8
Im Herbst zogen wir in die Burg von Saint Germain am Rande von Paris. Aus Backstein erbaut, mit dem Emblem des Königs – ein Salamander in Flammen – auf steingemeißelten Wappenschilden geschmückt, war sie kleiner und trutziger als Fontainebleau, und ich verstand, wieso sie weniger nach François’ Geschmack war als sein luftiges Château an der Loire. Ich freute mich darauf, die Stadt zu besuchen. Ich hatte viel von Paris und all seinem Luxus gehört, den Kaufleute aus der ganzen Welt herbeischafften. In der Hoffnung, ein Schwert aus Toledo zu finden, das ich François zu Weihnachten schenken könnte, schlug ich den Prinzessinnen einen Ausflug auf den Marktplatz vor.
Madeleine seufzte. »Papa hat uns verboten, das Schloss zu verlassen. Er sagt, Paris ist nicht sicher.«
»Pah!«, spottete Marguerite. »Papa ärgert sich bloß, dass er den ganzen Tag in der Ratsversammlung hocken muss, statt jagen zu gehen oder noch ein Schloss zu bauen. Ich finde, das ist eine großartige Idee. Wir können uns verkleiden und wieder zurück sein, ehe jemand etwas merkt.«
»Wieso nicht die Händler stattdessen ins Schloss kommen lassen?«, meinte Madeleine. »Sie werden uns ihre besten Waren bringen, und wir brauchen nicht wie die Mägde durch den Straßenkot zu stapfen.«
Marguerite verdrehte die Augen. »Weil sie ihre Preise dann verdreifachen, und außerdem wird jeder am Hof sofort wissen, dass Cathérine ein Schwert für Papa gekauft hat, noch ehe es bezahlt ist.«
Madeleine schien in sich zusammenzuschrumpfen. »Also, ich traue mich nicht. Was da alles passieren kann!«
»Dann bleib hier. Aber wehe, du verpetzt uns!«
Ich verabredete alles mit Marguerite, und an dem Tag, den wir für den Ausflug gewählt hatten, gingen wir wie üblich zum Unterricht. Danach, in der Stunde, die für Musik oder Brettspiele vorgesehen war, wollten wir uns heimlich fortstehlen. Ich konnte mich nicht konzentrieren, während der Lehrer vor sich hin dozierte und Marguerite mir mit unterdrücktem Kichern komplizenhafte Blicke zuwarf. Wir hatten Umhänge, Überschuhe und eine Börse voller Münzen hinter dem Vorhang auf der Fensterbank versteckt. Alles war für unser Abenteuer vorbereitet.
Die Tür sprang auf, und die Duchesse d’Etampes kam hereingefegt. Der Lehrer japste vor Schreck. Als die Prinzessinnen und ich uns verwundert erhoben, sagte sie: »Seine Majestät hat befohlen, dass sich alle in ihre Gemächer zurückziehen. Die Burg steht unter strengster Bewachung. Vorerst darf niemand herein oder hinaus.«
Obgleich ihre Stimme keine Unruhe verriet, hatte ich sie noch nie so blass gesehen. Wir rafften unsere Sachen zusammen und schickten uns zum Gehen an; mich hielt sie an der Tür zurück. »Ihr nicht, Cathérine«, sagte sie. »Der König möchte Euch jetzt gleich bei sich sehen.«
Madeleine und Marguerite warfen mir erschrockene Blicke zu; erst da bekam ich es mit der Angst zu tun. Was war geschehen, dass der König das Schloss abriegeln und nach mir rufen ließ?
Während Madame d’Etampes und ich zu den königlichen Gemächern gingen, trafen wir in den Korridoren auf wispernde Höflinge, die meinem Blick auswichen. Meine Angst nahm immer mehr zu.
»Madame«, stammelte ich, »habe ich etwas falsch gemacht?« Ich fragte mich, ob es etwas mit meiner Ehe zu tun hatte, ob François von Henris Ablehnung meiner Person zermürbt war und beschlossen hatte, mich fortzuschicken. Mit dieser Furcht lebte ich nun schon seit Monaten. Ich wagte kaum zu atmen, als sie in die Falten ihres Kleides griff und ein zerknittertes Papier hervorzog, das nach billiger Tinte roch.
Darauf stand zu lesen: Die Missbräuche der papistischen Mes se, die im Widerspruch zum Letzten Abendmahl unseres Herrn Jesu Christi steht: Die Kirche von Rom und ihre Priester sind Göt zendiener, den Lehren unseres Heilands abtrünnig. Verbrennt eure heidnischen Götzenbilder und nicht jene, die der Wahrheit unseres Herrn anhängen.
Ich sah zu ihr auf. Sie zog eine Grimasse. »Das ist ein Hugenotten-Traktat. Sie waren so unverschämt, letzte Nacht, als alle schliefen, ihre Pamphlete im Schloss auszulegen. Sie werden wohl irgendwelche von der Dienerschaft bestochen haben, die ihren Ketzerglauben teilen; François hat solche Zettel sogar in seinen privaten Gemächern gefunden. Er ist außer sich. Vorige Woche musste er vierundzwanzig von diesen Hugenotten festnehmen lassen, die dabei erwischt wurden, wie sie Exemplare von Calvins Institutes druckten. Darum sind wir in dieses Pestloch von Stadt gekommen: François muss ein Exempel statuieren, dass die Ketzerei in Frankreich nicht geduldet wird.«
Also war es, wie Coligny gesagt hatte: François war gezwungen worden, sich dem zu stellen, was er so lange versucht hatte zu ignorieren. Offenbar gab es Hugenotten auch am Hof; ich hatte gedacht, ich könnte sie an ihrem Äußeren erkennen, doch sie fügten sich wohl ebenso ein wie alle anderen, so gut getarnt und zahlreich, dass sie diese Pamphlete hatten verteilen können. Ich wusste immer noch nicht, was ich von ihnen halten sollte, auf keinen Fall aber wollte ich, dass sie den König verärgerten oder das Reich mit ihrem Irrglauben in Aufruhr versetzten.
»Sie haben ihn provoziert«, seufzte die Herzogin. »Der Arme, er hat es immer vorgezogen, so zu tun, als sei sein ganzes Reich im römischen Glauben verankert und als gäbe es keine Protestanten.« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist alles so ärgerlich. Ich weiß nicht, was sie mit ihrem Trotz erreichen wollen. Es ist ja nicht so, dass es den Lutheranern in den Niederlanden oder in Deutschland besser erginge. Im ganzen Habsburger Reich herrscht Chaos – und das alles nur wegen dieser sogenannten neuen Religion.«
»Aber das hier ist doch nur ein Pamphlet«, hörte ich mich sagen. »Papier und Tinte können doch keinen Schaden anrichten …«
»Cathérine«, unterbrach sie mich, »mischt Euch da bloß nicht ein. François braucht Zeit, bis sein Zorn sich legt. Und Ihr habt Wichtigeres zu bedenken.« Sie sah mich prüfend an. »Die Botschaft ist eingetroffen, dass Seine Heiligkeit, Euer Onkel, gestorben ist.«
Ich vernahm die Nachricht ungerührt. So war Papa Clemens nun tot. Ich hätte wohl Trauer empfinden sollen, da er das letzte Bindeglied zu meiner Vergangenheit gewesen war, doch alles, was ich fühlte, war Erleichterung. Jetzt war ich frei. Nie mehr würde ich seine Intrigen und seinen Einfluss auf mich erdulden müssen. Endlich konnte ich mit Leib und Seele Französin sein und die Identität annehmen, die ich mir selbst geschaffen hatte.
Dann hörte ich sie sagen: »Meine Liebe, ich kann mir denken, wie niedergeschlagen Ihr seid. Euer Onkel ist dahin, und Ihr bleibt mittellos zurück, ohne Eure Mitgift.«
»Meine Mitgift?«, fragte ich verwundert. »Aber wurde sie dem König nicht bei meiner Hochzeit überlassen?«
»Nein, Euer Onkel hat viel versprochen, aber nie das Dokument unterzeichnet, das François das Recht auf Mailand einräumt. « Sie seufzte. »Ich wünschte, ich könnte Euch helfen, doch ich fürchte, nur Ihr allein könnt Euch jetzt noch retten.«
Ich blickte zu ihr auf. Das Unheil, das ich gefürchtet hatte, war nun da, und ich musste ihm gegenübertreten. Ich dachte an die Belagerung von Florenz und wie ich darum gekämpft hatte, am Leben zu bleiben, selbst als man mich meiner Tante entriss. Wenn ich das überlebt hatte, konnte ich dies hier auch überleben. Und dennoch zitterte ich, als die Herzogin mich schweigend die Korridore hinab zu der eichenen Flügeltür geleitete, hinter der die Gemächer des Königs lagen.
Ich trat in seinen Arbeitsraum. Die Vorhänge waren zugezogen, sodass es dämmrig war; doch selbst in dem tiefen Schatten sah ich, dass er fahl und erschöpft wirkte von den Widrigkeiten der letzten Wochen. Er deutete auf einen Stuhl. »Setz dich, mein Kind.« Ehe ich es mich versah, hörte ich mich sagen: »Ich weiß, dass mein Onkel Eure Majestät betrogen hat. Ich kann keine Entschuldigung für sein Verhalten vorbringen, um für den Schaden, den er angerichtet hat, Abbitte zu leisten. Ich bitte Euch um Vergebung, dass die Niedertracht meiner Familie das große Vertrauen besudelt, das Ihr mir entgegengebracht habt.«
Er stand still da und blickte mich an. Dann kam er durch den Raum auf mich zu, hob mein Kinn an und sah mir tief in die Augen. »Viele am Hof sagen, ich hätte dich nackt wie ein Neugeborenes aufgenommen, und im Tausch gegen die verlogenen Versprechen der Medici hätte ich meinem Sohn eine unfruchtbare Mauleselin aufgehalst.«
Er sagte es ohne Groll, als reine Feststellung, und doch trafen seine Worte mich wie Nägel. Ich zuckte nicht mit der Wimper. Ich hielt seinem Blick stand und sagte: »Sie haben unrecht. Zwar habt Ihr mich wahrhaftig nackt wie ein Neugeborenes aufgenommen, doch die Liebe, die ich für Euch hege, ist tausend Schatztruhen wert. Ich würde lieber sterben, als Euch oder Frankreich zu Schaden kommen sehen.«
Lange verharrte er reglos. Dann gluckste ein leises Lachen in seiner Kehle. »Ja, ich weiß wohl, wenn es nach dir ginge, hättest du mir ganz Italien zu Füßen gelegt.«
»Ganz recht«, entgegnete ich, »aber das kann ich nicht, doch ich schwöre Euch, ich werde Euer Vertrauen nicht enttäuschen. Komme, was wolle, ich werde Euch Enkel gebären.«
Ein Lächeln zog sich über seine bleichen Lippen. Er streichelte mir die Wange, und die Art, wie seine Finger meine Haut berührten und seine Augen feucht wurden, ging mir durch und durch.
»Ach, mein Kind«, murmelte er. »Wie hätten wir uns früher das Leben versüßen können. Was für ein grausamer Schelm das Leben doch ist, dass wir erst zusammengekommen sind, da ich mich im Winter meiner Jahre befinde und du erst in deinem Frühling erblühst.«
Ich wandte die Augen nicht ab. Ich betrachtete seine schlaffe Haut, die spröden weißen Haare in seinem Bart, dann streckte auch ich die Hand aus und legte sie ihm an die Wange. »Ob Schelm oder nicht«, sagte ich sanft, »so konnte das Schicksal uns doch nicht getrennt halten. Ich bin jetzt hier, mein König. Und hier möchte ich bleiben.«
Er schloss mich in die Arme. »Ach, meine Cathérine, dein Onkel hat uns beide grausam ausgenutzt, aber du hast recht, wenigstens hat er uns zusammengebracht. Ich würde dich für nichts auf der Welt eintauschen, nicht einmal für Mailand.« Wieder schmunzelte er. »Gott erspare mir eine solche Wahl.« Er lockerte seine Umarmung. »Du brauchst dich nicht zu fürchten. Solange ich am Leben bin, wirst du immer einen Platz hier haben.«
Ich ließ mich an seine Brust sinken. »Ich werde mein Versprechen nicht vergessen«, sagte ich, und er entgegnete: »Ich weiß. Es gibt viele Wege, unsere Wünsche zu erfüllen, ma petite. Denk daran, denn es wird dir nützen.«
Kurz vor der Fastenzeit hörte ich zu meiner Freude von der Ankunft der Ruggieri-Brüder, die mir einen Brief gesandt hatten, in dem sie mich baten, ihnen zur Flucht aus Florenz zu verhelfen. Ich hatte ihnen Geld für die Überfahrt geschickt und für sicheres Geleit gesorgt, und ich begrüßte sie mit offenen Armen in meinen Gemächern, umringt von meinen Italienerinnen. Ihre Begeisterung, ihre Fragen und Tränen offenbarten, wie sehr mein Gefolge unter Heimweh litt; die Ankunft von Landsleuten war stets ein Grund zum Feiern.
Der achtzehnjährige Carlo war ein kräftiger junger Mann geworden, gestählt von den Widrigkeiten des Lebens. Er wirkte weit gesünder als Cosimo, der jetzt dreizehn war, aber jünger aussah und so geschwächt von der Reise war, dass er auf meinem Bett einschlief, sobald er eine Tasse Brühe getrunken hatte.
Meine Damen bereiteten ein Mahl aus toskanischem Käse, Sieneser Oliven und Wein, all den Geschenken der Ruggieris. Beim Essen fragte ich Carlo nach Florenz aus.
»Madama, die Florentiner rühmen Euch sehr. Sie sagen, Ihr habt den Namen der Medici wieder reingewaschen durch Eure Würde und Eure hohe Stellung hier in Frankreich.«
Seine Worte wärmten mir das Herz. Obwohl ich dort nichts hinterlassen hatte, freute mich der Gedanke, dass Italien sich meiner noch entsann. Dann sah ich Carlo zu Boden blicken und sagte leise: »Du verschweigst mir doch etwas. Was ist es? Du kannst dich mir ruhig anvertrauen.«
»Es ist Cosimo. Er hat viel gelitten. Er war ganz gebrochen, als Papa während der Belagerung erkrankte und starb. Ich dachte, er würde sich nie davon erholen.«
Ich nickte betrübt, in Gedanken an das letzte Mal, da ich den alten Maestro in seiner Dachbodenkammer gesehen hatte, umgeben von den Requisiten seines Metiers. Sein Tod kappte noch ein Verbindungsglied zu meiner Vergangenheit, und ich hob unwillkürlich die Hand zur Brust, wo unter dem Hemd die kleine Phiole hing, die er mir gegeben hatte.
Carlo fuhr fort: »Die Obrigkeit konfiszierte unser Haus; man hat uns alles genommen. Wir mussten in den Straßen betteln gehen, bis sie in einem der Klöster Erbarmen mit uns hatten und uns aufgenommen haben. Die Schwestern ließen uns ihre Gärten pflegen und halfen uns, den Brief an Euch zu schicken.« Er seufzte. »Wir haben nur noch die Kleider, die wir am Leibe tragen, und Papas Pergamentrollen. Cosimo hat sie immer mitgeschleppt. Papa hat ihm gesagt, dass er eine Gabe hat. Ich habe mich nie um diese Dinge gekümmert. Ich will zur See fahren, nicht bloß noch ein Jude sein, der Kleinkram verhökert. Aber Cosimo will lernen. Nur wird er Euch nicht wirklich dienen können …«
»Carlo!«
Wir blickten auf. Cosimo stand im Türrahmen, in einen meiner Schlafröcke gewickelt, die braunen Haare wirr um den Kopf. Er funkelte uns an. »Ich kann ihr dienen. Ich weiß genug, um meinen Unterhalt zu verdienen.«
»Cosimo, sie ist jetzt eine französische Prinzessin. Kurpfuscher und Pillendreher hat sie dutzendweise.«
»Warte.« Ich winkte Cosimo heran. Er schlurfte schmollend über den Teppich, wie der freche Bengel, der er gewesen war, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Ich schenkte ihm Wein ein, häufte ihm einen Teller mit Gebratenem voll. Er setzte sich auf den Boden und aß mit der Gier desjenigen, der nie den Hunger vergessen würde. Als er fertig war, sagte ich: »Erzähl mir von deinem Plan.«
»Ich kann Euch als Heiler dienen«, sagte er, mit einem finsteren Blick zu Carlo. »Ich kann Parfüms und Emulsionen und Tinkturen herstellen. Ich kenne mich mit Kräutern aus, und was ich nicht weiß, kann ich lernen.«
»Tatsächlich?« Ich war belustigt von seiner Ernsthaftigkeit. »Ich könnte zufällig einen geschickten Kräuterheiler brauchen, aber es gibt niemanden am Hofe, bei dem du in die Lehre gehen könntest.«
Cosimo erhob sich wortlos und ging ins Schlafgemach zurück. Als er wiederkam, trug er ein Lederbündel, das an beiden Enden zugeschnürt war. Er schob meinen Teller beiseite und legte das Bündel vor mir ab, schnürte es auf und offenbarte ganze Stapel von Pergamenten, die mit seltsamen Schriftzeichen und Symbolen bedeckt waren.
»Die haben Papa gehört. Ich studiere sie seit Monaten, in jeder freien Stunde. Hier sind Geheimnisse und okkultes Wissen aufgezeichnet. Ich kann alles lernen, was ich wissen muss. Sonst brauche ich nichts.«
Der Raum war von so tiefer Stille erfüllt, dass ich mein eigenes Herz schlagen hörte. Ich entsann mich der Worte des Maestros: Ihr werdet Euer Schicksal erfüllen. Carlo blickte mich an, ohne etwas zu begreifen, doch als ich Cosimo ansah, wurde mir klar, dass er wusste, was in mir vorging. Seine Macht umgab uns in einer Weise, die kein anderer spüren konnte.
»Ich kann Euch helfen«, hörte ich ihn sagen, obwohl seine Lippen sich nicht bewegten. »Ich kann Euren Mann dazu bringen, dass er sich in Euch verliebt.«
Das Einvernehmen verflog. Ich unterdrückte den Impuls, mir die Arme zu reiben; ich fror wegen des Auflebens meiner eigenen Gabe. Cosimo besaß die Gabe ebenfalls. Doch während ich sie vernachlässigte, hatte er sich ihr mit Leib und Seele ergeben. Was könnte ich mit ihm an meiner Seite nicht alles erreichen! Wenn wir zusammenarbeiteten, würde es dann nicht leicht sein, Henri wieder in mein Bett zu locken, damit ich ein Kind empfangen konnte? Ich freute mich nicht darauf, diesen erniedrigenden Akt noch mal erdulden zu müssen, aber ich musste Kinder bekommen, damit der Hof mich nicht für unfruchtbar hielt.
Cosimo wandte sich ab, ein ausgemergelter Jüngling, der nichts an sich hatte, was ihn besonders hervorhob. Während er seine Pergamente zusammenpackte, sagte Carlo: »Hat er es getan? Hat er versucht, Euren Geist zu umnebeln?«
»Ja«, sagte ich, überrascht, dass er es bemerkt hatte. »Woher wusstet du das?«
»Er tut es dauernd. Er sollte Schauspieler sein, nicht Kräuterheiler. «
»Er ist außerordentlich begabt. Ich werde ihn zu meinem persönlichen Astrologen machen und ihm ein Haus in Paris kaufen, wo er sich seinen Studien widmen kann.« Ich blickte Cosimo an. Er erwiderte meinen Blick, die Augen groß und glutvoll in dem hageren Jungengesicht. Dann sagte ich zu Carlo: »Und du, mein Freund, wirst in der Marine unter dem Banner Seiner Majestät dienen. Ich selbst werde« – Carlo hatte meine Hand ergriffen und bedeckte sie mit Küssen – »morgen mit dem König sprechen und ihn bitten, dir einen Posten zu gewähren.«
Danach ging ich zu Bett, um Mittagsruhe zu halten. Doch hinter den Wänden und Türen schien Cosimo nach mir zu greifen. Es fühlte sich wild und gefährlich an und unendlich verlockend.
Ich besorgte Carlo den Posten in der Königlichen Marine und ließ Birago diskret ein Haus an der Seine für Cosimo erwerben, ein hübsches Haus mit einer eigenen Anlegestelle.
Ich war siebzehn Jahre alt und hatte meine erste Krise in Frankreich überstanden. Keiner außer Birago und Lucrezia wusste, dass ich mich davonstahl, um Cosimo zu besuchen. Ich legte die Parfüms und Salben auf, die meinen Mann anlocken sollten, und las Bücher über Kräuterkunde, um zu lernen, wie man Blütenblätter zu einer Paste zerrieb, die dann in Duftöl über einem Dreifuß gekocht wurde.
Marguerite erbot sich, mir zu assistieren. Wir verbrachten Stunden damit, klumpige Salben und stinkende Parfüms auszuprobieren, bei weit geöffneten Fenstern, um den Rauch vom Kohlebecken abziehen zu lassen; uns tränten die Augen, und unsere Gesichter glühten in der Hitze, während wir uns über den Topf beugten. Marguerite strich mir meine Mixturen auf, bis sie anfingen zu brennen, dann holte sie feuchte Tücher und versuchte, die ätzenden Substanzen wieder abzuwischen, bevor ich in Flammen aufging. Sie hatte keine Ahnung, dass mir jedes Mal, wenn wir wieder nicht das ersehnte Aphrodisiakum fanden, zum Heulen zumute war. Sie hielt mir die Hände, wenn meine Haut Blasen warf, und ich grummelte, dass ich den Rest der Woche wieder ein hochgeschlossenes Kleid würde tragen müssen. »Versuchen wir es noch mal, aber mit mehr Lavendel«, schlug sie dann vor, und wieder beugten wir uns über den dampfenden Topf.
Wie hätte ich wissen können, dass keine Rosentinktur der Welt die ersehnte Liebe würde herbeizaubern können?
Nach Wochen der sinnlosen Experimente saß ich in mürrischem Schweigen beim abendlichen Bankett, mit einem gerüschten Kragen über meinem neuesten Ausschlag. Der Hof trieb seinen gewohnten Schabernack, das trunkene Gelächter gellte mir in den Ohren; ich beneidete sie alle um ihren Frohsinn, ihre albernen Rivalitäten und Eitelkeiten, denn mir schien nichts als eine trostlose Zukunft beschieden. Ich wollte nur noch, dass das Fest zu Ende ging, damit ich mich in meine Gemächer zurückziehen und die Wände anschreien konnte.
Auf einmal wurde es still im Saal. Die Köpfe neigten sich zueinander, jemand ächzte hörbar auf. Ich erstarrte.
Henri erschien oben an der Treppe, in dramatisches Schwarz und Silber gewandet. Ich starrte auf die schmucken Strumpfbänder, die seine muskulösen Schenkel umschlossen; mein Blick glitt an den Pumphosen hinauf zu seiner Brust, wo er eine juwelenbesetzte Brosche in Halbmondform trug.
Der König und die Herzogin waren dabei, ihre Runde zu machen. François hielt inne, als er seinen Sohn bemerkte, und auf seinem Antlitz malte sich die Überraschung darüber, dass Henri ausnahmsweise einmal dem Anlass entsprechend gekleidet war. Mir klopfte das Herz; ich spürte das nahende Desaster wie eine dunkle Wand. Fahrig nach dem Becher tastend, stieß ich ihn um. Ich sprang auf und raffte meine Röcke, wich der tropfenden Bescherung aus.
In dem Moment trat eine Frau aus dem Schatten hinter Henri hervor. Zusammen stiegen sie die Treppe in den Saal hinab, ohne sich zu berühren, doch in unverkennbarem Einklang.
Sie glitt dahin, als ob ihre Füße den Boden nicht berührten. Ihr aschblondes Haar war von der schmalen Stirn zurückfrisiert, die schlanke Gestalt zur Geltung gebracht durch ihre schwarz-weiße Robe, die perfekt mit Henris Aufmachung harmonierte. Sie trug keine Juwelen, außer der gleichen Halbmondbrosche auf der Brust, welche die Blicke aller Höflinge wie ein Magnet anzog, als sie an die Seite meines Ehegemahls trat.
Ich starrte sie entsetzt an. Sie war wie eine Marmorstatue, die zum Leben erwacht war, eine reife Frau auf der Höhe ihrer Macht, ihrer Wirkung auf andere nur zu gewiss. Ich hatte mir eine rundliche, anschmiegsame Gouvernante vorgestellt; eine Person mit angemalten Lippen und gefärbtem Haar. Und als ob sie meine Gedanken hätte hören können, hob sie die Augen zu mir. Ein Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. Es war ein Lächeln, wie ich noch nie eins gesehen hatte, spöttisch, triumphierend, das sich bis auf den Grund meiner Seele bohrte, wo Furcht und Neid herrschten.
Ich raffte meine Röcke und floh aus dem Saal, hörte nicht auf zu rennen, bis ich in meine Gemächer stürzte, wo meine Damen kreischend von ihren Schemeln aufsprangen.
Lucrezia kam zu mir. »Was ist, Herrin? Ihr seht aus, als hättet Ihr ein Gespenst gesehen.«
»Diese … diese Frau. Diane de Poitiers. Sie ist hier im Saal.« Als ich ihren Namen aussprach, war mir, als würde der üble Geschmack für immer in meinem Mund bleiben. »Dio mio, sie ist nicht alt. Sie ist nicht hässlich.« Ich stützte die Hände auf den Frisiertisch, sah meine langen Finger mit ihren bemalten Nägeln, beladen mit Ringen. Ich blickte auf, und das Gesicht, das mir aus dem Spiegel entgegenblickte, war das einer Fremden – eine pausbäckige Italienerin, auf Französin geschminkt, die am Hofe nur durch königliches Wohlwollen geduldet war.
»Geht«, wisperte ich. »Alle. Lasst mich allein.«
Die kleine Anna-Maria hastete hinaus. Lucrezia blieb. »Ihr dürft Euch das nicht gefallen lassen. Ihr seid Cathérine de Medici, Duchesse d’Orléans. Wer ist sie denn, außer die Hure Eures Gatten?«
Ich atmete tief durch, um meine Wut zu bezwingen. »Ja«, hörte ich mich sagen, mit einer Stimme, die nicht wie meine klang. »Wer ist sie schon? Ein Niemand! Die Witwe eines kleinen Hofbeamten, eine ehemalige Gouvernante. Mein Urgroßvater war Lorenzo de Medici, Herrscher über Florenz; meine Verwandtschaft saß auf dem Thron von Sankt Peter.«
Ich wandte mich zu Lucrezia um. »Und dennoch wagt sie es, ihr Gesicht bei Hof zu zeigen; sie wagt es, an der Seite meines Gemahls in den Saal zu treten und mich anzusehen, als wäre ich ihre Dienerin.«
»Vielleicht hat sie Angst. Vielleicht wird ihr jetzt bewusst, wie viel sie verlieren kann.«
»Angst?« Ich lachte zornig auf. »Vor mir?«
»Ja. Ihr seid seine Ehefrau; eines Tages werdet Ihr ihm Söhne gebären. Sie hat ihm nichts zu bieten außer ihrem Körper, und sie weiß, das kann nicht ewig dauern. Sie mag noch jung aussehen, aber sie ist es nicht, und sie ist auf seine Treue angewiesen. Eine Frau wie sie kann leicht verstoßen werden. Das passiert jeden Tag.«
Ich schwieg. So hatte ich das noch nicht gesehen. Die Frau musste schon über vierzig sein; schließlich hatte sie bereits Kinder geboren, war Witwe geworden. Sie musste auch wissen, dass ich das Wohlwollen des Königs genoss; dass François mich trotz meines Mangels an Nachkommen nicht fortschickte. War sie deswegen in der Öffentlichkeit erschienen, in die gleichen Farben wie Henri gekleidet, wie ein Ritter und sein Ritterfräulein von anno dazumal? Hatte sie endlich begriffen, dass sie alles verlieren konnte, wenn sie nicht allmählich Zugeständnisse machte?
»Das ist es«, hauchte ich. »Der König hat Henri rufen lassen, und sie ist mitgekommen. Sie weiß, dass Henri seine Pflichten nicht länger vernachlässigen kann, nicht einmal ihr zuliebe. Sie hatte keine andere Wahl.« Ich wedelte mit der Hand. »Schnell, hilf mir, mich umzukleiden. Er wird bald hier sein.«
Lucrezia entledigte mich meiner Robe und half mir in mein Nachtgewand. Während sie im Nebenraum Wache hielt, bürstete ich mir das Haar, bis es in langen Locken herabfiel. Ich lockerte mein Dekolleté, wog meine Brüste in den Händen und kitzelte die zimtfarbenen Brustwarzen, damit sie sich aufstellten. Ich musterte meinen Körper, als ob er eine Ware sei – die Beine wohlgeformt, die Waden straff vom Reiten, die Fesseln schmal genug, die Schenkel prall.
Ich lächelte meinem Spiegelbild zu. Auch wenn ich nicht stattlich war wie sie, so war ich doch gut gebaut und jung. Sie klammerte sich an den letzten Rest ihrer Jugend, während meine sich vor mir dehnte wie ein fruchtbares Feld.
Es klopfte an der Tür. Ich band den Gürtel meines Schlafrocks zu und setzte ein erwartungsvolles Lächeln auf, als Henri eintrat. Er blieb stehen, als zweifele er, ob er willkommen sei.
»Mein Gemahl, was für eine unerwartete Freude.« Langsam ging ich zur Anrichte und schenkte Wein ein. Er nahm den Becher, den ich ihm reichte, mit einer Unbeholfenheit, die mich fast zum Lachen brachte.
Er räusperte sich. »Wir müssen reden«, begann er, und ich nickte und ließ mich anmutig auf meinen Sessel gleiten. Er betrachtete mich lange, ehe er herausplatzte: »Mein Vater hat nach mir geschickt. Er fordert, dass wir ein Kind zeugen. Es sei von äußerster Dringlichkeit, sagt er, angesichts der schwächlichen Konstitution meines Bruders, des dauphin.«
Ich verriet meine Überraschung nicht. Obgleich er hier war, wie ich gehofft hatte, war mir nicht bewusst, wie es um den dauphin stand, der schwache Lungen hatte so wie Madeleine. Er war so unsichtbar am Hofe – beschränkte sich auf seinen eigenen Haushalt und Zeitvertreib –, dass ich seine Existenz manchmal ganz vergaß.
Henri ging ruhelos auf und ab, den Becher in der Hand. »Die Leibärzte meines Vaters geben ihm nicht mehr lange, also müssen wir beide die Thronfolge sichern.« Er nahm einen langen Schluck und wandte sich dem Krug zu, um den Becher erneut zu füllen. Ich sah, dass seine Hand zitterte.
Ich saß still und verbarg meinen Schock. Wenn der dauphin starb, würde Henri den König beerben. Eines Tages würden wir König und Königin sein. Mir schwindelte bei dem Gedanken. So weit hatte ich noch nie vorausgeschaut. Stets und ständig mit der Verteidigung meiner Position bei Hof beschäftigt, hatte ich mir nie überlegt, weshalb François mich eigentlich so standhaft beschützte. Sah er mich schon als Frankreichs zukünftige Königin?
Gerade eben war ich aus meinem Inseldasein in die große Welt der Unklarheit hinausgetreten.
Ich hörte Henri sprechen und schreckte aus meiner Geistesabwesenheit auf. Er stand dicht vor mir. »Diesmal werde ich sanfter sein, versprochen.« Ich hob den Blick zu ihm; er lächelte zögernd, und ich merkte, dass er sich schämte. Das letzte Mal hatte er mich absichtlich brutal behandelt, zur Strafe.
Ich stand auf und ging in mein Schlafgemach. Selbst wenn es wehtat, sagte ich mir, würde es ja nicht lange dauern. Und diesmal würde ich ein Kind empfangen und mich des königlichen Vertrauens würdig erweisen. Doch als ich die Bettdecke zurückschlug, empfand ich Furcht und wusste, es hatte nichts mit dem zu tun, was er mir antun würde. Was, wenn es nicht seine Schuld war? Was, wenn alles, was am Hofe getuschelt wurde, stimmte – was, wenn ich tatsächlich unfruchtbar war?
Lucrezia war vorhin durch die Seitentür hereingeschlüpft und hatte den Raum vorbereitet. Eine Kerze brannte am Bett, die Vorhänge waren aufgezogen, Schatten flackerten über die Decke. Als ich das Rascheln von abgelegter Kleidung hinter mir hörte, nestelte ich mit bebenden Händen an meinem Gürtel.
»Cathérine.« Sein Mund war an meinem Ohr. Er fasste mich bei den Schultern und drehte mich um. Mächtig stand er vor mir, die breite Brust mit schwarzen Haaren bedeckt, Arme und Beine muskelbepackt. Er trug nur seine Unterhose. Ich konnte seine Erregung unter dem dünnen Leinen sehen.
Ohne Vorwarnung wallte Hitze in mir auf. Ich versuchte, sie zu unterdrücken. Ich wollte nicht einen Mann begehren, der mich nur als Gefäß für seinen Samen ansah. Ich versuchte, die Wut wieder anzufachen, die ich empfunden hatte, als ich ihn mit seiner Hure sah, die Verachtung für ihn als Schutzwall zu nutzen. Doch nichts von alledem zählte noch, als er mich auf das Bett legte und mir das Nachthemd hochzog, nach und nach meine Nacktheit offenbarend. »Du bist schön«, murmelte er, als ob er es nicht erwartet hätte, und blickte mir in die Augen. Zum ersten Mal in unserer Ehe hatte ich das Gefühl, dass er mich sah, wie ich war, und nicht als die Frau, die er nie gewollt hatte. Hastig zog er die Kordel seiner Unterhose auf, ungeduldig, sich zu befreien.
Er schien unmöglich riesenhaft. Und doch drang er mit solcher Vorsicht in mich ein, dass meine Augen sich mit Tränen füllten und ich dankbar war für das flackernde Licht, das mein Gesicht halb verbarg.
Diesmal schrie ich fast auf vor schmerzvoller Lust, als er mich ganz und gar ausfüllte und mein ganzes Dasein zum Gefühl seiner Bewegung in mir wurde, der immer schnelleren Bewegung, während sein Atem immer heftiger ging und ich ihm die Hüften entgegenbog, um seine Stöße aufzufangen, und meine Hände seine Brust streichelten, sich in dem groben Haar verfingen.
Ein Schauer durchlief ihn. Ich wisperte seinen Namen. Er hielt inne, verharrte angespannt, als sträubte er sich gegen etwas, dann stöhnte er auf und stieß noch tiefer, und ein Beben durchfuhr mich in tausend tanzenden Kreisen, bis auch ich aufschrie und ihm die Finger ins Fleisch grub, die Beine fest um seinen Rücken geklammert.
Er ließ sich keuchend an meine Seite fallen. Ich krampfte die Muskeln zusammen und hoffte mit aller Kraft, sein Samen möge in mir anwachsen. Als ich mich zu ihm umwandte, am ganzen Leibe pulsierend, stand er vom Bett auf. Ich hörte ihn seine Kleider auflesen und Hose und Wams mit solcher Hast anziehen, dass ich mich schämte.
»Bleib bei mir heute Nacht«, flüsterte ich.
»Das kann ich nicht«, entgegnete er sanft.
Ich fuhr auf. »Warum? War ich Euch nicht angenehm?«
Er wandte die Augen ab. »Doch … das wart Ihr. Seid Ihr. Aber ich werde woanders erwartet.«
Ich konnte meinen Zorn nicht zurückhalten. »Es ist diese Frau, nicht wahr? Ihr verlasst mich für sie. Bedeutet sie Euch so viel, dass Ihr mich vor dem ganzen Hof demütigen würdet? «
»Sie bedeutet mir alles.« Er begegnete meinem Blick mit ernster, fast trauriger Miene. »Ich will Euch nicht wehtun. Aber Ihr müsst hinnehmen, was ich geben kann und was nicht. Sobald Ihr ein Kind habt, wird es Euch nicht mehr so schwerfallen. Ihr werdet stattdessen unseren Sohn lieben.«
Ich ließ die Hände auf den Bauch sinken und spürte den Schmerz seiner Worte, als ob er mich geschlagen hätte. Ich wollte brüllen, dass es mir immer schwerfallen würde. Ich war diejenige, die seine Liebe verdiente, nicht diese Statue, die ihn in ihrem Bann hielt. Doch ich schwieg, denn ich begriff jetzt, was ich nicht hatte wahrhaben wollen, als ich mir einbildete, ich könnte einen Sinneswandel bei ihm bewirken.
Wenn es nicht sie gewesen wäre, dann eben eine andere. Aber nicht ich. Niemals ich.
Ich wandte mich ab. »Dann geht doch. Geht zu ihr.«
Wortlos verließ er mich und schloss leise die Tür.
Drei Monate später wachte ich mit Krämpfen auf. Ich kroch aus dem Bett und wankte zu meinem Abtritt, voller Verzweiflung, dass meine Monatsblutung zurück war. In letzter Zeit hatte ich solchen Heißhunger, dass ich im Stillen zu hoffen begonnen hatte, ich könnte schwanger sein, nachdem meine letzten Menses nur schwach und sporadisch gewesen waren, lange nicht so heftig wie sonst. Doch als Lucrezia angestürzt kam, um mir beizustehen, durchfuhr mich ein noch bösartigerer Krampf, und ein Blutsturz besudelte mein Nachtgewand. Ich starrte entsetzt auf die grausige Pfütze zu meinen Füßen. Dann gaben meine Beine nach, und mit einem erstickten Ächzen brach ich in die Knie.
Lucrezia vertauschte mein blutiges Nachthemd mit dem Schlafrock und führte mich zu meinem Sessel. Ich stöhnte, hielt mir den Bauch und schwankte. »Nein, lieber Gott, nein …«
Erschüttert sah ich zu, wie Lucrezia das Blut aufwischte und die fleckigen Tücher in den Kamin hängte. Dann wisperte ich: »Keiner darf davon erfahren. Es wäre mein Ende.«
Sie nickte. »Ich werde alles verbrennen, auch das Nachthemd. Ruht Euch jetzt aus.«
»Wie kann ich jetzt ruhen?« Ich zitterte am ganzen Leibe. »Ich werde nie wieder Ruhe finden. Ich habe sein Kind verloren. Was soll ich jetzt machen? Wie kann ich das überleben? «
»Ihr werdet darüber hinwegkommen.« Sie blickte mich unverwandt an. »Ihr seid jung. Viele Frauen verlieren ihr Erstes. Er wird wieder zu Euch kommen. Er braucht den Sohn ebenso wie Ihr.«
Meine Augen füllten sich mit Tränen, während sie die Glut schürte und neues Holz auflegte, um ein Feuer anzufachen, das den Beweis meiner Unfähigkeit zu Asche werden ließ.
Zwei Tage später starb der dauphin.