Blois, 1589
Es ist vorbei. Wie mir der alte Maestro vor so vielen Jahren voraussagte, habe ich mein Schicksal erfüllt. Schon steigt das Fieber, und mein Herz flattert. Bald wird mein Hofstaat kommen, um sich zu verabschieden. Mein Sohn wird bei mir sitzen und mir die Hand halten, während meine Damen weinen. Die Wache kann beginnen.
Ich habe meinen letzten Brief an Henri versiegelt. Darin erinnere ich ihn daran, dass der Weg zum Frieden jetzt klar vorgezeichnet ist. Wenn er ein Abkommen mit seinem bourbonischen Cousin trifft, wird Navarra seine Sicherheit und Frankreichs Zukunft garantieren. Er wird Henri regieren lassen, bis die Zeit kommt, selbst den Thron zu besteigen.
Jetzt aber muss ich meine Bücher schließen. Lucrezia weiß, was sie zu tun hat; das ist meine letzte Pflicht, mein letztes Opfer. Ich muss meine Geheimnisse mit mir ins Grab nehmen. Doch wie widerstrebend ich diese von den Jahreszeiten eines Lebens ausgebleichten Lederbände zurücklasse! Mich von ihnen zu verabschieden, heißt, endgültig alles aufzugeben, was ich geliebt und verloren habe.
Dies ist die letzte Seite meiner Bekenntnisse.
Ich mische die noch verbliebenen Tropfen der Gabe des Maestro mit meinem Mohntrunk. Der Inhalt des Fläschchens ist trüb, zerbrechlich, doch trügerisch hart. Während ich das Pulver von den Seiten kratze und in meinen Kelch stäube, wundere ich mich darüber, welche Macht ein so kleiner Gegenstand entfalten kann. Nur noch ein winziger Rest ist übrig. Nach seinem jahrzehntelangen Winterschlaf hat er nicht mehr die Kraft, mich auf der Stelle zu töten, aber kann vielleicht meinen Übergang beschleunigen.
In der heranziehenden Dunkelheit schließe ich die Augen und beschwöre zum letzten Mal die Vision von Navarra herauf, wie er, das Barett mit der weißen Feder auf dem Kopf, im Sattel seines schwarzen Schlachtrosses thront. Unter dem dichten kupferfarbenen Bart drückt sein wettergegerbtes Gesicht Entschlossenheit aus. Ich verfolge, wie der Page auf ihn zustürzt und erklärt: »Paris wird sich nicht ergeben!«, und sehe Ungeduld in Navarras Augen aufblitzen. Diesmal muss ich nicht angestrengt lauschen, um seine Antwort zu verstehen; in der Vergänglichkeit der Gegenwart geht mir das Versprechen für die Zukunft nicht verloren.
Ich sehe ihn den Kopf zurückwerfen und lachend antworten: »Sie weigern sich, wie? Na gut, dann muss ich ihnen geben, was sie wollen. Schließlich ist Paris eine Messe wert!«
Ich seufze. Das ist es allerdings.
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