Kapitel 16

Als Emily aufwachte, schien die Sonne, und sie war ganz allein auf der Lichtung und splitternackt. Es war romantisch, in der Nacht nackt zu sein und von einem wunderbaren Mann geliebt zu werden, aber am helllichten Tag im Freien ohne Kleider aufzuwachen bereitete ihr Unbehagen - es war beschämend.

»Michael?«, flüsterte sie, bekam aber keine Antwort. Das brachte sie noch mehr in Verlegenheit. Was, wenn Schulkinder auf einem Ausflug hier vorbeigekommen wären?

Sie sammelte rasch ihre Kleider auf, die überall verstreut lagen, und zog sich an. So viel zu Engeln, dachte sie wütend. Ein Engel drehte sich nicht einfach um und schnarchte, er flog weg ins Niemandsland.

Jetzt, im hellen Tageslicht, war die bedächtige, vernünftige Emily wieder da, und sie verdrängte die Erinnerung an die letzte Nacht und daran, was sie erlebt zu haben glaubte. Vielleicht waren da Flügel und Waldelfen gewesen, vielleicht ... Um Himmels willen, sie war verlobt, und es durfte gar keinen anderen Mann in ihrem Leben geben.

Als sie ihren Pullover über den Kopf streifte, fiel ihr wieder ein, was am Abend passiert war. Die Frau mit der Pistole. Die Explosion! Hatte sie tatsächlich den Ort des Verbrechens sang- und klanglos verlassen?

Sie hatte den Pullover noch nicht richtig heruntergezogen, als sie schon losrannte. Hatte jemand etwas von der Explosion mitbekommen? War der ausgebrannte Wagen gefunden worden?

Schon aus weiter Entfernung sah sie die rotblitzenden Lichter vor der Bibliothek und hörte das Stimmengewirr. Offensichtlich war die ganze Stadt auf den Beinen, um sich das Auto anzusehen. Emily verlangsamte die Schritte und hielt sich hinter den Bäumen versteckt. Vielleicht war es besser, erst die Lage zu sondieren, ehe sie sich blicken ließ. Als sie näher kam, sah sie zwei Feuerwehrautos, ein halbes Dutzend Streifenwagen und zwei neue große Lieferwagen mit Satellitenschüsseln auf dem Dach. Eine Menge Menschen liefen hin und her und stolperten in dem Durcheinander fast übereinander.

Am Waldrand lagen Jacken von Feuerwehrmännern auf einem Haufen - große, schwere Ungetüme, in denen Emily zwei Mal Platz gehabt hatte. Sie nahm sich eine dieser Jacken, zog sie an und setzte einen Helm auf, der ihr Gesicht weitgehend verbarg.

Dann bahnte sie sich vorsichtig einen Weg durch das Chaos und ging zu einem Mann, der in einem der Lieferwagen an einem Aufnahmegerät herumhantierte.

»Was ist passiert?«, fragte sie.

Der Mann sah nicht mal auf und beschäftigte sich weiter mit den Knöpfen und Schaltern. »Was? Leben Sie hinter dem Mond, oder wieso haben Sie noch nichts von der Explosion gehört?“

»Ich habe die ganze Nacht mit Engeln und Elfen getanzt und bin gerade erst aufgewacht.«

Der Mann grinste, ließ sich aber nicht von seiner Arbeit ablenken. »Die Bibliothekarin von Greenbriar ist mit ihrem Auto in die Luft gejagt worden.«

»W ... was?«

»Emily Todd, die Bibliothekarin, Explosion«, sagte er, als wäre sie schwer von Begriff. »Wie’s scheint, hat sie ein Doppelleben geführt. Bibliothekarin bei Tag, Kriminelle bei Nacht.«

»Kriminell?«

Der Mann bedachte Emily mit einem scharfen Blick, und sie zog sich den Helm tiefer ins Gesicht, damit er es nicht sehen konnte. »Ja. Sie lebte mit einem Kerl zusammen, der ganz oben auf der Fahndungsliste des FBI stand. Man munkelt, sie hätte etwas mit der Mafia zu tun gehabt. Man nimmt an, dass sie etlichen Mafiosi und anderem Gesindel zur Flucht verholfen hat. Sie scheint ziemlich raffiniert gewesen zu sein, denn die ganze Stadt dachte, dass sie in die kleinen Dörfer fährt, um unterprivilegierten Kindern Bücher zu bringen. Sie ist sogar für ihre Wohltätigkeit ausgezeichnet worden, dabei hat sie für die Mafia gearbeitet.«

Emily starrte den Mann sprachlos an, als er die Kopfhörer aufsetzte und lauschte.

»Donald hat die Geschichte ans Licht gebracht«, fuhr der Mann nach einer Weile fort.

»Donald?«, krächzte Emily. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.

»Ja, Sie wissen schon, Mr. News. Bestimmt haben Sie von ihm gehört. Er hat den Johnson-Fall vor ein paar Jahren aufgedeckt.«

Der Mann verstummte und betätigte ein paar Regler, bis alles zu seiner Zufriedenheit eingestellt war. »Und jetzt sieht’s so aus, als würde er den Fall Todd aufklären. Ich frage mich, ob sie mit Mary Todd Lincoln irgendwie verwandt war. Die Frau war auch verrückt. Hey! Vielleicht sollte ich mit Donald darüber sprechen, dann könnte er Nachforschungen anstellen. Da drüben gibt’s Kaffee und Doughnuts - bedienen Sie sich. Im Moment schaut niemand her.«

Emily war wie vom Donner gerührt und konnte sich kaum bewegen, geschweige denn etwas essen. Sie blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf das Aufnahmegerät, als wäre es der faszinierendste Apparat, den sie jemals zu Gesicht bekommen hatte. Also war sie tot für diese Welt, und noch dazu hielten sie jetzt alle für ein durch und durch verdorbenes Subjekt, das den Mafiosi geholfen hatte, durch die Maschen des Gesetzes zu schlüpfen.

»Das kann nicht sein«, redete sie sich ein. »Ich brauche nur die Wahrheit zu sagen und alles zu erklären.« Entschlossen hob sie die Hände, um den Helm abzunehmen, aber gerade in diesem Augenblick entdeckte sie die FBI-Agenten, die sie nachts im Hotelzimmer vernommen hatten. Wenn sie jetzt zu ihnen ging, musste sie gestehen, dass sie einen Mann bei sich aufgenommen hatte, der als gesuchter Verbrecher galt, und dass sie bei der Vernehmung gelogen hatte. Und in der letzten Nacht die Frau des gesuchten Mannes mit ihrem Wagen in die Luft gegangen war, und statt den Vorfall unverzüglich der Polizei zu melden, war sie in den Wald gelaufen und hatte sich mit einem Mann vergnügt, der nicht ihr Verlobter war.

»Das alles wird immer schlimmer«, murmelte sie.

»Was?«, fragte eine Frau, die in der Nähe stand. »Dieses Chaos oder das Leben im allgemeinen?«

»Dieses Chaos«, sagte Emily und senkte den Kopf, um ihr Gesicht zu verbergen. »Ich bin gerade erst eingetroffen. Wieso glauben alle, Miss Todd hätte in dem Auto gesessen?« Sie dachte, wenn sie von »Miss Todd« sprach, könnte sie die Verdächtigungen, die der Tontechniker von sich gegeben hatte, ein wenig abmildern.

»Es war ihr Wagen, und man hat ihre Handtasche gefunden. Natürlich ist das kein eindeutiger Beweis, und so viel ist von ihr auch nicht mehr übrig, aber Donald hat seine frühere Verlobte identifiziert.«

»Wie konnte er das?«

Die Frau zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, aber er muss es am besten wissen, ob sie es ist, und dies hier könnte die größte Story seiner Karriere werden. Wie’s scheint, hatte Miss Emily Jane Todd eine ganze Menge Dreck am Stecken. Die Rede ist von Drogen, Geldwäsche und weiß der Himmel was noch allem. Mann! Stellen Sie sich vor, Donald hätte eine solche Frau beinahe geheiratet! Das zeigt mal wieder, dass sogar jemand, der jahrelang beruflich mit Ganoven zu tun hatte, hinters Licht geführt werden kann. Hey! Sind Sie okay? Sie sollten was essen. Das Feuer zu bekämpfen muss ein schönes Stück Arbeit gewesen sein.«

Emily versuchte, ruhig durchzuatmen, aber es fiel ihr nicht leicht. Unter der dicken Jacke brach ihr der Schweiß aus allen Poren. Es war, als würde sie ihre eigene Zukunft erleben und das beobachten, was geschehen wäre, wenn sie selbst in dem Auto gesessen hätte. Dann wäre sie jetzt tot, und ihr guter Name wäre für immer besudelt. All die Jahre hatte sie sich bemüht, Gutes zu tun, rechtschaffen zu leben und mehr zu geben, als sie bekam - und das alles wäre ganz umsonst gewesen. Stattdessen würden sich die Leute nur an sie als Helfershelferin der Mafia erinnern. Als jemanden, der Verbrecher bei sich aufnahm und das FBI nach Strich und Faden belog.

Sie schwankte und stand kurz vor einer Ohnmacht, rappelte sich aber gerade noch rechtzeitig auf. Nein, sie würde nicht zusammenbrechen. Wenn sie diese Ungerechtigkeit tatenlos hinnahm und sich geschlagen gab, würde sie sich von diesem Schlag nie wieder erholen. Man würde sie, sobald sie sich zu erkennen gab, ins Hauptquartier des FBI schleppen und vermutlich bis an ihr Lebensende hinter Schloss und Riegel halten.

Nein, sie musste sich einen Plan zurechtlegen. Allein, dachte sie bitter, jedenfalls ohne die Hilfe eines Engels. Wo war ihr Schutzengel, wenn sie ihn am meisten brauchte? Übte er, seine Flügel zu benutzen - überließ er es ihr deshalb, allein aus diesem Schlamassel herauszukommen?

Als sie sich umdrehte, sah sie, dass ein Notizbuch in der Tasche der Frau steckte. Himmel, vielleicht war sie eine Reporterin! Ein falsches Wort, und Emily würde sich im Gefängnis wiederfinden.

Emily spähte zu der Frau hin. Die Wut hatte ihr die Röte ins Gesicht getrieben, aber sie hoffte, die Reporterin würde das als Verlegenheit deuten. »Dürfte ich Sie um einen Gefallen bitten? Sie kennen Donald Stewart nicht sehr gut, oder? Ich meine, stehen Sie in der Hierarchie weit genug oben, um mir ein Autogramm von ihm besorgen zu können?«

»Selbstverständlich«, gab die Reporterin ungehalten zu-rück, und Emily war sofort klar, dass sie in ihrem ganze Leben noch nie ein Wort mit Donald gewechselt hatte.

»Könnten Sie mir eines holen? Er soll schreiben: Für das Zuckerschnäuzchen.' Damit meine Schwester sieht, dass er meinen Spitznamen kennt - sie wird denken, dass Mr. Stewart und ich ... na ja, dass wir uns kennen.«

»Zuckerschnäuzchen?«, wiederholte die andere verächtlich. Offensichtlich bereute sie ihre Angeberei längst. Sie verzog das Gesicht und wies Emily an, sich nicht von der Stelle zu rühren, bis sie mit dem Autogramm zurückkäme. »Um nichts in der Welt gehe ich von hier weg«, beteuerte Emily wahrheitsgemäß und sah der Frau nach, die sich ihren Weg durch die Menge bahnte. Donald saß auf einem Klappstuhl und wurde für seinen Auftritt vor der Kamera geschminkt. Emily beobachtete ihn mit Argusaugen und erkannte an seiner Körperhaltung, dass er die Nachricht bekommen und verstanden hatte. Er drehte den Kopf, schaute in ihre Richtung und erkannte sie in der riesigen Feuerwehrjacke. Emily hob die Hand zum Gruß, und im Nu war Donald bei ihr, packte ihren Arm und zerrte sie unter die Bäume.

»Was, zum Teufel, hast du hier zu suchen?«, herrschte er sie an, als sie außer Hörweite der anderen waren.

Emily riss sich von ihm los. »Was soll das heißen? Freust du dich denn nicht, dass ich noch am Leben bin?«

»Doch, natürlich«, versetzte er in einem keineswegs erfreuten Ton. »Es ist nur ein großer Schock, das ist alles. Wir alle dachten, dass ...«

»Dass du auf die Story deines Lebens gestoßen bist«, fiel sie ihm bitter ins Wort. Plötzlich verließ sie der Mut, und sie spürte, wie Tränen in ihre Augen traten. »Donald, ich dachte, du liebst mich.«

»Ich habe dich geliebt. Ich meine, ich tue es noch, aber, Emily, du musst zugeben, dass du mich in den letzten Tagen ziemlich schlecht behandelt hast. Du hast mit einem anderen Mann zusammengelebt

»Nicht auf die Art, wie du denkst«, sagte sie und versuchte, in der Tasche etwas zu finden, womit sie sich die Nase putzen konnte, aber die Taschen waren so tief unten, dass sie nicht bis auf den Grund kam. »Du hast schreckliche Dinge über mich in die Welt gesetzt, obwohl dir klar ist, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen. Du weißt ganz genau, dass ich Michael nur geholfen habe, weil ich mich sehr leicht überreden lasse und nicht gut Nein sagen kann.« Donald zuckte mit den Schultern. »Es war eine Story.«

Seine Gefühllosigkeit verschlug ihr momentan die Sprache, und sie presste die Lippen zusammen. Schließlich brachte sie hervor: »Du wusstest haargenau, dass nicht ich in dem Auto gesessen habe, stimmt’s?«

Donald ersparte sich eine direkte Antwort und betrachtete sie mit einem flammenden Blick. »Besser du giltst als tot, als dass bekannt wird, dass du mich hast sitzen lassen wegen diesem ... diesem ...«

»Du hast das alles aus Rache getan? Du hast beschlossen, meinen Namen durch den Schmutz zu ziehen, eine Riesenstory daraus zu machen und dann ... was dann? Wenn ich in ein paar Tagen lebend aufgetaucht wäre, hättest du eine Berichtigung auf Seite dreiundzwanzig in irgendeine winzige Lokalzeitung gesetzt - war das dein Plan?«

»Das ist genau das, was du verdienst«, gab Donald zurück. »Wie konntest du es wagen, wegen dieses verdammten Killers meinen Ruf und meine Karriere aufs Spiel zu setzen? Emily, wie konntest du mir so etwas antun?«

»Ich habe dir das nicht angetan. Ich habe ihn bei mir aufgenommen, weil er ein freundlicher Mann ist und Hilfe brauchte. Das alles hat nicht das Geringste mit dir zu tun.«

»Alles, was du machst, hat mit mir zu tun und mit meiner Zukunft. Ich habe mich für dich entschieden, weil du loyal warst und ich sicher sein konnte, dass du mir nie irgendwelche Schwierigkeiten machen würdest. Wie konntest du mich nur so hintergehen?«

»Ich?« Sie schnappte nach Luft und fuhr in ruhigem Ton fort: »Donald, wieso hast du mich gebeten, dich zu heiraten? Und ehe du mir Lügen erzählst, möchte ich dich daran erinnern, dass ich nur da hinübermarschieren und mich diesen Leuten zeigen muss. Du würdest wie ein kompletter Idiot dastehen, wenn landesweit gesendet würde, dass ich noch am Leben bin. Das hier wird doch in ganz Amerika ausgestrahlt, oder? Ich nehme an, dafür hast du gesorgt.«

»Ja, es wird landesweit gesendet. Und diese Geschichte ist mein großer Durchbruch.«

»Antworte mir, Donald. Warum hast du mich gebeten, dich zu heiraten? Donald, du bist ein attraktiver Mann, ehrlich - warum nimmst du dir nicht eine von diesen langbeinigen Schönheiten, die tagtäglich um dich herum sind?«

Donald nahm ihre Hand in seine. »Weil ich eine Frau wollte, die mir Beachtung schenkt. Ich will keine launenhafte Person um mich haben, die von mir erwartet, dass ich ihre Tränen mit Rosen und Diamanten trockne. Nein, ich möchte jemanden wie dich an meiner Seite haben, Emily, eine Frau, die nur Augen für mich hat und zu Hause ist, wenn ich anrufe oder vorbeikomme, eine Mutter für meine Kinder, die zufrieden ist, zu Hause zu bleiben und sich um die Familie zu kümmern. Verschon mich mit den verwöhnten Frauen, die eiwarten, dass ein Mann sie verhätschelt und ihnen zehn Mal am Tag sagt, wie schön sie sind. Wenn ein Mann eine Karriere plant wie ich, kann er keine Partnerin gebrauchen, die sich in Motels herumtreibt. Nein, ich will einen mütterlichen Typ. Hübsch, aber nicht atemberaubend. Klug, aber nicht intellektuell. Amüsant, aber nicht umwerfend geistreich. Jemanden, auf den ich mich verlassen kann. Eine wie dich, Emily.« Er hielt noch immer ihre Hand fest und sah sie mit einem aufrichtigen Blick an, dann beugte er sich vor und hauchte einen Kuss auf ihre Nase. »Emily, Liebes, du bist doch ein vernünftiges Mädchen, und ich weiß, dass du diesen grässlichen Kerl, diesen entsprungenen Verbrecher zum Teufel schicken wirst. Du gibst ihn auf, weil ich dich darum bitte. Ich brauche eine Frau, die bereit ist, mir zu helfen und ...« Seine Augen leuchteten auf, als er verschwörerisch lächelte. »Ich werde dich für deine Hilfe belohnen. Wie wär’s, wenn wir unseren Hochzeitstermin festsetzen würden? Sagen wir, heute in einem Jahr?«

Im ersten Moment war Emily so verblüfft, dass sie ihn nur wortlos anschauen konnte. Ihre Belohnung war also eine Ehe mit ihm. Plötzlich wurde ihr alles klar, und sie begriff, weshalb ein so gut aussehender, prominenter Mann wie Donald eine schlichte, langweilige Bibliothekarin zur Frau haben wollte. »Es ging dir immer nur um deine Karriere, hab' ich recht? Du hast mich nie auch nur im Mindesten geliebt.«

»Das stimmt nicht, Emily. Ich habe dich geliebt. Ehrlich.«

»Du hast mich geliebt, solange ich keine Schwierigkeiten gemacht habe, aber in der Minute, in der ich ein Hindernis für deine wertvolle Karriere hätte sein können, warst du bereit, mich den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen.« Sie funkelte ihn an. »In einem landesweiten Fernsehsender!«

»Emily!« Sein Tonfall machte ihr bewusst, dass sie ihn irgendwie in der Hand hatte, aber sie wusste nicht, womit. Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen. Sie brauchte sich nur vor einer der Kameras sehen zu lassen, und Donald würde in ganz Amerika als kompletter Idiot dastehen. Wenn sie vorhatte, ihre eigene Haut zu retten, dann wäre sie gut beraten, das unverzüglich zu tun. »Ich weiß, dass ich immer alles hingenommen und geduldet habe. Aber diesmal, Donald, bist du zu weit gegangen. Wenn du die Sache nicht augenblicklich ins Reine bringst, werde ich es tun. Die Frau, die in meinem Auto saß, war Michaels Frau.«

Donald sah sie verständnislos an, als könnte er sich nicht mehr erinnern, wer dieser Michael war. »Chamberlain? Du meinst, seine Frau hat ihn tatsächlich aufgespürt? Sie hatte Erfolg, wo das FBI versagt hat? Ich hab ja gleich gesagt, dass sie ihn zuerst findet, aber jetzt bin ich doch erstaunt, dass ich recht damit hatte.«

»Erspar mir deine Selbstbeweihräucherung, Donald. Sie hat ihn gefunden und wollte ihn umbringen. Klar, schließlich hat sie ihn schon ans FBI verraten. Aber ich habe noch einen Knüller für dich: Der Mordanschlag galt mir, nicht Michaels Frau.«

»Dir?«, fragte Donald überrascht, dann verzog er den Mund zu einem Lächeln. »Wer, um alles in der Welt, sollte dich umbringen wollen?«

Ohne ein weiteres Wort drehte sich Emily auf dem Absatz um und ging ein paar Schritte auf die Übertragungswagen zu, doch Donald lief ihr nach und hielt sie zurück.

»Gut, ich entschuldige mich. Er hat dir diese Ideen eingeredet, stimmt’s? Was ist nur aus der lieben Emily geworden, die ich so sehr mochte?«

»Was aus ihr geworden ist? Sie hat mit Autobomben Bekanntschaft gemacht, wurde mit einer Pistole bedroht, hat Geschosse aus einem Schädel gezogen und mit Gespenstern zu tun gehabt. Ich hab’ 'ne Menge hinter mir. Was wirst du mit der Information anfangen?«

»Dass Chamberlains Frau mit dem Wagen in die Luft gegangen ist?« Emily sah ihn unverwandt an.

»Okay, ich denke mir etwas aus und werde deinen Namen rein waschen.«

»Das möchte ich dir geraten haben, denn sonst ziehe ich deinen so in den Dreck, dass du ganz bestimmt niemals zu Amt und Würden kommst.«

»Du bist nicht mehr die Emily, die ich gekannt habe.«

»Gut. Ich möchte nur eines: Stell klar, dass ich ein unschuldiges Opfer bin, und sorg dafür, dass niemand erfährt, wo ich mich aufhalte. Ich will nicht, dass Jagd auf mich gemacht wird.«

»Wie wär’s, wenn ich sagen würde,dass man dich in Schutzhaft genommen hat?«

»Wenn dadurch mein Name rein gewaschen wird«, sagte sie, zog die schwere Jacke und den Helm aus und drückte Donald beides in die Arme.

Als sie sich umdrehte und tiefer in den Wald ging, rief er ihr nach: »Emily, wer will dich umbringen und warum?«

»Alle Himmelskräfte arbeiten daran, eine Antwort auf diese Frage zu finden«, sagte Emily über die Schulter.

»Aber was ist mit der Hochzeit?«, schrie Donald noch.

Sie schaute mit einem honigsüßen Lächeln zurück. »Wie willst du mich heiraten, Donald? Ich bin tot, schon vergessen?«