Robin (
)

FREUNDE
Und ich hab mich mit meinem Kumpel Gerald
unterhalten und hab zu ihm gesagt, Stell dir vor, da ist dieses
Mädchen, und das Komische ist, ich kann mit ihr richtig gut reden,
ohne abzudrehen oder wegzudriften, also ich meine mental
abzudrehen, und darauf er, Hey, ist doch super, und ich erzähl ihm,
Yeah, ich kann ihr echt vertrauen, und ich weiß, dass sie wirklich
auf mich steht und dass sie sich für die gleichen Filme
interessiert und lauter solche Sachen, und darauf Gerald, Wo ist
das Problem?, und da hab ich zu ihm gesagt, Das Problem ist, wenn
es nach mir ginge, dann würde sie am besten immer alle ihre Sachen
anlassen, und er hat geantwortet, Ah, verstehe, sie ist eine Eule,
und ich, Nein, nein, nein, du hast’s nicht kapiert, sie ist total
süß, auf so ’ne richtig süße Weise süß, und wenn ich sie nicht
kennen würde, dann könnte ich mich total in sie verknallen, mit
allem Drum und Dran, aber ich kenn sie nun mal, und weil ich sie
kenne, möchte ich mich nicht an sie ranmachen, ich will nicht das
von ihr, ich will einfach nur so Sachen wie mit ihr reden und mit
ihr was trinken gehen oder dasitzen und zusammen lernen, weil wenn
wir das alles zusammen machen, ist es viel weniger langweilig, als
wenn ich es alleine mache, weil sie andauernd lachen oder irgendwas
brummen muss, und ich frag, Was ist?, und sie kommt dann mit den
blödsinnigsten Sachen daher, sodass ich immer nur denken muss, Sie
ist das echt tollste Mädchen überhaupt, nur - ich will nicht mit
ihr schlafen, und Gerald sagt, Hey, Alter, es gibt ein Wort für
das, was du da beschreibst, für diese Art von Beziehung, die ihr
miteinander habt, und darauf ich, Bitte sag’s mir, ich will wissen,
was es ist, das macht mich noch fix und fertig, und Gerald grinst
und macht einen langen Zug, bevor er zu mir sagt, Freundschaft,
Kumpel - man nennt das Freundschaft. Und das hat mich wirklich
überzeugt, zumindest hab ich das gedacht, denn es war so
sonnenklar, und ich hab geglaubt, für sie wär das auch total klar
und zwischen uns beiden wär alles klar, aber dann hat es immer
wieder diese komischen Momente gegeben, wo ich gespürt hab, dass
sie gerne hätte, es wär zwischen uns mehr als Freundschaft - wenn
sie mir immer mal wieder die Hand auf die Schulter gelegt hat oder
mich gefragt hat, ob ich ihr nicht den Nacken massieren kann, und
einmal hat sie gerufen, Oh, eine richtige Verabredung!, als ich sie
gefragt habe, ob wir nicht zusammen diesen Fassbinder-Film im
Anthology gucken wollen, und ich hab gedacht, Hey, Alter, das
bildest du dir nur ein, komm mal runter, dieses Mädchen ist klug,
die wird sich niemals mit einem Typen wie dir einlassen wollen.
Aber das andere war da, ich hab es bei ihr gespürt, bloß das
Komische war, obwohl ich sie als Person
wirklich gemocht habe, hat es sich nicht so angefühlt, wie wenn...
wie wenn man ein Mädchen wirklich mag, weil
wenn man ein Mädchen wirklich mag, dann zündet es - man kann es
spüren -, und bei ihr hat es nicht gezündet, wir haben immer nur
miteinander geredet und so Zeug. Und irgendwann haben wir dann »La
Dolce Vita« zusammen im Film Forum geguckt und danach sind wir noch
Cocktails trinken gegangen, und ich glaub, sie hat extra gewartet,
bis ich schon drei Drinks intus gehabt habe, denn mein Kopf war wie
ein Gummilappen, als sie mich gefragt hat, Was ist das eigentlich
zwischen uns?, und ich darauf, Klarer Fall, wir sind die
Super-Robin-Zwillinge, oder irgend so was Doofes, und darauf sie,
Das ist keine richtige Antwort, ich frag dich noch mal anders: Was
bin ich für dich?, und selbst wenn ich hundert Prozent nüchtern
gewesen wäre, hätte ich nicht gewusst, was ich darauf hätte
antworten sollen, weil ich es hasse, wenn man Definitionen zu
Sachen abgeben soll, die größer als jede Definition sind - was als
Kompliment an sie gemeint war, nur dass sie es nicht so verstanden
hat. Natürlich hab ich damals kapiert, wonach sie mich wirklich
gefragt hat, und ich hab an das Gespräch zwischen mir und Gerald
denken müssen und wie einfach mir da alles vorgekommen ist, ich bin
nicht total hirntot - ich hab gewusst, dass es absolutes Gift sein
würde, das andere F-Wort zwischen uns ins Spiel zu bringen, denn
wenn ein Mädchen dich fragt, ob du mit ihr zusammen sein willst,
dann ist das Allerletzte, was sie von dir hören will, wie schön du
die Freundschaft zwischen euch beiden findest, egal wie ehrlich und
total positiv du das meinst, es fühlt sich an, als würdest du ihr
einen Sack Scheiße rüberreichen. Es ist mir aber nichts anderes
eingefallen, weil ich ihr nicht an den Kopf schmeißen wollte, Hey,
Robin, es regt sich einfach nichts bei mir, wenn ich dich angucke,
deshalb hab ich zu ihr gesagt, Du bist eine gute Freundin für mich,
und ich hab es auch so gemeint, und sie hat es genauso übel
aufgenommen, wie ich mir das vorgestellt hatte, nur mit dem
Unterschied, dass sie nicht losgeheult hat und dass sie auch nicht
von mir getröstet werden wollte, sie hat einfach ihren Cocktail
genommen und ihn mir ins Gesicht gekippt. Mannomann, ich hab echt
schon ziemlich viel Bier abgekriegt in meinem Leben, aber das war
vollkommen anders - nicht nur weil es ekelhaft klebrig war, es war
der Meta-Schock für mich. Die Tat selber war schon schlimm genug,
rein körperlich, aber dann war da noch viel existenzieller die
Erkenntnis, es hat dir jemand gerade einen Cocktail ins Gesicht
geschüttet, das hat mich total aus der Fassung gebracht. Ich hab
fast geglaubt, sie würde auch noch das Glas nach mir schmeißen oder
brüllen, Scheißkerl! Aber sie hat nur gesagt, Okay, das ist genug,
und mich eine Sekunde lang mit ihrem Laserstrahl-Blick angeschaut,
und in diesem Augenblick - puff! - hat es total gezündet. Sie war höllisch sexy, und sie war
deshalb so höllisch sexy, weil sie überhaupt keine Ahnung hatte,
dass sie es war. Ihre Hand hat gezittert, als sie das Glas auf dem
Tisch abgestellt hat, und sie war genauso überrascht wie ich, dass
sie mir gerade ihren Cocktail ins Gesicht gekippt hatte, aber ich
wusste, sie würde das durchziehen, sie würde mit ihrer Wut aus der
Bar rausstürmen, und ich konnte sie nicht zurückhalten, no way, und
das hat mich traurig gemacht, weil ich gerade nicht nur die einzige
richtige Freundin in meinem Leben verloren hatte, sondern auch noch
das Mädchen, das ich plötzlich unbedingt haben wollte, unbedingt.
Sie hat mich mit der Rechnung in der Bar sitzen lassen, was total
unfair war, weil sie weiß, dass das ganze Geld aus meinen
Drogendeals in mein Filmprojekt wandert (scheiß auf digital), aber
ihr nachzuschauen, wie sie so wutentbrannt aus der Bar gestürmt
ist, war jede überzogene Kreditkarte wert. Ich wusste, was ich als
Nächstes zu tun hatte - ihr SMS schicken, sie anrufen, ihr E-Mails
schicken, ihr viele Gelegenheiten geben, mich abzuweisen. Wenn ich
sie leicht wieder rumkriegen könnte, wär es das nicht wert, denn
dann wäre es genauso wie vorher. Aber wenn sie sich zur Wehr setzen
würde - wenn es immer stärker zünden würde -, dann, ja dann, wär es
etwas anderes. Ich hab sie also bombardiert und bin damit erst mal
gegen eine Mauer des Schweigens gerannt. Ein gutes Zeichen. Dann
hab ich eine zweite Angriffswelle gestartet, der ganze
Es-war-so-bescheuert-von-mir-Scheiß. Was bewirkt hat, dass sie mir
signalisierte: Hör auf damit. Also hab ich damit aufgehört. Ich hab
meine eigene Schweigemauer hochgezogen, aber dafür gesorgt, dass
eine Leiter für sie angelehnt blieb. Es musste sie nur jemand
darauf stoßen, und das war der Punkt, an dem Naomi, die
Herzensbrecherin, Naomi, das It-Girl, sexy Naomi, die allen den
Kopf verdreht, ins Spiel kam. Wir hatten schon länger darüber
gesprochen, mal zusammen einen Film zu machen, ich wollte ihr
einfach nur durch die Straßen folgen, die Stadt mit ihren Augen
sehen. Wie Reality-TV, nur real. Sie hat Star-Qualitäten -
strahlend und irgendwie unnahbar, und was am wichtigsten für mich
war, ich wusste, dass Robin und sie viel miteinander reden, vor
allem seit Naomi ihren schwulen besten Freund verloren hat. Deshalb
hab ich sie angerufen und gesagt, Hey, wir sollten uns mal treffen
und sehen, ob wir das mit dem Film wirklich zusammen machen wollen,
und es war ein Volltreffer, weil Naomi sofort gesagt hat, Du willst
dich ja nur wieder bei Robin einschleichen, und ich hab zuerst
abgewehrt, Nein, nein, nein - und dann hab ich so zehn Minuten
gewartet und danach hab ich gesagt, Naomi? Was du da gesagt hast,
du weißt schon. Über Robin. Und wenn es doch ein kleines bisschen
wahr wäre? Und da hat sie gelacht und hat angeboten, mir zu helfen,
und gemeint, ich hätte eine echte Chance, und mir gewünscht, dass
wenigstens ich es hinkriegen würde. Absolute Freundschaftspunkte.
Sie hat gesagt, Ich bin heute Nachmittag mit Robin im Park, komm
doch einfach dazu und sag, dass du mit mir über den Film reden
willst, und dann muss ich aus irgendeinem Grund weg. Sie hat mir
sogar gesagt, dass ich das blaue Hemd anziehen soll, weil es das
Lieblings-Hemd von Robin ist, und zuerst wollte ich antworten, Hey,
ich hab ungefähr zwanzig blaue Hemden, welches denn?, aber das
Coole daran war, dass ich dann plötzlich genau wusste, welches Hemd
sie meint, weil ich immer schon gespürt habe, dass Robin dieses
eine blaue Hemd besonders mag. Nur um auf der ganz sicheren Seite
zu sein, hab ich Naomi noch gefragt, ob Robin sich mit jemand
anders treffen würde, und eine Sekunde lang hat es sich angehört,
als würde sie sich an ihrem Kaugummi verschlucken. Dann hat sie
gesagt, das sei wohl kein Thema, aber es wäre auch egal, ich sollte
einfach mein Bestes geben. Deshalb hab ich dann Gerald angeheuert,
damit er für mich die Marihuana-Hotline managt, sodass ich ganz
zufällig heute Nachmittag im Park mit Naomi und Robin
zusammentreffen konnte. Als ich zu ihrer Bank komme, fängt Naomi
einen ellenlangen Monolog an, dass sie mich schon die ganze Zeit
wegen dem Film anrufen wollte, und ich konzentriere mich drauf,
Naomi anzuschauen, werfe aber ab und zu verstohlene Blicke zu Robin
rüber, und zwar so, dass sie es merkt, aber ohne zu merken, dass
ich das absichtlich mache, damit sie es merkt. Ich hab Angst, dass
sie aufsteht und geht, aber sie lässt mich deutlich spüren, dass
ich derjenige sein sollte, der aufsteht und geht. (Natürlich redet
Naomi pausenlos weiter, deshalb bin ich außer Gefahr.) Robin wirkt
nicht glücklich, mich zu sehen, was ein schlechtes Zeichen ist, sie
wirkt eher traurig, mich zu sehen, was wieder ein gutes Zeichen
ist. Sie setzt ihr
Ich-bin-nur-ein-einfaches-Mädchen-aus-Schenectady-Gesicht auf, aber
mein Vater ist aus Albany, ich weiß, dass Schenectady eine Stadt
ist, die auf Stahl gebaut wurde, und wenn Robin genauso ist, dann
erwartet mich ein Kampf, wie ich ihn liebe. Naomi macht eine kurze
Pause, als würde ihr plötzlich klar werden, wie peinlich die ganze
Situation eigentlich ist, und für mich ist jetzt der Augenblick
gekommen, in dem ich Robin direkt ansehen und ein kleinlautes,
schüchternes Hallo sagen muss. Wie ein kleiner Junge, der damit
signalisieren will, Hey, ich weiß, dass es falsch war, mit den
Wachsmalkreiden auf dem Esszimmertisch rumzumalen, und es tut mir
echt leid, ich schäme mich und bin traurig, dass du wütend auf mich
bist, und ich war jetzt auch eine Stunde brav in meinem Zimmer,
darf ich rauskommen - und alles ist wieder gut? Ich muss das gar
nicht spielen, ich fühle mich wirklich so, weil es mich umhaut, sie
plötzlich tatsächlich vor mir zu sehen und nicht nur an sie zu
denken, es ist so unglaublich intensiv und spannungsgeladen, sie
wirft mir Blicke spitz wie Dolche zu, aber sie schießt sie nicht
mit solcher Wucht gegen mich ab, dass sie mich wirklich treffen,
sondern sie fallen zwischen uns auf den Boden, und sie ist immer
noch wütend, aber ich denk nur, Wie sie mich anschaut! Es ist so
wahnsinnig sexy, wie ihre Augen glühen. Naomi starrt plötzlich auf
irgendwas weiter weg, und Robin fragt, Was ist?, und Naomi
antwortet, Ich glaub, ich seh Gespenster - da drüben sind die
beiden Bruces! Was ich für genial halten würde, wenn ich gerade
bekifft wäre, aber das bin ich nicht, weil ich mich bemühen muss,
mein Bestes zu geben, und deshalb find ich es nur seltsam. Besser,
ich geh jetzt, sagt Naomi, und Robin will auch aufspringen, aber
ich sage, Bitte bleib noch ein bisschen, und es ist das erste Mal
in meinem verdammten Leben, dass mir ein blödes Bitte wirklich
weiterhilft. Naomi verschwindet, und Robin fragt noch mal, Was
ist?, und ich bin nah dran, ihr zu sagen, Ich bin so in dich
verknallt, dass es schon nicht mehr lustig ist. Ihr zu sagen, Ich
weiß, dass du mich willst, aber ich will dich noch viel mehr. Ich
will auch immer mein Bestes geben, denn jetzt hab ich einen Grund
dafür. Und vielleicht hat es seinen guten Grund, dass es zwischen
uns so lange gedauert hat, denn hätte ich schon mit dir schlafen
wollen, als wir uns das erste Mal getroffen haben, dann wär es nie
so ausgegangen. Ich hätte immer das Sagen gehabt. Aber jetzt bist
du am Zug. Ich hab schon so viel gemacht, um dich dazu zu bringen,
irgendwas zu machen. Du bist jetzt dran. Was wirst du machen? Das
alles würd ich gerne sagen, aber in Wirklichkeit sage ich, Naomi
sieht überall Bruces, und diese Antwort hat sie am allerwenigsten
erwartet, sie findet das lustig, obwohl ich sie so enttäuscht habe,
als ich ihr erklärt hab, dass ich ihr immer ein guter Freund
bleiben will. Ich kann dich nicht mehr leiden, sagt sie zu mir. Und
ich sage zu ihr, Das finde ich aber schade. Sie fragt mich, Warum,
und diesmal geb ich ihr eine Antwort. Ich sage zu ihr, Egal ob du
mich noch leiden kannst oder nicht, ich mag dich immer noch. Ich
mag dich sogar sehr. Sie sagt, Du bist ein Scheißkerl. Und ich
sage, Ja, aber ich bin dein Scheißkerl,
wenn du mich haben willst. (Ich sage nicht
zu ihr, dass ich auch ihr Freund sein will. Aber das will ich auch.
Ja, das will ich.) Sie schnaubt wütend, und ich denke, Genauso seid
ihr Mädchen aus Schenectady. Und dann schau ich ihr so tief ich
kann in die Augen. Und ich sage total cool und total verwundbar,
Hey, lass mich dich noch mal auf einen Cocktail einladen.