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Es war Morgen in Gyndines Hauptstadt, wenngleich diese Tatsache auf der Oberfläche des Planeten kaum jemand bemerkte. Die aufgehende Sonne, insofern man sie überhaupt sehen konnte, zeigte sich lediglich als bleiche Scheibe hinter wallendem Rauch, der von brennenden Wäldern und Städten aufstieg. Schlachtenlärm hallte donnernd aus den Bergen herüber, und ein heißer, sengender Wind fegte über die Landschaft. Trübes Zwielicht, durchbrochen nur von blendend hellen Blitzen, beherrschte den Tag.
Diese künstlichen Blitze wurden von Kriegern und Kriegsmaschinen erzeugt, die auf der verbrannten Erde unterwegs waren oder im Orbit über diesem Wahnsinn durch den verfinsterten Himmel preschten. In den bleiernen Wolken jagten sich unbarmherzig verfeindete Kampfschiffe, und ihr Getöse trug seinen Teil zum Lärmpegel der Schlacht bei. Östlich der belagerten Hauptstadt bohrten sich Energiestrahlen gnadenlos in die Oberfläche, aufgefächert wie flutendes Sonnenlicht oder konzentriert zu grellen Lichtwänden, die den Horizont wie einen erstarrten Sonnenaufgang rot glühen ließen.
Geschosse aus überhitztem Fels regneten auf die Überreste der Stadt herunter, durchlöcherten die verbliebenen Türme und brachten jene Gebäude zum Einsturz, die längst ausgebrannt waren. Ferrobetonstücke und verbogenes Plasteel landeten in von Bombentrichtern übersäten Straßen und Gassen. Zivilisten rannten verzweifelt umher und suchten nach Schutz, während andere sich paralysiert vor Angst in verkohlten Unterständen verkrochen, die bis vor kurzem Hauseingänge und Geschäfte gewesen waren. In manchen Vierteln erwiderten Ionenkanonen und fast erschöpfte Turbolaser-Batterien den Geschosshagel mit cyanblauem Licht. Doch nur in der Umgebung der Botschaft der Neuen Republik wurde das feindliche Feuer von einem hastig errichteten Schutzschild abgewehrt.
Gefährlich nah am Rand des schimmernden Schildes hatten sich tausende Angehörige verschiedener Spezies hinter einem Schockzaun versammelt und drängten auf Einlass. Verwirrte Droiden trieben sich in der Umgebung der Menge herum und waren sich des Schicksals bewusst, das sie erwartete, wenn die Invasoren die Stadt überrannten.
Hätte der Schockzaun das einzige Hindernis zu einer sicheren Zuflucht dargestellt, wäre die Menge vermutlich in Panik geraten und hätte das Botschaftsgelände gestürmt. Doch das Grundstück wurde außerdem von schwer bewaffneten Soldaten der Neuen Republik bewacht, und zudem durfte man das Kraftfeld nicht vergessen. Dieser Schirm aus Energie musste zunächst deaktiviert werden, ehe man sicher hindurchgehen konnte, und dies war immer nur dann der Fall, wenn ein Evakuierungsschiff zu einem der Transporter im nahen Raum startete.
Gyndines Flüchtlinge, die sich die aschfahlen Gesichter der verpesteten Luft wegen mit Tüchern verhüllt hatten, versuchten alles, um ihr nacktes Leben zu retten. Sie hielten schützend verängstigte Kinder in den Armen oder umklammerten armselige Bündel mit persönlichen Habseligkeiten, flehten die Soldaten an oder boten ihnen Bestechungsgelder, beschimpften und bedrohten sie. Doch die Männer mit den grimmigen Gesichtern hatten den Befehl zu schweigen und schenkten niemandem auch nur einen tröstenden Blick oder ein ermutigendes Wort. Lediglich die Augen straften die vorgespiegelte Mitleidlosigkeit Lügen, wenn die Soldaten sich flehentlich derjenigen Person zuwandten, die als Einzige über solche Bitten und Forderungen entscheiden durfte.
Gerade jetzt bemerkte Leia Organa Solo wieder einen dieser Blicke, den ihr einer der Soldaten zuwarf, der dicht beim provisorischen Kommunikationsbunker stand. Da ihr Gesicht schmutzverschmiert war und sie das lange Haar unter einer Mütze mit Krempe versteckt hatte, würde vermutlich niemand in der Menge die einstige Heldin der Rebellen-Allianz und frühere Staatschefin erkennen, aber der himmelblaue Overall – auf dessen Ärmeln das Emblem der SELCORE prangte, des Sonderausschusses des Senates für Flüchtlingsfragen – zog die Aufmerksamkeit der Verzweifelten auf sich. Und so durfte sie sich kaum bis auf fünf Meter an den Zaun heranwagen, ohne dass man ihr schreiende Kinder und Gebetsketten entgegenreckte oder Botschaften an Verwandte auf anderen Welten zurief.
Sie wagte es nicht, mit irgendwem Blickkontakt aufzunehmen, damit sich niemand ermutigt fühlte oder ihre eigene Seelenpein spürte. Um ihr inneres Gleichgewicht zu wahren, bezog sie ihre Kraft aus der Macht. Zudem erkundigte sie sich regelmäßig im Bunker, ob ein weiteres Evakuierungsschiff gelandet war und darauf wartete, Flüchtlinge an Bord zu nehmen.
Stets einen Schritt hinter ihr, folgte ihr der treue Ohlmahk, der mit seiner Wildheit eher wie ein Raubtier und weniger wie ein Leibwächter wirkte. Wenigstens der kleine Noghri schien sich inmitten dieses Chaos wohl zu fühlen, wohingegen C-3PO, dessen goldglänzende Oberfläche durch den Ruß stumpf geworden war, offenbar völlig entsetzt war. Neuerdings bezog sich die Besorgnis des Protokolldroiden allerdings weniger auf seine eigene Sicherheit, sondern auf die größere Bedrohung, welche die Yuuzhan Vong für alles Maschinenleben darstellten, das häufig zuerst leiden musste, sobald wieder eine Welt gefallen war.
Eine mächtige Explosion erschütterte den Permabeton unter Leias Füßen, und im Herzen der Stadt blühte ein orangefarbener Flammenpilz auf. Ein sengender Wind, der Tröpfchen eines noch heißeren Regens heran wehte, zerrte an Leias Mütze und Overall. Durch die Feuersbrünste hatten sich mikroklimatische Stürme entwickelt, die schon die ganze Nacht über das Plateau gefegt waren. Hagel vermischte sich mit der Asche aus Gyndines Ruinen, und bei allen, die sich im Freien befanden, rief er auf der nackten Haut Blasen hervor wie Säure. Sogar durch die isolierten Sohlen ihrer kniehohen Stiefel spürte Leia die anomale Hitze des Bodens.
Auf ein lautes Sirren hin drehte sie sich zum Schild um und sah gerade noch, wie es sich in verzerrten Wellen auflöste.
»Evak-Schiff hat abgehoben«, berichtete ihr ein Soldat aus dem Kommunikationsbunker, der beide Hände auf die Ohrmuscheln seines Kom-Helms presste. »Zwei weitere sind auf dem Weg nach unten.«
Leia schaute zum düsteren Himmel hinauf. Vage erkannte sie die abgeflachte Form des abfliegenden Schiffes, das mit Repulsorenenergie startete und dann auf einer Säule aus blauem Feuer in die Höhe schoss, wobei es von einem halben Dutzend X-Flügler eskortiert wurde. Ein Schwarm Korallenskipper, der in den Bergen gelauert hatte, nahm sofort die Verfolgung auf.
Leia fuhr zu den Soldaten am Schockzaun herum. »Die nächste Gruppe soll eintreten!«
Schulter an Schulter gedrängt schoben sich die Vordersten in der Menge – Menschen, Sullustaner, Bimms und andere – durch das Tor der Botschaft. Da der Schild heruntergelassen war, schlugen nun feindliche Geschosse, die sonst abgewehrt worden wären, wie flammende Meteoriten ein, eines traf den Ostflügel des im imperialen Stil errichteten Gebäudes und setzte es in Brand.
Leia klopfte den Evakuierten auf die Schultern, während sie auf eine Raumfähre zuströmten, die in der Landezone wartete. »Beeilung!«, drängte sie. »Beeilung!«
»Schilde werden wieder aufgebaut«, meldete der Kom-Offizier aus dem Bunker. »Zurückbleiben!«
Leia knirschte mit den Zähnen. Für sie war dies immer der schwerste Moment.
Die Soldaten am Tor stellten die Absperrung wieder her und suchten die Umgebung nach Störungen ab. In Reaktion darauf drängte die Menge verstärkt vorwärts, empört über die Ungerechtigkeit und die Willkür. Die Flüchtlinge in vorderster Front fürchteten, ihre Chance auf Rettung wegen ein oder zwei Personen zu verlieren, die vor ihnen in der Reihe standen, und schlängelten sich zwischen den anderen hindurch, während hinten gedrängelt und geschoben wurde. Leia sah, wie vergeblich das war, und dennoch weigerte sich die Menge, sich zu zerstreuen, weil man gegen alle Wahrscheinlichkeit hoffte, die Streitkräfte der Neuen Republik könnten die Invasoren so lange in Schach halten, bis der letzte Zivilist evakuiert war.
»Mistress Leia«, sagte C-3PO und hastete mit erhobenen Händen und glühenden Photorezeptoren auf sie zu. »Der Deflektorschild verliert an Stärke! Wenn wir nicht bald verschwinden, kommen wir hier um!«
Wie so viele andere heute, dachte Leia.
»Wir nehmen das letzte Schiff«, erklärte sie C-3PO, »so lange bleiben wir. Bis dahin mache dich nützlich beim Erfassen von Namen und Spezies der Flüchtlinge.«
C-3PO reckte die Arme noch höher und machte abrupt kehrt. »Was soll bloß aus uns werden?«
Leia seufzte müde und stellte sich die gleiche Frage.
Das Bombardement hatte vor zwei Tagen begonnen, als eine Flottille der Yuuzhan Vong überraschend aus dem Hutt-Raum ins benachbarte Circarpous-System eingefallen war. In aller Eile hatte man versucht, die Hauptstadt des Sektors zu befestigen, doch da Flotten und Einsatztruppen bereits die wichtigsten Systeme im Kern und in den Koloniewelten sichern mussten, hatte die Neue Republik einer trotz der bescheidenen orbitalen Werften zweitrangigen Welt wie Gyndine wenig Unterstützung anzubieten.
Überdies entbehrte der Angriff der Yuuzhan Vong jeglichen Sinns und Zwecks – abgesehen davon, dass dadurch Verwirrung gestiftet wurde. Nach dem erst kürzlich erfolgten Verlust mehrerer Welten des Mittleren Rands hatte man das entferntere Gyndine als ideale Durchgangsstation für Flüchtlinge betrachtet; und tatsächlich waren viele von jenen, die vor dem Zaun warteten, von Ithor, Obroa-skai, Ord Mantell oder anderen vom Feind besetzten Planeten hergebracht worden. Langsam wurde deutlich, dass die Yuuzhan Vong ebenso sehr Vergnügen daran fanden, Vertriebene zu verfolgen, wie daran, Gefangene zu opfern und Droiden zu zerstören. Sogar mit diesem Bodenangriff auf Gyndine stellten sie unter Beweis, wie meisterhaft sie Welten erobern und Welten vernichten konnten.
Die Stimme des Kom-Offiziers beendete Leias Grübeln. »Botschafterin, wir empfangen die Übertragung einer Sonde von der Front.«
Leia zögerte, dann betrat sie gebückt den Bunker, wo sich eine Reihe Männer und Frauen um ein Hologramm versammelt hatte. Es dauerte einen Augenblick, bis sie begriff, was sie da sah, und selbst da wollte sie die Wahrheit nicht akzeptieren.
»Was im Namen von…«
»Feuerspeier«, erklärte jemand, als habe er ihre Verblüffung vorausgeahnt. »Gerüchten zufolge haben die Yuuzhan Vong auf Mimban einen Zwischenstopp eingelegt, damit diese Dinger sich in den Sümpfen voll Gas saugen konnten.«
Leia musste sich setzen, so sehr zitterten ihre Beine, und sie schlug die Hand vor den Mund. Wie die Vorboten einer neuen Dämmerung des Grauens marschierte eine Legion von blasenförmigen Riesengeschöpfen heran, die auf sechs Stummelbeinen liefen und mit beweglichen Rüsseln ausgestattet waren, aus denen gallertartige Flammen strömten.
»Offensichtlich vermischen sie Methan und Schwefelwasserstoff mit einer Substanz in ihren Organen und produzieren so dieses flüssige Feuer«, erläuterte die Frau an den Kontrollen des Holoprojektors, eher fasziniert als fassungslos. »Außerdem versprühen sie Anti-Laser-Aerosole.«
Dieses neue Beispiel für die durch Gentechnologie geschaffenen Ungeheuer des Feindes, diese dreißig Meter großen Feuerspeier, marschierten weniger, sondern schwebten vielmehr über das Gelände, wie locker verankerte Fesselballons, die alles und jedes, das ihnen in den Weg kam, in Brand setzten.
Leia hatte das Gefühl, sie könne das flammende Vernichtungswerk noch hier in der Botschaft riechen.
»Was auch immer sie sind, sie haben ein dickes Fell«, sagte der Kom-Offizier. »Alles unterhalb der Stärke eines Turbolaserstrahls lässt sie kalt.«
Da sie nicht in der Lage waren, diese todbringenden Kleinluftschiffe aufzuhalten, gaben die Einheiten von Gyndine ihre Stellungen auf und zogen sich in Richtung Stadt zurück. Auf dem Schlachtfeld blieb die verkohlte Kriegsmaschinerie zurück – Panzerdroiden, alte mobile Loronar-Turbolaser und sogar einige AT-AT-Läufer, die umgestürzt waren und enthauptet alle viere von sich streckten.
»Sie ziehen sich zurück!«, bemerkte Leia scharf. »Wer hat den Befehl erteilt?«
Noch während sie es sagte, bereute sie die Bemerkung. Die Offiziere starrten sie entweder wortlos an oder schauten unbehaglich zu Boden. Konnte sie diesen Soldaten den Rückzug übel nehmen, während die Neue Republik seit Anfang der Invasion im Grund nichts anderes tat – sie zog sich zum Kern zurück, als sei dort wegen der Dichte der Sternsysteme verstärkter Schutz notwendig? Wer bestimmte, welche Maßnahmen wohl begründet waren und welche der Ehrenhaftigkeit entbehrten?
Schweigend verließ Leia den Bunker und stieß draußen auf den erschütterten C-3PO, der auf sie wartete.
»Mistress Leia, ich habe eine höchst beunruhigende Nachricht erhalten!«
Leia konnte ihn kaum verstehen. In der kurzen Zeit, die sie im Bunker verbracht hatte, war der Feind in die Außenbezirke der Hauptstadt vorgedrungen. Die Aufregung unter den Flüchtlingen hatte sich noch gesteigert, die Menge drängte nach vorn und wogte von einer Seite zur anderen. Durch eine Lücke in der Skyline der City glaubte Leia die ersten Feuerspeier zu erkennen.
»Es scheint«, fuhr C-3PO fort, »dass die Einwohner von Gyndine dem Eindruck unterliegen, frühere Anhänger des Imperiums würden bei der Evakuierung systematisch benachteiligt.«
Leia fiel die Kinnlade herunter, und ihre braunen Augen blitzten. »Das ist absurd. Glauben die etwa, ich könnte ehemalige Imperiale am Äußeren erkennen? Selbst wenn ich dazu in der Lage wäre…«, C-3PO senkte die Stimme verschwörerisch. »Genau betrachtet ist diese Behauptung sogar statistisch belegbar, Mistress. Von den Fünftausend, die bislang evakuiert wurden, stammte der überwiegende Anteil von Welten, die sich, wie eindeutig dokumentiert ist, frühzeitig auf die Seite der Rebellen-Allianz stellten. Wie auch immer, das geht auf nicht mehr als…«
C-3POs Erklärung wurde von einer ohrenbetäubenden Explosion übertönt. Elektrische Blitze tanzten wild über den Rand der Energiekuppel, dann verschwand der Schild. Im gleichen Moment flackerten die Warnlichter des Schockzauns und erloschen. Erschrocken hielt die Menge den Atem an.
»Der Generator wurde getroffen!«, sagte C-3PO. »Wir sind erledigt!«
Wieder drängten die Flüchtlinge heran, und die Soldaten rückten enger zusammen. Waffen wurden entsichert, ein Unheil verkündendes Geräusch.
C-3PO wich in Richtung Botschaftstor zurück. »Die werden uns einfach überrennen!« .
Olmahk strahlte tödliche Bedrohlichkeit aus, während er sich neben Leia aufbaute. Sie wollte ihn mahnen, die Ruhe zu bewahren, als einer der Soldaten die Nerven verlor, eine Schallwaffe direkt in die Menge hielt und abfeuerte, woraufhin ein Dutzend Flüchtlinge zusammenbrach und der Rest kopflos auseinander stob.
Ohne nachzudenken rannte Leia zu dem überforderten Soldaten und riss ihm die Waffe aus den schlaffen Händen. »Wir sollten diese Leute retten, nicht verletzen!«
Sie warf die Waffe zur Seite. Als sie sich über das Gesicht und die Stirn fuhr, riss sie sich dabei versehentlich die Mütze vom Kopf, und ihr Haar fiel über die Schultern. Sie drängte sich zum Bunker durch, packte sich das nächste Komlink und verlangte, zum Kommandeur des Kampfverbandes durchgestellt zu werden.
»Botschafterin Organa Solo, hier spricht Commander Ilanka«, meldete sich eine Bassstimme kurz angebunden.
»Wir brauchen jedes verfügbare Schiff, Commander – und zwar sofort. Die Truppen der Yuuzhan Vong dringen in die Stadt ein.«
Es dauerte einen Augenblick, bis Ilanka antwortete. »Tut mir Leid, Botschafterin, aber wir haben hier draußen alle Hände voll zu tun. Vor kurzem sind drei weitere feindliche Kriegsschiffe auf der anderen Seite des Mondes aus dem Hyperraum eingetroffen. Leider müssen Sie sich mit den Schiffen begnügen, die Sie da unten haben. Außerdem mochte ich Sie auffordern, diese möglichst umgehend starten zu lassen. Und, Botschafterin, Sie sollten sich selbst an Bord eines von ihnen begeben.«
Leia beendete die Verbindung mit einem Daumendruck auf die entsprechende Taste und ließ den Blick alarmiert über die Flüchtlinge schweifen. Wie soll ich eine Auswahl treffen?, fragte sie sich. Wie?
Ein Hagel flammender Yorikkorallen-Meteoriten ging auf die Botschaft und die benachbarten Gebäude nieder und setzte alles in Brand, was getroffen wurde. Das Inferno löste eine Explosion im Treibstofflager nahe der Landezone aus; in weitem Umkreis flogen Splitter umher. Auf der rechten Seite ihres Gesichts spürte Leia plötzlich einen stechenden Schmerz, als wäre ihr die Wange aufgeplatzt. Instinktiv tastete sie die Wunde mit den Fingern ab und erwartete Blut, doch das fliegende Bruchstück war so heiß gewesen, dass es das offene Fleisch regelrecht kauterisiert hatte.
»Mistress Leia, Ihr seid verletzt!«, rief C-3PO, sie jedoch verscheuchte ihn mit einem Wink, ehe er bei ihr war. Aus den Augenwinkeln nahm sie einen groß gewachsenen sehnigen Menschen wahr, der von zwei Soldaten abgeführt wurde. Die Mütze hatte er tief in die Stirn gezogen, das Gesicht war geschwollen und voller Blutergüsse.
»Was ist mit ihm?«, fragte Leia die Soldaten.
»Ein Aufwiegler«, berichtete der kleinere Soldat. »Wir haben ihn dabei erwischt, wie er lauthals verbreitete, nur treue Anhänger der Neuen Republik würden evakuiert. Jeder mit imperialer Vergangenheit könne ihm genauso gut einen Kuss auf den…«
»Schon gut, Sergeant«, unterbrach ihn Leia. Sie taxierte den Festgenommenen kurz und überlegte, was er wohl damit gewann, solche Lügen zu verbreiten. Gerade wollte sie den Mund öffnen, um ihn zu fragen, da alarmierte sie ein bedeutungsvolles Schnüffeln von Olmahk.
Leia trat näher an den Mann heran und blickte ihm forschend in die Augen. Während sie den rechten Zeigefinger hob, entwich Olmahk ein leises Knurren. Der Häftling schreckte zurück, als er Leias Absicht erkannte, aber seine Reaktion spornte die Soldaten lediglich an, fester zuzupacken. Leia kniff die Augen zusammen, denn nun war sie sicher. Sie stieß ihm den Finger ins Gesicht und traf ihn an der Stelle, wo der rechte Nasenflügel in die Wange überging.
Zur Überraschung der Soldaten schien sich das Fleisch zurückzuziehen und das Gesicht mitzunehmen, woraufhin sich ein zweites Gesicht darunter enthüllte, schmerzgequält und stolz, in dessen Haut leuchtend bunte Muster und Schnörkel tätowiert und geritzt waren. Die fleischartige Maske, die bei Leias Berührung die Flucht ergriffen hatte, verschwand im Ausschnitt der lockeren Jacke, wölbte die Kleidung, während sie nach unten rutschte, und kam wie fleischfarbener Sirup in Form einer Pfütze an den Hosenbeinen wieder zum Vorschein.
Die Soldaten sprangen erschrocken zurück, der Sergeant zog seinen Blaster und feuerte mehrmals auf die lebende Pfütze. Der Yuuzhan Vong, den nun niemand mehr festhielt, trat ebenfalls einen Schritt zurück, riss seine Jacke auf und legte eine Weste frei, die ebenso lebendig war die die Ooglith-Maske noch vor einem Moment. Mit den wimpernlosen Augen fixierte er Leia, hob den Kopf und stieß einen Schlachtruf aus, der das Blut gerinnen ließ.
»Do-ro’ik vong pratte!« Wehe unseren Feinden!
»Runter! Runter!«, schrie Leia den Männern in ihrer Nähe zu.
Olmahk drückte sie zu Boden, und kurz darauf sprang der erste Knallkäfer aus der Weste des Yuuzhan Vong. Das Geräusch ähnelte dem eines Korkens, der aus einer Flasche Schaumwein schießt, aber auf die Explosionen folgten die Schreie von Soldaten und unglücklichen Zivilisten, die Leias Warnung nicht gehört oder nicht beachtet hatten. Im Umkreis von zehn Metern fielen Männer und Frauen um wie gefällte Bäume.
Leia spürte, wie sich Olmahks Gewicht von ihr hob. Als sie aufsah, hatte der Noghri dem Yuuzhan Vong bereits mit den Zähnen die Kehle herausgerissen. Links und rechts lagen Verwundete und stöhnten vor Schmerz. Andere taumelten umher und hielten sich mit den Händen den aufgerissenen Leib, komplizierte Knochenbrüche oder zerfleischte Gesichter.
»Schafft die Verletzten zum Verbandsplatz!«, befahl Leia.
Unaufhörlich hagelten Yorikkorallen-Geschosse auf die Botschaft und die Landezone herab, wo ein Dutzend Soldaten die Einschiffung beim letzten Evakuierungsschiff überwachten.
Längst hatte sich die Menge durch das Tor gedrängt, doch mit Betäubungsstöcken und Schall wurden die meisten daran gehindert, das wartende Schiff zu erreichen. Benommen und gefolgt von Olmahk, machte sich Leia nun selbst dorthin auf den Weg. Sie entdeckte C-3PO, dessen Brust eine tiefe Beule von einem der Knallkäfer davongetragen hatte, nur knapp über der runden Steckvorrichtung für das Ladegerät.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie ihn.
Er hätte geblinzelt, wenn er dazu fähig gewesen wäre. »Dem Erbauer sei Dank, dass ich kein Herz habe!«
Während die drei sich dem Evakuierungsschiff näherten, humpelte ein alter AT-ST in Sicht, der an der Seite verkohlt war, Hydrauliköl verlor und seinen Granatenwerfer eingebüßt hatte. Der Allterrain-Scouttransporter, eine leicht gepanzerte Kiste auf riesigen Vogelbeinen, kam schnaufend und rasselnd zum Stillstand und brach dann auf dem Permabeton-Vorfeld der Landezone zusammen. Im nächsten Moment ging die Heckklappe hoch, eine Rauchwolke quoll hervor, und ein junger Mann kroch hustend, doch ansonsten unverletzt, aus dem Cockpit.
»Wurth Skidder«, sagte Leia und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich hätte es mir gleich denken können, bei diesem Auftritt.«
Skidder, schlank und mit scharfen Gesichtszügen, kam behände auf die Beine und warf seinen schwelenden Jedi-Umhang ab. »Die Yuuzhan Vong haben unsere Verteidigungsstellungen überrannt, Botschafterin. Die Schlacht ist verloren.« Er grinste selbstgefällig. »Sie sollten es als Erste erfahren.«
Leia hatte von Luke erfahren, dass Skidder sich auf Gyndine aufhielt, doch jetzt traf sie ihn zum ersten Mal. Während der Rhommamool-Krise vor acht Monaten hatte es ziemlichen Ärger mit ihm gegeben, als er zwei von Rodianern bemannte osarianische Sternjäger abgeschossen hatte, die die Absicht hatten, Leia bei der Ausführung ihrer damaligen diplomatischen Aufgabe zu behindern. Damals hatte sie ihn für rücksichtslos, leichtsinnig und übertrieben selbstbewusst gehalten, was seine Fähigkeiten anging, doch Luke behauptete steif und fest, die Schlacht von Ithor und die Verwundung, die Skidder dort davongetragen habe, hätten ihn vollkommen verändert, und zwar zum Besseren. Vermutlich deshalb, dachte Leia, weil er seitdem ständig Gelegenheit bekam, sein Lichtschwert einzusetzen.
»Sie kommen ein wenig spät mit Ihrem Bericht, Wurth«, erwiderte sie, »aber gerade rechtzeitig, um von hier zu verschwinden.« Sie deutete mit dem Kopf in Richtung Landezone. »Mein Bruder würde es mir nie verzeihen, wenn ich Sie nicht wohlbehalten nach Coruscant zurückbringen würde.«
Skidder antwortete mit einer kunstvoll galanten Verbeugung und streckte ihr den rechten Arm entgegen. »Ein Jedi meidet Streit um jeden Preis.« Kurz starrte er sie an. »Im Jedi-Kodex ist keine Rede von einer Verpflichtung, Zivilisten gehorchen zu müssen, aber ich füge mich aus Respekt vor Ihrem berühmten Bruder.«
»Schön«, gab Leia sarkastisch zurück. »Sorgen Sie nur dafür, dass Sie rechtzeitig an Bord gelangen.« Jemand tippte ihr auf die Schulter, und sie fuhr herum.
»Botschafterin, wir haben einen Platz für Sie, Ihren Bodyguard und Ihren Droiden reserviert«, meldete ein Offizier des Schiffes. »Doch Sie müssen sofort an Bord gehen, Ma’am. Der Gesandte der Neuen Republik ist bereits eingestiegen, und wir haben Befehl zu starten.«
Leia nickte, dann drehte sie sich wieder zu Skidder um, der jedoch auf das Tor der Botschaft zurannte. »Skidder!«, schrie sie ihm hinterher und bildete mit den Händen einen Trichter vor dem Mund.
Er blieb stehen, wandte sich um und winkte ihr zu, hatte sie also wenigstens gehört. »Ich habe nur noch eine Kleinigkeit zu erledigen«, rief er zurück.
Leia runzelte verärgert die Stirn, sah den Offizier an und ließ den Blick dann zwischen dem Schiff und der großen Flüchtlingsmenge hin und her schweifen. »Sicherlich haben Sie noch Platz für ein paar Leute.«
Der Offizier presste die Lippen aufeinander. »Wir haben die maximale Ladekapazität des Schiffes erreicht, Botschafterin.« Er folgte ihrem Blick zu den Flüchtlingen. »Na gut, vier weitere Personen.«
Dankbar legte ihm Leia die Hand auf den Unterarm, und die beiden eilten zur Rampe. Hinter einer Mauer aus Soldaten stand an der Spitze der Flüchtlingsreihe eine Gruppe stachelhaariger, pelziger Aliens, die lange Schwänze hatten und bunte, abgetragene Westen und Wickelröcke trugen.
Ryn, wurde Leia überraschend klar – die Spezies, der auch Hans neuer Freund Droma angehörte.
»Vier«, erinnerte der Offizier sie, während sie die Ryn zählte. »Einige müssen leider zurückbleiben.«
Sechs Ryn, um genau zu sein, blieben zurück. Vier Gerettete waren besser als keiner. Sie schob sich zwischen den zwei breitschultrigen Soldaten an der Rampe durch und winkte die Aliens vor. »Ihr vier«, sagte sie und zeigte nacheinander auf die Betreffenden. »Schnell!«
Erleichterung und Freude breitete sich auf ihren Mienen aus. Die auserwählten vier umarmten jene, die zurückbleiben mussten. Ein Säugling wurde von hinten zu einer der Frauen vorn gereicht. Dann hörte Leia jemanden sagen: »Melisma, wenn du Droma findest, erzähl ihm, dass wir hier sind.«
Leia zuckte zusammen und sah sich nach der Frau um, die diesen Namen erwähnt hatte, doch hatte sie keine Zeit, die entsprechende Ryn ausfindig zu machen. Die Soldaten zogen sich bereits zur Rampe zurück und nahmen sie mit.
»Augenblick!«, sagte sie, blieb unvermittelt stehen und weigerte sich weiterzugehen. »Skidder. Wo ist Skidder? Ist er schon an Bord?«
Sie beugte sich vor, schaute über die verwüstete Landezone und entdeckte ihn, wie er auf das Schiff zurannte, eine Frau hinter sich herzerrte und ein langhaariges Kind im linken Arm trug. Dieser Anblick gab Leia zu denken. Vielleicht hatte sich Skidder tatsächlich geändert.
»Kümmern Sie sich darum, dass er an Bord kommt«, wies Leia den zuständigen Offizier an und wartete ab, während ein Geschoss von einem Korallenskipper nur wenige Meter von der Rampe in den Permabeton einschlug. »Und wenn es nicht anders geht, nehmen Sie einen Schuhlöffel.«