Epilog
Jericho hat sich seit den Ereignissen, die in diesem Buch beschrieben wurden, nur wenig verändert. Canal Reach allerdings ist inzwischen verschwunden. Die eingeschossigen Reihenhäuser wurden abgerissen – auch Nr. 9 und 10, in denen Anne Scott und George Jackson lebten und starben. Wo noch vor gut einem Jahr die kleine Sackgasse verlief, erhebt sich jetzt ein riesiger Neubaublock. Mrs Purvis aus Nr. 7, die aus der Gegend nicht weg wollte, ist dort eingezogen (natürlich zusammen mit Graymalkin), und auch der junge Polyhistor, der Morse – gründlicher, als ihm lieb war – über die Geschichte Jerichos belehrte, hat sich dort eine Wohnung genommen. (Er studiert übrigens seit dem letzten Frühjahr an der Universität London Ökologie.) Von den anderen, die in der Geschichte eine Rolle spielten, sind einige weggezogen, andere gestorben. Mrs Beavers aber gibt es noch; sie führt wie eh und je die Post, und auch Mr Grimes sitzt nach wie vor, inmitten einer Unmenge von Schlüsseln, Schlössern und Diebstahlsicherungsanlagen, in seinem Eckladen in der Great Clarendon Street. Und über allem ragt weithin sichtbar der Glockenturm von St. Barnabas.
Möglicherweise möchte der geneigte Leser auch etwas über das weitere Schicksal einiger in Oxford lebender Personen erfahren. Michael Murdoch wurde einige Wochen später aus dem Krankenhaus entlassen und konnte mit einer Ausnahmegenehmigung noch in das bereits angelaufene Herbstsemester einsteigen. Seit seiner Verletzung damals trägt er eine schwarze Klappe über dem rechten Auge, die ihm ein sehr verwegenes Aussehen gibt, was ihm bei seinen Beziehungen zum anderen Geschlecht durchaus zum Vorteil gereicht. Sein Bruder Edward hat vor knapp einem Jahr Abitur gemacht und im Fach Deutsch erwartungsgemäß mit der Note sehr gut abgeschlossen. Der Bridgeclub in Nord-Oxford erfreut sich einer ständig wachsenden Mitgliederzahl. Als unlängst Mr Parkes starb und der Club zu seiner Beerdigung einen Kranz kaufte, standen auf der Schleife, wie Mrs Briggs mehrere Tage lang jedem, der es hören wollte, nicht müde wurde zu erzählen, nicht weniger als sechsunddreißig Namen. Die Beisetzung fand übrigens genau an demselben Tag statt, an dem ein Oxforder Schwurgericht Charles Richards des Mordes an George Jackson für schuldig befand. Zur großen Überraschung seiner Kollegen und Vorgesetzten faßte Detective Constable Walters irgendwann Mitte letzten Jahres den Entschluß, die Polizei zu verlassen und statt dessen zur Armee zu gehen. Besonders Superintendent Bell, der sich übrigens als hervorragend geeignet für seine jetzige Aufgabe erwies, mißbilligte seine Entscheidung und versuchte in einem längeren Gespräch, ihn umzustimmen, was jedoch fehlschlug. Anfang dieses Jahres wurde Sergeant Lewis’ älteste Tochter von einem Sohn entbunden, und Mrs Lewis spendierte ihrem Mann zur Feier des Tages eine Flasche Rotwein zum Abendessen. Und Morse? Er geht noch immer regelmäßig jeden Abend in seinen Pub, und es hat den Anschein, daß er seine Nahrung hauptsächlich in flüssiger Form zu sich nimmt; es ist jedenfalls schon sehr lange her, daß ihn irgend jemand in einem der Supermärkte in Summertown hat einkaufen sehen. Mitte Dezember letzten Jahres war er wieder einmal in Nord-Oxford auf einer Party. Vor ihm in der Schlange am kalten Büffet stand eine junge Frau, und als sie sich nach vorn beugte, um an die Schüssel mit dem Salat zu kommen, betrachtete er beinahe andächtig die sanfte Kurve ihres schmalen Hinterns. Doch er sprach sie nicht an. Er setzte sich allein in eine Ecke, und in einem unbeobachteten Moment, als die Gastgeberin beschäftigt war, schlüpfte er hinaus, stieg in seinen Lancia und trat auf das Gaspedal. Er wollte nichts als nach Hause.