrackan zog ein langes Gesicht. »Und natürlich euer Großcousin, Jungs.«
»Du hast uns nicht nur als Geiseln genommen«, meinte Jacen, »sondern unseren Vater auch noch gezwungen, gegen eine Selonianerin zu kämpfen – nur zu deinem Vergnügen.«
Thrackan breitete die Hände zu einer versöhnlichen Geste aus. »Han und ich haben schon vieles zusammen durchgemacht. Vermutlich hat er euch nie erzählt, wie er mich als Kind immer verprügelt hat. Im Grunde habe ich ihm nur etwas heimgezahlt. Natürlich war es eigentlich falsch, was ich getan habe. Manchmal jedoch nagt ein Unrecht so lange an einem, bis das Verlangen nach Rache die Oberhand gewinnt.«
Er kniff die Augen zusammen. »Ich habe einen Großteil der vergangenen acht Jahre im Dorthus-Tal-Gefängnis auf Sacorria gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, doch am Ende habe ich es begriffen, und jetzt bin ich ein neuer Mensch.« Er machte eine weit ausholende Geste. »Allein aus diesem Grund bin ich hier auf Centerpoint. Es ist Teil meiner Rehabilitation, dass ich meine technischen Kenntnisse zu einem guten Zweck anbiete. So stehe ich Schulter an Schulter mit der Neuen Republik gegen die Yuuzhan Vong.«
Er lachte entschuldigend. »Gewiss habt ihr beide keine Ahnung, wie sehr einen die Vergangenheit quälen kann. Ihr seid Jedi. Die primitiven Gefühle gewöhnlicher Menschen sind euch fremd. Wut, Hass, Schuld und das Verlangen nach Vergeltung… das alles bedeutet euch nichts. Nun, nicht einmal die Yuuzhan Vong haben bislang erkannt, wie falsch ihre Sitten und Gebräuche sind, und vermutlich kann man sie zu Anhängern der Macht umerziehen. Hab ich nicht Recht? Sonst würdet ihr ja Schulter an Schulter mit uns im Schützengraben liegen, bereit dazu, das corellianische Blut zu vergießen, das noch in euren Adern fließt.«
»Wir sind hier, um zu helfen«, antwortete Anakin entschlossen.
»Ja, tatsächlich?« Thrackan schüttelte amüsiert den Kopf. »Ist schon ironisch, dass ein galaktischer Krieg notwendig war, um die alten Bande wieder zusammenzubringen« – er deutete auf einen der Menschen und auf den Selonianer – »und euch Jungs zur Station zurückzuholen, bei deren Abschaltung ihr geholfen habt.« Erneut blickte er vor allem Anakin an. »Ich muss euch persönlich danken, weil ihr unsere Illusionen von einem freien und unabhängigen Corellia zerstört habt. Glaubt ihr immer noch, dass es falsch von uns war, die Freiheit zu verlangen?«
»Die Methoden waren falsch«, sagte Jacen.
Thrackan winkte ab. »Methoden. Sicherlich wird dir aufgefallen sein, dass die Neue Republik seit der Krise Corellia im Stich gelassen hat. Und da ihr Ebrihim kennt« – er betrachtete den Drall mit offensichtlicher Ablehnung –, »habt ihr sicher schon von Coruscants Plan gehört, Corellia zum Schlachtfeld zu machen.«
»Wir haben Gerüchte gehört«, sagte Jacen.
Sein Großcousin lächelte höhnisch. »Aus dir spricht deine Mutter. Was ist mir dir, Anakin? Ist das hier nur ein Ausflug für dich oder möchtest du wirklich helfen, Corellia vor einem Angriff zu schützen?«
Anakin überlegte. »Hängt davon ab, was du für Centerpoint geplant hast.«
Thrackan setzte eine nachdenkliche Miene auf. »Was wir geplant haben, ist ein Interdiktionsfeld. Worauf sonst könnten wir hoffen?«
»Wie steht es mit der Fähigkeit, jedes unerwünschte Schiff in Staub zu verwandeln, ob nun Yuuzhan Vong oder nicht?«, warf Jacen ein. »Die Watchkeeper wurde durch einen einzigen Schuss von dem Repulsor auf Selonia zerstört, und Centerpoint hat die tausendfache Feuerkraft aller fünf Planeten zusammen. Die Station kann einen Druck erzeugen, der einen Stern zur Explosion bringt.«
Thrackan sah zu einem bleichen Techniker mit dünnem Gesicht. »Das ist Antone«, sagte er. »Während der Krise hat er hier gearbeitet. Seine Familie war auf Bovo Yagen, dem Stern, der zerstört worden wäre, falls Anakin nicht rechtzeitig eingegriffen hätte.«
»Centerpoint kann tatsächlich einen Stern in eine Nova verwandeln«, sagte Antone. »Die Triade hat die Explosionen von EM-1271 und Thanta Zilbra herbeigeführt, aber diese Vorgänge lassen sich nicht beliebig wiederholen.«
»Wollen Sie damit sagen, Centerpoint könne nicht als Waffe eingesetzt werden?«, fragte Jacen.
Antone zuckte mit den Schultern. »Offen gesagt sind wir nicht sicher. Um Repulsorenergie vom Südpol freizusetzen, müsste die Station ihre Drehachse neu ausrichten und vor dem eigentlichen Schuss eine Reihe von Energiestößen, Impulsen, Einschwingvorgängen und Strahlungsfreisetzungen absolvieren. Als Centerpoint EM-1271 zerstörte, haben die Energiespitzen von Glowpoint tausende von Kolonisten getötet.«
»Eine Katastrophe solchen Ausmaßes möchte niemand ein zweites Mal riskieren«, ergänzte Thrackan.
Jacen blickte ihn an. »Wenn du tatsächlich nur an einem Interdiktionsfeld interessiert bist, solltest du das allein hinbekommen. Während der Krise hatte man dir die Kontrolle über die Stör- und Interdiktionsfeldkapazitäten der Station übertragen.«
»Richtig«, antwortete Thrackan zögernd, »doch die Krise fand ihr Ende, ehe ich die Möglichkeit bekam, Centerpoint zu steuern. Darüber hinaus hat sich einiges verändert, seit dein Onkel Luke und die anderen die Station abgeschaltet haben. Jetzt reagiert keines der Systeme mehr so wie früher.«
Antone räusperte sich bedeutungsvoll. »Ein Problem besteht darin, dass das Baryzentrum der Station nicht mehr stabil ist. Centerpoint hat sich früher immer genauestens ausgerichtet und positioniert, doch die Einstellungsmanöver verlaufen inzwischen unregelmäßig.«
»Mit anderen Worten«, erläuterte Thrackan, »wir waren bislang nicht in der Lage, nach Bedarf ein Interdiktionsfeld zu erzeugen.«
»Lediglich Anakin ist dazu in der Lage«, sagte Antone nervös. »Durch seine Aktivierung des Repulsors auf Drall hat er dem gesamten System seinen Stempel aufgedrückt.« Er blickte Anakin an. »Durch Ihre Fingerabdrücke, Ihre DNS, vielleicht sogar Ihre Gehirnwellen. Seit Jahren bringe ich immer wieder diesen Vorschlag ein, doch niemand war bislang daran interessiert, Sie zurückzuholen.«
»Es gibt nur einen Weg herauszufinden, ob Antones Theorie eingehendere Untersuchung verdient hat«, sagte Thrackan. Er deutete auf eine spezielle Konsole. »Übernimm die Steuerung, Anakin. Schauen wir mal, wohin uns das führt.«
Jacen und Ebrihim warfen Anakin besorgte Blicke zu, worauf Anakin mit einem Nicken reagierte, das sie offensichtlich beruhigen sollte. Aber schon während er auf die Konsole zutrat, wobei ihn alle Techniker im Raum beobachteten, spürte er, wie das System auf ihn reagierte.
Vage Erinnerungen an seine Erlebnisse im Inneren des Drall-Repulsors stiegen in ihm auf, als er sich setzte und über die Konsole strich. Nach einem kurzen Moment schien Anakin, wie damals auf Drall, eine virtuelle Anordnung von Schaltern, Reglern und Anschlüssen zu sehen, die wenig mit den Knöpfen und Hebeln und Drehschaltern der tatsächlichen Steuerungselemente zu tun hatten.
Zögernd legte er die Hände auf die Konsole.
Ein Ton erklang, und ein flacher Punkt auf dem Schaltpult begann sich zu drehen und zu schimmern, dann anzuschwellen und sich zu einem Hebel zu formen, der an den Steuerknüppel eines Raumschiffs erinnerte.
Als Anakin danach langte, passte sich der Griff perfekt seiner linken Hand an, und alle im Raum – sogar Jacen – hielten den Atem an.
Vor seinem inneren Auge konnte Anakin plötzlich wie auf einem Monitor Daten des Energiezustandes, der Speicherkapazität, der Feineinstellung, der Zielsubsysteme, Sicherheitsabschaltungen, Schubbalance, Geogravitations-Energietransferlevel ablesen…
Unerwartet zeigte sich in der Luft über dem Steuerknüppel ein graphisches Display – ein hohler Gitternetzwürfel, der aus kleineren, transparenten Würfeln gebildet wurde – jeweils fünf in Höhe, Breite und Tiefe. Während Anakin den Steuerhebel bewegte, nahm das Gitter der kleineren Würfel Farbe an – Grün und Purpur –, und dazu ertönten entsprechende akustische Signale.
Außer Thrackan waren alle sprachlos. »Du hast es geschafft, Junge, du hast es geschafft«, schwärmte er.
Anakin bewegte den Kontrollhebel nach vorn, und ein grell orangefarbener Würfel erschien. Er experimentierte mit geringfügigen Veränderungen, bei denen der Würfel zu flackern begann oder aufleuchtete. Dann zog er den Steuerknüppel so hart wie möglich zurück.
Die Anzeigen registrierten einen unglaublichen Energieanstieg, und der Kontrollraum wurde erschüttert. In Hollowtown erwachte Glowpoint zum Leben, und von dort erstreckten sich blendende Blitze zu den südlichen Kegelbergen.
»Die Station richtet sich neu aus!«, meldete ein Techniker.
»Sie ist aufgeladen!«, rief Antone. »Sie kann wieder feuern!«
Die Techniker redeten aufgeregt durcheinander, verstummten jedoch sofort, als der Kommandooffizier für das Projekt eintrat.
»Gerade ist eine dringende Nachricht von Commenor reingekommen«, berichtete er Sal-Solo und Antone. »Die Vorhut der Yuuzhan Vong verlässt den Hutt-Raum. Dem Flottengeheimdienst zufolge dürfte sie in sechsunddreißig Standardstunden vor unserer Tür stehen.«
In kleinen Gruppen, manchmal begleitet von Kanonenbooten und Staffeln aus Miy’til-Jägern oder alten X-Flüglern, wechselten die Kriegsschiffe der hapanischen Flotte auf der randwärtigen Seite des Kerns in den Realraum über dem Planeten Commenor. So wie sie da in weitem Bogen aufgereiht waren, bildeten die schlanken Afova-Klasse-Schlachtkreuzer und Olanjii/Charubah-Schlachtdrachen mit Doppeldiskus einen farbenprächtigen Gegensatz zur Flotte der Neuen Republik aus Sternzerstörern, plumpen Mon-Calamari-Schiffen und schmucklosen Bothan-Kriegsschiffen.
Von dem Shuttle aus, der Leia zusammen mit Isolder von der Song of War zu Commodore Brands Flaggschiff brachte, betrachtete sie die versammelte Armada und fühlte sich, als wären sie und alle, die ihr am Herzen lagen, in einen tosenden Fluss geraten, der sie zu unbekannten Regionen mit sich riss, manchen davonschwemmte, andere an den schroffen Ufern liegen ließ und einige durch die Stromschnellen in Vergessenheit spülte… Dieses Gefühl begleitete sie bereits seit ihrem Aufbruch von Hapes und versetzte sie auch während der langen Gespräche mit Isolder in Unruhe. Der Prinz war offensichtlich von der Aussicht, gegen die Yuuzhan Vong in den Krieg zu ziehen, ebenso begeistert wie von der Gelegenheit, sich mit Beed Thane prügeln zu dürfen.
»Unseren Piratenwurzeln entsprechend bevorzugen wir Hapaner schnelle, erbarmungslose Schläge«, hatte er Leia während der Reise erklärt. »Man muss dem Feind gleich zu Beginn der Auseinandersetzung entschlossen entgegentreten, dann gehört er dir, denn mit fortschreitendem Kampf vergrößert sich seine Furcht vor dir, und am Ende wird er zu deinem Verbündeten.«
Jedes Mal, wenn er dies sagte, hatte sich Leia an Ithor und Gyndine und die gnadenlose Taktik der Yuuzhan Vong erinnert. Die eigentliche Ursache ihrer Besorgnis jedoch war die Vision, die sie nach der Abstimmung des Konsortiums gehabt hatte. Wann immer sie die Augen schloss, tauchten an den Rändern ihres Bewusstseins vage Bilder von Zerstörung auf, als würden sie sich zu einem groß angelegten Angriff auf ihre Seele zusammenziehen. Mochten andere diese düsteren Ahnungen für einen Ausdruck ihrer Sorge um gute Freunde und liebe Angehörige halten, so war Leia zu sehr auf die Macht eingestellt, um sie so einfach abzutun. Ihrer Überzeugung nach hatte die Macht ihr eine mögliche Zukunft gezeigt, es jedoch abgelehnt, ihr offen zu legen, welche Wege sie besser nicht einschlagen sollte. Ein wenig fühlte sie sich besser, weil sie zu Hause war, aber eigentlich hatte die Nähe zu Coruscant ihre Ängste nicht wirklich gemildert. Auch hatte sie immer noch nichts von Han gehört, nicht einmal auf dem Umweg über die Kinder oder Luke.
»Was für eine Streitmacht wir aufgestellt haben!«, sagte Isolder vom Kabinenfenster, vor dem er stand und die Finger gegen die Transparistahlscheibe drückte. »Sicherlich wären die Yuuzhan Vong davon ebenfalls beeindruckt.«
»Oh, bestimmt wären sie beeindruckt«, meinte Leia und gesellte sich zu ihm. »Nur würde sie dieser Anblick nicht abschrecken, sondern eher noch anstacheln.«
Und doch, während sie die hunderte von Schiffen betrachtete, die sich da im Raum aufgereiht hatten und von denen über hundert der Song of War von Hapes hierher gefolgt waren, fühlte sie sich ebenfalls überwältigt.
Die Schlachtdrachen, die in der Farbe ihrer jeweiligen Konsortiumswelt gehalten waren, bestanden aus jeweils zwei großen Diskus-Segmenten, die über Dutzende von Rotationsstreben mit kleinen Schiffen verbunden waren. Ionen- und Hypertriebwerke waren nach hinten ausgerichtet, die Brücke befand sich am Heck des oberen Diskus, der rundherum mit Ionenkanonen ausgestattet war. Um die relativ lange Nachladezeit der Waffen zu kompensieren, waren die Kanonen auf einer Scheibe aufgebaut, die man nach Bedarf weiterdrehen konnte. Zwischen den beiden Untertassen befanden sich sechzehn massive Pulsmasseminen, von denen jede die Wirkung eines Masseschattens simulieren und so Schiffe am Sprung in den Hyperraum hindern konnte.
Der Nova-Klasse-Schlachtkreuzer dagegen ähnelte eher der zweispitzigen Eishacke eines Bergsteigers. Die Brücke in Form eines Vipernkopfes nahm die Mitte dessen ein, was dann der lange Griff des Werkzeugs gewesen wäre. Außergewöhnlich schnell, mit guten Schilden ausgerüstet und für Langstreckenaufklärung hervorragend geeignet, besaß der Kreuzer fünfundzwanzig Turbolaser, zehn Laserkanonen sowie zehn Ionenkanonen und konnte außerdem zwölf Miy’til-Jäger und sechs Hetrinar-Angriffsbomber aufnehmen.
Während der Shuttle an dem schweren Kreuzer Yald andockte, wollte sich Leia ein wenig abseits stellen, denn sie nahm an, der Prinz werde von Bord gehen, wie es das hapanische Protokoll gebot: er allein an der Spitze, gefolgt von seinem Kontingent überwiegend weiblicher Ehrenwachen und seinem Kommandostab. Doch Isolder lehnte das ab. Er bestand darauf, dass Leia an seiner Seite schritt, und dies, das wusste sie, würde nicht nur im Holo-Netz gezeigt werden, sondern vor allem die älteren Würdenträger der Neuen Republik amüsieren, die es seinerzeit begrüßt hätten, wenn sie Isolder geheiratet hätte.
Trotzdem gelang es ihr, eine freundliche Miene zu zeigen, derweil sie mit Isolder Arm in Arm die Rampe hinunterschritt, zu den Klängen eines hapanischen Marsches, der dem Anlass gemäß von einer Militärkapelle mit hundert Musikern zum Besten gegeben wurde. Auf Deck angekommen löste sich Leia sofort vom Prinzen, dennoch sah sie an dem Ausdruck auf Commodore Brands zerfurchtem Gesicht, dass sogar er von diesem königlichen Zeremoniell überrascht war.
Hinter Brand stand eine Ehrenformation von Soldaten, die zackig salutierte, als die Musik endete.
»Willkommen an Bord, Prinz Isolder«, sagte Brand, trat heran und streckte die Hand aus.
Isolder warf sein kurzes Cape über die Schulter und ergriff Brands Hand – wobei er diese beinahe zerquetschte, dessen war Leia gewiss.
»Schön, bei Ihnen zu sein, Commodore.«
Brand lächelte unsicher und wandte sich Leia zu. »Botschafterin Organa Solo, willkommen daheim. Im Namen der Neuen Republik danke ich Ihnen für alles, was Sie erreicht haben.«
Leia neigte den Kopf höflich. »Danken Sie Prinz Isolder, Commodore. Er hat mit großer Überzeugung das Konsortium für uns… gewonnen.«
Brand nickte steif. »Ihre Unterstützung könnte durchaus von entscheidender Bedeutung sein, Prinz Isolder. Aber den Sieg werden wir nicht leicht erkämpfen.«
»Wir sind darauf vorbereitet, ihn uns ehrlich zu verdienen, Commodore«, versicherte Isolder ihm. »Sagen Sie mir lediglich, wohin ich meine Truppen schicken soll.«
Die Kommandostäbe beider Gruppen trafen sich im taktischen Informationszentrum tief im Innern des Schiffes. In einem ungestörten Augenblick erkundigte sich Brand bei Leia nach dem Verlauf der Rückreise. Sie unterdrückte den Drang, ihm von ihrer Besorgnis zu berichten, und schilderte den Flug stattdessen als ereignislos.
Dutzende Offiziere und Techniker hatten sich bereits in dem hohen TIZ versammelt, saßen an ihren Arbeitsstationen oder an Lichttischen und Konsolen. Nachdem Isolder, Leia und die anderen Neuankömmlinge Platz genommen hatten, kam Brand direkt zur Sache.
»Dies sind unsere jüngsten Bilder von Aufklärungssonden aus dem Hutt-Raum«, begann er und deutete auf die Hologramme, die einer der vielen Projektoren zeigte. Er wendete sich direkt an Isolder und seine Kommandeure. »Was aussieht wie ein Asteroidenfeld, ist in Wirklichkeit eine Flotte von Kriegsschiffen. Dieser Hagel von kleineren Asteroiden sind Korallenskipper, die auf der Oberfläche des Planeten gewachsen sind.«
»Gewachsen?«, fragte eine von Isolders Offizierinnen.
Brand nickte. »Mit Erlaubnis der Hutts haben die Yuuzhan Vong den Planeten in eine Art Waffenplantage verwandelt – ähnlich jenen auf Belkadan und Sernpidal –, wo diese Jäger geerntet und mit den organischen Apparaten ausgestattet wurden, die gleichzeitig Antrieb und Schild erzeugen.«
Ein neues Bild nahm im Projektorlicht Gestalt an: eine Nahaufnahme von Korallenskippern, die wie Kletten an den spindeldürren Armen eines riesigen Trägerschiffes hingen. Überall bewegten sich Schlachtschiffe in Gruppen und wurden von Korallenskippern umschwärmt.
»Der Feind zieht Truppen für einen Angriff zusammen«, erläuterte Brand, »und angesichts der Anzahl der beteiligten Schiffe haben sie offensichtlich ein Ziel von weitaus größerer Bedeutung als Ithor, Obroa-skai oder Gyndine im Visier. Wir vermuten, dass es sich bei diesem Ziel um Corellia handelt, das wir absichtlich unangemessen schwach beschützt ließen, weil wir hoffen, die Yuuzhan Vong zu einem Angriff auf diese Welt zu verleiten.«
Leia riss alarmiert die Augen auf, als nun das Bild einer Kugel von der Größe eines kleinen Mondes erschien.
»Die Centerpoint-Station bildet das Herz der Verteidigung von Corellia«, fuhr Brand fort. »Mithilfe eines Repulsors und einer Schwerkraftlinse ist die Station in der Lage, ein Interdiktionsfeld zu erzeugen, das sich von Corell bis zur Grenze des Äußeren Systems erstreckt. Im Augenblick ist die Station in Bereitschaft und darauf vorbereitet, das Feld auf unseren Befehl hin zu erzeugen.«
»Commodore«, unterbrach Leia ihn.
Brand drehte sich zu ihr um und nickte. »Ja, Botschafterin, Ihre Söhne befinden sich bereits an Bord von Centerpoint. Entschuldigen Sie bitte, wenn Sie dies alles überrascht, aber unsere Absichten mit Centerpoint unterlagen strikter Geheimhaltung.«
Leia wandte sich von Brand ab, um ihre Sorge nicht zu zeigen. Sie gab außerdem vor, Isolders fragenden Blick nicht zu bemerken.
»Wenn die Flotte der Yuuzhan Vong aus dem Hyperraum ins Corellia-System kommt, wird das Interdiktionsfeld sie daran hindern, Lichtgeschwindigkeit zu erreichen, und sie auf diese Weise fesseln. Sobald das gelungen ist, starten die Kriegsschiffe, die sich hier, bei Kuat und bei Bothawui in Bereitschaft halten – von denen alle mit Hyperwellen-Trägheitsmomentstabilisatoren ausgestattet wurden, die von den Werften auf Fondor gebaut wurden –, dringen so weit wie möglich in das Interdiktionsfeld ein und bewegen sich durch Mikrosprünge auf den Feind zu.«
Brand wandte sich einem anderen Holoprojektor mit einer Schemazeichnung des HTMS zu. »Für jene unter Ihnen, die nicht mit Hyperwellen-Stabilisatoren vertraut sind: Das Gerät verwendet einen Schwerkraftsensor, der das Schiff vor einem Interdiktionsfeld warnt und somit die rasche Abschaltung des Hyperantriebes verlangt. Gleichzeitig erlaubt der Stabilisator das Erzeugen einer statischen Hyperraumblase, in der die Triebwerke zwar unwirksam sind, die jedoch das Schiff im Hyperraum hält, während es durch das Trägheitsmoment weiterbewegt wird.«
Der Commodore drehte sich zu seinen Zuhörern um. »Unsere Schiffe haben nicht viel Zeit, eine Formation zu bilden, aber sie werden der feindlichen Flotte gegenüber deutlich im Vorteil sein.«
Er blickte zu den Hapanern. »Prinz Isolder, da Ihre Schiffe nicht mit HTMS ausgerüstet sind, wird Ihr Kommando dafür verantwortlich sein, einen Angriff von Schiffen der Yuuzhan Vong auf das Äußere System zu verhindern. Wir haben zwei Gründe, weshalb wir diese Aufgabe Ihnen übertragen. Ihre Schlachtdrachen haben Pulsmasseminen an Bord, die effektiv den Bereich des Interdiktionsfeldes erweitern können. Um Ihnen dabei zu helfen, stellen wir Ihnen vier Immobilizer 418A Interdictor-Kreuzer zur Verfügung. Wichtig ist jedoch noch, dass die Kampfcomputer Ihrer Schiffe Punktgenauigkeit gegen einzelne Ziele bieten, was die beste Methode ist, die Dovin Basale der Yuuzhan Vong zu täuschen.«
»Gewöhnlich bevorzugen wir rasche, erbarmungslose Angriffe«, erwiderte Isolder. »Doch wenn chirurgische Operationen erforderlich sind, werden wir die natürlich für Sie erledigen, Commodore.«
Leia musste sich beherrschen, um nicht zusammenzuzucken. So langsam wurde ihr dieses Briefing von Brand unerträglich. Jede seiner Vermutungen und Spekulationen löste Schrecken in ihr aus, ebenso wie Isolders übertriebener Eifer und unverfrorene Überheblichkeit.
Also zog sie sich aus dem Lärm um sie herum zurück, suchte mit der Macht nach Anakin und Jacen, dann nach Jaina, Luke, Mara und einigen anderen Jedi. Jeder löste eine schwache Resonanz aus, die ihre Sorgen wenigstens vorübergehend beschwichtigte. Doch als Leia versuchte, Han zu erreichen – was ihr manchmal gelang, obwohl er die Existenz der Macht leugnete –, erhielt sie lediglich Bilder von einem reißenden Strom und von einem Sturz in unermessliche Schwärze.