V.

31. Die Verstoßenen brachten Kepler, Darr und die Gondwaner über eine Furt auf das nördliche Flussufer. Die etwa dreißig bewaffneten Erwachsenen und die ein paar Jüngere, denen Homeroii seine eigenen Interpretationen des Kampfes mit den Flug-Gools erzählt hatte, waren nur ein Teil des Stammes. In den Tiefen des Waldes versteckten sich ältere Verstoßene und Mütter mit Kleinkindern und Säuglingen. Diese recht kleine Gruppe wurde von mindestens siebzig weiteren mit Bögen und Schwertern bewaffneten Männern und Frauen beschützt. Mit den Kämpfern zu ziehen, war für die Alten, Schwachen und die Kinder die einzige Möglichkeit zu überleben. Sogar Wehrlose wurden von den Syths getötet oder entführt. Vor den Gools gab es gar kein Entrinnen.

Jetzt sammelte der Stamm sich in den Ausläufern des Waldes im Westen. Unweit der Bäume lagerte im Freien am Nordufer des Flusses die Elefantenherde.

Eine der Besonderheiten von Elefanten war ihre Unfähigkeit zu schwitzen. Um das auszugleichen, hatten die Tiere große Ohren, über deren Fläche sie die Körperwärme abführten. Afrikanische Elefanten hatten wirklich riesige Ohren, sogar bei den kleineren Weibchen maßen sie fast zwei Meter und wurden von etwa zehn Litern Blut pro Minute durchflossen. Das nutzten die Verstoßenen als Tarnung. Jeder Elefant trug an seinem kurzen starken Hals zwei Flechtkörbe, einen links, einen rechts. Durch die Ohren abgedeckt, waren die Körbe sowohl im weißen als auch im infraroten Lichtspektrum unsichtbar.

Afrikanische Elefanten waren große gutmütige Tiere, die sich relativ leicht zähmen ließen. Die Bullen zogen allein durch die Wildnis, die Weibchen wanderten gemeinsam. Zu Keplers Zeiten zählten die Herden meist etwa fünfzehn Tiere, aber etliche Jahrtausende zuvor waren es hunderte Elefantenkühe gewesen, die ihr langes Leben miteinander verbrachten.

Die Verstoßenen hatten nur knapp einhundert samt den Kälbern.

Die Herde wurde geteilt, nachdem Kassana und Homeroii einen Elefanten bestiegen und nach Gondwana aufgebrochen waren. Enok nahm nur den Stoßtruppanführer mit, der bei der Besprechung für die Reise nach Ofir gestimmt hatte, und acht Kämpfer. Für sie, die Gondwaner, Kepler und Darr reichten damit zehn Tiere. Die Kühe ließen sich problemlos von der Herde trennen.

Chirok hatte das Kommando über den Stamm übernommen. Unter seiner Aufsicht bestiegen die Verstoßenen die Elefanten. Er und eine Kämpferin kletterten als letzte in die Körbe hinter den Ohren der alten Leitkuh. Die hob den Rüssel und blies ein Signal, dessen tiefer Klang an eine Trompete erinnerte. Die Kälber in der Mitte zwischen sich, setzte die Herde sich gemächlich in Bewegung.

Enok wollte etwas warten, damit die Teilung der Herde nicht völlig unnatürlich wirkte, das geschah recht selten. Kepler nutzte die Zeit, um Enok zu erklären, welchen Weg er nehmen wollte.

"Was willst du dort?", fragte Enok. "Ach so, du befürchtest, dass die Syths uns eine Falle stellen, und willst den Stützpunkt umgehen, richtig?"

"Ich befürchte das nicht, ich weiß das", gab Kepler zurück. "Deswegen will ich direkt durch den Vordereingang marschieren, vielleicht verwirrt sie das. Aber ich will uns einen Vorteil verschaffen. Kassana sagte, in der alten Wartungsstation für die Erntemaschinen würde ich das finden, was ich dazu brauche."

"Was denn?", wollte Enok wissen.

"Dasselbe wie ihr", antwortete Kepler. "Ich will es nur anders nutzen."

Enok fragte nicht weiter nach, es war Zeit aufzubrechen. Elefanten bewegten sich ziemlich langsam und bis Khartum, Ofir, der Versiegelten Stadt oder wie auch immer sie hieß, waren es noch etwa dreizehn Kilometer. Enok bestieg seinen Elefanten als letzter. Er machte einen schnalzenden Laut und das Tier trabte los. Die Hauptherde zog über die offene Savanne entlang des Flusses nach Westen. Enok führte seine kleine Gruppe im Schutz der Anhöhe, die das Tal umrandete, dagegen nach Nordwesten.

Für die meisten neuen Dinge war Kepler aufgeschlossen. Blind in zweieinhalb Metern Höhe in einem Flechtkorb zu schaukeln, völlig abgedeckt von einem riesigen Ohr, fand er jedoch deprimierender, als unter der Wasseroberfläche des Nils zu kreuzen. Er hatte die meiste Zeit seines Lebens in der Natur verbracht, aber ein U-Boot war ihm seltsamerweise lieber als ein relativ intelligentes Lebewesen, das gemächlich schnaufend dahin tapste.

Der Zug an seiner Hand wurde stärker und er ließ das Ohr los. Elefanten mussten mit den Ohren wedeln, um das Blut abzukühlen. Kepler kauerte im Korb und blickte nach Westen. Knapp drei Kilometer entfernt sah er viele schwarze Punkte. Das waren die anderen Elefanten, die die Verstoßenen weg brachten.

Zu Fuß wäre Kepler viel schneller, Elefanten trabten mit etwa drei Kilometern pro Stunde. Doch er vertraute Enok, der wusste besser als er, wie man sich hier unauffällig bewegte. Und auch mit der mäßigen Geschwindigkeit würden sie ihr Ziel theoretisch in einigen Stunden erreichen.

Praktisch nicht. Es war nur kurz, aber Kepler sah deutlich das schnelle, gleißend weiße Aufleuchten im Westen. Der winzige Blitz spannte sich über den Boden, berührte den schwarzen Punkt, zu dem der vordere Elefant in der Weite geschrumpft war, und stürzte ihn. Nur Augenblicke später flammten nacheinander weitere vier Blitze auf und noch vier Elfanten wurden niedergestreckt. Auf die Entfernung nur schwach und dumpf, aber ängstlich und drängend, hörte Kepler das Trompeten der Elefanten und sah noch winzigere Punkte. Noch ein Blitz, und einer dieser Punkte – ein Mensch – wurde auf die Erde geschleudert.

"Darr, mitkommen!", brüllte Kepler und sprang aus dem Korb. "Ihr bleibt hier und sichert unseren Rücken", befahl er Enok, der von seinem Elefanten sprang.

Es dauerte, bis der Wissenschaftler sich aus seinem Korb gehangelt hatte. Aber Darr beeilte sich, und während er auf dem Boden aufkam, zog er die Glock.

Im Laufen sah Kepler nach oben. Der Wind frischte auf und trieb immer mehr Wolken herbei. Sie waren dunkel und hingen tief, sie waren voll Wasser.

Kepler blickte wieder nach vorn. Die Herde war auseinander gestoben, einige Elefanten galoppierten in die offene Savanne. Aber die huschenden Menschen, wurden von Lichtbogenstrahlen zusammengedrängt, die aus dem Nichts kamen.

"Dirk!", hörte er nach zehn Minuten Darrs reißende Stimme hinter sich.

Er blieb stehen und fuhr herum, die Glock im Anschlag. Aber Darr hatte einfach keine Kraft mehr, er taumelte und keuchte laut. Kepler sah wieder nach Westen. Seit fünf Minuten hatte es keine Blitze mehr gegeben. Die Syths schlachteten die Verstoßnen jetzt mit den Schwertern ab.

Nach knapp zwei Kilometern war Kepler noch lange nicht erschöpft, aber sein Atem ging mittlerweile auch recht schnell. Und er brauchte ruhige Hände.

"Noch fünfzig Meter, Darr", verlangte er. "Bis zu dem Erdaufwurf da."

Der Wissenschaftler nickte nur kraftlos zurück und presste die Kiefer zusammen. Kepler rannte los, während er die Glock einsteckte und danach das Gewehr vom Rücken zerrte. Am Erdaufwurf ließ er sich fallen und klappte dabei das Zweibein aus. Er öffnete das Visier und stellte es auf halbe Vergrößerung.

"Links neben mich, damit die Hülsen Sie nicht treffen", wies er den keuchend atmenden Darr knapp an, der rechts neben ihm zu Boden stürzte. "Legen Sie sich auf den Rücken neben mich und sichern Sie uns nach hinten ab."

Während der Wissenschaftler den Befehl ausführte und mit zitternden Händen die Glock hob, blickte Kepler durch das Zielfernrohr. Die Vergrößerung engte sein Sichtfeld ein, aber er sah genug und es war grauenhaft.

Die Elefanten waren mittlerweile panisch weggerannt. Aber das kümmerte die Syths nicht. Und sie ignorierten auch völlig das kleine Grüppchen mitten auf der freien Fläche. Es waren die Alten, die Kinder an sich drückten. Und hilflos zusehen mussten wie ihre Beschützer einer nach dem anderen umgebracht wurden.

So wie die Blitze vorhin aufgeleuchtet waren, hatten die Syths nur eine einzige Lichtwaffe mitgenommen. Kepler brauchte eine Zeitlang, bis er begriff, warum die Außerirdischen die Verstoßenen nicht einfach mithilfe von Satelliten auslöschten. Die Syths ließen die Verstoßenen für die eigenen Verluste büßen.

Dann sah Kepler vier Frauen, die sich mit den Rücken aneinander gestellt hatten. Unentwegt Pfeile abschießend, bewegten sie sich an die linke Flanke, wohin der Kampf sich verlagert hatte. Plötzlich flammte ein Lichtbogen auf. Er tötete die vier Kämpferinnen innerhalb einer Sekunde. Kepler feuerte dahin, wo er die Syth mit der Lichtbogenwaffe vermutete, und schwenkte das Gewehr nach links.

An der linken Flanke hatten mehrere Verstoßene sich genauso formiert wie die vier Kämpferinnen eben. Sie standen eng Rücken an Rücken, sicherten einander und versuchten, mit Schwertern und Pfeilen der Übermacht ihrer unsichtbaren Henker zu begegnen. Es waren mehrere Grüppchen. Zwei bestanden nur aus Frauen, eine nur aus Männern, die letzte war gemischt.

Diese wurde plötzlich von einem Schimmern umgeben. Innerhalb weniger Sekunden töteten die Syths die Frauen. Der Mann überlebte etwas länger. Kepler sah direkt vor ihm ein Schimmern, als ob die Syth vor dem Verstoßenen verharrt war und ihn musterte. Der Mann holte mit seinem Schwert aus. Der durchsichtige Schatten beugte sich zur Seite und köpfte den Mann mit einem Hieb. Kepler feuerte und verfehlte wieder. Im nächsten Augenblick erhellten einer nach dem anderen fünf Lichtstrahle die Ebene. Die beiden Frauengruppen wurden durch die gleißenden Strahlen völlig ausgelöscht. Sogleich wurde die Männergruppe angegriffen. Aber die nächsten zwei Lichtbögen waren um einiges weniger intensiv und nach unten gerichtet. Sie töteten die Männer nicht, sondern verletzten nur ihre Beine. Die vier Verstoßenen stürzten. Kepler schwenkte das Gewehr, sah jedoch überhaupt kein Schimmern. Er sah nur, wie die Männer nacheinander sachlich und gezielt mit Schwertern umgebracht wurden.

Die noch lebenden Verstoßenen erkannten endlich die Situation und stoben auseinander. Die Syths mussten die flüchtenden Kämpfer nun einzeln jagen.

Dann sah Kepler wieder ein Schillern, als das dunkler werdende Tageslicht sich am Anzug einer Syth brach. Doch die Außerirdische war zu schnell, Kepler konnte sie zwar sehen, aber nicht als Ziel erfassen, um sie sicher zu treffen.

"Komm schon", murmelte er beschwörend.

Im nächsten Augenblick sah er die Syth nicht mehr. Aber er sah deutlich das Aufblitzen der Sonnenstrahlen auf der Klinge, als die Außerirdische ihr Schwert einer Bogenschützin in einer von unten nach oben gerichteten Bewegung in den Bauch stieß. Sogar auf die Entfernung hörte Kepler den markerschütternden Schrei der sterbenden Frau.

Kepler sah eigentlich nur die tote Bogenschützin, als die unsichtbare Syth sie wie eine lästige Fluse von ihrem Schwert schüttelte. Aber die gefallene Kämpferin hatte ihm mit ihrem Tod ein Ziel offenbart.

Endlich wurde Kepler wie unzählige Male zuvor eins mit seinem Gewehr. Sein Gehirn rechnete die Schussparameter durch, nicht absolut exakt, aber ausreichend genug, damit er vor seinem geistigen Auge den roten Faden sah, der zwei Meter über dem Boden im Nichts endete. Kepler drückte sanft den Abzug durch.

Einen Augenblick später sah er durch das Absehen wie in der leeren Luft ein dunkler Fleck aufpilzte. Kepler schoss zweimal. Als die Geschosse die Syth trafen, wurde sie durch die Wucht der Einschläge gedreht und deswegen fiel das Licht in einem anderen Winkel auf sie. Jetzt sah Kepler ihre Umrisse ganz deutlich. Eine Sekunde lang wackelte der durchsichtige Schatten im feinen Nebel seines dunklen Blutes, dann fiel er auf die Leiche der Bogenschützin.

Kepler schwenkte das Gewehr, sah wie ein Verstoßener mit einem Schwert aufgespießt wurde, und schoss. Aber er hatte die Länge des Schwertes falsch eingeschätzt und sah diesmal keine Blutwolke, die das Projektil verursacht hätte, wenn es durch die Syth durchgeflogen wäre. Ein Schatten huschte am Rande des Absehens und fast zugleich hörte Kepler einen Schrei. Er schwang das Gewehr nach rechts, sah aber nur, wie eine Bogenschützin die Hände an die Brust pressend auf die Knie fiel und sich dann nach unten krümmte.

"Bitte", flüsterte Kepler erbost und flehend.

Er reduzierte die Vergrößerung um eine Stufe. Er sah nichts und bewegte das Gewehr ratlos wieder nach links. Und sah in den Rücken eines Verstoßenen. Die Arme des Mannes waren ausgebreitet, in der einen Hand hatte er einen Bogen, in der anderen einen Pfeil. Die Waffen entglitten ihm und im denselben Moment durchstieß eine Schwertspize seinen Rücken. Kepler schoss.

Die Gewehrkugel zerfetzte den Kopf des Bogenschützen und beendete so seinen Schmerz. Im selben Augenblick vermischte sich die Wolke aus menschlichen Blut und Gehirnmasse mit dunklen Spritzern. Die Syth, die direkt vor dem Verstoßenen stand, wurde für Kepler sichtbar, als der Mann niederfiel. Kepler feuerte und eine Sekunde später schlug das nächste Lapua-Geschoss oberhalb des dunklen Blutflecks ein. Kepler sah kurzlebige weiße Funken, nachdem die Maske der Außerirdischen vom Hartkern penetriert wurde.

Jetzt bekamen die restlichen Syths mit, dass auch sie sterblich waren. Anscheinend taten es auch die Verstoßenen, Kepler sah zwei Männer, die ihre Bögen spannten und auf die verharrten Außerirdischen zielten. Er richtete das Gewehr aus, wurde aber von einem Blitz geblendet, als die Lichtbogenwaffe abgefeuert wurde. Der Blitz zerteilte einen der Bogenschützen fast. Der andere Bogenschütze warf sich auf den Boden. Kepler schoss.

Aber die Syth mit der Waffe hatte sich indessen auch bewegt, sie wurde nicht getroffen. Trotz der Schnelle des Gefechtes hatten die Außerirdischen zumindest ungefähr die Richtung ausgemacht, in der Kepler sich befand.

Von den Bogenschützen waren nur noch wenige am Leben. Diese Männer und Frauen nutzten das kurze Stocken der Syths. Sie gruppierten sich und begannen zu schießen. Die Syths nutzten das augenblicklich aus.

Sie töteten die Verstoßenen nicht, aber sie umrundeten sie und gingen zum Angriff über. Die Bogenschützen wichen zurück, mit den Rücken direkt auf Keplers Position zu. Und schirmten dabei die Syths ab. Kepler sah nach oben.

"Na los!", brüllte er.

Die Welt verdunkelte sich, als der Regen hinunter stürzte. Im feinen Nebel aus Regentropfen sah Kepler nach einigen Sekunden leichtes weißes Leuchten zwischen den zurückweichenden Bogenschützen. Er konzentrierte sich und schoss.

Die erste Kugel streifte die Bogenschützin, die in seiner direkten Schusslinie stand, am rechten Bein. Zumindest hoffte Kepler, dass es nur eine leichte Verletzung war. Sie war jedoch schwer genug, damit die Frau hinfiel.

Auch wenn der Regen und weiße Blitze die Konturen der Syths verschwimmen ließen, sah Kepler zumindest eine ganz deutlich. Er feuerte fünfmal und die Außerirdische stürzte zu Boden. Die Verstoßenen begriffen endlich was die Syths bezweckten und warfen sich nieder. Sofort sah Kepler zwei von Blitzen umhüllte Gestalten. Er schoss. Die Kugeln verfehlten die linke Syth, aber eine schlug direkt in die Maske der rechten ein. Während Kepler das Gewehr zurück schwenkte, warf die linke Syths sich auf die Erde, schaltete ihre Tarnung vollständig aus und löste sich in der verregneten Dunkelheit auf. Der letzte blasse Blitz lief zuckend vom Kopf bis zu den Füßen der toten Außerirdischen, dann wurde auch sie im Regenvorhang unsichtbar.

"Abstellen", wünschte Kepler.

Er glaubte und erwartete nicht, dass die Natur seiner Bitte folgen würde. Sie tat es auch nicht, die Regentropfen prasselten weiterhin hernieder. Nur der Wind frischte etwas auf und machte ihren Fallwinkel schräg.

Kepler sah eine schnelle Bewegung etwas weiter links von der Position, an der die letzten beiden Syths sich befunden hatten. Er schoss dahin und zog das Gewehr dabei weiter nach links. Als er das Magazin wechselte, wünschte er sich, die Verstoßenen würden sich jetzt nicht nur in die Erde drücken, sondern ihm zeigen, wo die letzte Syth sich befand.

Die taten es nicht, aber sie selbst machte es. Eine Serie aus Blitzen machte den Regen zu einer undurchsichtigen Wand und schlug weit vor Kepler in die Erde ein. Darr hatte auch damit tatsächlich Recht gehabt, die Reichweite der Lichtbogenwaffe betrug wirklich nur etwas mehr als dreihundert Meter.

Damit hatte Kepler den ersten Anhaltspunkt. Er legte den Finger auf den Abzug und wartete kurz. Dann schoss er fünfmal. Die Kugeln trafen alle einen kleinen Baum, der unweit der Bogenschützen stand.

"Darr, mitkommen. Schnell!"

Während er sich nach rechts rollte, hielt Kepler das Gewehr mit beiden Händen vor dem Kopf soweit wie nötig nach oben, damit es nicht verdreckt wurde, und soweit wie es ging nach unten, damit es möglichst nicht zu sehen war.

Darr brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, dann folgte er ihm.

Sich fast einhundert Meter weit ganz schnell in eine Richtung zu drehen, ließ den Wissenschaftler würgen, nachdem er an Kepler angestoßen war. Kepler unterdrückte den Brechreiz und drehte sich schräg zum Erdaufwurf, an dem er und Darr sich vor kurzem befunden hatten. Er blinzelte und richtete das Gewehr so aus, dass er noch halbwegs die Position der Verstoßenen sah.

Die letzte Syth war nicht dumm. Doch schließlich hatte sie als einzige eine Lichtbogenwaffe – und diese Außerirdische hatte am längsten überlebt. Aber jetzt sah Kepler sie, wenn auch nur schemenhaft. Sie rannte sehr schnell und tief gebeugt. Dann benutzte sie einen kleinen Busch als Sichtschutz. An ihm stürzte die Syth sich auf die Knie, brachte die Lichtbogenwaffe in Anschlag und sechs Blitze zischten durch die immer tiefer werdende Dunkelheit.

Sie waren sichtbar weniger intensiv, als die, mit denen die Frauen getötet worden waren. Dennoch gruben sie den Boden um den Erdaufwurf tief um. Wären Kepler und Darr noch dort gewesen, würden sie jetzt wahrscheinlich nicht tot sein, aber taub, unter Detonationsschock und mit Erde zugeschüttet.

Nachdem die letzten Erdbrocken niedergeprasselt waren, herrschte Stille, die nur vom Rauschen des Regens unterbrochen wurde.

Dann erhob die Syth sich und ging langsam vor, leicht nach vorn gebeugt und sich aufmerksam umblickend. Die Lichtbogenwaffe senkte sich, je näher die Syth dem von ihr geschaffenen Krater kam.

Als die Außerirdische noch zehn Meter zu gehen hatte, passte der Schusswinkel perfekt. Kepler drückte den Abzug durch.

Das erste Geschoss riss die Lichtbogenwaffe aus den Händen der Außerirdischen. Das zweite zertrümmerte ihr rechtes Knie. Die Syth stürzte, fing sich mit einer Hand ab und verharrte für einen Augenblick. Sie langte mit beiden Händen zum Gürtel, aber bei zweifacher Schallgeschwindigkeit der Geschosse war das nicht annähernd schnell genug. Die dritte Kugel zerfetzte ihre rechte Hand, die vierte zertrümmerte den linken Ellenbogen. Der Unterarm der Außerirdischen fiel herunter und baumelte an Sehnen leicht hin und her.

Das fünfte und das sechste Geschoss jagte Kepler direkt vor die Syth in die Erde. Die Außerirdische war wirklich nicht dumm, sie verstand sofort, was von ihr verlangt wurde. Sie hob den Kopf und ein schrilles Zischen hallte über die Savanne. Es klang aber nur gepeinigt. Die Syth senkte den Kopf und blieb reglos auf einem Knie stehen. Sie hatte auch keine Wahl.

Kepler legte das Gewehr ab, dann löste er die Verschlüsse, die den Ghillie an seinen Schultern festhielten. Ohne die Augen von der Syth zu wenden, wand er sich aus dem Tarnanzug. Darr sah ihm verdattert zu.

"Wozu machen Sie das?", fragte er beinahe fassungslos.

"Ich will ihr mein Geheimnis nicht verraten", knurrte Kepler zurück.

Er legte den Anzug ab, zog die Glock und erhob sich. Er hatte fünf Meter zurückgelegt, bevor die Syth ihn wahrnahm und den Kopf zu ihm drehte. Kepler fixierte sie mit dem Blick. Wegen der Maske sah er nicht, ob die Syth dasselbe tat, aber er war sich dessen sicher. Er näherte sich der Außerirdischen und hob dabei die Glock. Als er stehenblieb, bewegte die Syth leicht den Kopf.

"Hör auf, Unschuldige umzubringen", sagte Kepler. Er bekam keine Antwort darauf, aber er wollte auch keine. "Stell dich mir oder geh mir aus dem Weg."

Die Syth sah ihn weiterhin stumm an. Er schoss in den linken Sehschlitz der Maske. Das Neunmillimetergeschoss verbrannte hinter der Panzerung, für einen Moment war es, als wenn die Augen der Syths aufblitzten. Dann fiel sie seitlich auf die Erde. Kepler trat an sie heran und schoss noch fünfmal in die Maske.

Er hatte gesagt, was er zu sagen hatte und er hatte sich gezeigt. Wenn Baobhan wirklich nicht gewusst hatte, wie er aussah, dann wusste sie es jetzt – nur halt ohne den Ghillie. Dass die Syth seiner Aufforderung niemals Folge leisten würde, war Kepler klar. Er hoffte nur, dass Baobhan keine Unbeteiligten mehr töten würde, um an ihn heranzukommen. Und dass sie ihm endlich selbst im offenen Kampf entgegen trat, anstatt wieder andere vorzuschicken.

Kepler wischte den Regen aus dem Gesicht und sah herunter. Eigentlich mussten seine Schüsse die Kamera in der Maske zerstört haben. Er feuerte noch dreimal, um ganz sicher zu sein, hob die Lichtbogenwaffe auf und ging zurück.

Als er zurückkam, wischte Darr sich das Wasser aus dem Gesicht und sah ihn an. Sein Blick war sichtlich erbost. Kepler gab ihm die Syth-Waffe. Der Wissenschaftler legte an und drückte den Abzug. Nichts geschah. Darr verstellte die Regler an der Waffe und legte nochmal an. Dann warf er die Waffe weg.

"Ist hinüber", murrte er beiläufig. "Wozu fordern Sie sie noch heraus?", verlangte er dann zu wissen. Er berührte das linke Ohr, als Kepler ihn erstaunt ansah. "Sie haben beim Rollen den Kommunizierer eingeschaltet", erklärte er.

"Ach so." Kepler griff zum Ghillie. "Sie konnten es nicht sehen, Darr. Die Syths haben die Frauen wahllos getötet, die Männer haben sie sich zuerst genau angesehen. Hefaisoii hatte Recht. Baobhan will mir wirklich böse Dinge antun."

"War doch klar", erwiderte der Wissenschaftler. "Die ist grausam, das weiß jeder. Deswegen lässt sie die Verstoßenen unbehelligt auf den Elefanten durch die Gegend ziehen. Wie die Gondwaner lässt Baobhan sie am Leben, damit sie Kinder bekommen, die vielleicht die richtige DNA haben." Er sah Kepler erstaunt an. "Sie haben Hefaisoii doch zugehört? Nur um Sie zu kriegen hat Baobhan Enoks Stamm auf uns zugetrieben und uns dann mit den Gools und dem Raumschiff aufgescheucht." Er atmete erleichtert durch. "Wenigstens ist ihr ein Fehler unterlaufen, und sie hat die falsche Herde angegriffen."

"Moment", sagte Kepler. "Moment mal, Darr. Sie wussten, dass sie den Trick mit den Elefanten kennt und Sie haben das andere alles verstanden? Warum haben Sie nichts gesagt?", wollte er fassungslos wissen. "Warum nicht?"

Der Wissenschaftler blickte völlig erstaunt zurück.

"Sie haben nichts gesagt", erwiderte er verdutzt. "Ich dachte, Sie hätten einen Plan. Warum sagten Sie denn zu Enok, er solle unsere Elefanten im Sichtschutz der Hügel aus dem Tal bringen?"

"Weil das grundlegendes militärisches Verhalten ist", gab Kepler hilflos zurück. "Darr, reden Sie mit mir, bitte. Ich bin doch kein Genie, ich weiß nicht alles und ich erkenne nicht alles. Und ich bin erst ein paar Tage hier, woher soll ich wissen, wie eine Außerirdische denkt?"

Der Blick des Wissenschaftlers drückte Enttäuschung aus.

"Auch Baobhan ist menschlichen Ursprungs", murrte er. "Und ihr Verhalten ähnelt mehr dem in Ihrer Zeit als in dieser, richtig? Sie hätten es sehen können."

"Müssen", berichtigte Kepler nach einigem Überlegen. "Verdammt..."

Er sah zum Schlachtfeld, wo die Verstoßenen ihre Toten sammelten. So desaströs war noch keine seiner Fehlentscheidungen gewesen.

Er zog den Ghillie an und überprüfte das Gewehr. Es war nur außen nass, im Inneren war kein Wasser. Kepler wischte den Verschluss mit der Hand so gut es ging trocken, hängte das Gewehr mit dem Lauf nach unten um den Hals vor die Brust und deckte es mit dem Ghillie zu. Dann winkte er Darr und sie gingen los.

Enok, seine Männer und die Gondwaner kamen ihnen entgegen. Kepler hatte nicht erwartet, dass sie untätig warten würden, war aber froh, dass sie sich nicht in den Kampf eingemischt hatten. Die Verstoßenen waren es sichtlich nicht. Sie hatten jedoch begriffen, dass sie mehr gestört als geholfen hätten.

"Ares!", rief Enok, weil Kepler ohne langsamer zu werden weiterging.

"Darr und ich gehen weiter", warf Kepler zurück. "Bleib bei deinen Leuten."

"Ares, warte!", schrie der Anführer der Verstoßenen bittend. "Ich habe mein Wort gegeben, ich muss dich begleiten!"

Kepler blieb stehen und drehte sich um.

"Bist du völlig bescheuert?", wollte er wissen. "Deine Loyalität sollte nicht mir gelten, sondern deinem Stamm. Darr besorgt dir schon eine Lichtbogenwaffe."

Er langte unter den Ghillie und zog die Glock heraus, die Toii schon einmal besessen hatte. Der Riese blickte ihn grimmig an, als er zu ihm ging. Kepler drückte ihm die Pistole in die Hand, danach zwei volle Magazine.

"Toii, bring sie weg", befahl er. "Und dann Areía und Goii nach Hause."

Der Riese nahm zwar die Waffe, schüttelte aber entschieden den Kopf. Areía, die neben ihm stand, wiederholte die Geste.

Indessen hatte Enok hastig drei Bogenschützen bestimmt, die sich mit den Elefanten wieder ihrem Stamm anschließen sollten. Die Verstoßenen verabschiedeten sich schnell, bedrückt und in kurzen Worten voneinander. Bevor die drei Männer abzogen, sahen sie zu Kepler und nickten ihm zu.

"Danke", sagte einer kurzangebunden, aber ehrlich.

Kepler nickte nur zurück, winkte Darr mitzukommen und drehte sich um. Im selben Moment spürte er eine erst zaghafte Berührung an der Schulter. Eine Sekunde später wurde er jedoch ziemlich unbarmherzig umgedreht und fand sich dem grimmig blickenden Toii gegenüber.

"Kleiner", sagte der Riese leise, aber endgültig, "es ist unser aller Kampf."

Dann lächelte er scheu und Kepler konnte es für einen Moment nicht anders, er erwiderte es. Areía, Enok, seine Männer, und sogar Goii strafften sich.

"Bringen wir es zu Ende." Darr klang fast schon glücklich. "Gehen wir."

Kepler hatte zwar eine ungefähre Ahnung, in welche Richtung er wollte, aber diese Annahme könnte auch völlig falsch sein. Er winkte Darr zu sich. Enok, der neben dem Wissenschaftler stand, kam mit ihm mit.

"Darr, hat Ihr Kommunikator eine Kompassfunktion?", fragte Kepler.

Er sah dem Wissenschaftler sofort an, dass er zwar wusste, was ein Kompass war, aber dass es sich damit auch erschöpfte. Eine Erklärung dafür wollte Kepler nicht hören, er winkte ab, als Darr den Mund öffnete.

"Willst du immer noch deinen ursprünglichen Plan umsetzen?", fragte Enok.

"Nein", antwortete Kepler. "Jetzt will ich den Spieß umdrehen."

"Wo willst du dafür hin?", interessierte der Anführer der Verstoßenen sich.

"Nach wie vor zur Wartungsstation", antwortete Kepler.

"Was willst du dort eigentlich?"

"Trocken werden sobald dieser eklige Regen aufhört", erwiderte Kepler. "Und wir müssen eine Falle bauen. Weil dieser herrliche Regen leider bald aufhört."

Enok kannte sich hier gut aus. Innerhalb von Sekunden orientierte er sich an Geländemerkmalen, die Kepler überhaupt nichts sagten, und ging los.

Der Regen machte das Vorankommen mühselig. Nicht so sehr wegen des aufgeweichten Bodens und der Kleidung, die immer schwerer wurde, das erschwerte lediglich ein wenig das Schreiten. Vielmehr war es die mickrige Sicht.

Die hatte sich auf weniger als zweihundert Meter verringert, und die Umgebung wirkte nun wie ein unendliches Grau. Als Orientierung diente nur noch die Tatsache, dass die Erde immer noch dunkler als der Himmel war. Die Sonne konnte Kepler als einen aufgehellten Fleck irgendwo über den Wolken lediglich erahnen. Das alles fühlte sich unangenehm ohnmächtig und unbeholfen an.

Kepler beschimpfte sich im Stillen dafür, keinen Kompass zu haben. Aber meistens war er nachts unterwegs, und ihm reichten wenige Sterne, um die eigene Position festzustellen. Jetzt konnte er nicht auf diese Methode zurückgreifen, in dieser Zeit waren seine astronomischen Kenntnisse wertlos. Aber er hatte immer noch eine Uhr. Und er hatte aus ganz bestimmten Gründen eine analoge.

Er blieb stehen, machte die Klappe über der Uhr auf und winkelte den Arm so an, dass er sie ablesen konnte. Anschließend drehte er sich, bis der Stundenzeiger auf den matten Fleck zeigte, zu dem die Wolken die Sonne hatten verkommen lassen. Dann halbierte Kepler den Winkel zwischen dem Stundenzeiger und der Zwölf-Uhr-Marke. Damit wusste er, wo der Süden war. Nur in etwa zwar, weil je näher am Äquator, desto ungenauer die Methode funktionierte, aber für den Moment reichte das aus. Kepler drehte den Kopf und definierte den unweit entfernt stehenden Busch als Orientierungspunkt. Auf ihn bezogen, führte Enok die Gruppe schräg nach links. Sie gingen in die richtige Richtung.

Erleichtert setzte Kepler sich wieder in Bewegung.

Nur Minuten später frischte der Wind auf. Über der Erdoberfläche war er nicht merklich stärker geworden, aber in einigen hundert Metern Höhe schon. Die Wolken verzogen sich plötzlich geradezu rasend nach Norden. Es dauerte nur eine halbe Stunde, dann fiel kein einziger Regentropfen mehr. Dafür wurde die Sonne wieder so gleißend, dass man sie nicht mehr anblicken konnte.

Je blendender das Sonnenlicht wurde, desto mehr entspannten sich die Gesichter um Kepler herum. Er fragte sich, ob die Syths in der Lage waren, das Wetter zu kontrollieren. Wahrscheinlich konnten sie so etwas nicht, er kannte solche Schauer wie den eben aus seiner Zeit.

Rechts tauchten im Dunst langsam die beiden schwarzen Berge in der Weite auf. Sie lagen im Schatten der abziehenden Wolken, und Kepler meinte, immer noch kurze Plasmablitze zwischen ihnen zu sehen.

Vielleicht hatte er den Syths tatsächlich ein paar mächtige Probleme verschafft. Wenn Hefaisoiis Vermutung richtig gewesen war, mussten die Syths sich immer noch mit Gools abplagen. Das traf wohl tatsächlich zu, warum sonst hätte Baobhan sie noch immer nicht wieder angegriffen.

Etwas Zuversicht erfüllte Kepler.

Sie verschwand nur anderthalb Stunden später.

Die Bauten der Wartungsstation zeichneten sich grau in weniger als zwei Kilometern Entfernung im Nordnordwesten gegen den Himmel ab. Ein langes und sehr hohes Gebäude überragte die anderen wie ein felsiges Massiv.

So wie die beiden schwarzen Berge im Norden alles um sich herum zu beherrschen schienen. Sie waren nur noch etwa acht Kilometer entfernt.

Die letzten Regenschwaden verzogen sich in die Ferne als wenn sie weggesaugt worden wären. Die Berge erstrahlten im tiefen matten Schwarz im wieder immer heller werdenden Tageslicht. Es rauchte zwischen und über ihnen nicht mehr, es gab keine Blitze und es waren keine Explosionen zu hören. Unheilvoll und bedrohlich ragten die beiden Bauten des Syth-Stützpunktes in den Himmel.

Ein pfeifendes Donnern zerriss die Stille über der Savanne. Bevor Kepler warnend aufschrie, warfen die Verstoßenen sich auf die Erde. Areía, Goii und Toii folgten eine Sekunde später ihrem Beispiel. Kepler und Darr knieten sich nieder.

Diesmal verließen keine Kapseln das Raumschiff. Es flog einen Halbkreis von den Bergen bis zum Wald und kehrte entlang des Blauen Nils zum Stützpunkt zurück. Direkt darüber ging es in Schwebeflug.

Kepler fragte sich, was das sollte, und entschied sich für einen Aufklärungsflug. Es war auch einer gewesen. Aber nur, um das Areal festzulegen, das bombardiert werden sollte. Das Schiff jagte wieder los.

Es flog fast dieselbe Schleife wie beim ersten Mal, zog sie jetzt aber enger. Als es die Wartungsstation im Norden passierte, wurde es schräg vom Sonnenlicht angestrahlt. Dadurch sah Kepler deutlich, dass sich hinter dem Schiff eine Wolke aus winzigen Punkten zog. Sie rieselten nieder, während das Schiff weiterhin einen Kreis um die Wartungsstation flog.

Kepler sah zu der feinen Partikelfahne, die sich wie eine breite Decke über die Erde legte. Woraus sie bestand, konnte er sich nicht erklären, für Biowaffen wären es zu viele und auch zu kleine Behälter.

Die letzten schwarzen Punkte prallten auf die Erde, und dort wo sie nicht im Gras landeten, stiegen winzige, schnelllebige Staubfontäne hoch. Es waren so viele, dass sie die Savanne wie eine dunkle Wolke bedeckten.

Die plötzlich verschwommen aufleuchtete. Während der Staub sich legte, erschienen Myriaden dünner grüner Strahlen. Sie waren etwa drei Meter lang und kamen aus den schwarzen Kästchen, manche senkrecht nach oben, die anderen schräg, wieder andere direkt über der Erde. Die Strahlen bewegten sich in großen Halbkreisen und zwar völlig durcheinander, aber sie berührten weder einander noch den Boden. Immer mehr Strahlen leuchteten auf den vom Raumschiff überflogenen Flächen auf, so als ob sich rasant eine Mauer bilden würde.

"Diese Lichtstrahlen zerschneiden alles, was sie berühren", stöhnte Enok verzweifelt. "Wir kommen durch sie nicht durch. Wir sind in der Falle."

"Laser", vermutete Kepler leise murmelnd.

"Was?", fragte Enok.

"Schon gut."

Das Schiff schloss das Bombardement ab, passierte die Gruppe in einem halben Kilometer Entfernung und stieg abrupt in die Höhe. Sekunden später war es im leuchtenden Blau des Himmels nicht mehr auszumachen. Zurück blieb ein vier Kilometer breiter Ring aus grünem Licht um die Wartungsstation herum.

Die verbissene Syth-Anführerin hatte Kepler zugehört. Sie dachte nur nicht ansatzweise daran, seinen Rat zu befolgen.

Baobhan hatte zwar keine Truppen zur Verfügung, aber sie hatte die Gruppe trotzdem umzingelt und festgenagelt. Vielleicht wollte sie Kepler tatsächlich in einem Zweikampf gegenübertreten. Doch das hier war kein Duell mehr.

Die Syth hatte kapiert, dass sie es nicht mit einem normalen Menschen zu tun hatte. Und eine Treibjagd begonnen.

"Na umso besser", murmelte Kepler.