Kapitel 7
Als sie zu dem kleinen Lebensmittelladen in den Bergen kamen, fühlte sich Emily, als hätte sie ein Kreuzverhör in einem Mordprozess hinter sich. Michael konnte wirklich Fragen stellen! Und gegen ihren Willen ließ sie sich mehr und mehr darauf ein.
Als sie den Ärger über die Idee, jemand könnte sie umbringen wollen, erst einmal überwunden hatte, betrachtete sie das Ganze wie den Plot eines Kriminalromans. So sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte sich einfach nicht vorstellen, aus welchem Grund sie jemand ermorden wollen sollte.
»Nein, nein«, sagte Emily, als sie einen der roten Plastikkörbe nahm, die vor dem kleinen Laden standen. Abgesehen von dem Mann, der hinter der Theke döste, war niemand in dem Geschäft, deshalb unterhielt sie sich ohne Hemmungen mit Michael über die Regale hinweg. »Ich glaube nach wie vor, dass Sie sich irren«, wehrte sie vehement ab. »Ich denke, Sie sind das Ziel, nicht ich.« Sie warf einen Blick auf den Mann hinter der Theke, aber sein Kopf war zurückgelehnt, und der Mund stand offen.
»Ich weiß, was ich weiß, und diese Bombe war für Sie bestimmt. Was ist das?«, fragte Michael und hielt eine Flasche mit stark gezuckertem Fruchtsaft hoch.
»Widerliches, scheußliches Zeug. Man bekommt davon faule Zähne.«
»Klingt toll«, sagte er. und stellte die Flasche in den Korb. »Das Problem ist, dass Sie sich eine Meinung gebildet haben und eine Alternative gar nicht mehr zulassen.«
»Okay, was für ein Motiv könnte jemand für einen Mord an mir haben? Ich bin nicht reich und habe keine Aussicht auf ein großes Erbe. Ich weiß auch nichts, was jemandem schaden könnte. Ich war nie Augenzeuge eines Verbrechens. Wieso sollte mich jemand ausschalten wollen?«
»Aus Eifersucht?«
Emily lachte. »Richtig. Meine beiden Liebhaber sind drauf und dran, sich gegenseitig umzubringen - meinetwegen. Stellen Sie das zurück! Wieso suchen Sie sich immer die schädlichen Sachen mit den wenigsten Nährstoffen aus? Dieser rosafarbene Zuckerguss verklebt Ihnen die Eingeweide.«
Michael grinste schief und ließ die Plätzchen in den Korb fallen. »Sehen Sie sich das an! Es ist kalt in dieser Vitrine. Was ist das in den Kartons?«
Emily seufzte. »Nehmen Sie einen, auf dem >Joghurteis< steht, nicht den anderen.«
»Ah, ich verstehe. Allmählich glaube ich, dass das Wort >Sahne< ein Schimpfwort für Sie ist. Aber wo waren wir stehen geblieben?«
»Sie wollten mir weismachen, dass mich jemand um die Ecke bringen will, um zu verhindern, dass ich die Liebesbriefe des Herzogs veröffentliche.«
Michael sah sie verwirrt an, dann schmunzelte er. »Sie wollen im nächsten Leben einen Titel haben? Ich könnte das arrangieren. Gewöhnlich wird das allerdings nicht als Belohnung erachtet. Viele Verlockungen, große Verantwortung, dafür kaum Liebe.«
»Nein, ich will keinen Titel. Ich will ...« Sie sah ihn aus schmalen Augen an. »Warum möchten Sie nicht mehr darüber reden?«
»Ich denke, wir müssen schlicht und einfach herausfinden, wer Sie in die Luft jagen will, und egal wie viel wir noch reden, damit kommen wir nicht weiter. Es erstaunt mich, dass Sie das nicht wissen.«
Emily stellte den vollen Korb auf die Theke, und Michael betrachtete interessiert die Süßigkeiten und Kaugummis neben der Registrierkasse. »Das alles ist sehr gesund und gut für Sie, nehmen Sie sich so viel davon, wie Sie wollen«, bot sie großzügig an, als sie die Sachen aus dem Korb auf die Theke legte. »Wir haben nicht alle Ihre Fähigkeit zu sehen, was nicht da ist. Wir bedauernswerten Sterblichen führen unser armseliges, langweiliges Leben und sehen nicht überall böse Geister.«
Der Mann hinter der Theke wachte auf und fing an, die Preise in die Kasse zu tippen, als Michael ein halbes Dutzend Schokoriegel auf die Theke legte. »Was ist Karamell? Wenn Sie auf Mr. Moss anspielen - er ist nicht böser als... als dieser Mann hier«, sagte Michael und schenkte dem Kassierer ein Lächeln, dann ließ er noch weitere Süßigkeiten auf die Theke fallen. »Und, Emily, meine Liebe, Sie sind die schlimmste Lügnerin, die ich je gesehen habe«, fügte er mit einem vielsagenden Blick auf die Süßigkeiten hinzu, von denen sie ihn mit einem durchsichtigen Trick abzubringen versucht hatte.
Eine Stunde später blieben sie auf einem Rastplatz stehen und aßen ihren Proviant. Michael probierte gerade das Junk-Food, das er gekauft hatte, als Emily sich ihm zuwandte und sagte: »Wenn diese Männer Sie -oder mich - in dieser Fernfahrerkneipe gefunden haben, dann wissen sie sicher, wer ich bin und wo ich wohne.«
»Ja», bestätigte er liebenswürdig und machte sich über die Plätzchen mit dem rosa Zuckerguss und den Kokosnussraspeln her.
Emily ließ sich schwer auf die Bank am Picknicktisch fallen. »Sie verfolgen uns bestimmt«, sagte sie. Sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass Michael sie die ganze Zeit daran gehindert hatte, diese offensichtliche Tatsache ins Auge zu fassen.
»Nein, nicht mehr.«
»Und dessen sind Sie sich ganz sicher, wie?« Sie beugte sich über den Tisch. »Sie tun so, als wüssten Sie, was vor sich geht, aber Sie hatten keine Ahnung, dass jemand eine Bombe in meinem Auto angebracht hat.«
»Stimmt, das wusste ich nicht.« Er sah sie an. Mittlerweile hatte er das Interesse an dem Zuckerguss verloren, aber das Schokoladenplätzchen darunter schien ihm zu schmecken. »Die Wahrheit ist, dass ich nicht weiß, was ich kann und was nicht. Ich kenne meine Kräfte, wenn ich daheim bin, weil ich jahrelange Erfahrung habe, aber hier fühle ich mich stark eingeschränkt. Ich kann zum Beispiel die Zukunft nicht sehen.« Seine Stirn legte sich in Falten, als er die Aussicht betrachtete. »Ich hatte heute Morgen Angst, weil ich nicht sehen konnte, dass die Bombe keinen Schaden anrichten würde. Ich fühlte, dass irgendetwas nicht stimmte mit dem Wagen, aber ich hatte keine Ahnung, was es war. Es hätte genauso gut ein kaputter ...«Er wedelte mit der Hand hin und her.
»Scheibenwischer.«
»Ja, es hätte auch ein kaputter Scheibenwischer sein können. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass eine solche Kleinigkeit die Aura des Autos so sehr verdunkelt hätte. Aber woher sollte ich das wissen? Ich bin, bevor ich Ihnen begegnet bin, noch nie in einem Wagen gefahren.«
»Aber Sie spüren, dass uns niemand auf den Fersen ist, richtig?«
»Ja. Sie haben die Bombe befestigt und sich aus dem Staub gemacht. So viel kann ich sagen.« Er lächelte. »Wie es scheint, sind meine Kräfte nur auf das beschränkt, was ich in Ihrer Gegenwart tue. Ich kann Ihre Wagentüren öffnen, aber ich habe es auch bei anderen verschlossenen Autos versucht - ohne Erfolg. Und nur Ihre Zimmertür ist kein Problem für mich. Ist das nicht merkwürdig?«
»Verschlossene Türen aufmachen zu können ist merkwürdig«, stimmte sie ihm zu. »Und Auren zu sehen ist merkwürdig - von Gespenstern will ich gar nicht erst reden. Und dann war da noch das kleine Mädchen in der Eisdiele. Und die Kugel in Ihrem Kopf plus die in der Brust. Und es scheint eine Million ganz alltäglicher Dinge zu geben, von denen Sie keine Ahnung haben. Und ...«
»Vorsicht, Emily, sonst geben Sie noch zu, dass Sie mir glauben.«
»Ich glaube, dass Sie sich einbilden, Geister zu sehen und ...«
»Was würden Sie mit mir tun, wenn ich wirklich ein Engel wäre?«
»Sie beschützen«, antwortete sie, ohne vorher nachzudenken. Sie wurde rot und starrte verlegen auf den angebissenen Schokoriegel in ihrer Hand. Sie konnte kaum fassen, dass sie dieses Zeug wirklich aß. Engel beschützten Menschen, nicht umgekehrt.
»Was würde Sie dazu bringen, mir zu, glauben? Ein Wunder? Eine Vision? Was?«
»Ich weiß nicht.« Sie stand auf und packte die Sachen zusammen, dabei wich sie geflissentlich seinen Blicken aus.
»Wie heißt das, wenn jemand am Straßenrand steht und darum bittet, mitgenommen zu werden?«
»Trampen«, sagte sie schnell, dann musterte sie ihn streng. »Lassen Sie sich bloß nicht einfallen, das zu tun. Es ist gefährlich.«
»Wenn Sie mich irgendwo absetzen, trampe ich in Ihre Stadt und suche allein nach dem Bösen, das Sie bedroht. Kein Mensch wird erfahren, dass Sie mich jemals getroffen haben.«
»Und innerhalb von zehn Minuten nach Ihrer Ankunft in der Stadt wird man die Polizei auf Sie aufmerksam machen«, versetzte sie. Sie verstaute den restlichen Proviant im Kofferraum, aber Michael rührte sich nicht von der Stelle. Er saß am Tisch, erfreute sich an der Aussicht und trank diesen grässlichen, zuckerhaltigen Saft, der ihm offensichtlich nicht schmeckte, aber natürlich würde er das niemals eingestehen.
Ich sollte ihn hier lassen, dachte sie. Ich sollte einfach wegfahren. Ich bin nicht für ihn verantwortlich, und ich brauche keine Komplikationen in meinem vollkommenen Leben. Ja, sie fand ihr Leben vollkommen. Sie hatte alles, was sie sich wünschte: einen Job, der sie ausfüllte, einen Mann, den sie liebte, Freunde - und sie hatte gerade eine Auszeichnung von der National Library Association bekommen. Das Einzige, was noch fehlte, war die Hochzeit mit Donald und zwei Kinder.
Aber sie überließ Michael nicht sich selbst, sondern ging zu ihm zurück, nahm ihm gegenüber Platz und sah sich die Landschaft an.
>>Vielleicht könnten Sie etwas über das Madison-Haus für mich herausfinden«, sagte sie mit Bedacht. »Ich würde gern ein Buch über die Dinge schreiben, die sich dort ereignet haben. Ich habe bereits einige Recherchen angestellt, aber mir fehlen noch Informationen.«
»Worum geht es?«, erkundigte sich Michael so beiläufig, als könnte er dafür kaum Interesse aufbringen. »Es gibt immer einen Grund dafür, dass der Geist eines Sterblichen die Erde nicht verlassen will.«
»Ich habe mein ganzes Leben lang die Geschichten über das Madison-Haus gehört. Wir Kinder haben uns immer gegenseitig Angst gemacht und behauptet, der alte Madison würde spuken und uns holen, aber in den letzten Jahren, habe ich ... ich weiß auch nicht, aber irgendwie habe ich mit einem Mal mehr Mitgefühl.«
»Sie waren immer bereit, anderen zu helfen.«
Sie war drauf und dran, ihm zu verbieten, so zu tun, als würde er sie schon Ewigkeiten kennen, besann sich aber eines anderen. Wieso sollte sie ein Kompliment zurückweisen? »Die Geschichte ist simpel, und Ähnliches ist früher bestimmt oft vorgekommen. Eine schöne junge Frau verliebte sich in einen gut aussehenden, aber armen jungen Mann. Der Vater verweigerte seiner Tochter die Erlaubnis, den Geliebten zu heiraten, und zwang sie stattdessen, sich mit einem seiner Freunde, dem reichen Mr. Madison, der alt genug war, um ihr Vater sein zu können, zu vermählen. Soweit ich weiß, lebten sie zehn Jahre trübsinnig, aber ohne unangenehme Zwischenfälle miteinander, dann kam der junge Mann, der die Frau liebte, in die Stadt zurück. Kein Mensch weiß genau, was geschehen ist - ob sie sich aus dem Haus geschlichen hat, um ihn zu sehen, oder etwas anderes. Jedenfalls war ihr Mann rasend vor Eifersucht und tötete den jungen Mann.«
»Leider habe ich so etwas sehr oft gesehen - zu oft«, sagte Michael ernst. »Eifersucht ist eine der größten Schwächen der Sterblichen.«
»Ach ja? Ich kann es kaum erwarten, das Mickey zu erzählen«, erwiderte sie spitz und rief ihm damit einen der Namen ins Gedächtnis, mit denen er Donald in den letzten Tagen bedacht hatte.
Michael grinste. »Ich nehme an, Ihr alter Mr. Madison spukt jetzt im Haus herum.«
»Irgendjemand ist dort. Nach dem Mord kam es zu einem Gerichtsverfahren, und ein Diener des Hausherrn sagte im Zeugenstand, er habe mit eigenen Augen gesehen, wie sein Herr den jungen Mann getötet habe. Mr. Madison wurde auf Grund dieser Aussage verurteilt -der Leichnam des Opfers wurde nie gefunden. Mr. Madison kam an den Galgen, der Diener sprang einige Zeit später aus einem Fenster des Hauses in den Tod, und die Witwe verließ nie wieder das Haus. Schließlich wurde sie wahnsinnig.«
»Also könnte der Geist in dem Haus ...«, Michael brach ab, um nachzudenken.
»Es könnte der des Ermordeten, des Mörders, des unglücklichen Dieners, der seinem Herrn den Tod gebracht hatte, oder der der wahnsinnigen Frau sein. Sie können es sich aussuchen.«
»Emily, was hat das mit dem Unheil zu tun, das Sie bedroht?«
»Ich ...« Sie senkte den Blick.
»Kommen Sie, raus damit. Was haben Sie getan?«
Sie sah auf und funkelte ihn trotzig an. »Ich weiß es wirklich nicht. Aber irgendetwas habe ich getan.«
Als Michael die Angst in ihren Augen sah, schob er ihr die Saftflasche hin. Sie nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. »Ich finde, Sie sollten mir Ihr Herz ausspucken«, sagte er.
»Ausschütten. Das Herz ausschütten.«
»Wie auch immer. Erzählen Sie mir, was vorgefallen ist - es muss schrecklich sein, wenn deswegen ein Engel auf die Erde geschickt wird, damit er das Problem löst.«
Emily starrte auf die Flasche und löste geistesabwesend das Etikett ab. »Glauben Sie an böse Geister?« Als er keine Antwort gab, schaute sie auf und sah, dass er erstaunt eine Augenbraue hochzog.
»Okay, Sie glauben daran. Aber die meisten Leute heutzutage tun das nicht.«
»Ich weiß. Ihr Sterblichen glaubt an die 'Wissenschaften'. Die meisten Menschen halten Leute, die komische Dinge an der Börse treiben, für den Inbegriff des Bösen.« Michaels Ton war verächtlich. »Erzählen Sie, was Sie getan haben.«
»Ich wollte an diesem Wochenende mit Donald darüber reden«, sagte sie. »Das war ein Grund, warum ich so wütend auf ihn war, als er nicht kam. Ich hatte das Gefühl, ich müsste mit jemandem sprechen.«
»Wenn Sie meinen, er ist geeigneter als ich für ein Gespräch über böse Geister, dann bitte«, entgegnete Michael scharf.
»Wie konnten Sie mit einer solchen Einstellung Engel werden?«
»Ich bin wie geschaffen für meine Aufgabe. Wollen Sie sich mir nun anvertrauen, oder haben Sie zu viel Angst?«
Sie holte tief Luft. »Ich ging zu dem Haus. Das ist alles. Ich ging hin, um es mir anzusehen, und nahm einen Skizzenblock mit, um den Grundriss des Gebäudes aufzuzeichnen, weil ich, wie gesagt, ein Buch über die Ereignisse schreiben will. Es war helllichter Tag, und obwohl die Fenster schmutzig waren, konnte ich ziemlich gut sehen.«
Sie nahm noch einen Schluck von dem scheußlichen Saft. Emily schwieg, und Michael richtete den Blick in die Ferne. »Lassen Sie mich raten. Sie haben etwas geöffnet, was bis dahin verschlossen oder versiegelt war.«
»So ungefähr«, bestätigte sie vage.
»Eine Kiste? Nein? Sie ...« Er musterte sie eindringlich. »Emily! Sie haben eine Wand eingerissen?«
»Na ja, sie war schon halb verfallen, und ich konnte etwas dahinter sehen. Wer immer diese Wand hochgezogen hat, er kann kein geschickter Handwerker gewesen sein«, verteidigte sie sich.
»Und was kam zum Vorschein?«
»Ich weiß es nicht«, entgegnete sie ärgerlich. »Ich kann keine Gespenster sehen. Ich weiß nur, dass etwas an mir vorbeigehuscht ist und ich beinahe in Ohnmacht gefallen wäre, weil sich dieses Etwas grauenvoll anfühlte. Es dauerte eine Weile, bis ich mich von dem Schrecken erholt hatte, und sobald ich wieder sicher auf den Beinen war, verließ ich das Haus.«
Er lächelte schief. »Natürlich sind Sie gemessenen Schrittes abgezogen, stimmt’s?«
»Lachen Sie mich aus, so viel Sie wollen, aber seit diesem Tag vor ungefähr zwei Wochen geschehen in Greenbriar furchtbare Dinge. Ein Haus ist niedergebrannt, ein Ehepaar mit vier Kindern ist dabei, sich scheiden zu lassen, außerhalb der Stadt ereigneten sich drei Autounfälle und ...«
»Meinen Sie, diese Vorkommnisse wurden von einem bösen Dämon hervorgerufen?«
»Keine Ahnung.« Sie stand auf. »Jedenfalls habe ich, wenn ich abends in der Bibliothek bin, das Gefühl, nicht allein zu sein. Und mir gefällt der oder das, was mit mir dort ist, ganz und gar nicht. Manchmal ... manchmal glaube ich, ihn oder sie lachen zu hören. Und ... und es scheint, als würden die Leute in der Stadt viel schneller in Streit geraten als sonst.«
Sie erwartete, dass Michael sie auslachte. Donald würde lachen, und Irene, der sie die ganze Geschichte erzählt hatte, hatte sich beinahe ausgeschüttet.
»Haben Sie dazu nichts zu sagen?« Sie bemühte sich um einen aufgebrachten Ton - ohne Erfolg.
»Ich sehe nicht, was das alles mit dem Mordanschlag auf Sie und der Autobombe zu tun haben soll. Aber Dämonen können andere dazu anstiften, schreckliche Dinge zu tun. Ihr Bestreben ist, Chaos und Verwirrung zu stiften, vielleicht...« Er sah Emily an. »Was haben Sie genau getan? Wieso ist dieser Bursche hinter Ihnen her?«
»Hinter mir? Warum hinter mir? Soweit ich es beurteilen kann, treibt er in der ganzen. Stadt sein Unwesen. Und weshalb sollte mich ein böser Geist verfolgen? Ich bin praktisch veranlagt, vernünftig, langweilig - ein ganz normaler Mensch. Ein gutes, braves Mädchen«, setzte sie unwillig hinzu.
»Nach allem, was ich in den letzten Tagen beobachtet habe, führen Sie ganz und gar kein -normales' Leben. Genau genommen ist Ihr Leben so außergewöhnlich, dass ein Engel zur Erde geschickt wurde, um Sie vor Schaden zu bewahren - und das in letzter Minute, möchte ich behaupten. Guter Himmel, Emily, wenn Sie weniger gut und vernünftig wären, würde man Sie als Spionin einsetzen.«
Das war so absurd, dass sie lachen musste. Sie fühlte sich gleich viel besser. »Sind Sie bereit zum Aufbruch?«, fragte sie.
»Mit Ihnen? Ich dachte, Sie würden mich hier aussetzen und mich den ganzen Weg trampen lassen. Ich dachte ...«
»Lügner!«, unterbrach sie ihn lächelnd. »Ich glaube, ich muss mit Gott einmal ein ernstes Wörtchen über seine Engel reden. Ihr Jungs braucht meiner Meinung nach einen kleinen Denkzettel.«
»Ja? Ich nehme an, wir sollten so sein wie die Engel in eurem Fernsehen, die nur irgendwelche Platituden von sich geben und in Parabeln sprechen.«
»Ich könnte einige Parabeln gebrauchen«, sagte sie, als sie die Wagentür öffnete. »Jedenfalls wären mir Weisheiten eines Engels sehr willkommen. Warum verraten Sie mir nicht, wer Ihre anderen Schützlinge sind oder waren?« Er grinste, und sie sah ihn aus leicht zusammenge-kniffenen Augen an. »Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf, wie bei allem, was Sie mir auftischen.«
Michael schien ihre Anschuldigung gelassen hinzunehmen. Als er im Wagen saß, sagte er: »Mal überlegen. Ich glaube, ihr Sterblichen habt viel für Königinnen und Könige übrig, habe ich recht?«
»Versuchen Sie gar nicht erst, mich zu provozieren. Erzählen Sie mir lieber ein paar Geschichten«, forderte sie, als sie den Motor startete.
»Marie-Antoinette. Sie war mein Schützling. Die Arme. Sie lebt heute auf einer Farm, hat ein halbes Dutzend Kinder und ist viel, viel glücklicher als seinerzeit. Sie war furchtbar als Königin.«
»Erzählen Sie von Anfang an«, verlangte Emily, als sie auf den Highway einbog.