5.

Wie von Sinnen raste Yonlies durch den Urwald. Korr hatte in höchster Not um Hilfe gerufen.

Vergessen waren die Fremden, die der Katzenartige beobachtet hatte. Nun interessierte ihn das Wesen, das ihm so ähnlich war, nicht mehr. Es ging nur noch um Korr.

Während der ganzen Zeit nach der Entführung hatte Yonlies sich nicht so gefürchtet wie in diesen Sekunden, denn niemals zuvor hatte er sich in dieser Weise bedroht gefühlt.

Er brach mit urweltlicher Kraft durch das Unterholz, scherte sich nicht um Geräusche, die ihn verraten konnten, und um Hindernisse, die er sonst umgangen hätte, sondern suchte den geraden Weg zu dem Bereich des Dschungels, in dem Korr in seinem See lebte.

Als er wenig später den Waldrand erreichte, sah er mehrere Fremde auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung stehen. Doch er beachtete sie zunächst nicht.

Er sah nur den See, in dem Korr gelebt hatte.

Von dem quallenähnlichen Wesen war so gut wie nichts mehr vorhanden. Sein Körper war von der über ihn hereinbrechenden Glut zerrissen worden.

Yonlies war gelähmt vor Entsetzen.

Der Tod des Symbionten bedeutete auch sein Ende, denn ohne Korr konnte er nicht leben, da ihn niemand sonst von den ständig in seinem Körper entstehenden Giftstoffen befreien konnte.

Es war, als hätten die Fremden auch ihn erschossen.

Minutenlang war Yonlies unfähig, sich zu bewegen. Alles war verloren. Selbst wenn es ihm gelang, die Fremden dazu zu bewegen, ihn nach Arzeiss zurückzubringen, gab es keine Rettung mehr, denn er konnte nicht hoffen, innerhalb weniger Tage einen geeigneten neuen Symbionten für sich zu finden.

Alle Überlegungen und Pläne waren hinfällig geworden. Ihm blieben nur noch etwa drei Tage. Danach würden ihn die Giftstoffe in seinem Körper töten.

Drei Tage wofür?, fragte er sich.

Für die Rache!, antwortete eine innere Stimme. Wenn ich schon sterben muss, dann wenigstens nicht allein. Ich werde die Fremden auf die lange Reise mitnehmen. Einen nach dem anderen werde ich vorausschicken, bis auch ich nicht mehr länger hierbleiben kann.

Er war versucht, einfach auf die Lichtung hinauszurennen und sich auf die Fremden zu stürzen. Er zweifelte nicht daran, dass es ihm gelingen würde, wenigstens vier oder fünf von ihnen zu töten, doch er wusste auch, dass der Kampf danach vorbei sein würde. Dann würde ihn das gleiche Schicksal ereilen wie Korr.

Eine vier-oder fünffache Rache aber genügte ihm nicht. Er wollte, dass keiner der Fremden überlebte. Daher kauerte er sich im Dickicht auf den Boden und wartete, bis die Wesen, die ihn zum Tod verurteilt hatten, weitergingen. Sie bildeten eine lange Kolonne. An der Spitze ging ein weißhaariges Geschöpf. Es fiel Yonlies vor allem durch seine rötlichen Augen auf, und in ihm sah er den Anführer der Fremden. Daher war es für ihn selbstverständlich, dass er seine Rache vor allem an ihm vollziehen musste. Vorläufig jedoch wollte er sich diejenigen vornehmen, die das Ende der Kolonne bildeten.

Er schlich lautlos hinter den Fremden her, näherte sich ihnen immer mehr, bis er schließlich kaum zwei Meter hinter dem Letzten von ihnen war.

Er hörte sie miteinander sprechen, verstand sie jedoch nicht.

Geräuschlos pirschte er sich an das Wesen heran, das den Abschluss der Kolonne bildete. Es war vollkommen haarlos.

Yonlies richtete sich hinter ihm auf, packte es mit seiner Vorderpranke und hielt ihm den Mund zu, sodass es nicht schreien konnte. Zugleich riss er es mit aller Gewalt an sich, sodass sich die Dornen auf seiner Brust in den Körper des verhassten Fremden bohrten.

 

Bjo Breiskoll wartete.

Allmählich verlor sich die unheimliche Stille. Einige Vögel begannen zu singen, und ein Insektenschwarm stob vor ihm auf. Schmetterlinge flatterten an ihm vorbei, und ein affenähnliches Wesen kletterte schattengleich über einen umgestürzten Baumstamm.

Der Katzer spürte, dass sie nicht mehr länger belauert wurden. Er glaubte, einen Schrei zu hören, war sich dessen jedoch nicht ganz sicher, und da Gavro Yaal nichts sagte, schwieg auch er.

Zögernd ging er weiter. Doch von Schritt zu Schritt wurde er sicherer. Das katzenähnliche Wesen war nicht mehr in der Nähe. Das wurde ihm immer deutlicher bewusst. Er hatte seine körperliche Nähe gespürt, und nun empfand er nichts mehr.

»Da ist ein Pfad«, bemerkte einer der Buhrlos und zeigte auf eine Art Tunnel, den ein großes Tier durch das Dickicht des Unterholzes gegraben hatte.

»Dort kommen wir schneller voran«, stellte Breiskoll fest. »Wir folgen ihm.«

Er hatte keine Bedenken, sich auf den Trampelpfad zu begeben, obwohl er damit rechnete, dass der Koloss, der ihn angelegt hatte, ihnen irgendwann entgegenstürmte. Mit ihren Waffen konnten sie gegen jeden Angreifer bestehen.

Sie bewegten sich tatsächlich deutlich rascher. Innerhalb weniger Minuten hatten sie die Halle durchquert, ohne dem Tier begegnet zu sein, das den Tunnel angelegt hatte. Der Wald lichtete sich, und eine grüne Stahlwand kam in Sicht.

»Wir haben es geschafft«, sagte Gavro Yaal erleichtert. »Fragt sich nur, ob irgendwo ein Schott in der Nähe ist.«

Bjo Breiskoll führte seine Gruppe an der Wand entlang. Zunächst schien es, als müssten sie die ganze Halle umrunden. Doch dann stießen sie auf einen Ausgang, der hinter wild wuchernden Pflanzen versteckt lag. Mit einem Desintegratorstrahl beseitigte der Katzer die Tarnung, bis das positronische Schloss freilag, mit dem das Schott geöffnet werden konnte. Es stellte für ihn kein ernst zu nehmendes Hindernis dar, sodass er seine Männer schon wenig später in den hell erleuchteten Gang führen konnte, der hinter der Tür lag.

»Hoffentlich sind wir auf dem richtigen Weg«, sagte Gavro Yaal skeptisch. »Ich finde, nun könnten bald ein paar Hinweise auf die Hauptleitzentrale auftauchen.«

Der Gang war etwa zwanzig Meter lang und völlig leer. Auf den weiß eingefärbten Wänden war nirgendwo eine Schrift zu sehen. Ein roter Pfeil auf dem Boden wies auf ein Schott hin, das dem gegenüberlag, durch das sie hereingekommen waren.

»Sollten wir Atlan nicht informieren, dass wir den Wald verlassen haben?«, fragte einer der Ferraten.

»Genau das habe ich vor«, antwortete der Katzer, während er durch den Gang schritt. Er griff nach seinem Handgelenk, um das Funkgerät einzuschalten. Abrupt blieb er stehen und blickte Gavro Yaal erschrocken an.

»Spürst du es?«

Der Botaniker war bleich geworden. Er nickte. Der Gang bewegte sich. Er beschleunigte in seiner Längsrichtung wie ein Fahrstuhl.

Breiskoll und Gavro Yaal ließen sich auf die Knie fallen, um nicht umgerissen zu werden. Einige der Buhrlos und Rostjäger stürzten zu Boden. Sie begannen zu schreien.

Der Katzer hielt sich an Gavro Yaal fest. Weder er noch der Botaniker glaubten daran, dass sie sich in einem Fahrstuhl befanden, der irgendwann sanft abgefangen wurde.

Sie dachten an den Schacht, den sie bei ihrer Ankunft gesehen hatten. Rasten sie nun mit der Kabine, in der sie gefangen waren, durch einen solchen?

Der Botaniker krallte seine Hand um den Arm Breiskolls.

»Wir müssen das Ding stoppen«, schrie er. »Es schleudert uns womöglich in den Weltraum hinaus.«

Er hat recht!, fuhr es Breiskoll durch den Kopf. Wir müssen davon ausgehen, dass die Schiffspositronik uns beseitigen will. Also bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder schießt der Quader uns mit der Kabine ins Weltall hinaus, oder er lässt uns mit Höchstgeschwindigkeit gegen eine Stahlwand prallen.

In beiden Fällen wäre das Ergebnis für die Männer und Frauen der Expedition das gleiche gewesen.

 

Wajsto Kolsch triumphierte. Doch das ließ er sich nicht anmerken. Er blieb äußerlich so kühl und gelassen, als habe der High Sideryt keine besondere Entscheidung gefällt.

Doch genau das hatte er. Chart Deccon hatte Anweisung erteilt, Bomben an Bord des Quaders zu bringen und damit das Ende Atlans und das der Schläfer besiegelt.

Gallatan Herts saß grinsend in einem Sessel und rieb sich die Hände. Nun entwickelten sich die Dinge endlich nach seinen Vorstellungen.

»Wann bringen wir die Bomben zum Quader?«, fragte Kolsch. Er strich sich über das schwarzgraue Haar, und in seinen braunen Augen glitzerte es lauernd.

»Sofort«, erklärte Chart Deccon entgegen seiner ursprünglichen Absicht. »Der Quader ist kaum mehr fünfhundert Meter von uns entfernt. Noch haben Atlan und die anderen die Zentrale nicht erreicht, denn sonst hätten wir schon etwas von ihnen gehört. Sie werden jedoch bald dort sein, und dann könnte der Abstand zwischen uns und dem Quader wieder größer werden. Dann könnte es für uns zu spät sein. Es ist nicht nötig, dass der Arkonide oder einer seiner Begleiter zufällig von den Bomben Wind bekommt. Daher habe ich mich entschlossen, sie schon jetzt im Quader zu deponieren und scharf machen zu lassen.«

»Und was ist, wenn es Atlan nicht gelingt, den Quader unter seine Kontrolle zu bringen?«, fragte Gallatan Herts.

»Du meinst, wenn der Quader wider Erwarten mit uns zusammenprallt oder dicht an uns vorbeigleitet? Auch darüber habe ich mir selbstverständlich meine Gedanken gemacht. Wir werden die Bomben über Funk entschärfen. Das lässt sich einrichten.«

Wajsto Kolsch und Gallatan Herts erfuhren zu ihrer Überraschung, dass die Vorbereitungen schon viel weiter gediehen waren, als sie angenommen hatten. Chart Deccon hatte seine wahren Absichten lange vor ihnen verborgen gehalten. Wajsto Kolsch erhielt den Auftrag, den Transport der Bomben zum Quader zu überwachen, wozu er die SOL nicht zu verlassen brauchte, während Gallatan Herts für die Zünder der Bomben verantwortlich war und dafür zu sorgen hatte, dass sie notfalls über Funk unwirksam gemacht werden konnten. Beide Magniden verabschiedeten sich vom High Sideryt und verließen die Zentrale.

Etwa zwanzig Minuten später brachte eine Gruppe von Ferraten mehr als ein halbes Dutzend tonnenschwere Bomben zum Quader hinüber. Mithilfe der noch immer zwischen den beiden Raumschiffen schwebenden Leuchtkugeln umgingen sie die Bereiche der gravitatorischen Störungen. Sie schafften es, die Bomben im Quader zu deponieren und ohne Verluste wieder zur SOL zurückzukehren, um dort weitere Bomben zu holen.

Wenig später konnte Wajsto Kolsch dem High Sideryt mitteilen, dass die Bomben im Quader und die Zünder eingestellt waren. Die Zünder würden auf die Impulse reagieren, die Mausefalle-Sieben abgab, sobald der Quader in die Atmosphäre des Planeten eindrang.

Chart Deccon lächelte. Wenn alles nach Plan verlief, würde er schon bald wieder der alleinige Herrscher der SOL sein – und die Probleme mit dem Zugstrahl und dem Quader hatten sich erledigt.

 

Ein Schrei ließ Atlan herumfahren. Er sah, dass mehrere Ferraten und Buhrlos an das Ende der kleinen Kolonne eilten.

»Was ist los?«, fragte Joscan Hellmut.

»Das werden wir gleich wissen«, erwiderte der Arkonide. Er lief an dem Kybernetiker vorbei zu den anderen hin, die sich um einen Buhrlo geschart hatten, der auf dem Boden lag.

»Er ist tot«, sagte Emar Wust tonlos. »Jemand hat ihn erstochen.«

Er wies auf zwei Wunden im Rücken des Weltraumgeborenen.

»Jemand muss mit zwei Messern auf ihn eingestochen haben. Eines hat ihn direkt ins Herz getroffen.«

»Ich war direkt vor ihm«, berichtete ein Ferrate erregt, »aber ich habe nichts bemerkt.«

Der Arkonide untersuchte den Toten. Er stellte fest, dass dieser einige Kratzer und Schrammen in der Mundgegend hatte, und schloss daraus, dass ihm der Täter die Lippen verschlossen hatte, damit er nicht schreien konnte.

»Seht nach, ob er persönliche Gegenstände bei sich trägt!«, befahl er. »Wir können sie später seinen Angehörigen übergeben. Danach zerstrahlen wir die Leiche. Ich will nicht, dass sie von Tieren gefressen wird.«

Niemand konnte sich den Vorfall erklären. Vorsichtig ging Atlan auf dem Weg zurück, auf dem sie gekommen waren. Er suchte den Boden nach Hinweisen auf den Täter ab. Schließlich entdeckte er einen Abdruck, der ihn an die Spur einer großen Katze erinnerte.

Joscan Hellmut war dicht hinter ihm.

»Lass uns weitergehen«, bat er. »Es hat keinen Sinn, nach dem Mörder zu suchen. Er hat sich längst davongemacht.«

Der Arkonide erhob sich, und gemeinsam kehrten sie zu den anderen zurück. Atlan sah ein, dass der Kybernetiker recht hatte. Ein Tier konnte es nicht gewesen sein, das den Buhrlo getötet hatte, denn es hätte die Beute sicherlich nicht einfach zurückgelassen. Wenn sie es aber mit einem intelligenten Wesen zu tun hatten, war es das Beste, den Wald so schnell wie möglich zu verlassen.

Atlan brauchte nun nicht mehr zur Eile zu drängen. Die Ferraten und Buhrlos bewegten sich auch so schneller als vorher durch den Dschungel. Und sie waren noch wesentlich aufmerksamer als zuvor. Keiner von ihnen wollte das nächste Opfer sein.

»Was glaubst du?«, fragte Joscan Hellmut. »Wie viel Zeit haben wir noch?«

Der Arkonide verstand nicht, was er meinte.

»Zeit bis wann?«

»Bis der Quader und die SOL sich so nahe gekommen sind, dass sie zusammenstoßen werden.«

Atlan blickte den Kybernetiker nachdenklich an.

»Einige Stunden, wenn es hoch kommt. Länger auf keinen Fall.«

»Dann wird es Zeit, dass wir die Zentrale finden, denn auch dort werden wir mindestens ein paar Stunden brauchen, bis wir wissen, wie wir den Quader steuern können.«

»Das ist mir klar.« Die Antwort des Arkoniden fiel unerwartet schroff aus. Atlan war sich bewusst, dass die Situation immer kritischer wurde. Sie konnten es sich nicht leisten, Zeit zu verschwenden, denn der Entscheidung konnten sie nicht ausweichen. Daher belastete es ihn, dass sie nur so langsam vorankamen. Doch bis jetzt hatte er keine Möglichkeit gefunden, schneller zur Zentrale vorzudringen.

»Gibt es keine Möglichkeit, anhand irgendwelcher peripherer Positroniken herauszufinden, wo die Zentrale ist?«, fragte er.

»Du meinst durch einen Interkom oder dergleichen?« Hellmut schüttelte den Kopf. »In diesem Fall nicht. Die Hauptpositronik ist nicht bereit, uns zu helfen.«

Atlan nickte und ging weiter. Er kämpfte sich durch ein dichtes Gebüsch und sprang dann über einen Graben. Deutlich hörte er das Maunzen einer großen Katze.

»Bjo?«, rief er. »Bist du das?«

Der Urwald schwieg.

Er schaltete sein Funkgerät ein und rief den Katzer, erhielt aber keine Antwort.

»Da ist die Wand der Halle«, sagte Joscan Hellmut, als er zu ihm aufschloss. »Wir haben es geschafft. Nur noch wenige Schritte.«

Plötzlich schrien die Ferraten und Buhrlos laut auf. Einige Schüsse fielen. Energieblitze zuckten durch das Dunkel des Urwalds, und irgendwo brüllten exotische Tiere.

»Da war etwas«, rief Tamir Gordan. »Eine Katze hat versucht, uns zu überfallen. Leider haben wir sie nicht erwischt.«

Atlan ließ sich nicht aufhalten. Er ging weiter bis zu der Stahlwand, an der der Dschungel endete, und schon wenig später hatte er ein Schott gefunden, durch das sie die Halle verlassen konnten. Er wartete, bis alle nachgekommen waren. Joscan Hellmut untersuchte währenddessen das kompliziert aussehende Schloss.

»Es gehört einige Kenntnis dazu, es zu öffnen«, erklärte er. »Offenbar will man verhindern, dass jemand, den man zusammen mit dem Urwaldstück eingefangen hat, ausbricht. Was ich nicht ganz verstehe, ist, dass man von hier aus ein Energiefeld einschalten kann.«

Atlan ließ die Männer links und rechts vom Schott Aufstellung nehmen.

»Bestimmt ist die Positronik nicht damit einverstanden, dass wir diese Halle verlassen«, sagte er. »Daher wird sie uns vermutlich gleich angreifen.«

Er gab Joscan Hellmut ein Zeichen, das Schott zu öffnen.

 

Die Männer und Frauen, die zu Bjo Breiskolls Gruppe gehörten, waren vor Angst wie gelähmt. Keiner schien zu wissen, was er tun sollte. Das tödliche Ende der rasenden Fahrt schien unabwendbar zu sein, da es in der Fahrkabine keinerlei Schaltungen gab, mit der man sie hätte anhalten können.

Da kam Gavro Yaal der erlösende Gedanke.

»Schießt auf die Wände!«, brüllte er. »Los doch! Schießt!«

Die Buhrlos und Ferraten blickten ihn ebenso verständnislos an wie der Katzer.

»Schießt endlich!«, schrie der Botaniker, während er seinen Energiestrahler auslöste. Der Glutstrahl zuckte aus dem Projektor und schlug einige Meter von ihm entfernt in die Wand, wo sich augenblicklich ein weiß glühender Fleck bildete.

»Tut, was er sagt!«, befahl Bjo, der mit einem Mal begriff. »Beeilt euch!«

Auch er selbst feuerte seine Waffe ab. Er zielte auf die Decke, wobei er vorsichtshalber einen Bereich wählte, der weit genug von ihm entfernt war, sodass die Hitze nicht allzu stark zurückschlug und das sich verflüssigende Material niemanden verletzen konnte.

Einige der Ferraten schossen ebenfalls. Sie hörten ein ohrenbetäubendes Kreischen und Dröhnen und spürten gleichzeitig, dass sich die Kabine verlangsamte. Sie rüttelte und schüttelte sich, als sei sie aus der Bahn geraten.

Nun dehnten sich plötzlich alle vier Außenwände unter dem Ansturm der Hitze aus. Beulen bildeten sich, die zum Teil von den Schienen weggerissen wurden, auf denen die Kabine entlangraste, zum Teil aber auch dafür sorgten, dass sie stark abgebremst wurde. Die Reibungshitze verursachte eine weitere Verformung der Kabine, die dadurch zusätzlich verzögert wurde.

Während die Temperaturen im Innern des kleinen Raums derart anstiegen, dass die Männer und Frauen um Bjo Breiskoll und Gavro Yaal sich die Hände vor das Gesicht hielten, um sich vor Verbrennungen zu schützen, endete der Sturz der Kabine durch das Schiff. Sie verkeilte sich derart im Schacht, dass sie schließlich kreischend und knirschend zum Stehen kam.

Bjo Breiskoll kämpfte sich zu einer aufgeplatzten Seitenwand vor und atmete die kühle Luft ein, die durch eine Öffnung hereinströmte, während Gavro Yaal zum anderen Ende kroch und seine Waffe abermals gegen die Wand abfeuerte. Das ohnehin stark belastete Material floss auseinander, und ein zweites Loch entstand, durch das frische Luft hereinkam.

Die Kabine hatte sich so verdreht, dass sie nur noch aus Schrägen zu bestehen schien. Wer sich nicht festhielt, rutschte unweigerlich in eine Ecke.

»Das war knapp«, kommentierte der Botaniker.

Der Katzer kam zu ihm und spähte durch das Loch in den Schacht hinaus. Er erschrak. Keine fünfzig Meter von ihm entfernt endeten die Schienen, auf denen die Kabine entlanggeglitten war, an einem Panzerschott.

Unwillkürlich setzte er sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Er fühlte eine eigenartige Schwäche in den Beinen, da ihm bewusst war, dass alles zu spät gewesen wäre, wenn er dem Rat Gavro Yaals nur Sekunden später gefolgt wäre. Nichts hätte sie dann noch retten können.

»Wir sind im Innern eines riesigen Roboters, der nach innen und außen aktiv werden kann«, sagte der Botaniker. »Soeben hat er versucht, uns zu zerquetschen. Er wird es nicht dabei belassen.«

»Wir müssen so schnell wie möglich hier raus«, entgegnete der Katzer.

Einige der Männer hatten ihre Desintegratorstrahler gezogen. Damit schnitten sie eine quadratische Öffnung in die Seitenwand der Kabine und schufen einen Ausstieg durch die Schachtwand in einen Raum, in dem allerlei Transportkisten lagerten.

Während die ersten Männer in den Lagerraum krochen, blickte Bjo Breiskoll noch einmal durch das Loch an der Rückwand der Kabine in den Schacht. Er bemerkte ein weit entferntes Licht, das schnell größer wurde.

Seine Augen weiteten sich.

»Schnell!«, schrie er. »Weg hier! Man schießt auf uns!«

Nur noch drei Ferraten waren bei ihm. Er stieß sie durch die Öffnung und katapultierte sich im Hechtsprung hinterher. Dann rollte er sich über den Boden in die Deckung eines Containers. Im gleichen Moment schlug das Geschoss ein, und ein Feuerball raste durch die Öffnung in den Raum hinein. Die Druckwelle schleuderte einen Buhrlo zu Boden, der nicht rechtzeitig Schutz gesucht hatte. Metall und Plastiksplitter wirbelten durch die Luft, verletzten jedoch niemanden.

Der Katzer kroch über den Boden. Er blickte durch die Öffnung in den Schacht. Von der Kabine, in der sie sich eben noch aufgehalten hatten, war nichts mehr zu sehen. Zum zweiten Mal waren sie einem Anschlag der Schiffspositronik nur knapp entgangen.

»Vorwärts!«, drängte er. »Wir müssen den Lagerraum verlassen, bevor die nächste Bombe kommt. Vermutlich zielt unser unbekannter Gegner diesmal besser.«

Er brauchte die Männer und Frauen nicht anzutreiben. Der Schreck saß ihnen im Nacken. Sie rannten zur nächsten Tür und stürmten auf einen Gang hinaus, der schräg in die Höhe führte.

»Wohin?«, fragte einer der Buhrlos. Die Angst stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.

Gegen den ersten Anschlag der Positronik hatten sie etwas tun können, gegen den zweiten nicht.

Wie würde der dritte aussehen?