18

 

Archon Thanes Worte konnten inmitten der vorwurfsvollen und missbilligenden Zwischenrufe kaum verstanden werden. Ungeachtet dessen stand er erhobenen Hauptes vor seinen zweiundsechzig Mitabgeordneten, wobei er voller Stolz die Prellungen präsentierte, die er bei dem Ehrenduell mit Isolder davongetragen hatte. Dass er in diesem Kampf Vergills Stimme verspielt hatte, schien ihm offensichtlich nicht Leid zu tun. Thanes Dreistigkeit überraschte niemanden, allerdings klangen seine Worte zur Unterstützung der Neuen Republik fast aufrichtig und nicht verbittert und sarkastisch, wie Leia es erwartet hätte.

Viele in dem großen Saal glaubten, dass Teneniel Djo mit Vergills Stimme die Mehrheit erreichen würde, die sie brauchte, um ein militärisches Vorgehen gegen die Yuuzhan Vong anzuordnen, jedoch war Leia nicht mehr sicher, was ihren eigenen Zielen am besten diente. Zwar würde der Kriegseintritt des Konsortiums möglicherweise alles entscheiden, aber persönliche Interessen und Komplotte könnten nicht nur den politischen Prozess unterminieren, sondern auch auf lange Sicht das Bündnis zwischen dem Konsortium und der Neuen Republik.

Zu C-3POs Verzweiflung, der versuchte, sich ihren langen Schritten anzupassen und ihre plötzlichen Kehrtwendungen vorauszuahnen, ging Leia in einem kleinen Raum, von dem aus man zu der Rednerbühne blicken konnte, hinter der Stirnwand des Saales auf und ab. Zumindest, so tröstete sie sich, würde die Abstimmung ihren Aufenthalt auf Hapes beenden, der in den letzten Tagen immer anstrengender geworden war, sowohl auf dem Rifffort als auch im Fontänen-Palast. Sie fühlte sich von jenen Aufgaben abgeschnitten, die ihr inzwischen das Wichtigste waren. Hapes erschien ihr fast wie ein Exil, noch dazu eines aus dem Reich der Phantasie – ein Land der Drachen, Regenbogenjuwelen und Bäume der Weisheit –, und der Streit zwischen Isolder und Thane war der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Trotzdem musste sie ihre gesamte Freizeit mit dem Prinzen verbringen, was ihr eigentlich gar nicht recht war. Von Beginn an hatte sie befürchtet, Isolder habe den Anlass für ihre Mission nach Hapes falsch gedeutet, und Ta’a Chumes Gerede, sie hätte die ideale Gemahlin für ihn abgegeben, verkomplizierte die schon peinlichen Umstände noch. Für das Schicksal der Galaxis spielten die Intrigen am Hofe keine Rolle mehr, und Leia wollte sich nicht darin involvieren lassen.

Während sie hier in der Vergangenheit und in fernen Erinnerungen verweilen musste, sehnte sie sich mehr als alles andere nach einer Nachricht von Han. Jaina, das wusste sie, war zum Renegaten-Geschwader zurückgekehrt, und Anakin und Jacen sollten ins corellianische System fliegen – wenn sie dort nicht längst eingetroffen waren –, aber wo Han sich aufhielt, davon hatte sie nicht die geringste Ahnung. Ständig kam er ihr in den Sinn und lenkte sie ab. Dabei handelte es sich nicht um den Han der vergangenen Monate, sondern um den Schuft, in den sie sich damals nach und nach verliebt hatte. Um jenen Han, der sie nur angeblinzelt hatte, als man ihn für seine unerwarteten Taten während der Schlacht von Yavin auszeichnen wollte; jenen Han, der es geschafft hatte, seine Antwort auf das erste Geständnis ihrer Liebe gleichermaßen aufrichtig wie blasiert klingen zu lassen, und der die Sprache verloren hatte, als sie ihm enthüllte, dass Luke ihr Bruder war.

Trotz des Schadens, den sein Schurken-Image nehmen würde, wenn er wirkliche Sorge zur Schau stellte, gab es keine Entschuldigung für sein fortwährendes Schweigen, und manchmal war Leia regelrecht wütend auf ihn.

Durch den Saal ging erneut eine Welle des Aufruhrs.

Leia sah, dass nun Isolder vor den Delegierten stand. Wie Thane stieß der Prinz in der Versammlung gleichermaßen auf Wertschätzung wie auf Ablehnung. Sein Gesicht war angeschwollen, den einen Arm trug er bandagiert.

Echte Hapaner ließen sich nicht mit Bacta behandeln, dachte Leia.

»Alle, die sich zu der Bitte der Neuen Republik um die Unterstützung des Konsortiums äußern wollten, wurden jetzt angehört«, begann Isolder, nachdem sich die Aufregung im Saal gelegt hatte. »Dem Anschein nach gibt es in dieser Frage keinen Konsens, und die Abstimmung wird sicherlich knapp ausfallen. Die Entscheidung, in den Krieg zu ziehen, fällt stets schwer, und heute umso mehr, weil wir doch so weit von diesem Krieg entfernt und in Sicherheit zu sein scheinen. Aber vergessen Sie nicht die Warnung von Botschafterin Organa Solo: Diese Ruhe wird nicht ewig andauern. Das Licht, in dem sich das Konsortium heute noch sonnt, kann sich morgen bereits verfinstern, und jene Schlachten, die wir vermeiden wollten, müssen am Ende trotzdem ausgetragen werden; möglicherweise sind wir dann aber ganz auf uns allein gestellt. Ich möchte hier nicht sämtliche Argumente wiederholen, den einen Standpunkt niedermachen und den anderen aufwerten. Ich möchte Sie nur bitten, die Politik aus dem Spiel zu lassen und nach dem Willen des Volkes abzustimmen, das Sie vertreten. Das ist unsere Pflicht, und nur so können wir unserem Gewissen genügen.«

Die Prozedur lief mit einer Langsamkeit ab, die einen zur Raserei bringen konnte. Während Teneniel Djo und ihre Berater von der Galerie aus zuschauten, wurde die Abstimmung nicht elektronisch, sondern handschriftlich vorgenommen, wobei die Repräsentanten mit den feinsten Federkielen und höchst verschnörkelter Schönschrift prunkten. Die Stimmen – manche auch in Form von Sendschreiben – wurden von einem Gremium alter Richter verlesen und gezählt, anschließend übermittelte man das Ergebnis als handgeschriebene Schriftrolle auf einem Seidenkissen zum königlichen Balkon.

Die Königinmutter verkündete den Beschluss.

»Mit einer Mehrheit von zweiunddreißig gegen einunddreißig Stimmen hat das Konsortium sich entschieden, die Neue Republik in ihrem gerechten und entschlossenen Kampf gegen die Yuuzhan Vong zu unterstützen.«

Isolders Mitkämpfer jubelten, seine Gegner fluchten. Es dauerte eine Weile, bis Teneniel Djo die Ruhe wiederhergestellt hatte.

»Die Abstimmung ist somit beendet«, sagte sie schließlich. »Ich bitte nun, alle persönlichen Differenzen beizulegen und das Wort des Gesetzes zu akzeptieren, damit wir diese bedeutende Entscheidung im Geiste der Gemeinschaft umsetzen können.«

Der Lärm nahm deutlich ab, und die Delegierten schüttelten sich die Hände oder umarmten einander förmlich. Die plötzliche Eintracht erschien Leia so künstlich wie eine arrangierte Heirat.

»Mistress«, sagte C-3PO mit leichter Unruhe in der Stimme, »der Prinz nähert sich.«

Leia fuhr herum und sah Isolder, der strahlend auf sie zumarschierte und seinen reich bestickten Umhang über eine Schulter warf. Einen Moment lang befürchtete sie, er würde sie auf die Arme nehmen und im Kreis drehen, doch er blieb auf Armeslänge vor ihr stehen.

»Wir haben gewonnen, Leia. Allen Unkenrufen zum Trotz haben wir gewonnen.« Er suchte den bevölkerten Saal unten ab, bis er Archon Thane gefunden hatte, und deutete mit dem Kinn in seine Richtung. »Sehen Sie nur, wie er schmollt. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte die Abstimmung anders ausfallen sollen.« Schon wandte er sich wieder Leia zu. »Das war die ganze Zeit sein Plan. Er wollte Sie beleidigen und mich im Zweikampf übertreffen. Aber wir haben uns durchgesetzt.«

Leia starrte ihn mit wachsender Sorge an. »Das Letzte, was ich wollte, war eine Entscheidung, die vom Ausgang eines Wettkampfes abhängt, Isolder.«

Das breite Heldenlächeln blieb davon unangefochten. »Vielleicht Sie nicht, doch auf Hapes halten wir es oft so – und außerdem wissen Sie, dass ich es gern für Sie getan habe.«

»Aber ich wollte nicht, dass Sie dies für mich tun – genauso wenig, wie ich wollte, dass Sie meine Ehre im Kampf verteidigen.«

Isolder sah sie fragend an. »Für wen habe ich denn gekämpft, wenn nicht für Sie? Warum sind Sie zu mir gekommen?«

»Ich bin nach Hapes gekommen, Isolder – als Gesandte der Neuen Republik. Das ist alles.«

»Natürlich, natürlich. Und es war richtig herzukommen.« Er überspielte den Moment mit einem verständnisvollen Lächeln. »Abgesehen davon wurden Ihre Wünsche erfüllt. Wir ziehen mit in die Schlacht.«

Leias Versuch, seine freundliche Miene mit gleichem Ausdruck zu erwidern, schlug fehl, denn plötzlich wurde ihr etwas klar, was die ganze Woche knapp unterhalb der Schwelle ihres Bewusstseins gelauert hatte.

Vor knapp acht Jahren, als viele Kriegsschiffe der Neuen Republik repariert und technisch aufgerüstet wurden, war Luke vom Senat gebeten worden, bei den Bakuranern um Hilfe zur Beendigung einer Rebellion im corellianischen Sektor zu ersuchen. Man hatte Luke gefragt, ob er sich nicht an seine enge Freundin Gaeriel Captison wenden könne, obwohl diese nach dem Tod ihres Mannes, des ehemaligen Imperialen Pter Thanas, von ihren öffentlichen Ämtern zurückgetreten war. Gaeriel hatte ihm ihre Unterstützung zugesagt, und mit der Hilfe mehrerer bakuranischer Schiffe konnte die Krise beendet werden. Allerdings zu einem hohen Preis. Gaeriel, der bakuranische Admiral Ossilege und tausende andere hatten ihr Leben geben müssen. Luke hielt sich immer noch für schuldig, insbesondere nach seinen Besuchen bei Gaeriels junger Tochter Malinza, um deren Sicherheit er sich zu kümmern versprochen hatte.

Während ihr diese Erinnerungen durch den Kopf gingen, kam ihr ein noch schrecklicherer Gedanke. Ihr Herz klopfte, und auf ihrer Stirn bildeten sich Schweißtropfen. Die Welt verschwamm vor ihren Augen, alle Geräusche nahm Leia wie gedämpft wahr, und um Halt zu finden, ergriff sie Isolders Arm. Kurz schloss sie die Augen, und dann sah sie in einer grausamen Vision Kriegsschiffe, die von grellem Licht aufgespießt wurden; gewaltige Explosionen und die Schreie tausender, die starben; Sternjäger, die vaporisiert wurden, blendende Feuer-Eruptionen, Leichen, die leblos durch die Leere schwebten, eine in Flammen stehende Welt…

»Leia, was ist los?«, fragte Isolder und stützte sie. »Leia?«

Schon kam sie wieder zu sich, holte tief Luft und löste sich von Isolder. Dann starrte sie ihn mit großen Augen an. »Sie können das nicht tun, Isolder. Sie dürfen sich uns nicht anschließen.«

Er runzelte die Stirn. »Wovon sprechen Sie? Die Abstimmung ist beendet. Damit ist die Sache entschieden.«

»Rufen Sie zu einer neuen Abstimmung auf. Sagen Sie, dass Sie die Position von Hapes neu überdacht hätten.«

»Sind Sie verrückt geworden? Wissen Sie, was Sie da von mir verlangen?«

»Isolder, hören Sie mir zu…«

»Die Entscheidung ist gefallen.«

Leia wollte die Auseinandersetzung nicht beenden, aber ihr mangelte es an den passenden Worten. Sie starrte ihn an und strich sich über die Stirn. Isolder blickte sie voller Verständnis an.

»Sie machen sich Sorgen, dass etwas schief gehen könnte«, sagte er, »und Sie wollen nicht die Verantwortung für unser Schicksal übernehmen. Doch Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Wir haben unsere Wahl frei getroffen und wissen genau, worauf wir uns einlassen. Das liegt uns im Blut, Leia. Unseretwegen brauchen Sie keine Angst zu haben.«

»Aber…«

»Besteht die Möglichkeit, dass die Yuuzhan Vong uns ignorieren werden?«

Sie dachte darüber nach. »Vermutlich nicht.«

»Welche andere Wahl bleibt uns also? Entweder treten wir den Invasoren an Ihrer Seite entgegen und haben dadurch eine größere Zahl von Schiffen zur Verfügung, oder wir warten ab, bis wir angegriffen werden und gezwungen sind, uns ihnen in unserem eigenen Raum zu stellen und mit unseren wenigen eigenen Schiffen zu kämpfen.«

Nickend presste sie die Lippen aufeinander. »Sie haben Recht«, sagte sie und brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Isolder, es tut mir Leid, was ich gerade gesagt habe.«

Mit einer wegwerfenden Geste wehrte er ihre Entschuldigung ab. »Worte sind nicht von Wichtigkeit, sondern nur, dass wir für immer Freunde bleiben.«

»Einverstanden.«

Daraufhin bot er ihr seinen Arm an, und sie gingen ein paar Schritte, ganz zum unverhohlenen Unbehagen von C-3PO.

»Ich glaube, Ihr Droide ist sehr aufgeregt«, sagte Isolder ruhig.

Leia lachte. »Bestimmt. C-3PO hat sich schon damals auf Hans Seite gestellt, als Sie so verrückt waren und mich für geeignet hielten, Königinmutter zu werden.«

Isolder lachte kurz, dann blieb er stehen und sah sie an. »Leia, darf ich Sie etwas fragen, als Freund, meine ich? Solange Sie hier sind, wirken Sie so gedankenverloren. Jedes Mal, wenn ich Sie besuchen wollte, sind Sie mir ausgewichen. Stimmt etwas nicht zwischen uns oder vielleicht auch in anderer Hinsicht?«

»Ich bin sehr beunruhigt«, gestand sie ein.

»Und darf ich den Grund dafür erfahren?«

Sie seufzte tief. »Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll.«

»Meine Mutter hat mir einmal erzählt, dass ein Jedi, wenn er beunruhigt ist und sich nicht mehr konzentrieren kann, verwundbar wird.«

»Ich bin kein Jedi.«

»Aber die Macht ist in Ihnen so stark wie in jedem Jedi. Was ist los, Leia?«

Sie kniff die Augen zusammen. »Wir befinden uns in großer Gefahr, Isolder. Möglicherweise verlieren wir alles, wofür wir nach dem Sieg gegen das Imperium gekämpft haben.«

»Wollen Sie damit sagen, die Yuuzhan Vong können nicht geschlagen werden?«

Für die Antwort musste sie einen Moment nachdenken. »Da bin ich mir nicht sicher. Vor uns liegt jedenfalls ein steiniger Weg.«

»Wie deutlich können Sie diesen Weg sehen?«

Darauf schüttelte sie den Kopf. »Nicht deutlich genug, um die Stolpersteine zu erkennen.«

Wortlos gingen sie weiter. »Würden Sie mich an Bord meines Schiffes nach Coruscant begleiten?«, fragte Isolder schließlich.

»Was ist mit Teneniel Djo?«

»Sie bleibt auf Hapes«, erwiderte Isolder knapp.

Erneut entstand die Vision vor Leias innerem Auge und verblasste wieder. Welches Licht sah sie? Welche Welt?

»Natürlich begleite ich Sie«, sagte sie einen Augenblick später.

 

Nachdem der Falke sicher angedockt hatte, passierten Han und Droma den Zoll von Ruan und hasteten zum Raumhafen-Terminal. Hätten sich dort nicht so viele Leute gedrängt, wären sie gerannt.

»Augenblick mal«, sagte Han, als Droma auf Händen und Knien durch die Menge kriechen wollte. Er packte den Ryn im Rücken an der Weste, stellte ihn auf die Füße und strich dessen ausgefranste Kleidung glatt, während er sprach. »Die Angehörigen deines Clans werden doch wohl nicht so verzweifelt versuchen, diese Welt zu verlassen, um sich mit einem Haufen Raumabschaum wie Hijackern oder Söldnern einzulassen. Dazu haben sie hoffentlich zu viel Verstand, oder?«

Droma zupfte an seinem Bart. »Sie sind schon ziemlich clever, aber selbst den Klügsten kann man austricksen, wenn ihm die Situation nur hoffnungslos genug erscheint. Weder Gaph noch Melisma können es ertragen, eingesperrt zu sein. Gaph war einmal im Gefängnis und…«

Han schüttelte den Kopf. »Das ist nicht die Antwort, die ich hören wollte.«

Droma verstummte und nickte, als er begriff. »Ob meine Clanleute sich mit Raumabschaum wie Hijackern einlassen? Dazu sind sie viel zu clever. Eigentlich bin ich sicher, dass sie sich bestimmt noch auf Ruan aufhalten – irgendwo –, und dass wir rechtzeitig eingetroffen sind, um sie zu retten.«

Han atmete tief durch. »Na, dann bin ich ja erleichtert.«

Seit ihrem Aufbruch von Tholatin hatten sie immer wieder das gleiche Gespräch geführt. Der Weequay-Sicherheitschef war zu durchtrieben gewesen, um ihnen die Namen seiner Leute auf Ruan oder auch nur den Namen ihres Schiffes zu verraten. Aber in Esau’s Ridge hatten sie genug Mechaniker und Taugenichtse getroffen, sodass Han einen ganz guten Eindruck davon hatte, mit was für einem Kaliber von Gesindel er und Droma es zu tun hatten. Selbst wenn die Hijacker, die nach Ruan gekommen waren, nicht direkt für die Yuuzhan Vong arbeiteten, waren sie dennoch aller Wahrscheinlichkeit nach bis an die Zähne bewaffnet und äußerst gefährlich – so wie die Mitglieder der Friedensbrigade, mit denen Han und Droma an Bord der Queen of Empire aneinander geraten waren.

Im Raumhafen von Ruan ging alles gelassen seinen Gang. Zwar kamen ständig tausende von Flüchtlingen aus einer Vielzahl von Welten hier an, weit mehr, als von hier abflogen, doch gelang es Salliche Ag irgendwie, die Aufnahmeprozeduren rasch und effizient abzuwickeln. Duzendweise reihten sich Informationsstände für die verschiedenen Spezies an den Wänden des Terminals aneinander, und draußen wartete eine Flotte von Fahrzeugen, um die Flüchtlinge in ihr jeweiliges Lager zu bringen. Dagegen war es wesentlich schwieriger, Flüchtlinge zu finden, die man suchte. An einem von Menschen besetzten Auskunftsschalter entdeckten Han und Droma Listen von über hundert Lagern, manche nur wenige Kilometer entfernt, andere auf der anderen Seite des Planeten.

»Wenn wir alle Lager durchsuchen müssen, brauchen wir dafür mehr Zeit, als wir haben«, grollte Han. »Es muss einen einfacheren Weg geben.«

»Versuchen Sie es mit der zentralen Datenbank«, sagte hinter ihm ein Droide. »Der Gesuchte könnte dort verzeichnet sein.«

Han drehte sich um und sah sich einem alten Droiden gegenüber, der in etwa Menschengestalt hatte, dabei jedoch stämmig war und Droma kaum an Größe überragte. Die Maschine mit den langen Armen, der breiten Brust und dem runden Kopf hatte dringend einen neuen Anstrich nötig, und das verbeulte Design war so primitiv wie die Servomotoren, von denen die Glieder bewegt wurden.

»Bollux?«, fragte Han ungläubig.

Der Droide richtete die roten Photorezeptoren auf ihn. »Bitte um Verzeihung, Sir?«

»Du bist ein Arbeitsdroide, nicht wahr – ein BLX?«

»Ein BLX?«, antwortete der Droide gereizt. »Das ist zwar auch ein Produkt von Serv-O-Droid Incorporated. Aber ich bin ein BFL. Für Sie Baffle, Sir.«

»Baffle?« Han zog gleichermaßen überrascht und skeptisch die Augenbrauen hoch. »Machst du Scherze? Willst du mir erzählen, du hättest dich nie im Korporationssektor herumgetrieben?«

»Dem Erbauer sei Dank, nein. Also, abgesehen davon, dass ich für die Arbeit auf den Werften von Fondor aktiviert wurde, habe ich den Kern niemals verlassen – jedenfalls soweit mein Gedächtnis reicht.«

Han wollte das nicht glauben. Während Droma zuschaute, ging er um Baffle herum, betrachtete den Vokabulatorgrill des Droiden und die steifen Bewegungen. »Du hast dich niemals im Besitz eines Technikers namens Doc Vandangante befunden?«

Baffle schüttelte den Kopf. »Dieser Name ist mir vollkommen unbekannt.«

Ohne Vorwarnung klopfte Han mit der Faust gegen die Brustplatte des Droiden, wodurch er ein hohles Geräusch hervorrief. »Bist du sicher, dass du darin nie einen anderen Droiden getragen hast? Einen viereckigen, nicht größer als so« – Han hielt die Hände einige Zentimeter auseinander –, »aber höchst intelligent?«

»Einen anderen Droiden? Gewiss nicht! Wofür halten Sie mich?«

Han strich sich durch den Bart, schüttelte den Kopf und lachte schnaubend. »Du könntest mir ja schließlich etwas vormachen.«

Baffle verneigte sich leicht. »Es schmeichelt mir, dass ich Sie an jemanden erinnere, Sir – glaube ich.«

»Nun, was ist jetzt mit dieser zentralen Datenbank?«

Der Droide führte sie zu einem Computerterminal, vor dem sich eine Schlange gebildet hatte. Han und Droma stellten sich hinter zwei Duros am Ende an und warteten, bis sie an der Reihe waren. Schließlich gab Han ihre Suchanfrage ein.

»Die Flüchtlinge sind nach Spezies sortiert«, sagte er stirnrunzelnd. »Aber die Ryn sind nicht einmal aufgelistet.«

»Versuchen Sie es anders«, schlug Baffle vor.

Droma grinste höhnisch. »Der Droide hat Recht. Darf ich mal?«

Han trat von der Tastatur zurück, ließ den Monitor jedoch nicht aus den Augen.

»Da sind sie«, sagte Droma. »Genau an der gleichen Stelle wie immer – zwischen Rybet und Saadul. Und meine Clanangehörigen sind hier!« Aufgeregt wendete er sich Han zu. »Immerhin fünf von ihnen.«

»Ist deine Schwester dabei?«

Droma ging die Liste erneut durch und schüttelte anschließend den Kopf. »Leia hat sich leider nicht geirrt. Sapha muss auf Gyndine zurückgeblieben sein.«

Han presste die Lippen zusammen, bis sie nur noch eine schmale Linie bildeten. »Die finden wir anschließend. Wo sind die anderen?«

»Lager 17 – gemeinsam mit zweiunddreißig anderen Ryn.«

»Oh, das Lager kenne ich sehr gut, Sir«, sagte Baffle. »Einige meiner Kollegen und Duplikate haben dort gearbeitet.«

Han fuhr zu dem Droiden herum. »Wie gelangt man am schnellsten dorthin?«

»In meinem Taxi.«

»Du bist Taxifahrer?«

Baffle zeigte durch das Fenster nach draußen, wo vor dem Terminal ein verbeulter SoroSuub-Landgleiter stand. »Das da drüben ist meins – das ohne Windschutzscheibe, das dringend mal neuen Lack brauchte.«

Han blickte von dem Landgleiter zu dem verbeulten Droiden. »Scheint, du lässt die Inspektion für dich und dein Fahrzeug in der gleichen Werkstatt machen. Schafft es die Karre bis zum Lager 17?«

»Sicherlich, Sir. Das Lager könnte man auch zu Fuß erreichen – wenn man genug Zeit hat.«

Die drei machten sich zum Taxi auf. Baffle setzte sich auf den Fahrersitz, der sich im Freien befand, und ließ den hinten aufgebauten Repulsorlift-Generator und die Außenbordturbinen an. Nachdem Han und Droma sich auf den Sitzen hinter dem Fahrerstand niedergelassen hatten, fuhr der Droide auf die gut ausgebaute Straße, die zwischen ordentlichen Feldern entlangführte. Durch die Lücken in den hübsch geschnittenen Hecken sah Han eine Vielzahl verschiedenster Droiden – wenn er auch von anderen Agrarwelten an weitaus mehr gewöhnt war.

»Warum arbeitest du nicht auf den Feldern?«, schrie er Baffle zu.

»Ach, für die Art von Beschäftigung bin ich zu alt, Sir.«

»Salliche hat dich also ausgemustert, wie?«

»Im Prinzip, ja. Seitdem Salliche Ag angeboten hat, Flüchtlinge aufzunehmen, ist es auf Ruan ziemlich chaotisch geworden, daher wurde mir die Arbeit als Fahrer dieses zuverlässigen, wenn auch jämmerlich aussehenden Fahrzeugs zugewiesen.«

»Wie es den Eindruck macht, kommen hier wesentlich mehr Leute an als abreisen«, meinte Han.

»Sehr scharf beobachtet, Sir. Tatsächlich sind viele Flüchtlinge sehr begeistert von Ruan und bleiben hier, um für Salliche Ag zu arbeiten.«

Han und Droma blickten sich erstaunt an. »Um für Salliche zu arbeiten?«, hakte Han nach. »Was denn?«

»Nun, sie helfen auf den Feldern, Sir. Dank Ruans Klimakontrolle ist es vielen durchaus angenehm, auf den Feldern zu arbeiten.«

Daraufhin lachte Han laut. »Das ist doch verrückt. Salliche besitzt eine Armee von Droiden.«

»Gewiss, das stimmt wohl. Aber Salliche Ag hat in letzter Zeit eine Vorliebe für Arbeiter aus Fleisch und Blut entwickelt.«

Erneut blickte Han Droma an, doch der zuckte nur mit den Schultern. »Ich bin auch gerade erst hier angekommen«, verteidigte sich der Ryn.

Möglicherweise hätte sich Han mit Baffle weiter darüber unterhalten, aber nach einer weiten Kurve kam jetzt das Flüchtlingslager in Sicht.

»Lager 17, Sir.«

Der Droide setzte sie am Eingang ab, neben dem ein turmähnliches Wachhäuschen stand. Han klopfte mit den Knöcheln an das Transparistahlfenster, um die Aufmerksamkeit des dicken Wachmanns im Inneren auf sich zu lenken. Der Uniformierte schob sein vernarbtes Gesicht durch die Fensteröffnung, warf einen Blick auf Han und Droma und setzte eine finstere Miene auf.

»Guck dir das mal an«, sagte er zu jemandem in dem Häuschen.

Kurz danach gesellte sich eine Frau zu ihm ans Fenster und musterte Han und Droma ebenso abschätzig. »Was wollen Sie hier?«

»Wir sind auf der Suche nach ein paar Freunden«, erklärte Han.

»Sind wir nicht alle Freunde?«, erwiderte der Mann und amüsierte sich über seinen schlechten Witz.

»Eine Gruppe Ryn«, fuhr Han fort. »Sie dürften ungefähr vor zwei Standardwochen angekommen sein.«

»Eine Gruppe Ryn, sagen Sie.« Der Wachmann deutete auf Droma. »Wie der da?«

Han drückte die Zunge gegen die Innenseite seiner Wange. »Richtig, wie der da. Wenn Sie ein Problem damit haben, sollten Sie herauskommen, damit wir darüber reden können.«

Die Wache grinste auf ihn herunter. »Ich habe kein Problem damit, großer Junge, aber Ihr kleiner Kumpel vielleicht.«

Plötzlich hörte Han das Surren von Blastern, die durchgeladen werden, und er fuhr herum. Hinter ihm kamen von drei Seiten uniformierte Wachleute auf das Häuschen zu. Ganz langsam hob er die Hände an den Hinterkopf, und Droma folgte seinem Beispiel.

»Wir wollen keine Schwierigkeiten«, meinte Han. »Wie ich dem Begrüßungskomitee bereits mitgeteilt habe, suchen wir lediglich einige Freunde.«

Der Anführer des Wachpersonals ignorierte ihn und deutete mit dem Blaster auf Droma. »Umdrehen.« Während Droma dem Befehl nachkam, fügte der Kerl hinzu: »Sie sind verhaftet.«

Han wollte nicht begreifen. »Verhaftet? Aus welchem Grund? Wir sind noch nicht einmal lange genug hier, um etwas angestellt zu haben!«

Während vier Blaster auf Droma und zwei weitere auf Han gerichtet waren, ließ der Anführer der Wachen zylindrische Schockhandschellen um Dromas Unterarme zuschnappen.

»Die Anklage lautet: Fälschung offizieller Dokumente«, sagte er zu Han. »Und wenn Sie nur ein bisschen Verstand haben, verschwinden Sie von Ruan, ehe wir Sie wegen Mittäterschaft ebenfalls einsperren.«