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Danny und ich haben während unserer Beziehung aufgehört zu reden. Es war nicht so, als hätten wir in kaltem Schweigen dagesessen und wild gestikuliert, wenn die Fernbedienung unauffindbar war. Es kamen durchaus Worte aus unserem Mund, aber unsere Gespräche drehten sich hauptsächlich um die Essensfrage oder um die Tücken beim Einparken. Würde jemand es darauf anlegen, mich bloßzustellen – nicht, dass das einer tun würde –, und mich nach einem unvergesslichen Gespräch fragen, das ich in den letzten zehn Jahren mit meinem Freund hatte, müsste ich peinlicherweise passen. Rückblickend wird mir bewusst, dass wir einfach Tag für Tag dieselben Nichtgespräche recycelt haben.
»Was essen wir heute Abend?«
»Keine Ahnung. Worauf hast du Lust?«
»Keine Ahnung. Indisch?«
»Cool.«
»Ich hole uns das Übliche auf dem Weg nach Hause.«
»Okay.«
Ich kannte sämtliche Geschichten, die Danny in Gesellschaft zum Besten gab, weil ich sie entweder miterlebt oder schon hundertmal gehört hatte. Zum Beispiel die, als Anthony Hopkins in Dannys Firma kam, um den Hintergrundkommentar für ein Computerspiel aufzunehmen, und Danny ihm einen Kaffee kochte und Anthony Hopkins hinterher meinte, dies sei der beste Kaffee gewesen, den er jemals getrunken habe, und dann seine berühmte Schnüffelgeste aus Das Schweigen der Lämmer machte. Oder die, als Danny und ich einen Stern für unseren Weihnachtsbaum bastelten und er plötzlich ganz dringend pinkeln musste und sein Daumen mit Sekundenkleber an der Vorhaut festklebte. Das war die Art von Geschichten, die Danny erzählte, aber seine Gefühle offenbarte er nie. Er redete nie wirklich.
Das ist etwas, was man von Posh Boy definitiv nicht behaupten kann. Er würde eine bedeutungsvolle Pause nicht einmal erkennen, wenn sie in seiner Nase bohren würde.
»He, Fußpilz, halten Sie eigentlich jemals die Klappe?«
»He, Fresssack, hören Sie eigentlich jemals auf zu essen?«
Ich unterbreche meine wichtige Tätigkeit, die darin besteht, die Baked-Beans-Soße auf meinem Teller mit Toastbrot aufzutunken, und schenke ihm einen ziemlich guten, wenn ich so sagen darf, bösen Blick. Ich hatte eigentlich nicht vor, ihm bei einem Kaffee Gesellschaft zu leisten. Ich wollte viel lieber zurück in meinen Wagen, um mir einen fantastischen Song von Adele auf Antons CD anzuhören, aber dann kamen Posh Boy und ich auf dem Weg zum Ausgang an dem Café im Sainsbury’s vorbei, und mein Blick fiel auf die große Plakatwerbung für ein £ 4.95-Frühstück rund um die Uhr, sodass ich es mir anders überlegte.
»Sie hatten doch auch ein Pfannengericht.«
»Ich habe die zivilisiertere Fünf-Zutaten-Option gewählt. Nicht die mit acht.«
»Tja, so haben Sie leider das geröstete Brot verpasst. Schwerer Fehler.«
»Wann haben Sie das letzte Mal etwas zu sich genommen?«
Ich muss den Eindruck einer ausgehungerten Mitternachtsdiätbrecherin machen, aber es ist erst anderthalb Stunden her, dass ich das Bacon-Sandwich von Anton gegessen habe.
»Ich wollte eigentlich etwas mit Ihnen besprechen.«
»Und was?«
»Sie erinnern sich sicher an den Tag …«
»O ja, sicher. Wie könnte ich den Tag vergessen.« Ich rolle mit den Augen. »Vielleicht könnten Sie etwas konkreter werden.«
»Sie haben auf offener Straße einen Mann, der im absoluten Halteverbot stand, als mieses Schwein beschimpft.«
»Das hilft mir ehrlich gesagt nicht wirklich weiter.«
»Ein großer Geländewagen. Mit einem Firmenlogo auf der Seite.«
»Ja, jetzt weiß ich, worauf Sie anspielen.«
»Sie brauchen mir nichts zu erklären, ich möchte Ihnen nur helfen. Falls Ihnen jemand Ärger bereitet, kann ich vielleicht etwas für Sie tun. Ich wollte Ihnen meine Hilfe schon früher anbieten, aber dann waren Sie in Wales und so weiter …«
»Oh, okay, danke.« Ich schiebe meinen Teller weg. »Diese Baufirma plant hier in der Nähe eine neue Wohn- und Einkaufssiedlung. Dafür muss eine Zugangsstraße gebaut werden, was bedeutet, dass eine Ecke von dem großen Friedhof direkt gegenüber abgezwackt werden muss. Mein Vater ist dort begraben, und nun soll sein Grab ausgehoben werden.«
»Ist das Ihr Ernst? Die wollen das Grab Ihres Vaters überbauen? Das ist ja pietätlos.«
»Ja, John, das ist es.«
»Ich glaube das nicht.«
»Es ist aber wahr. Die Angehörigen werden mit hohen Schadensersatzsummen geködert. Selbst meine Mutter hat ihre Einwilligung gegeben. Es gibt allerdings ein reizendes älteres Paar, das sich tapfer dagegen wehrt, und ich glaube, ich konnte auch meine Mutter zur Vernunft bringen. Na ja, soweit es möglich ist, meine Mutter zur Vernunft zu bringen.«
»Verstehe. Und dieses ältere Paar ist nicht auf das Geld angewiesen?«
»Nein«, sage ich und sehe ihn an, als wäre er dämlich. »Es gibt wichtigere Dinge als Geld.«
»Tut mir leid, Grace. Ich hatte nicht die Absicht …«
»Nein … es ist nur … es ist einfach schrecklich. Schrecklich.«
»Manche Menschen denken leider nur an ihren Profit.«
»Ich weiß«, seufze ich.
»Grace, das tut mir wirklich leid«, sagt er freundlich. »Ich habe meine Mutter verloren. Ich wüsste nicht, was ich täte, wenn man ihr Grab überbauen wollte.«
Ich nicke, belasse es aber dabei. Besser, sich nicht auf diese hitzigen Gespräche über tote Eltern einzulassen.
John lächelt, als würde er verstehen, und ich lächle zurück. Ich habe nicht einmal Lust, gemein zu ihm zu sein. Er beugt sich über den Tisch und nimmt meine Hand. Das erinnert mich an seine Umarmung, kurz nachdem ich mich draußen vor dem Italiener übergeben hatte. Seine großen, feinen, Badminton spielenden Hände und Arme haben etwas an sich, das nicht so abstoßend ist, wie ich erwartet hätte. Obwohl, um die Wahrheit zu sagen, Posh Boy scheint nicht sehr begeistert zu sein von unserer Berührung. Tatsächlich rümpft er die Nase, und nun zieht er seine Hand weg und wischt sie an einer Serviette ab.
»Oh, sorry. Habe ich noch Soße an den Fingern?«
»Bah!« Er nickt. »Ich kann gebackene Bohnen nicht ausstehen.«
»Wie kann man keine Bohnen mögen?«
»Ich bin einfach kein Fan von Bohnen, obwohl ich eine Vorliebe für Kichererbsen habe.«
»Oh«, sage ich und muss unwillkürlich an mein Dilemma denken. »Momentan habe ich es nicht so mit Kichererbsen.«