Gabriel
TIGERIN
Stück Nummer 1 Bon Jovi: »Livin’ on a Prayer«
Ich weiß nicht, was ich zu ihr sagen soll.
Sie hat einen so abgrundtief schlechten
Musikgeschmack.
Deshalb sage ich: »In der Hausordnung steht, dass
es verboten ist, auf der Couch in der Eingangshalle zu
schlafen.«
Aus ihrer Embryohaltung, auf der limettengrünen
Couch in der Eingangshalle liegend, wirft Naomi mir einen ihrer
wilden Blicke zu. Mir würde es nie im Traum einfallen zu glauben,
dass ich solche Blicke bändigen könnte. Ich bin kein Dompteur. Sie
wirkt ziemlich zugekifft, deshalb wird ihr heißer Augenaufschlag
durch den stumpfen Glanz ihrer haselnussbraunen Augen
abgedämpft
»Das meinst du aber jetzt nicht ernst, oder?«,
fragt sie.
»Soll ich dich hochbringen?« Es wäre bestimmt
besser für sie, wenn sie in ihrem eigenen Bett schlafen
würde.
»Bitte lass mich hier weiterschlafen. Ich will
nicht hoch zu meiner Mom.«
Um halb fünf morgens sind auch die letzten
Schlaflosen endlich in ihren Betten verschwunden. Es dauert noch
eine Stunde, bis die Wall-Street-Sklaven durch die Lobby sprinten,
mir ihre Wäsche für die Reinigung über die Theke schieben, damit
sie später vom Wäscheservice abgeholt werden kann, und dann zur Tür
hinaushasten, um Millionen zu verdienen oder zu verlieren - ihre
eigenen oder die von fremden Leuten.
Wenn Naomi auf der Couch liegen bleibt,
vorzugsweise wach, habe ich eine gute Stunde allein mit ihr. Ich
weiß bei Naomi nie, ob sie möchte, dass ich mit ihr ein Gespräch
anfange, oder ob es ihr lieber ist, wenn unser Kontakt auf ein paar
gelegentliche SMS und nicht-zufällig-zufällige Blicke beschränkt
bleibt. Es gibt so viel, was ich über sie wissen möchte, aber nicht
weiß.
»Von mir aus kannst du gern auf der Couch liegen
bleiben«, sage ich zu Naomi. »Aber der Portier-Verhaltenskodex
verpflichtet mich dazu, dich auf die geltende Hausordnung, wie sie
von der Eigentümerversammlung beschlossen wurde,
hinzuweisen.«
Ich kann nicht glauben, dass das wirklich
mein Leben ist. Dass ich nach dem
Verhaltenskodex für Portiers funktioniere. Die
geltende Hausordnung, wie sie von der Eigentümerversammlung
beschlossen wurde. Ich kann es nicht fassen, dass ich solche
Floskeln tatsächlich über meine Lippen bringe.
Naomi hat nie mehr als ein einziges kleines »Danke
schön« zu dem Mix gesagt, den ich für sie gemacht habe. In den all
mein Herzblut geflossen ist.
Ich erkenne natürlich an, dass sich an den
Playlist-Kodex nicht jeder so gebunden fühlen muss wie ich.
Wahrscheinlich glaube nur ich daran.
Sie muss ihn nicht befolgen. Aber noch größer als
mein dringender Wunsch, für sie mehr zu sein als nur der
Nachtportier, ist mein Wunsch - nein, mein Bedürfnis -, von ihr in aller Ausführlichkeit jeden
einzelnen Gedanken mitgeteilt zu bekommen, den sie sich zu jedem
einzelnen Song, jedem einzelnen Künstler, jeder einzelnen Textzeile
gemacht hat: Welche Songs haben ihr gefallen und warum? Welche
Songs hat sie am häufigsten angehört und welche überspringt sie
immer? Und dann die Reihenfolge - hat sie den Fluss meiner
Komposition bemerkt? Hat sie die Übergänge bewundert? Hat sie
gespürt, wie in jedem einzelnen Stück mein Herz pocht und
klopft?
Oder stelle ich einfach nur viel zu viele
Fragen?
Vielleicht hat sie den Mix gar nicht richtig
angehört.
Wenn ich verstehen könnte, warum sie nie etwas zu
meiner CD gesagt hat, sondern mir stattdessen eine eigene Mix-CD
zurückgeschenkt hat, die... um es höflich auszudrücken, eine höchst
zweifelhafte Auswahl von Stücken enthält (eigentlich müsste ich
nämlich sagen »total lahmarschig«), dann könnte ich dieses
Zwischenspiel in unserer kümmerlichen Beziehung einfach
vergessen.
Ich ziehe meine Pförtnerjacke aus und breite sie
wie eine Decke über sie. Sie fröstelt, ich kann die Gänsehaut auf
ihren Armen sehen.
»Das mit Bon Jovi verzeih ich dir nicht«, sage
ich.
Stück Nummer 4 Britney Spears: »(You Drive Me) Crazy«
»Ein super Workout-Song!«, verteidigt sich Naomi.
»Aber wenn du genau wissen willst, warum er auf dem Mix ist, kann
ich darauf nur sagen: weil ich keine große Auswahl hatte. Ich kenn
mich mit Musik einfach nicht so gut aus. Was ich habe, sind fast
alles entweder Songs, die Ely gut findet oder die ich mir
runtergeladen habe, um sie beim Joggen zu hören.«
Kein Seufzer könnte tief genug sein, um meine
Enttäuschung auszudrücken. Naomi, bitte!
»Gabriel!« Kurze Pause, dann richtet sie ihren
Finger auf mich. »Ich mach dich fertig, wenn du über Britney oder
Bon Jovi lästerst. Nicht weil ich die so besonders toll finde. Aber
ich möchte mal wissen, was daran falsch sein soll!«
Nichts ist daran falsch.
Allerdings ist daran auch nichts richtig.
Aber ich schätze ihren Kampfgeist. Naomi darf bei
mir die Tigerin spielen, wann immer sie will.
Stück Nummer 5 Dixie Chicks: »Don’t Waste Your Heart«
Wahrscheinlich ist es Zeitverschwendung, Naomi zu
fragen, wie sie auf die Idee kommen konnte, einen Mix
zusammenzustellen, bei dem die Dixie Chicks auf Britney Spears
folgen - ohne jeden Übergang, ohne einen Song dazwischen.
Wahrscheinlich hat sie an Ely gedacht und nicht an
mich, als sie dieses Stück ausgesucht hat.
Ein zugekifftes, fix-und-fertiges Mädchen, das
sich selbst und seine Jugend verschwendet, zu viel fragen zu
wollen, ist wahrscheinlich sowieso Zeitverschwendung.
Fix-und-fertige Mädchen turnen mich normalerweise
ab - nicht weil sie tatsächlich fertig sind, sondern weil sie
fertig sein wollen -, aber bei Naomi hat ihr vernebeltes Hirn bloß
die normale Selbstkontrolle außer Kraft gesetzt. Vielleicht hat das
was Gutes. Das Mädchen schleppt Probleme mit sich rum, und es ist
bestimmt besser für sie, die wegzureden, anstatt sie wegzukiffen
oder womöglich irgendwann wegzukoksen oder wegzufixen.
Müde und zugekifft beichtet sie mir. »Ich dachte,
Ely würde der Erste für mich sein. Verstehst du? Ist das nicht
idiotisch? Ich hab auf ihn gewartet. Immer hab ich auf ihn
gewartet. Aber er hat nie auf mich gewartet. Mein ganzes Leben lang
nicht. Nie hab ich mithalten können. In der Schule, bei
Verabredungen. Mit Jungs, vor allem mit Jungs. Immer war er
vorne.«
Ich glaube, ich kann verstehen, dass man sich
selber nur noch fertigmachen will, wenn einen der Mensch, den man
sein ganzes Leben lang geliebt hat, nicht nur nicht genauso
zurückliebt, sondern immer und überall überholt.
Ich glaube, ich würde ihr gerne dabei helfen, zu
begreifen, dass es bessere Wege gibt, damit umzugehen.
Stück Nummer 7 Green Day: »Poprocks & Coke«
Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich wissen
will, wie dieser Song sich in ihren Mix geschmuggelt hat.
Ist Naomi ein Fan aus der Prä- oder aus der
Post-Ära? Das heißt, hat ihre Liebe zu Green Day schon mit dem
frühen Album »Dookie« eingesetzt oder hat sie die Band erst für
sich entdeckt, nachdem »Boulevard of Broken Dreams« rauskam?
Naomi gähnt. »Keine Ahnung. Toller Rhythmus für
einen Kiffer-Song.«
»Was?« Das ist ein Sakrileg. Toller Rhythmus,
keine Frage - aber es ist ein Song über Hingabe und
Liebessehnsucht, kein Song, um sich zuzudröhnen. Ich setze mich auf
das freie Ende der Couch. Es wäre jetzt verlockend, ihre Füße auf
meinen Schoß zu nehmen und ihr eine kleine Fußsohlenmassage zu
machen, aber von dem Kodex für Portiers mal ganz abgesehen, der das
als höchst ungebührliches Verhalten verurteilen würde, verlockt es
mich noch viel mehr, herauszufinden, warum Naomi in allen
Musikfragen so schlecht informiert ist. »Warum glaubst du, dass es
ein Kiffer-Song ist?«
»Na ja, warum wohl? >Poprocks< bedeutet
Crack und >Coke< Kokain.«
»Aber das ist doch nur der Titel. Die Wörter
>Poprocks< und >Coke< tauchen in dem ganzen Stück kein
einziges Mal auf.«
»Oh.« Wenn Naomi mich ansieht, weiß ich nie, ob
hinter ihrem Blick wirkliches Interesse zu spüren ist oder nur
Gleichgültigkeit. »Ist das denn so wichtig?« Sie schließt die
Augen.
Natürlich ist das wichtig.
Ich kann sehen, wie sich ihre Brüste unter meiner
Portiersjacke bei jedem Atemzug heben und senken.
Das ist auch sehr wichtig.
Ich würde gerne, aber ich kann nicht von ihr
lassen.
Stück Nummer 8 Destiny’s Child: »Bootylicious«
Ich glaube nicht, dass sie wirklich für mein
Angebot bereit ist, deshalb lasse ich sie schlafen. Ich wache über
sie.
Als sie vorhin nach Hause gekommen ist, kam sie
erst zu mir in meiner Pförtnerloge, bevor sie sich zum Schlafen auf
die Couch geflüchtet hat. Ich hätte eigentlich auf den
Überwachungsmonitoren das Geschehen vor dem Eingang verfolgen
sollen, aber in Wahrheit guckte ich eine Gerichtsshow. Ich dachte,
Naomi würde sich so verhalten wie immer, wenn sie bei mir aufkreuzt
- mich mit einem Blick aus ihren haselnussbraunen Augen in der
Seele treffen, dann nicht mehr als »Hallo« sagen und weitergehen.
Wohl wissend (und damit völlig richtig liegend!), dass ich ihrem
verstohlenen Hüftschwung meine ganze Aufmerksamkeit schenken würde.
Und mir dann vielleicht noch eine kryptisch-zweideutige SMS aus dem
Aufzug schickend.
»Hallo«, sagte sie. Reibeisenstimme,
blutunterlaufene Augen.
Ich nickte und antwortete nichts. Bereit,
aufzuspringen und sie aufzufangen, falls sie gleich umfallen
würde.
Ich dachte, sie würde zum Aufzug weitergehen.
Stattdessen verkündete sie: »Heute Abend wollten wir Robin-Mann
wegen Verbrechen gegen die Weiblichkeit vor Gericht stellen, da hat
Robin-Mann gesagt: >Okay, aber nur wenn ich das filmen darf<
- ein weiterer Beweis dafür, wie wichtig es ist, dass er angeklagt werden muss, oder? Gott, wie
selbstverliebt kann man sein. Aber Robin-Frau - ich hoffe, sie
bricht ihm das Herz, das hoffe ich wirklich - fing plötzlich an:
>Wir brauchen ein unabhängiges Gericht<, und deshalb hab ich
gesagt: >Gabriel soll der Richter sein, weil er ein Erzengel
ist.<<<
Das macht mir echt Sorgen. Die Assoziationen von
Naomi sind so wenig originell, bei Namen ist das nicht anders als
bei Songs.
Aber sie denkt an mich, wenn ich nicht da bin. Das
weiß ich jetzt.
Das gefällt mir. Es zerstreut die Unruhe und
ersetzt sie durch Hoffnung.
»Warum seid ihr dann nicht zu mir gekommen und
habt mich gefragt, ob ich der Richter sein will?«, fragte
ich.
»Robin-Mann ist losgezogen, um seine
Super-8-Kamera zu holen, aber zurückgekommen ist er mit einer
Wasserpfeife, und dann haben wir das mit dem Gericht
vergessen.«
Mein Vater glaubt, dass ich groß was verpasse,
wenn ich nicht auf die Uni gehe, aber da täuscht er sich.
Während Naomi schläft, nehme ich ihr Bild in mich
auf. Sie mag zwar in Embryohaltung auf der Couch zusammengerollt
sein, aber ihre seidigen langen Haare, die ihr übers Gesicht
fallen, und ihre nackten Beine unter ihrem Minirock sind verdammt
sexy, und das alles ist kein Kinderspiel mehr. Ihr Schlaf ist alles
andere als friedlich. Sie atmet unregelmäßig und ihre Glieder
zucken. Ich stelle mir vor, wie ich neben ihr im Bett liege, ihr
über die Haare streiche, mein Bein über ihr Bein gelegt, sie fest
umarmend und beruhigend.
Sie riecht nach dem Rauch eines Joints. Das ist
kein schlechter Geruch. Nur ein trauriger.
Wenn ich ihr Freund wäre, würde ich sie auf
gesündere Weise mit Anregungen versorgen.
Musikalisch. Körperlich.
Spirituell.

Stück Nummer 11 Belle and Sebastian: »Asleep on a Sunbeam«
Durch die schlafende Naomi verzaubert, muss ich
selbst eingeschlafen sein. Ich wache von dem Geräusch von Schritten
auf den Marmorplatten der Eingangshalle auf.
Ely steht vor uns, allein. Wo ist sein
Freund?
So seltsam es ist, Ely allein nach Hause kommen zu
sehen, ich bin gleichzeitig erleichtert. Es wäre ein ungutes
Zusammentreffen, wenn Naomi in diesem Augenblick aufwachen und Ely
sehen würde. Aber wenn Bruce auch noch dabeistehen würde - einfach
nur grässlich.
Das muss einer der Songs sein, die Ely besonders
gemocht hat.
Jetzt ist Ely an der Reihe, den Anblick von Naomi,
die vor ihm auf der Couch liegt, in sich aufzunehmen. Seine Augen
wandern über ihre Haare, über meine Portiersjacke, die ihren Körper
bedeckt, runter zu ihren Füßen. Dann machen sie einen Schwenk. Zu
mir. Der neben ihr sitzt.
Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll. Es kümmert
mich nicht, dass Ely mich womöglich vor der Eigentümerversammlung
anschwärzt, weil ich gegen den Verhaltenskodex für Portiers
verstoße. Er würde mir damit einen großen Gefallen tun, dann wäre
ich diesen Job hier endlich los.
Es ist dieses Schweigen, der merkwürdige und
quälende Blickwechsel zwischen uns. Ich nehme seinen Platz ein, das
wissen wir beide.
Ich will aufstehen, aber Ely schüttelt den Kopf.
Er macht mir durch eine Handbewegung klar, dass ich sitzen bleiben
soll.
»Cool«, flüstert er.
Ich sehe ihm nach, wie er zum Aufzug geht.
Fortsetzung folgt
Um halb sechs wecke ich sie auf. Ich trommle sanft
auf ihre Fußknöchel.
»Naomi«, flüstere ich. »Jeden Augenblick können
jetzt alle möglichen Leute durch die Halle kommen. Besser, du
stehst auf.«
Sie öffnet die Augen und lächelt mich verschlafen
an. »Schön, dich als Erstes am Morgen zu sehen.« Sie ist immer noch
zugekifft, muss ziemlich viel gewesen sein. Immer noch keine
Schutzmauer.
Sie freut sich, mich beim Aufwachen zu sehen. Das
ist doch schon mal was.
Naomi setzt sich aufrecht, räkelt sich, dann steht
sie auf. Sie gibt mir meine Portiersjacke zurück. »Danke«, sagt
sie, das ist alles. Die Schutzmauer ist wieder da. Ohne Abschied
bewegt sie sich in Richtung Aufzug.
Wir können unmöglich wieder zu »Hallo«
zurückkehren.
»Hey, Naomi«, rufe ich hinter ihr her.
Sie dreht sich um. »Ja?«
Wie kann ich wissen, ob ich zu viel frage, wenn
ich sie das überhaupt nie frage?
Ich gehe zum Aufzug. Ich frage:
»Hast du von den Songs auf der CD, die ich für
dich gemacht habe, welche gemocht?«
Die Aufzugtür öffnet sich. Ich trete hinein und
winke ihr, mir zu folgen. Wenn irgendjemand was für die Reinigung
abzugeben hat, dann kann das warten, bis ich wieder unten bin. Ich
drücke auf den Knopf: 15. Stock.
»Ich mag das Lied von Kirsty MacColl sehr«, sagt
sie, während der Aufzug nach oben fährt. »Ich hab sie vorher gar
nicht gekannt, erst durch deinen Song, aber er hat mir so gut
gefallen, dass ich mir gleich eine CD von ihr besorgt habe.«
Bingo, wie die Bewohner
hier im Apartmenthaus so gerne rufen. Wenn ich den Song hätte
nennen sollen, von dem ich mir gewünscht habe, dass er ihr auf der
ganzen Playlist am besten gefällt, dann wäre es der Song von Kirsty
MacColl gewesen.
»Welche CD von ihr hast du dir gekauft?«
»Ich hab sie mir nicht gekauft. Susan hat sie für
mich aus Elys Sammlung >ausgeliehen<.« Naomi legt den
Zeigefinger an den Mund. »Schsch, nicht weitersagen. Und weißt du
was? Du und Susan. Ihr mögt beide Cowboy-Songs.«
»Woher weißt du, dass ich Cowboy-Songs mag?«
»Was ist mit dem Jodel-Song auf dem Mix? >Blue
Yodel<?«
Naomi hat sich die Stücke wirklich angehört.
Ein gewisses Potenzial ist also vorhanden. Ihr
Musikgeschmack lässt sich verbessern. Das spüre ich.
Naomi kichert und sagt: »Bevor du Susan bei den
Pokerrunden mit den Schlaflosen in der Eingangshalle weiter ihre
Vierteldollar abknöpfst, solltest du wissen, dass du damit ihren
geheimen Geldvorrat für den Kauf von Cowboy-Songs
gefährdest.«
»Was für Songs denn?« Ich will es wirklich wissen.
Hof fentlich kann Naomi meine Frage beantworten.
Sie zuckt die Schultern. »Irgend so ein Typ. Marty
Soundso.«
Ziemlich nah dran.
»Marty Robbins?«, frage ich. Der
Lieblings-Song-Lieferant für meinen Vater, wenn er unter der Dusche
seine Arien schmettert.
»Ja, genau der! Susan hat uns seine Cowboy-Songs
immer vorgesungen, wenn sie uns ins Bett gebracht hat.«
»Und was war dein Lieblingslied?«
»Ich glaub, es hieß >Big Iron<. Wenn Susan
dann zu der Stelle kam, wo es um ein >großes Eisen an der
Hüfte< geht, hat sie immer eine Bewegung gemacht, als würde sie
bügeln und nicht als würde sie eine Smith & Wesson ziehen. Ich
glaub, ich hab erst mit zwölf begriffen, dass ein Eisen eine Knarre
ist und kein Bügeleisen.«
Die Aufzugstür öffnet sich und Naomi geht
hinaus.
Ich erkläre ihr nicht, dass sie und Ely einfach
nur kleine Kinder waren, wie Geschwister,
als Susan sie gemeinsam ins Bett gebracht hat. Dass es da nichts
zurückzuwünschen gibt.
»Gute Nacht, Naomi«, sage ich, während ich auf den
Knopf drücke, gleich wird mich der Aufzug zurück in die
Eingangshalle befördern. »Sweet Dreams!«
»Patsy Cline?«, sagt sie, als die Tür sich
zwischen uns schließt.