7.

Obwohl Atlan und seine drei Begleiter darauf gewartet hatten, dass sich ihnen Roboter in den Weg stellten, wurden sie doch überrascht, als plötzlich eine blitzende Maschine aus einer Öffnung in der Decke herabfiel und hinter ihnen landete.

Sie ließen sich zu Boden fallen, als sie den Aufprall hörten, und ein gleißend heller Energiestrahl raste über sie hinweg.

Bjo Breiskoll reagierte am schnellsten. Er schoss, noch bevor er auf dem Boden lag.

Und er traf.

Der Kampfroboter wurde von der Wucht der aufprallenden Energien umgerissen, kam aber augenblicklich wieder auf die Beine. Er besaß humanoide Form, lief jedoch auf drei Beinen, sodass er unter normalen Umständen nicht umzuwerfen war. Bei seinem Sprung war er jedoch offensichtlich falsch aufgekommen. Als er sich aufrichtete, riss ihm der Energiestrahl aus der Waffe des Arkoniden ein Bein weg. Gavro Yaal und Joscan Hellmut zerstörten die Maschine mit weiteren Schüssen.

»Weiter«, drängte der Arkonide. »Wir sind noch nicht am Ziel.«

Er eilte den drei Schläfern voraus und erreichte wenig später das Schott zur Hauptleitzentrale. Dort wartete er, bis die anderen bei ihm waren. Mit angeschlagenen Waffen stellten sie sich vor dem Eingang zur Zentrale auf. Jeder von ihnen rechnete damit, dass Kampfroboter das Nervenzentrum des Quaders verteidigen würden.

Das Schott glitt zur Seite, und sie sahen, dass sich niemand in der Zentrale aufhielt.

»Die Positronik will keinen Schusswechsel in der Zentrale«, vermutete der Kybernetiker. »Sie weiß, dass das ihr Ende wäre. Die Hitze würde die gesamte Anlage zerstören.«

Sie betraten den Raum und schlossen das Schott hinter sich. Alles Weitere lag nun bei Joscan Hellmut. Der Kybernetiker trat an die zentrale Schaltkonsole.

In den vergangenen Stunden hatte er sich minutiös auf diesen Moment vorbereitet. Guschuz hatte ihm zahlreiche Hinweise gegeben und ihm geholfen, die Eigenarten der Einrichtung zu verstehen. Er hatte ihm vor allem die fremden Bezeichnungen übersetzt und ihm so den Einstieg in die Technik des Quaders ermöglicht. So vergingen nur wenige Minuten, bis Joscan Hellmut die ersten Tasten am Computerterminal drückte.

Damit nahm er die Verteidigungsschaltung der Hauptpositronik zurück. Einige Lichter leuchteten vor ihm auf, und in der gleichen Sekunde endeten die Kämpfe im Schiff. Die Roboter verharrten in der Bewegung. Zahllose Sperreinrichtungen wurden aufgehoben. Die Verriegelungen der Schotte lösten sich.

»Kann man nicht endlich auch den Summer abstellen, der mich parapsychisch taub macht?«, fragte Bjo Breiskoll.

Joscan Hellmut seufzte.

»Vorläufig habe ich andere Sorgen«, erwiderte er. »Vielleicht finden wir den richtigen Knopf irgendwann. Zunächst kommt es darauf an, die bei den Kämpfen entstandenen Schäden zu beheben.«

»Ist das wirklich so wichtig?«, fragte der Katzer.

»Beruhige dich. Wir haben es nur mit Robotern zu tun. Die kannst du ohnehin nicht belauschen. Und bei Guschuz gibt es wohl auch keine Geheimnisse.«

Bjo Breiskoll lehnte sich enttäuscht in seinem Sessel zurück.

Er schien nicht einsehen zu wollen, dass es irgendetwas gab, was wichtiger war als sein telepathisches Talent.

»Wieso muss das Schiff repariert werden? Was geht uns das an?«

»Die innere Stabilität des Quaders könnte gefährdet sein. Deshalb müssen wir ihn reparieren. Das heißt, wir haben im Grunde genommen nichts damit zu tun. Ich habe nur einen Befehl gegeben, der von den Robotern des Schiffes ausgeführt wird. Das bedeutet keine Mehrarbeit für uns, hat aber den Vorteil, dass wir uns auf das Raumschiff verlassen können, wenn wir mit dem Flugmanöver beginnen.«

»Na schön«, sagte Bjo leise. »Jedenfalls ist mir wohler, wenn alles wieder normal ist.«

 

Tamir Gordan kam wieder zu sich, als jemand sein Gesicht berührte. Er schrie auf, weil er das Gefühl hatte, ein glühendes Eisen zu berühren.

Emar Wust beugte sich über ihn.

»Tamir«, sagte er. »Wie siehst du denn aus?«

»Keine Ahnung«, antwortete der Kommandant der Ferraten in dem verzweifelten Bemühen, seine Schmerzen mit einem Scherz zu überspielen. »Ich kann mich ja nicht sehen. Du müsstest es viel besser wissen.«

»Du hast Verbrennungen erlitten«, erklärte Wust. Er kannte Gordan zur Genüge, und dessen Antwort verriet ihm, dass es noch viel schlechter um ihn stand, als es den Anschein hatte. »Ich bringe dich sofort zur SOL.«

»Ist alles vorbei?«

»Wir haben auf ganzer Linie gesiegt. Die Roboter kämpfen nicht mehr.« Wust fuhr sich mit den Händen über das verschwitzte Gesicht. »Ich habe keine Medikamente hier. Absolut nichts. Du musst sofort zur SOL. Dort können sie dich behandeln.«

Gordan stemmte sich mühsam hoch. Nun erst sah er seine Hände, und er erschrak über das Ausmaß der Verbrennungen, die er sich zugezogen hatte. Für einige Sekunden wurde ihm schwarz vor Augen, sodass Wust ihn stützen musste. Dann aber richtete er sich auf.

»Ich will zur Zentrale«, erklärte er keuchend. »Ich muss mit Atlan reden.«

»Nein. Wir verschwinden. Es wird höchste Zeit.«

»Was meinst du damit?«

»Frag nicht. Komm mit. Die anderen ziehen sich schon zurück.«

»Wir können den Quader nicht verlassen, ohne mit Atlan und den Schläfern gesprochen zu haben.«

»Du irrst dich, Tamir. Wir müssen sogar ohne sie zur SOL zurückkehren. Chart Deccon will es so.«

Tamir Gordan hatte das Gefühl, dass ihm jemand den Boden unter den Füßen wegzog. Er glaubte, im Fieberwahn alles zu verdrehen und falsch zu verstehen. Doch dann blickte er Emar Wust an, und er erfasste, dass dieser es ernst meinte und dass er ihn richtig verstanden hatte.

Er stieß ihn von sich.

»Lass mich«, rief er.

Doch der andere packte ihn erneut und zog ihn energisch mit sich. Sie verließen die Halle, in der robotische Baumaschinen soeben mit Reparaturarbeiten begannen.

Tamir Gordan ließ sich jedoch nicht weit mitschleifen. Nach einiger Zeit zwang er Emar Wust, stehen zu bleiben.

»Was ist los?«, fragte er. »Ich will es wissen. Ich befehle dir, es mir zu sagen.«

»Genau weiß ich es auch nicht«, antwortete Wust. »Auf jeden Fall haben wir vom High Sideryt die Anweisung, uns ohne Atlan und die Schläfer aus dem Quader zurückzuziehen, sobald das Schiff in unserer Hand ist.«

»Dann hat Chart Deccon wieder irgendeine Schweinerei vor. Er will Atlan betrügen.«

»Möglich«, erwiderte Wust achselzuckend. »Aber was geht uns das an? Wir befolgen nur Befehle.«

»Du vielleicht. Ich werde Atlan informieren.«

Emar Wust zerrte ihn unbeirrt weiter.

»Nein, das wirst du nicht«, sagte er.

Doch Gordan gab nicht auf. Er wollte sich durchsetzen und wehrte sich nach Kräften, bis Wust ihn kurzerhand paralysierte.

 

Während Bjo Breiskoll und Gavro Yaal die Zentrale verließen, arbeiteten Atlan und Joscan Hellmut an der Hauptpositronik. Dem Arkoniden gelang es nach einiger Zeit, Funkverbindung mit der SOL aufzunehmen. Der High Sideryt meldete sich so schnell, als habe er an den Geräten auf einen Anruf gewartet.

»Wie weit seid ihr?«, fragte er unwirsch.

»Wir haben die Zentrale erreicht, und das ist schon eine ganze Menge«, erwiderte der Arkonide. »Jetzt versuchen wir, den Quader unter unsere Kontrolle zu bringen.«

»Und wie lange dauert das?«

Irgendetwas stimmt nicht, flüsterte der Extrasinn. Er muss wissen, wie schwer es ist, die Schaltzentrale eines fremden Raumschiffs zu manipulieren.

»Wir sitzen vor Hunderten von Instrumenten mit dreimal so vielen Schaltern. Die Computerterminals haben Tastaturen mit uns fremder Beschriftung, und wir kennen die Sprache der Fremden nur teilweise.«

»Das ist mir alles klar«, sagte Chart Deccon mit schneidend scharfer Stimme. »Ich befinde mich selbst in einer Zentrale und weiß, wie so etwas aussieht. Ich kenne die Schwierigkeiten, aber ich sehe auch, dass der Quader nicht einmal mehr siebzig Meter von uns entfernt ist. Wenn nicht bald etwas geschieht, werden die Raumschiffe zusammenstoßen, und dann spielt es keine Rolle mehr, was ihr da drüben in der Zentrale treibt.«

Damit brach er das Gespräch ab. Betroffen blickte Atlan auf den Bildschirm, der nur noch grau flimmerte. Er ärgerte sich über das Verhalten des High Sideryt.

»Chart Deccon hat Angst«, stellte Joscan Hellmut gelassen fest. »Er weiß, dass es mit uns aus ist, wenn die Schiffe zusammenprallen.«

Er schien sich weniger Sorgen zu machen als der Kommandant der SOL. Dabei bestand kein Grund zum Optimismus. Mit der Hilfe des Eremiten war es ihnen gelungen, den Abwehrmechanismus des Quaders auszuschalten, doch damit war nur wenig gewonnen. Ungleich schwieriger war es, die Gravitationsfelder zu deaktivieren, die die beiden Raumschiffe während der letzten Tage aneinandergefesselt hatten.

Sie mussten sich mühsam vorantasten und sich Schritt für Schritt mit der Hauptpositronik vertraut machen. Wenn sie irgendwo einen Fehler machten, konnten die Folgen katastrophal sein. Der schwierigste Schritt wäre zweifellos gewesen, das Triebwerk einzuschalten und mit dem Quader ein Manöver zu fliegen, um dabei von der SOL abzurücken. Daher stand von vornherein fest, dass Atlan und die Schläfer ein solches Manöver gar nicht erst versuchen würden, denn wenn sie bei einem derart diffizilen Unternehmen irgendetwas falsch machten, bestand die Gefahr, dass der Quader plötzlich beschleunigte und mit explosiver Gewalt gegen die SOL raste.

Die beiden Raumschiffe waren sich mittlerweile so nahe gekommen, dass allein schon eine Drehung des Quaders zu einem Zusammenprall mit der SOL führen konnte.

Atlan und Joscan Hellmut konzentrierten sich daher ganz auf jenen Bereich, in dem sie das Nervenzentrum der Gravitationsanlage vermuteten. Wenn es ihnen gelang, die Schwerefelder auszuschalten, konnten sie bereits von einem vollen Erfolg sprechen.

Zeitweilig hatten die beiden Männer das Gefühl, vor Schaltkonsolen mit lauter Zündern zu sitzen. Es schien, als brauchten sie nur irgendeinen Hebel, eine Taste oder einen Knopf zu berühren, um eine Explosion auszulösen.

Atlan war froh, dass er einen Mann wie Joscan Hellmut dabeihatte, der ruhig und besonnen an die überaus schwierige Arbeit heranging. Er allein hätte die Aufgabe niemals lösen können, obwohl er oft genug Raumschiffe der verschiedensten Art geflogen hatte.

Allmählich tastete sich Joscan Hellmut an die erste Entscheidung heran.

»Ich glaube, wir schaffen es«, sagte er und erläuterte einige Schaltungen. »Wir können wahrscheinlich einige der Gravitationsfelder beseitigen, die die beiden Schiffe aneinanderfesseln.«

»Dann sollten wir nicht länger warten«, entgegnete der Arkonide.

»Wenn es klappt, können wir uns sofort den Rest vornehmen.«

Der Kybernetiker berührte einige Tasten und beobachtete die Leuchtsymbole, die danach auf dem Bildschirm vor ihm erschienen.

 

Bjo Breiskoll beugte sich über Guschuz, der regungslos auf dem Boden lag. Er blickte in die gebrochenen Augen des seltsamen Wesens.

»Er hat recht gehabt«, sagte er. »Seine Zeit war abgelaufen.«

Gavro Yaal setzte sich auf einen Hocker.

»Ich mochte ihn und hätte mich gern noch ein wenig mit ihm unterhalten.«

Die beiden Männer hoben den Toten auf und trugen ihn in einen Nebenraum, wo sie ihn in einen Stahlcontainer legten, der ursprünglich verschiedene technische Geräte enthalten hatte und den sie luftdicht verschließen konnten.

Plötzlich richtete der Katzer sich auf und griff sich mit beiden Händen an den Kopf.

»Ich bin nicht mehr taub«, stellte er überrascht fest. »Das Summen ist verstummt. Joscan hat den richtigen Hebel gefunden. Endlich.«

Gavro Yaal lächelte.

»Du siehst mich an, als wüsste ich, wovon du sprichst, aber ich habe dieses Summen nie gehört.«

Bjo Breiskoll schüttelte den Kopf.

»Das kann doch nicht sein«, stieß er erregt hervor. Er wollte an dem Botaniker vorbeigehen und die Zentrale verlassen, doch Gavro Yaal hielt ihn fest.

»Was ist los?«, fragte er.

»Die Ferraten und einige Buhrlos verlassen das Schiff«, antwortete der Katzer. Dann riss er sich los und rannte davon.

Gavro Yaal, der unbedingt mehr wissen wollte, lief hinter ihm her. Er hoffte, dass Bjo noch etwas sagen würde, doch erst in der Hauptleitzentrale erfuhr er alles.

»Atlan«, rief der Katzer. »Die Ferraten flüchten aus dem Quader, weil Chart Deccon eine Reihe von Bomben deponiert hat, mit denen er uns erledigen will.«

»Nun mal langsam«, erwiderte der Arkonide. »Wovon sprichst du eigentlich?«

»Ich habe die Gedanken einiger Ferraten aufgefangen. Aufmerksam wurde ich, weil Tamir Gordan förmlich nach mir schrie. Emar Wust hat ihn paralysiert und schleppt ihn aus dem Schiff. Sie sind schon auf dem Weg zur SOL.«

»Dann wusste Gordan Bescheid?«

»Nein. Er nicht, sondern Emar Wust. Er hatte von Anfang an den Auftrag, die Männer zur SOL zu bringen, sobald wir die Zentrale erreicht haben. Er ist mittlerweile mit einem jener Rostjäger zusammengetroffen, die die Bomben im Quader versteckt haben.«

Er erklärte den Plan des High Sideryt.

Atlan blieb ruhig, als betreffe ihn der hinterhältige Anschlag nicht. Joscan Hellmut, der am Schaltpult gestanden hatte, wandte sich ab und setzte sich in einen Sessel.

»Dann können wir ja wohl Schluss machen«, sagte er.

»Wie weit seid ihr denn?«, fragte Gavro Yaal und setzte sich ebenfalls.

»Ich habe soeben alle Gravitationsfelder eliminiert, die die beiden Raumschiffe bisher aneinandergefesselt und alle Flugmanöver unmöglich gemacht haben«, erläuterte der Kybernetiker. »Die SOL kann sich jetzt also zurückziehen, und das wird sie auch tun.«

»Und der Quader?«, fragte Breiskoll.

»Wir sollten so schnell wie möglich zur SOL zurückkehren«, schlug Gavro Yaal vor.

»Das meine ich auch«, stimmte Joscan Hellmut zu. »Und dann nehmen wir uns Chart Deccon vor.«

»Ganz klar«, erwiderte Atlan. »Wir müssen den Quader so schnell wie möglich verlassen, sonst haben wir überhaupt keine Chancen mehr.«

Gavro Yaal sprang empört auf.

»Die Bomben werden explodieren und den Quader in Stücke reißen, bevor wir von Bord sind.«

»Nein. Sie werden erst gezündet, wenn der Quader auf Mausefalle VII stürzt«, bemerkte der Arkonide.

Er ging zum Schaltpult und drückte eine Taste. Auf einem der Monitorschirme erschien das Bild der SOL und einige eingeblendete Zahlen. Atlan kannte sich mittlerweile so gut mit den fremden Ziffern aus, dass er die wichtigsten Daten ablesen konnte. Danach war klar zu erkennen, dass die beiden Raumschiffe sich voneinander entfernten.

»Auf der SOL hat man ziemlich schnell reagiert«, sagte er. »Chart Deccon bringt sich in Sicherheit. Wir müssen uns beeilen.«

Die vier Männer packten die wenigen Ausrüstungsgegenstände zusammen, die sie mitgebracht hatten. Dazu gehörten vor allem ihre Waffen.

An einem der Geräte leuchtete ein Lichtsignal auf. Atlan drückte eine Taste und schaltete damit das Funkgerät ein. Das Gesicht Chart Deccons erschien auf einem der Bildschirme.

»Ihr habt gute Arbeit geleistet«, lobte er. »Die SOL ist frei und wieder manövrierfähig. Bleibt noch einige Stunden an Bord, bis die beiden Raumschiffe so weit voneinander entfernt sind, dass nichts mehr passieren kann. Wir holen euch dann mit einem Beiboot ab.«

»Einverstanden«, erwiderte der Arkonide, als habe er nicht die geringste Ahnung von dem heimtückischen Anschlag auf sie. »Wir sind froh, dass es so gut geklappt hat.«

»Bis später.«

Der High Sideryt lächelte und schaltete ab.

»Warum hast du nichts gesagt?«, fragte Joscan Hellmut.

»Er glaubt, uns hereinlegen zu können. Soll er. Wir werden jedoch zur SOL zurückkehren, und dann reden wir anders mit ihm.«

Die vier Männer verließen die Hauptleitzentrale des Quaders und eilten zu einem Antigravschacht, in dem sie, wie sie mittlerweile herausgefunden hatten, schnell bis zu jener Schleuse kommen konnten, durch die sie den Quader betreten hatten und in deren Nähe sich die meisten der Ferraten und Buhrlos noch immer aufhielten.