KAPITEL 20
Friedliche Stille lag über der eleganten Villa. Drinnen ging es allerdings weniger friedlich zu. Als klar wurde, dass sie keinen Schlaf mehr bekommen würde, bis Styx sicher zurückgekehrt war, hatte Darcy sich dummerweise zu einem Spiel Dame mit Levet verleiten lassen.
Beide saßen mit gekreuzten Beinen auf dem Bett. Darcy studierte das Spielbrett und runzelte unvermittelt die Stirn. Sie war nicht besonders gut, und ihre Aufmerksamkeit war mehr darauf gerichtet, zu horchen, ob Styx bald zurückkam, als darauf, die Steine auf dem Brett geschickt zu setzen. Trotzdem war sie auch wieder keine so schlechte Spielerin, dass sie es nicht erkannte, wenn jemand sie auszutricksen versuchte.
Sie hob den Kopf und warf ihrem dämonischen Kameraden einen warnenden Blick zu. »Du hast gemogelt.«
»Moi?« Levet presste in gespielter Entrüstung seine knotige Hand gegen die Brust. »Sei nicht albern! Warum sollte ich mogeln, wenn ich so offensichtlich der überlegene Spieler bin?«
»Überlegen? Ha.« Darcy zeigte auf das Spielbrett. »Ich war gerade dabei, richtig abzuräumen.«
Levet rümpfte die Nase. »Ich bin gekränkt, chérie. Tödlich gekränkt.«
»Was du bist, ist ein Schlitzohr!«, korrigierte Darcy. »Jedes Mal, wenn ich aus dem Fenster sehe, verschiebst du die Steine auf dem Brett.«
»Ach was! Ich habe noch nie eine solche Verleumdung gehört. Aber meine Ehre ist über jeden Tadel erhaben.«
»Wie hast du es dann geschafft, zur Dame zu werden, wenn du gar nicht auf der anderen Seite angekommen bist?«
Levet flatterte mit den Flügeln, wodurch die Spielsteine vom Spielbrett quer über das Bett flogen. »Dame, pah! So ein dummes Spiel«, beschwerte er sich, hüpfte vom Bett und lief im Zimmer herum. »Was wir brauchen, ist eine wirkliche Herausforderung!«
Darcy sammelte geistesabwesend die Spielsteine ein und legte sie wieder in den Karton. Ihrem Kameraden warf sie einen misstrauischen Blick zu. Sie wusste nicht viel über Gargylen, aber sie vermutete, dass Levets Vorstellung von einer Herausforderung und ihre eigene davon Welten auseinanderlagen.
»Was für eine Art von Herausforderung?«
»Irgendetwas, wofür wirkliche Fähigkeiten nötig sind. Etwas, was sowohl eine scharfe Intelligenz erfordert als auch das Können eines gut geschulten Athleten.« Er wanderte pausenlos durch den Raum, bis er mit einem Fingerschnippen anhielt. Das war sicher gar nicht so einfach bei Fingern, die so dick und knotig waren wie seine. »Ich hab’s!«
Darcy stellte das Damespiel beiseite und rutschte an den Bettrand. »Ich habe fast Angst zu fragen.«
»Bowling.«
Darcy sah ihn überrascht an und lachte dann auf. »Du meine Güte. Soll das ein Witz sein?«
»Warum denn?« Levet warf sich in die Brust. »Bowling ist ein uralter und sehr edler Sport. Das Spiel der Könige!«
»Ich dachte, das wäre Schach.«
Levet hob überlegen die Brauen. »Und wie viele Könige kennst du?«
Könige? Nun, mindestens zehn. Schließlich hingen die Royals ja ständig in Gothic-Bars und billigen Pensionen herum. »Lass mich mal überlegen. Hmmm …« Darcy tat so, als denke sie nach. »Das sind insgesamt … kein Einziger! Na so was.«
Levet hüpfte verschmitzt von einen Fuß auf den anderen. »Ich hingegen kenne Hunderte von Königen! Und einige von ihnen auf ziemlich intime Weise.«
Darcy hielt eine Hand hoch. »Okay, das reicht! Danke, Levet.«
»Sehr witzig.« Levet rollte mit den Augen. »Mit ›intim‹ meine ich, dass ich ihre Schlösser mehrere Jahrhunderte lang mit meiner Anwesenheit beehrte. Du wärest erstaunt, was ein unternehmungslustiger Dämon lernen kann, wenn er vor einem Schlafzimmerfenster sitzt.«
Darcy verzog das Gesicht. »Ich kann es mir vorstellen.«
»Wenn es natürlich um die Königinnen geht, nun ja, lass uns einfach sagen, dass meine Intimität …«
»Das reicht jetzt wirklich«, unterbrach ihn Darcy entschieden. Sie war nicht in der Stimmung für einen detaillierten Bericht über Gargylen-Sex. »Ich gehe nicht bowlen.«
Levet stemmte die Hände in die Hüften und schob seine Unterlippe vor. Na toll. Ein schmollender Dämon in ihrem Zimmer.
»Hast du es schon mal ausprobiert?«, fragte er.
Darcy zitterte, bevor sie die verräterische Reaktion unterdrücken konnte. »Ja, als ich ein Teenager war.«
Levet, der mühelos ihre unglücklichen Erinnerungen spüren konnte, ging mit neugierigem Gesichtsausdruck auf sie zu. »Was ist geschehen?«
»Die erste Kugel, die ich geworfen habe, durchbrach die Rückwand der Bahn.« Sie lächelte mit grimmigem Humor. »Der Manager bat mich, sofort zu gehen, und kurz darauf haben meine Pflegeeltern das Gleiche getan.«
Levet gab einen kleinen Laut von sich, und seine hübschen Flügel hingen plötzlich bedauernd herunter. »Oh, Darcy, das tut mir leid.«
Sie zuckte die Achseln. »So ist das Leben.«
»Ja.« Er verzog das Gesicht. »Leider.«
Darcy kicherte leicht und schüttelte die hässliche Erinnerung ab. Irgendwie sahen die Dinge gar nicht mehr so schlimm aus, wenn Levet in der Nähe war.
Als sie gerade kurz davor war, eine Partie »Himmel und Hölle« oder »Schmeiß den Gargylen vom Dach, um zu schauen, ob er wirklich fliegen kann« vorzuschlagen, fühlte Darcy, wie ihr ein seltsames Prickeln über den Rücken lief. Sie wandte sich zur Tür, absolut sicher, dass jemand durch den Flur in ihre Richtung lief. Zwei Jemande. Beides Vampire.
Sie konnte sie … riechen, verdammt. Sogar durch die dicken Wände und die schwere Tür hindurch. Offensichtlich hatte sie zu viel Zeit in der Gesellschaft von Dämonen verbracht. »Da kommt jemand«, murmelte sie leise.
Levet schloss kurz die Augen, bevor er sie wieder öffnete. »Die beiden Vampire, die Styx unter seinen Schutz gestellt hat.«
Seine Nase war trotzdem immer noch besser als ihre eigene. Oder vielleicht verfügte er über andere magische Methoden, um durch Wände zu sehen.
»Ich dachte, dass Dante ihnen befohlen hätte, sich in den Tunneln zu verstecken, bis ihr Chef eliminiert ist.«
»Eliminiert?« Darcy rümpfte die Nase. Werwölfin oder nicht, sie würde sich nie an dieses beiläufige Töten gewöhnen. »Bäh.«
Levet ließ ein freches Lächeln aufblitzen. »Umgelegt? Abgemurkst? Zur großen Blutbank verschwunden …«
»Levet!«, zischte sie, huschte zur Tür und öffnete sie. Die beiden Vampire standen tatsächlich direkt davor, die bleichen Gesichter ausdruckslos und unbewegt.
Wie zwei Schaufensterpuppen, dachte sie mit einem kleinen Schauder. Aus irgendeinem Grund beunruhigte sie die Anwesenheit der Vampire. Als ob sich hinter diesen starren Gesichtern etwas zusammenbraute, das niemand erfahren sollte.
Darcys Hand umklammerte den Türgriff fester, während sie gegen den seltsamen Wunsch ankämpfte, die Tür zuzuschlagen. Sie benahm sich nicht nur albern, sondern abgesehen davon würde eine einfache Tür einen entschlossenen Vampir nicht aufhalten können. Also zwang sie sich zu lächeln.
»Ja?«
Sie verbeugten sich gleichzeitig, auch wenn die große, dunkelhaarige Frau es schaffte, sich schneller wieder aufzurichten als der massige blonde Hüne.
»Gebieterin, vergebt uns diese Störung«, sagte sie mit kühler, ausdrucksloser Stimme.
Gebieterin? Das war ja mal wieder etwas ganz Neues. »Sie stören nicht. Kann ich Ihnen helfen?«
Der große Mann, der einen langen geflochtenen Zopf trug und ein breites Gesicht hatte, machte einen winzigen Schritt auf sie zu. »Wir haben eine Nachricht vom Anasso erhalten.«
Darcy hob eine Hand, um sie an ihr heftig schlagendes Herz zu pressen. »Von Styx?«
»Ja.«
»Er ist hier?«
»Nein, er nahm sich den Verräter vor und ist nun in sein Versteck zurückgekehrt«, erklärte der Mann, wobei sein Ton so ausdruckslos war wie sein Gesicht. »Er wünscht, dass wir Euch zu ihm begleiten.«
Darcy wunderte sich. Es war nicht Styx’ Art, andere zu schicken, damit sie seine Interessen vertraten. Insbesondere, wenn es um sie ging. Wenn er sie in seiner Nähe haben wollte, dann kam er zu ihr und schickte niemanden, um sie zu holen wie einen Hund.
»Warum ist er nicht einfach zurückgekommen und hat mich selbst abgeholt?«, wollte sie wissen.
Der blonde Hüne wirkte für einen Moment verwirrt. Als ob diese Frage für sein armes Hirn zu schwer zu verarbeiten sei.
Mühelos sprang die Frau für ihn in die Bresche. »Ich fürchte, er wurde … während des Kampfes verwundet«, sagte sie.
»Verwundet?« Darcys Knie wurden weich, und eine dunkle Woge der Panik drohte ihr den Verstand zu vernebeln. Styx verwundet? Nein. O Gott, nein! Sie musste …
Während sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen und genau zu überlegen, was sie tun musste, wurde ihre Panik von dem merkwürdigen Gefühl überlagert, dass hier etwas nicht stimmte. Dass sie es mit absoluter Gewissheit wüsste, wenn Styx verletzt wäre.
Wenn sie an Styx dachte, spürte sie im Moment eine Art Vibration. Wie das Summen einer ärgerlichen Biene. Anscheinend war er wütend und aufgelöst. Aber sie konnte keinen physischen Schmerz fühlen, der von ihm ausging.
Eine raue Hand berührte sie am Arm, und sie blickte nach unten in Levets besorgte Augen.
»Geht es dir gut, Darcy?«, fragte er.
»Ja … ich …« Sie schüttelte den Kopf und zwang sich, ihre Aufmerksamkeit wieder den wartenden Vampiren zuzuwenden. »Wie schlimm ist er verletzt?«
Die Frau hob eine schlanke Hand. »Das kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass es sein Wunsch ist, Ihr möget zu ihm kommen.«
Levets Finger drückten Darcys Arm. »Keine Angst, chérie! Ich werde mit dir kommen.«
»Nein.«
Darcy sah den großen Mann überrascht an. »Warum nicht?«
»Der Meister sagte nichts davon, dass Ihr den Gargylen mitbringen sollt. Ihr müsst allein mitkommen.«
Okay, jetzt fing ihr innerer Anzeiger für Schwachsinn allmählich an auszuschlagen. Wenn Styx verwundet war, warum sollte er dann nicht hierher zurückkommen? Nicht nur dass Dante hier war, es gab auch eine Göttin im Haus. An welchem Ort sollte er besser geschützt sein? Und selbst wenn er sich in einem anderen Versteck befand, warum sollte er diese beiden Vampire damit beauftragen, sie zu ihm zu bringen? Er hatte fünf Raben, die sie kannte und denen sie vertraut hätte, wenn sie sie hätte begleiten sollen.
Darcy wich im Schneckentempo zurück und umklammerte die Tür mit der Hand. »Wo sind denn Shay und Abby?«
Es folgte eine kleine Pause, bevor die Frau wieder zu sprechen ansetzte. »Sie befinden sich unten im Haus und kümmern sich um Viper.«
»Er ist auch verletzt?«
Der Hüne knurrte leise. »Wir müssen uns auf den Weg machen. Sehr bald wird der Morgen anbrechen.«
Darcy machte ganz langsam noch einen Schritt zurück und hielt dabei den Blick auf die Frau gerichtet. »Wie hat er Kontakt zu Ihnen aufgenommen?«
Ihr Gegenüber blinzelte mehrmals. »Wie bitte?«
»Ich meine Styx. Wie hat er Kontakt zu Ihnen aufgenommen?«
»Er schickte einen Boten.«
»Ich möchte mit diesem Boten sprechen.«
»Das reicht«, knurrte der Mann und bleckte die Vampirzähne. »Ergreife sie!«
Er hatte die Worte noch nicht ganz ausgesprochen, als Darcy schon die Tür zugeworfen und verriegelt hatte. Mit einem überraschten Quieken sah Levet sie an, als habe sie den Verstand verloren.
»Darcy?«
»Irgendwas stimmt hier nicht«, keuchte sie und presste die Hände gegen die Tür, als die Vampire auf der anderen Seite sich bemühten, sich einen Weg in ihr Zimmer zu bahnen.
»Ach, wirklich?«, murmelte Levet und fing an, sich ebenfalls gegen die bebende Tür zu stemmen, um Darcy zu helfen.
»Du musst fliehen! Diese Tür wird nicht lange halten.«
»Auf keinen Fall.«
Er murmelte einen leisen Fluch. »Märtyrerinnen leben nicht lange, Darcy. Verschwinde von hier, verdammt!«
Darcy biss die Zähne zusammen und grub die Absätze in den Boden, während sie neben Levet darum kämpfte, die Tür geschlossen zu halten. Sie dachte keinen Augenblick lang, dass sie sich zwei Vampiren entgegenstellen und das überleben konnte.Verdammt, sie glaubte nicht einmal, dass sie einen guten Schlag landen konnte. Aber sie würde ganz sicher nicht abhauen und Levet allein zurücklassen!
»Ich lasse meine Freunde nicht im Stich«, murmelte sie, als das Holz unter ihren Händen bebte. Sehr bald würde die Tür zerbrechen, und dann würde der Spaß richtig losgehen.
Während unter der Belastung seine Muskeln hervortraten, funkelte der Dämon Darcy an, die mit entschlossener Miene neben ihm stand. »Sacrebleu, Vampire können mich nicht verletzen, wenn ich mich verwandle! Nicht einmal ihre Fangzähne sind scharf genug, um durch Stein zu dringen.«
Da hatte er nicht ganz unrecht, ganz und gar nicht, aber Darcy war ein Sturkopf.
»Ich verlasse dich nicht!«
»Du bist mir nur im Weg!« Levet ächzte, als eine Türangel absprang und nur einen Zentimeter an seinem Gesicht vorbeiflog. »Ich kenne mehrere spektakuläre Zauber, die ich schon lange mal wieder ausprobieren wollte, aber ich kann sie wohl kaum durchführen, wenn du hier stehst und mich beobachtest!«
»Warum nicht?«
Er warf ihr einen Blick zu, der erfüllt von einer grimmigen Warnung war. »Versagensangst.Verschwinde einfach!«
Ein zartes Glühen begann die kleine graue Gestalt zu umgeben, und Darcy zwang sich zurückzuweichen. Sie hatte noch lebhafte Erinnerungen an die spektakuläre Explosion, die durch die Luft gefegt war, als sie auf das Anwesen geschlichen war. Falls Levet irgendetwas in diese Richtung vorhatte, dann wollte sie nicht in der Nähe sein, wenn das große Beben begann.
Und anscheinend war es tatsächlich so: Sobald sie verschwunden war, hatte Levet die Gelegenheit, sich in eine Statue zu verwandeln. Wie er betont hatte, konnten ihm dann nicht einmal Vampire etwas antun. Darcy ignorierte ihre heftigen Schuldgefühle, drehte sich auf dem Absatz um und steuerte auf das Fenster zu. Da die Tür von wütenden Vampiren blockiert wurde, war das Fenster die einzige Fluchtmöglichkeit.
Außerdem gab es keine schnellere Methode, um nach unten zu kommen, und Abby davor zu warnen, dass sie in ihrem Haus Verrätern Unterschlupf bot.
Darcy verschränkte die Arme über dem Kopf und rannte in einem solchen Tempo gegen das Fenster, dass sie durch die Glasscheibe in die eiskalte Nachtluft katapultiert wurde. Sie ächzte, als scharfe Scherben sich in ihre Haut bohrten, aber ihre Aufmerksamkeit war weitaus mehr auf den harten Boden unter ihr gerichtet, der ihr nur allzu schnell entgegenzukommen schien. Blutergüsse und Schnittwunden, ganz egal, wie tief sie auch sein mochten, heilten bei ihr in einigen Stunden. Ein gebrochener Hals … eher nicht.
Darcy fuchtelte mit Armen und Beinen, als ob sie fliegen könne und schaffte es, sich in der Luft zu drehen, so dass sie auf dem Rücken landete anstatt auf dem Kopf. Das war allerdings nur ein schwacher Trost, da die Landung ihr die Luft aus den Lungen trieb und dafür sorgte, dass sich schockartig ein reißender Schmerz in ihrem Körper ausbreitete.
Mit einem Stöhnen zwang sie sich aufzustehen. Sie war überrascht, dass es ihr überhaupt gelang. Sie blutete aus einem Dutzend Wunden, war unerträglich zerschrammt, und in ihrem Kopf pochte es heftig, aber sie schien sich keinen gebrochenen Knochen und kein kaputtes Organ zugezogen zu haben.
Darcy warf einen Blick auf das Haus und stand kurz davor, zu entscheiden, welche wohl die nächstliegende Tür war, als sie hinter sich ein ganz leises Geräusch hörte. Sie wirbelte herum, gewappnet gegen alles, was da aus der Dunkelheit stürmen mochte. Vampire, Werwölfe, heilige Gottheiten … Löwen und Tiger und Bären!
Ihr Körper spannte sich an, als sie sich darauf vorbereitete, sich mit einer neuen Katastrophe zu befassen, doch dann klappte ihr fast der Kiefer herunter, als eine schlanke Frau hinter einer uralten Eiche hervortrat. Trotz der Finsternis, die sie einhüllte, war es für Darcy ein Leichtes, das silberblonde Haar auszumachen, das ihr um die Schultern wallte, und die grünen Augen, in denen es unverkennbar glühte.
Der reine Schock ließ sie regungslos verharren, als die Frau mit fließender Anmut auf sie zukam und direkt vor ihr stehen blieb. Dies war der Moment, von dem Darcy jede einzelne Nacht in den vergangenen dreißig Jahren geträumt hatte. Ihr Traum schien endlich wahr zu werden.
»Mutter?«, flüsterte sie ungläubig.
»Ja, Liebes, ich bin deine Mutter.« Ein Lächeln bildete sich auf dem Gesicht, das so unheimlich ihrem eigenen ähnelte. »Wie ungemein aufmerksam von dir, mir direkt vor die Füße zu fallen. Das erspart mir viel Mühe.«
»Was …?« So ungemein verwirrt, wie sie war, sah Darcy nicht einmal, wie ihre Mutter sich bewegte. Nicht einmal, als sie den Arm hob. Erst als ihre Faust tatsächlich auf Darcys Kinn traf, wurde dieser klar, dass Traum und Realität manchmal nicht übereinstimmten.
Darcy fiel wieder auf den kalten, gefrorenen Boden zurück, und die allgegenwärtige Dunkelheit übernahm noch im selben Augenblick die Herrschaft über ihren Verstand. Ja, die Realität war wirklich Mist.