Robin (114)
FREUNDE
Und ich hab mich mit meinem Kumpel Gerald unterhalten und hab zu ihm gesagt, Stell dir vor, da ist dieses Mädchen, und das Komische ist, ich kann mit ihr richtig gut reden, ohne abzudrehen oder wegzudriften, also ich meine mental abzudrehen, und darauf er, Hey, ist doch super, und ich erzähl ihm, Yeah, ich kann ihr echt vertrauen, und ich weiß, dass sie wirklich auf mich steht und dass sie sich für die gleichen Filme interessiert und lauter solche Sachen, und darauf Gerald, Wo ist das Problem?, und da hab ich zu ihm gesagt, Das Problem ist, wenn es nach mir ginge, dann würde sie am besten immer alle ihre Sachen anlassen, und er hat geantwortet, Ah, verstehe, sie ist eine Eule, und ich, Nein, nein, nein, du hast’s nicht kapiert, sie ist total süß, auf so ’ne richtig süße Weise süß, und wenn ich sie nicht kennen würde, dann könnte ich mich total in sie verknallen, mit allem Drum und Dran, aber ich kenn sie nun mal, und weil ich sie kenne, möchte ich mich nicht an sie ranmachen, ich will nicht das von ihr, ich will einfach nur so Sachen wie mit ihr reden und mit ihr was trinken gehen oder dasitzen und zusammen lernen, weil wenn wir das alles zusammen machen, ist es viel weniger langweilig, als wenn ich es alleine mache, weil sie andauernd lachen oder irgendwas brummen muss, und ich frag, Was ist?, und sie kommt dann mit den blödsinnigsten Sachen daher, sodass ich immer nur denken muss, Sie ist das echt tollste Mädchen überhaupt, nur - ich will nicht mit ihr schlafen, und Gerald sagt, Hey, Alter, es gibt ein Wort für das, was du da beschreibst, für diese Art von Beziehung, die ihr miteinander habt, und darauf ich, Bitte sag’s mir, ich will wissen, was es ist, das macht mich noch fix und fertig, und Gerald grinst und macht einen langen Zug, bevor er zu mir sagt, Freundschaft, Kumpel - man nennt das Freundschaft. Und das hat mich wirklich überzeugt, zumindest hab ich das gedacht, denn es war so sonnenklar, und ich hab geglaubt, für sie wär das auch total klar und zwischen uns beiden wär alles klar, aber dann hat es immer wieder diese komischen Momente gegeben, wo ich gespürt hab, dass sie gerne hätte, es wär zwischen uns mehr als Freundschaft - wenn sie mir immer mal wieder die Hand auf die Schulter gelegt hat oder mich gefragt hat, ob ich ihr nicht den Nacken massieren kann, und einmal hat sie gerufen, Oh, eine richtige Verabredung!, als ich sie gefragt habe, ob wir nicht zusammen diesen Fassbinder-Film im Anthology gucken wollen, und ich hab gedacht, Hey, Alter, das bildest du dir nur ein, komm mal runter, dieses Mädchen ist klug, die wird sich niemals mit einem Typen wie dir einlassen wollen. Aber das andere war da, ich hab es bei ihr gespürt, bloß das Komische war, obwohl ich sie als Person wirklich gemocht habe, hat es sich nicht so angefühlt, wie wenn... wie wenn man ein Mädchen wirklich mag, weil wenn man ein Mädchen wirklich mag, dann zündet es - man kann es spüren -, und bei ihr hat es nicht gezündet, wir haben immer nur miteinander geredet und so Zeug. Und irgendwann haben wir dann »La Dolce Vita« zusammen im Film Forum geguckt und danach sind wir noch Cocktails trinken gegangen, und ich glaub, sie hat extra gewartet, bis ich schon drei Drinks intus gehabt habe, denn mein Kopf war wie ein Gummilappen, als sie mich gefragt hat, Was ist das eigentlich zwischen uns?, und ich darauf, Klarer Fall, wir sind die Super-Robin-Zwillinge, oder irgend so was Doofes, und darauf sie, Das ist keine richtige Antwort, ich frag dich noch mal anders: Was bin ich für dich?, und selbst wenn ich hundert Prozent nüchtern gewesen wäre, hätte ich nicht gewusst, was ich darauf hätte antworten sollen, weil ich es hasse, wenn man Definitionen zu Sachen abgeben soll, die größer als jede Definition sind - was als Kompliment an sie gemeint war, nur dass sie es nicht so verstanden hat. Natürlich hab ich damals kapiert, wonach sie mich wirklich gefragt hat, und ich hab an das Gespräch zwischen mir und Gerald denken müssen und wie einfach mir da alles vorgekommen ist, ich bin nicht total hirntot - ich hab gewusst, dass es absolutes Gift sein würde, das andere F-Wort zwischen uns ins Spiel zu bringen, denn wenn ein Mädchen dich fragt, ob du mit ihr zusammen sein willst, dann ist das Allerletzte, was sie von dir hören will, wie schön du die Freundschaft zwischen euch beiden findest, egal wie ehrlich und total positiv du das meinst, es fühlt sich an, als würdest du ihr einen Sack Scheiße rüberreichen. Es ist mir aber nichts anderes eingefallen, weil ich ihr nicht an den Kopf schmeißen wollte, Hey, Robin, es regt sich einfach nichts bei mir, wenn ich dich angucke, deshalb hab ich zu ihr gesagt, Du bist eine gute Freundin für mich, und ich hab es auch so gemeint, und sie hat es genauso übel aufgenommen, wie ich mir das vorgestellt hatte, nur mit dem Unterschied, dass sie nicht losgeheult hat und dass sie auch nicht von mir getröstet werden wollte, sie hat einfach ihren Cocktail genommen und ihn mir ins Gesicht gekippt. Mannomann, ich hab echt schon ziemlich viel Bier abgekriegt in meinem Leben, aber das war vollkommen anders - nicht nur weil es ekelhaft klebrig war, es war der Meta-Schock für mich. Die Tat selber war schon schlimm genug, rein körperlich, aber dann war da noch viel existenzieller die Erkenntnis, es hat dir jemand gerade einen Cocktail ins Gesicht geschüttet, das hat mich total aus der Fassung gebracht. Ich hab fast geglaubt, sie würde auch noch das Glas nach mir schmeißen oder brüllen, Scheißkerl! Aber sie hat nur gesagt, Okay, das ist genug, und mich eine Sekunde lang mit ihrem Laserstrahl-Blick angeschaut, und in diesem Augenblick - puff! - hat es total gezündet. Sie war höllisch sexy, und sie war deshalb so höllisch sexy, weil sie überhaupt keine Ahnung hatte, dass sie es war. Ihre Hand hat gezittert, als sie das Glas auf dem Tisch abgestellt hat, und sie war genauso überrascht wie ich, dass sie mir gerade ihren Cocktail ins Gesicht gekippt hatte, aber ich wusste, sie würde das durchziehen, sie würde mit ihrer Wut aus der Bar rausstürmen, und ich konnte sie nicht zurückhalten, no way, und das hat mich traurig gemacht, weil ich gerade nicht nur die einzige richtige Freundin in meinem Leben verloren hatte, sondern auch noch das Mädchen, das ich plötzlich unbedingt haben wollte, unbedingt. Sie hat mich mit der Rechnung in der Bar sitzen lassen, was total unfair war, weil sie weiß, dass das ganze Geld aus meinen Drogendeals in mein Filmprojekt wandert (scheiß auf digital), aber ihr nachzuschauen, wie sie so wutentbrannt aus der Bar gestürmt ist, war jede überzogene Kreditkarte wert. Ich wusste, was ich als Nächstes zu tun hatte - ihr SMS schicken, sie anrufen, ihr E-Mails schicken, ihr viele Gelegenheiten geben, mich abzuweisen. Wenn ich sie leicht wieder rumkriegen könnte, wär es das nicht wert, denn dann wäre es genauso wie vorher. Aber wenn sie sich zur Wehr setzen würde - wenn es immer stärker zünden würde -, dann, ja dann, wär es etwas anderes. Ich hab sie also bombardiert und bin damit erst mal gegen eine Mauer des Schweigens gerannt. Ein gutes Zeichen. Dann hab ich eine zweite Angriffswelle gestartet, der ganze Es-war-so-bescheuert-von-mir-Scheiß. Was bewirkt hat, dass sie mir signalisierte: Hör auf damit. Also hab ich damit aufgehört. Ich hab meine eigene Schweigemauer hochgezogen, aber dafür gesorgt, dass eine Leiter für sie angelehnt blieb. Es musste sie nur jemand darauf stoßen, und das war der Punkt, an dem Naomi, die Herzensbrecherin, Naomi, das It-Girl, sexy Naomi, die allen den Kopf verdreht, ins Spiel kam. Wir hatten schon länger darüber gesprochen, mal zusammen einen Film zu machen, ich wollte ihr einfach nur durch die Straßen folgen, die Stadt mit ihren Augen sehen. Wie Reality-TV, nur real. Sie hat Star-Qualitäten - strahlend und irgendwie unnahbar, und was am wichtigsten für mich war, ich wusste, dass Robin und sie viel miteinander reden, vor allem seit Naomi ihren schwulen besten Freund verloren hat. Deshalb hab ich sie angerufen und gesagt, Hey, wir sollten uns mal treffen und sehen, ob wir das mit dem Film wirklich zusammen machen wollen, und es war ein Volltreffer, weil Naomi sofort gesagt hat, Du willst dich ja nur wieder bei Robin einschleichen, und ich hab zuerst abgewehrt, Nein, nein, nein - und dann hab ich so zehn Minuten gewartet und danach hab ich gesagt, Naomi? Was du da gesagt hast, du weißt schon. Über Robin. Und wenn es doch ein kleines bisschen wahr wäre? Und da hat sie gelacht und hat angeboten, mir zu helfen, und gemeint, ich hätte eine echte Chance, und mir gewünscht, dass wenigstens ich es hinkriegen würde. Absolute Freundschaftspunkte. Sie hat gesagt, Ich bin heute Nachmittag mit Robin im Park, komm doch einfach dazu und sag, dass du mit mir über den Film reden willst, und dann muss ich aus irgendeinem Grund weg. Sie hat mir sogar gesagt, dass ich das blaue Hemd anziehen soll, weil es das Lieblings-Hemd von Robin ist, und zuerst wollte ich antworten, Hey, ich hab ungefähr zwanzig blaue Hemden, welches denn?, aber das Coole daran war, dass ich dann plötzlich genau wusste, welches Hemd sie meint, weil ich immer schon gespürt habe, dass Robin dieses eine blaue Hemd besonders mag. Nur um auf der ganz sicheren Seite zu sein, hab ich Naomi noch gefragt, ob Robin sich mit jemand anders treffen würde, und eine Sekunde lang hat es sich angehört, als würde sie sich an ihrem Kaugummi verschlucken. Dann hat sie gesagt, das sei wohl kein Thema, aber es wäre auch egal, ich sollte einfach mein Bestes geben. Deshalb hab ich dann Gerald angeheuert, damit er für mich die Marihuana-Hotline managt, sodass ich ganz zufällig heute Nachmittag im Park mit Naomi und Robin zusammentreffen konnte. Als ich zu ihrer Bank komme, fängt Naomi einen ellenlangen Monolog an, dass sie mich schon die ganze Zeit wegen dem Film anrufen wollte, und ich konzentriere mich drauf, Naomi anzuschauen, werfe aber ab und zu verstohlene Blicke zu Robin rüber, und zwar so, dass sie es merkt, aber ohne zu merken, dass ich das absichtlich mache, damit sie es merkt. Ich hab Angst, dass sie aufsteht und geht, aber sie lässt mich deutlich spüren, dass ich derjenige sein sollte, der aufsteht und geht. (Natürlich redet Naomi pausenlos weiter, deshalb bin ich außer Gefahr.) Robin wirkt nicht glücklich, mich zu sehen, was ein schlechtes Zeichen ist, sie wirkt eher traurig, mich zu sehen, was wieder ein gutes Zeichen ist. Sie setzt ihr Ich-bin-nur-ein-einfaches-Mädchen-aus-Schenectady-Gesicht auf, aber mein Vater ist aus Albany, ich weiß, dass Schenectady eine Stadt ist, die auf Stahl gebaut wurde, und wenn Robin genauso ist, dann erwartet mich ein Kampf, wie ich ihn liebe. Naomi macht eine kurze Pause, als würde ihr plötzlich klar werden, wie peinlich die ganze Situation eigentlich ist, und für mich ist jetzt der Augenblick gekommen, in dem ich Robin direkt ansehen und ein kleinlautes, schüchternes Hallo sagen muss. Wie ein kleiner Junge, der damit signalisieren will, Hey, ich weiß, dass es falsch war, mit den Wachsmalkreiden auf dem Esszimmertisch rumzumalen, und es tut mir echt leid, ich schäme mich und bin traurig, dass du wütend auf mich bist, und ich war jetzt auch eine Stunde brav in meinem Zimmer, darf ich rauskommen - und alles ist wieder gut? Ich muss das gar nicht spielen, ich fühle mich wirklich so, weil es mich umhaut, sie plötzlich tatsächlich vor mir zu sehen und nicht nur an sie zu denken, es ist so unglaublich intensiv und spannungsgeladen, sie wirft mir Blicke spitz wie Dolche zu, aber sie schießt sie nicht mit solcher Wucht gegen mich ab, dass sie mich wirklich treffen, sondern sie fallen zwischen uns auf den Boden, und sie ist immer noch wütend, aber ich denk nur, Wie sie mich anschaut! Es ist so wahnsinnig sexy, wie ihre Augen glühen. Naomi starrt plötzlich auf irgendwas weiter weg, und Robin fragt, Was ist?, und Naomi antwortet, Ich glaub, ich seh Gespenster - da drüben sind die beiden Bruces! Was ich für genial halten würde, wenn ich gerade bekifft wäre, aber das bin ich nicht, weil ich mich bemühen muss, mein Bestes zu geben, und deshalb find ich es nur seltsam. Besser, ich geh jetzt, sagt Naomi, und Robin will auch aufspringen, aber ich sage, Bitte bleib noch ein bisschen, und es ist das erste Mal in meinem verdammten Leben, dass mir ein blödes Bitte wirklich weiterhilft. Naomi verschwindet, und Robin fragt noch mal, Was ist?, und ich bin nah dran, ihr zu sagen, Ich bin so in dich verknallt, dass es schon nicht mehr lustig ist. Ihr zu sagen, Ich weiß, dass du mich willst, aber ich will dich noch viel mehr. Ich will auch immer mein Bestes geben, denn jetzt hab ich einen Grund dafür. Und vielleicht hat es seinen guten Grund, dass es zwischen uns so lange gedauert hat, denn hätte ich schon mit dir schlafen wollen, als wir uns das erste Mal getroffen haben, dann wär es nie so ausgegangen. Ich hätte immer das Sagen gehabt. Aber jetzt bist du am Zug. Ich hab schon so viel gemacht, um dich dazu zu bringen, irgendwas zu machen. Du bist jetzt dran. Was wirst du machen? Das alles würd ich gerne sagen, aber in Wirklichkeit sage ich, Naomi sieht überall Bruces, und diese Antwort hat sie am allerwenigsten erwartet, sie findet das lustig, obwohl ich sie so enttäuscht habe, als ich ihr erklärt hab, dass ich ihr immer ein guter Freund bleiben will. Ich kann dich nicht mehr leiden, sagt sie zu mir. Und ich sage zu ihr, Das finde ich aber schade. Sie fragt mich, Warum, und diesmal geb ich ihr eine Antwort. Ich sage zu ihr, Egal ob du mich noch leiden kannst oder nicht, ich mag dich immer noch. Ich mag dich sogar sehr. Sie sagt, Du bist ein Scheißkerl. Und ich sage, Ja, aber ich bin dein Scheißkerl, wenn du mich haben willst. (Ich sage nicht zu ihr, dass ich auch ihr Freund sein will. Aber das will ich auch. Ja, das will ich.) Sie schnaubt wütend, und ich denke, Genauso seid ihr Mädchen aus Schenectady. Und dann schau ich ihr so tief ich kann in die Augen. Und ich sage total cool und total verwundbar, Hey, lass mich dich noch mal auf einen Cocktail einladen.