STARBUCKS
Naomi
Starbucks: Wo sich das Leben leben lässt.
Es sollte mich mal jemand für Werbesprüche anheuern.
Die Menschen kommen nach New York, weil sie sich anders fühlen wollen, ich gehe zu Starbucks, weil ich die Naomi bleiben will, die ich bin.
Du kannst in einen Starbucks in Kansas City oder in Manhattan gehen, ich bin mir ziemlich sicher, dass du beide Male so ziemlich dasselbe erleben wirst. Die gleiche Inneneinrichtung. Der gleiche Kaffee, zuverlässig fade. Die gleichen unterbezahlten Angestellten, froh darüber, dass sie wenigstens krankenversichert sind. Die gleiche Worldmusic-Soße aus den Lautsprechern, die dir vorgaukeln soll, dass die Firma an fairen Handel in einer fairen Welt glaubt.
Starbucks: der große Gleichmacher.
Nein, der erste Slogan hat mir besser gefallen.
Ely weiß alles besser und kann alles besser als ich. Außer Starbucks. Damit kennt er sich nicht so gut aus. Deshalb ist das der einzige Ort, an dem wir uns treffen können.
Er kommt zu spät und lässt sich in den Stuhl fallen, den ich am Tischende für ihn freigehalten habe (»Reserviert für107«). Es war der einzige noch freie Sitzplatz im ganzen Laden, und wenn tatsächlich jemand in einem Rollstuhl hereinrollen sollte, dann werden alle anderen sich über Ely genauso aufregen wie ich mich gerade.
»Ich hab nicht gewusst, dass du diesen Starbucks meinst«, sagt Ely. Er übersieht geflissentlich den Frappuccino auf dem Tisch, den ich für ihn bestellt habe. Ely hasst Frappuccino. Irgend so eine Geschichte mit einem bösen Kater nach einer langen Partynacht mit wilden Jungs und bösem Gekotze, nachdem ein böser Junge ihn böse verlassen hatte. »Ich hab gedacht, Astor Place sei für mich tabu? Ich hab in dem gegenüber von St. Marks auf dich gewartet, mindestens zwanzig Minuten lang. Hast du meine SMS nicht gelesen? Oder bist du mir gegenüber so passiv-aggressiv, dass du noch nicht mal auf meine SMS antworten willst?«
Nein, ich bin so passiv-aggressiv, dass ich noch nicht mal mein Handy angemacht habe.
108
»Naomi, das ist jetzt echt nicht dein Ernst, oder?«
109
»Du willst kein Wort mit mir reden?«
Wir können das abwickeln, ohne miteinander zu reden.
Ich bin nicht hergekommen, um ihm wütende Gegenvorwürfe zu machen: Du hast mir meinen Freund weggenommen, Ely! Hast mir mein Vertrauen genommen - in DICH, nicht in ihn.
Ich kann nicht mehr mit ihm reden, weil mir die Lügen ausgegangen sind.
Wenn ich jetzt sage, was ich wirklich fühle, dann werden Naomi & Ely nie mehr Naomi & Ely sein.
Warum hast du mir erst meinen Freund wegnehmen müssen, damit ich endlich kapiere, dass du mich nie so lieben wirst wie ich dich?
Wenn ich jetzt etwas sagen würde, dann käme bestimmt nur so was Lächerliches und Dummes heraus wie: »Ich hab mir immer vorgestellt, dass unsere Tochter einmal deine schönen Augen und vielleicht meine Haut und hof fentlich nicht Marys Nase haben würde. Aber bitte Susans Lachen und die wunderschönen Haare meiner Mutter. Von dir hätte sie die mathematische Begabung und von mir die Abneigung gegen Primzahlen. Ihre Seele würde ihr ganz allein gehören. Wir würden sie immer gemeinsam beschützen.«
Wann hört das Verletztsein auf? Ich brauche einen Terminkalender.
Ely wartet nicht ab, dass110. Er legt das erste Objekt auf den Tisch - mein »Girlie-Kit« mit überlebenswichtigen Utensilien, das ich in »meiner« Schublade bei ihm verstaut hatte. Jetzt wird die Schublade wahrscheinlich von Bruce dem Zweiten belegt. »Ich hab nicht ewig Zeit, Naomi. Lass uns das hinter uns bringen. Wenn du stumm bleiben willst, bitte, aber deine Hände schaffen es bestimmt noch, deinen Teil der Vereinbarung zu erfüllen.«
Elys Gesicht ist leicht gerötet. Wahrscheinlich hat er sich erkältet. Ich hätte den Starbucks gegenüber von St. Marks auswählen sollen. Dort ist die Temperatur vier Grad höher. Warum bin ich so eine miese Zicke?
Ich kann immer noch nichts sagen, aber ich lange zu dem Karton mit seinen Sachen hinunter, den ich auf den Boden gestellt habe.
Wenn du mir eine Garantie geben könntest, Ely, eine Garantie, dass mein verletztes, blutendes Herz, das mir wie ein tonnenschwerer Backstein in der Brust liegt, reglos, ohne zu schlagen... dass mein Verletztsein irgendwann aufhört und ich wieder Hoffnung habe - für mich, für dich, für uns -, dann könnten vielleicht meine Lippen 111, und wir könnten weitermachen. Mit alldem hier. Ende.

Ely

Ich erinnere mich an dieses Gefühl. Als Susan entdeckt hat, dass Mary eine Affäre mit Naomis Vater hatte... Ich erinnere mich daran, dass ich dachte, War es das? Ist jetzt alles vorbei? Ich dachte, Werden sie sich nun trennen? Meine Eltern. Naomis Eltern. Und ich habe festgestellt - nein, feststellen ist das falsche Wort. Feststellen hört sich so an, als hätte es sich um eine Tatsache gehandelt, die man einfach so registriert, während es eine Tatsache war, die ich innerlich spürte. Deshalb ist vielleicht am besten zu sagen: Ich habe begriffen. Ich begriff zum erstem Mal, dass nicht nur eine Beziehung in Trümmer geht, wenn ein Paar sich trennt. Jeder, der an dieser Trennung in irgendeiner Form beteiligt ist, wird in zwei Hälften aufgespalten. Jede meiner Mütter spaltete sich auf. Naomis Mutter und Naomis Vater spalteten sich auf. Naomi spaltete sich auf. Ich spaltete mich auf. Und die Reaktion darauf war - meine Reaktion darauf war -, so stark wie möglich an der Einheit festzuhalten. Zu versuchen, die Dinge zusammenzuhalten. Denn loszulassen würde das Ende von allem bedeuten. Würde die Auslöschung dessen, was einmal war, bedeuten.
Vielleicht haben Naomi und ich nichts gelernt. Oder vielleicht wiederholt sich deine eigene Geschichte und wiederholt sich und wiederholt sich, bis sie dich so weichgeklopft hat, dass die Nähte, die dich zusammenhalten, aufplatzen. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sich das alles falsch anfühlt. Aber wenn sie nicht mit mir reden will, gibt es keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern.
Ich bin so wütend auf sie.
Was wir da gerade machen, ist technisch betrachtet das Gegenteil von Spaltung. Wir führen unsere Besitztümer wieder zusammen. Wir übereignen sie ihren rechtmäßigen Besitzern. Als würde ein eiserner Vorhang im Flur zwischen unseren Wohnungen hochgehen und wir tauschten Gefangene aus.
»Hier«, sage ich und überreiche ihr das »I112JAKE RYAN«-T-Shirt und ihre Pokemon-Uhr und ihre Dawson’s-Creek-DVDs und ihren Hello-Kitty-Schlafanzug, auf dem ich jeder dieser bescheuerten Hello Kittys eine Sprechblase gemalt hatte, weil es uns beide immer wahnsinnig aufgeregt hat, dass Hello Kitty keine Möglichkeit hat, irgendwas zu sagen. Eine Cartoon-Geisha, die von jedem vorüberstreunenden Hund gebissen werden kann und stumm bleiben muss.
Sie nimmt alles, was ich auf den Tisch gelegt habe, und sagt kein Wort.
»Wie läuft’s mit Gabriel?«, frage ich. Es gibt Gerüchte, dass er bei Naomi in letzter Zeit ganz schön gepunktet hat. Er soll sogar letztens »Signed, Sealed, Delivered« hinter ihr hergepfiffen haben, als sie nach ihrer Post geguckt hat.
Keine Antwort.
»Mit Bruce läuft alles prima«, sage ich. »Danke der Nachfrage.«
Die Wahrheit ist: Mit Bruce fühlt sich alles ziemlich unsicher an, ich weiß auch nicht, warum. Ich frage mich immer wieder, was er wohl gerade denkt, häufiger als bei jedem anderen Jungen, mit dem ich bisher zusammen war.
Ich weiß, es ist nicht gerade die nette Tour von mir, mit Naomi über Bruce reden zu wollen. Aber ich will einfach eine Reaktion von ihr. Irgendeine Reaktion.
Nichts. Sie knallt mir nur eine Schachtel mit meinen Besitztümern auf den Tisch.

Naomi

Wenn er lacht, will ich auch gleich lachen. Ich lächle immerhin fast.
Er guckt auf unsere Lieblings-Hello-Kitty-Sprechblasen auf der linken Schulter des Schlafanzugoberteils. In Elys Handschrift schnurrt dort eine Kitty: »Hab dich so lieb.« Die nächste Kitty verkündet in meiner Handschrift: »Kittys gegen Rassismus!« Die letzte Kitty, bei der Elys Gekritzel bis über die Schulter reicht, verspricht: »Es ist mir eine große Freude, Ihnen ein netter Zeitvertreib zu sein, wann immer Sie es wünschen.«
Jetzt ist der passende Augenblick für den Filmtausch. Ich hole unseren gemeinsam geteilten Klassiker heraus und gebe ihn ihm.
»Ich brauch das wirklich nicht zurück«, sagt Ely, als er die DVD von »Mount Fuckmore« entgegennimmt. »So was macht mich echt nicht mehr an.«
Wir haben die DVD in einem Mülleimer auf der Straße gefunden, in den Sommerferien nach der neunten Klasse; der Fund führte dazu, dass ich noch am selben Tag bei Ely übernachtet habe, zufälligerweise waren seine Eltern an diesem Abend ausgegangen. Und wenn ich jetzt am liebsten laut lachen will, dann nicht beim Anblick von Ely, wie er in dem wahrscheinlich harmlosesten Getränkeausschank der Welt sitzt und eine Hülle hochhält, auf der - darauf schwör ich bei Lincoln und Jefferson alle heiligen Eide - das wahrscheinlich schmutzigste DVD-Cover in der Geschichte unserer Gründerväter zu sehen ist. Ich will am liebsten loslachen, weil ich an das erste Mal denken muss, als wir zusammen »Mount Fuckmore« angeguckt haben. Und Ely dann bei der krassesten Stelle auf Pause gedrückt, sich zu mir gedreht und gefragt hat: »Du kennst doch dieses Patrioten-Lied, na, du weißt schon, You’re a grand old flag, you’re a high-flying flag?« Und ich darauf: »Ja?« Und darauf er: »Weißt du was? Das ist der totale Schwachsinn! Das ganze Lied ist ein einziges geschwollenes, aufgeblasenes Teil! Aber alles gelogen!« Und ich: »Ja, du bist ein totales Genie!« Und dann mussten wir so lachen, dass wir fast aus seinem Bett gefallen wären.
Ich will die DVD nicht behalten. Obwohl es mich natürlich irgendwie fasziniert, mir Pornos anzugucken, fühl ich mich gleichzeitig auch immer unerträglich leer und traurig. Als gäbe es nichts mehr, wonach ich mich dann noch sehnen könnte.
Wahrscheinlich ist »Mount Fuckmore« schuld daran, dass ich ein so komisches Bild von Männern habe. Bitte bloß kein Sex. Ich hab das einfach in viel zu zartem Alter angeguckt. Ja, ich weiß, da ist die ganze Geschichte mit unseren Eltern und die Geschichte mit Ely und das unglückliche Zusammentreffen von meinem Aussehen und meinem Körper und meiner Zickenader und die eklige Art, mit der eklige Männer mich andauernd angaffen, seit ich vierzehn bin. Aber wirklich schuld daran ist »Mount Fuckmore«.
Das ist mir so was von absolut völlig egal, wie es Bruce und Ely miteinander geht. Aber woher weiß Ely von mir und Gabriel?
Was für eine saublöde Versagerin bin ich eigentlich? Der schärfste Nachtportier in der Geschichte unserer Gründerväter und ihrer Vorhäute mag mich, also ich meine, er mag mich wirklich, und ich kann mich nicht dazu aufraffen, ihn zurückzumögen, weil ich gerade in tiefster Trauer bin und weil ich weiß, wenn ich mich auch richtig in ihn verliebe, wenn ich es zulasse, dann werde ich es trotzdem früher oder später vermasseln. Und dann muss ich nicht nur meinem ehemaligen besten Freund im selben Stockwerk, in der Wohnung direkt gegenüber, aus dem Weg gehen, sondern ich werde auch noch den Eingang und Ausgang unseres Gebäudes meiden müssen. Was nicht nur umständlich, sondern auch logistisch unmöglich wäre.
Aber, Mister Lincoln, hören Sie mich? Hallo? Gabriel ist sooooo süß. Ehrlich. Ich möchte sooooo sehr, dass daraus wirklich was wird.
Wenn ich bloß eine Ahnung hätte, was ich mit der CD und der Playlist anstellen soll, die Gabriel für mich gemacht hat.
»Ist das mein Glitzergürtel?«, fragt Ely.
Ich will nicht, dass Ely den Gürtel nimmt. Ich will, dass er sagt, ich soll ihn behalten. Der Gürtel bindet uns aneinander. Wenn ich ihn behalte - wenn er mir das anbietet -, dann ist vielleicht noch nicht alle Hoffnung verloren.
Ich nicke.
Ely greift nach dem Gürtel.

Ely

Es muss ziemlich schlimm um mich stehen, wenn mich der Anblick von Glitzersteinchen deprimiert. Ich glaube, ich wollte den Gürtel einfach nur noch ein einziges Mal sehen. Dann schiebe ich ihn wieder zu ihrer Schachtel zurück.
»Du kannst ihn behalten«, sage ich.
Es ist traurig, dass ich ihn nicht mehr will.
Die Sachen, die ich wirklich haben will, habe ich behalten. Die ganzen kleinen Zettel und Briefe, die wir uns geschrieben haben. Die Zeichnungen auf den Papiersets, die sie mir stolz wie ein Kindergartenkind jedes Mal geschenkt hat, wenn wir zusammen in einem Restaurant waren, in dem es Wachsmalkreiden gab. Die kleinen Figürchen aus Pfeifenreinigerdraht, die wir füreinander gebastelt haben. Das NYU-Sweatshirt, das sie für mich gekauft hat, als sie rausgekriegt hatte, dass ich dort angenommen worden war; ihr Brief mit der Zusage kam einen Tag später, und ich bin sofort losgezogen, um mich zu revanchieren. Ich gebe ihr gerne ihre Tampons und ihre Pornos und ihre Haarspangen und ihre Sylvia Plath und ihre Anne Sexton zurück. Aber ein paar Sachen müssen bei mir bleiben, sonst geht wirklich alles in Trümmer.
Ich kann nicht mehr. Ich halt das nicht mehr aus. Ich schiebe die Schachtel wieder zu ihr zurück.
»Behalt einfach alles«, sage ich. »Oder wirf es weg. Oder gib es der Obdachlosenhilfe. Oder schick es an ein Waisenhaus für Taubstumme wie dich. Wenn du’s darauf angelegt hast, dass ich mich noch beschissener fühle als vorher, dann hast du dein Ziel erreicht. Ich hoffe, du bist stolz auf dich. Bravo. Meinen Glückwunsch.«
Ich stehe auf, um zu gehen.

Naomi

Es ist noch viel schlimmer, als ich es mir ausgemalt habe.
Als er aufsteht, um zu gehen, heult er. Kein lautes Geschluchze wie bei mir, der absolut erbärmlichen Idiotin. (So fühle ich mich im Moment jedenfalls.) Aber in seinen Augen schimmert es verdächtig, sein Gesicht ist rot und fleckig und er starrt mich unverwandt an - er blickt nicht nach unten oder seitlich an mir vorbei. Als wollte er aus meinem Herzen noch das letzte Quäntchen Gefühl herauspressen.
Ich werde nie nie nie wieder einen Rat von Bruce dem Ersten befolgen, das schwöre ich. Dieser Austausch unserer Besitztümer war seine Idee, eine Ausgeburt seiner schlaflosen Nächte, und ich war dafür, dass er Ely den Vorschlag machte, hauptsächlich um mein Gewissen zu beruhigen, weil ich mit den Gefühlen dieses Schuljungen so Achterbahn fahre. Auch aus Neugierde.
Und auch weil ich Ely so vermisse.
Ich schiebe die Plastiktüte mit den113über den Tisch, die Ely und ich im Lauf der Jahre in allen möglichen Restaurants abgeräumt haben. Die Sammlung von Kaffeesahnedöschen, die wir haben mitgehen lassen, behalt ich für mich. Ely scheint das nicht aufzufallen.
Dad vermisse ich auch.
Daran habe ich mich gewöhnt.
Ich sehe einfach keinen Ausweg für Naomi & Ely. Oder keinen Weg zurück.
»Hast du wirklich überhaupt nichts mehr zu sagen, Naomi?« Seine Augen flehen: Bitte tu das nicht, Naomi. Es ist immer noch Zeit, alles rückgängig zu machen. »Ich kann einfach nicht glauben, dass du wegen einem Jungen alles aufgibst, was uns verbindet.«
Ich muss das machen.
Warum kann Ely das nicht verstehen? Warum glaubt er nur, dass das alles wegen der Geschichte mit Bruce ist? Bruce war nur der Auslöser. Der Katalysator. Mein ganzes Weltsystem, mein Glaube an eine gemeinsame Naomi & Ely-Zukunft liegt in Trümmern.
Auf der leeren Hälfte von Moms Schlafstätte der Verzweiflung ist genug Platz für mich. Ich hoffe, ich brauche nicht so lange wie sie, um da wieder rauszukommen und mein Leben weiterzuleben.
Warum hat Ely mich nie gewollt? Wenigstens ein einziges Mal? Was ist falsch an mir?
Irgendwann bringe ich dann ein paar Wörter über die Lippen. Ich lege die Hand auf den Glitzergürtel. Meinen Glitzergürtel. Danke, Ely. »Der Gürtel sieht an mir einfach besser aus«, sage ich.
Und das ist der Grund, warum ich Ely bis zu meinem letzten Atemzug lieben werde. Er lacht.
Seine Nase läuft. Ich gebe ihm ein Taschentuch. Irgendwie finde ich, dass er nie schöner war als jetzt. Tränennasse Augen, rot gefleckte Wangen. Schnupfennase, lachend und heulend. Mein bester Freund.

Ely

»Redest du jetzt wieder mit mir?«, frage ich. Wer hätte je gedacht, dass es eine solche Herausforderung sein könnte, aus ihr auch nur einen einzigen Satz blödsinniges Gerede herauszuquetschen?
Sie schüttelt den Kopf, lächelt mich traurig an.
Gut. Ich nehme, was ich kriegen kann. Und vielleicht noch ein kleines bisschen mehr.
So ist das mit mir.
Naomi versteht mich. Oder zumindest glaube ich, dass sie das tut.
Wir haben nie wirklich gut mit anderen spielen können. Nur miteinander. Vielleicht ist es deswegen jetzt auch so hart. Oder so idiotisch. Oder so notwendig. Oder alles gleichzeitig.
»Ich muss gehen«, sage ich. Ich lasse genug Zeit für sie, um zu sagen: »Bleib doch noch.« Genug Zeit, um zu sagen: »Es ist hart.« Oder: »Es ist idiotisch.« Oder: »Es ist notwendig.« Ich lasse ihr genug Zeit, um aufzustehen und mir einen Kuss auf die Wange zu geben. Oder mir zu sagen, ich soll die Tüte mit den Wachsmalkreiden aufmachen, damit wir die leeren Becher auf unserem Tisch bemalen können. Oder mir zu sagen, dass das alles ein Irrtum ist.
Aber sie sagt nichts. Nicht einmal »Bis bald«.
Und weil sie nichts gibt, gebe ich auch nichts zurück.
Hart, idiotisch, notwendig.