Ein alter Mann sucht eine Behörde auf. Er kommt am frühen Morgen, um kurz nach sieben erkundigt er sich nach Detective Daybell. Normalerweise wäre die Kommissarin um diese Zeit nicht im Büro, heute ist die gesamte Einheit anwesend. Die Polizisten sind seit Stunden auf den Beinen. Es gelingt dem alten Mann nicht, zum Inspector vorzubringen.
In dem flachen, barackenartigen Gebäude, das das Kommissariat beherbergt, ist viel los. Die Deckenleuchten tauchen die Räume in kaltes Licht, die Beamten sehen fahl und unvorteilhaft darin aus. Manche sind in Uniform, andere in Zivil. Es wird telefoniert, getippt, es wird auf und ab gegangen. In einer Ecke gruppieren sich vier Polizisten, nicht aus beruflichen Gründen, dort steht der Kaffeeautomat.
Man hat den alten Mann aufgefordert, Platz zu nehmen. Gottergeben sitzt er auf dem harten Metallstuhl und hält seine Schirmmütze auf dem Schoß. Er nimmt an, Warten gehört auf einem Kommissariat einfach dazu.
Wüsste Rosemary, was der Alte ihr mitzuteilen hat, sie würde nicht länger mit Ralph die Aussage von Mr Black erörtern. Hinauslaufen würde sie, den alten Herrn hereinbitten und noch jemanden, der das Protokoll aufnimmt. Doch es wird fast acht Uhr, bis ein Officer auf den Gentleman aufmerksam wird und fragt, was er eigentlich will.
»Ich habe eine Aussage zu machen. Wegen des Mordes an der Kindergärtnerin«, antwortet Mr Hobbs, der Vermieter von Miss Perry.
Danach dauert es nicht einmal 30 Sekunden, bis der alte Mann vor der Kommissarin steht.
»Guten Morgen, Detective.«
»Was führt Sie so früh zu uns, Mr Hobbs?«
»Ich habe Frühstücksfernsehen gesehen.«
»Ach ja?«
»Das von der Kindergärtnerin.«
Mr Hobbs hatte einige Skrupel zu überwinden, bevor er den Weg zur Behörde antrat. Er saß im Bett, die Fernbedienung in der Hand, und sagte sich, die Polizei sei auf seine Mitteilung gar nicht angewiesen. Diese Kommissarin durchschaut das Wesentliche, dachte er, sie zieht ihre Schlüsse. Trotzdem stand der alte Mann auf, wusch und deodorisierte sich, scheitelte sein Haar und zog die gute Jacke an, die noch seine verstorbene Frau ausgesucht hatte. Dieser Morgen glich nicht den zahllosen Morgen seit Ethels Tod und wohl auch nicht den gezählten Morgen, die noch vor ihm liegen mögen. Dieser Tag war besonders für Mr Hobbs, und er gedachte nicht, ihn ungenutzt verstreichen zu lassen. Er war ziemlich aufgeregt. Vor dem Schuheanziehen genehmigte er sich daher einen Sherry und einen weiteren, als er die Hausschlüssel einsteckte.
»Kannten Sie Mrs Lancaster?« Rosy bietet Hobbs den Stuhl vor ihrem Schreibtisch an.
»Nicht persönlich. Ich weiß nur, dass sie die Chefin von Miss Perry war. Jetzt ist sie tot?«
»Leider ja.«
»Ermordet?«
»Das nehmen wir an.«
»Nehmen Sie auch an, dass ihr Tod mit dem Mord an Gwendolyn in Zusammenhang steht?«
»Das wäre möglich.«
»Dann habe ich etwas zu sagen.«
Mr Hobbs sitzt, Ralph steht in der Ecke. Rosy schaltet die Kamera ein, die den Bereich des Schreibtisches erfasst.
Hobbs dreht die Mütze in den Händen. »Wie soll ich beginnen?«
»Am besten mit dem Wesentlichen.«
»Also gut.« Er sieht Rosy an. »Mrs Lancaster war in Gwendolyn verliebt.« Hobbs zuckt mit den Schultern, wie um zu sagen, auch wenn ich alt bin, sind mir solche Dinge nicht fremd.
»Woher wissen Sie das?«
»Miss Perry hat es mir erzählt.« Er hebt die Hand. »Nicht respektlos, sie machte sich nicht lustig darüber. Die Sache hat Gwendolyn allerdings gestört.«
»Bei welchem Anlass hat Miss Perry Ihnen das erzählt?«
»Den Anlass weiß ich nicht mehr. Sie kam manchmal zu mir ins Erdgeschoss, wenn sie Sorgen hatte.«
»Das Verhältnis zu Mrs Lancaster machte ihr Sorgen?«
»Sie fand es … so traurig.« Hobbs dreht sich zu Ralph. »Da war diese Frau in mittleren Jahren, nicht unbedingt attraktiv, aber auch nicht hässlich. Ihr Mann hat sie verlassen. Seitdem fand sie keinen Partner, hatte wohl auch kaum Freunde.«
»Das alles hat Miss Perry Ihnen erzählt?« Ralph faltet die Hände vor dem Bauch.
»Mrs Lancaster hat Gwendolyn ja förmlich mit solchen Vertraulichkeiten überschüttet. Miss Perry gefiel das nicht, sie wollte ihre Chefin aber nicht brüskieren. Irgendwann ging das sogar noch weiter.« Hobbs beugt sich vor. Ein süßlicher Schnapsgeruch dringt zu Rosy. »Ich gebe das jetzt so wieder, wie Gwendolyn es erzählte. Mrs Lancaster hat sie eines Abends spät ins Büro gerufen, nahm ihre Hände und sagte: Du bist ein Rehäuglein, weißt du das?« Er räuspert sich. »Wie reagiert man darauf, wenn die Chefin einen Rehäuglein nennt? Miss Perry versuchte es als Scherz hinzustellen. Da hat Mrs Lancaster versucht, sie zu küssen. Als Gwendolyn nicht wollte, soll sie gesagt haben: Du verstehst das falsch, ich fühle wie eine Schwester für dich.«
»Und weiter?«
»Nichts weiter. Danach war Miss Perrys Verhältnis zu Mrs Lancaster nicht einfach, es soll sich aber in letzter Zeit normalisiert haben.«
Rosy beugt sich so weit vor, dass sie die feinen Adern in Hobbs’ Augen sieht. »Wieso haben Sie uns nicht früher erzählt, dass Sie und Miss Perry ein vertrauensvolles Verhältnis hatten?«
Er winkt ab. »Es war nicht vertrauensvoll. Sie wollte nie irgendetwas wissen, das mich anging. Sie kam nur manchmal rein und lud das ab, was ihr auf der Seele lag. Dann verschwand sie wieder. Ich kam mir eher wie ihr Beschwerdebriefkasten vor.«
»Hat sie Ihnen von einem Mann namens Rank erzählt?«, fragt Ralph.
»Rank? Nein. Wer heißt schon Rank?« Hobbs streicht seine Jacke glatt. »Da ist noch etwas. Ich hielt es nicht für wichtig, aber …«
Rosy macht eine Geste, dass er fortfahren soll.
»Am Abend, als Gwendolyn starb, bin ich vor dem Fernseher eingeschlafen.«
»Das sagten Sie uns schon.«
»Natürlich schlafe ich nicht bis zum Morgen im Fernsehsessel. Irgendwann weckt mich meine Bandscheibe, mir tut der Rücken weh. Dann gehe ich ins Bett.«
»Auch in dieser Nacht?«
»Genau. Meistens werfe ich vor dem Zubettgehen noch einen Blick aus dem Fenster, oder ich trete vor die Tür. Es war eine laue Frühlingsnacht. Ich habe aufgesperrt, bin hinausgegangen und guckte mir die Sterne an. Das Licht hatte ich gelöscht, weil die Schnaken schon recht unangenehm werden.«
»Und Sie haben etwas gesehen.«
»Da stand eine Frau. Ich sagte schon, ich kannte Mrs Lancaster nicht. Ich sah diese Frau mit auffällig rotem Haar. Heute Morgen war das Foto der Rothaarigen im Fernsehen.«
»Sind Sie sich ganz sicher?«
»Ich brauche vielleicht zum Lesen eine Brille, aber in die Ferne sehe ich gestochen scharf.«
»Was tat die Frau?«
»Sie stand nur da und sah zu meinem Haus herüber.«
»Hat sie Sie bemerkt?«
»Ich glaube nicht. Die Straßenbeleuchtung ist am anderen Ende der Straße.«
»Was taten Sie?«
»Ich habe zu Gwendolyns Fenster hochgeguckt, ob sie da ist. Alles war dunkel.«
»Nehmen Sie an, die Rothaarige wartete auf Miss Perry?«
»So wirkte es auf mich.«
»Was ist dann geschehen?«
»Nichts. Ich habe der Sache weiter keine Beachtung geschenkt. Dachte nur: Gwendolyn und ihre merkwürdigen Verhältnisse.«
»Sie wussten eine ganze Menge mehr, als Sie uns beim ersten Gespräch mitgeteilt haben, Mr Hobbs.«
»Ich bin kein Klatschmaul, Detective. Nur weil Gwendolyn viele Verehrer hatte, spreche ich keine Verdächtigungen aus. Denn eines kann ich behaupten: Miss Perry hat nie jemanden auf ihr Zimmer mitgenommen.«
»Zwei Menschen sind tot, Mr Hobbs. Bitte rufen Sie sich ins Gedächtnis, wer Miss Perry öfter heimgebracht hat.«
»Ich will versuchen, mich zu erinnern.«
Der alte Mann freut sich, seiner Bürgerpflicht nachgekommen zu sein. Ethel hätte es so gewollt, denkt er, sie wäre zufrieden mit mir. Und das ist Mr Hobbs immer noch wichtig.
Am Hintereingang des Kommissariats, inmitten des öde betonierten Parkplatzes, wurde ein Rasenstück ausgespart. Vielleicht ein Zeichen des grünen Bewusstseins der Stadtverwaltung, vielleicht nur Zufall. Es ist ein erbärmlicher Rasen, übersät mit Zigarettenkippen. Dort vertreten sich die Ermittler die Beine. Ralph bezeichnet sich als Nichtraucher. Eine am Tag, lautet seine Antwort, wenn er danach gefragt wird.
»Das ist heute deine zweite.« Es ist windig, Rosy schließt die Lederjacke.
»Kommt drauf an, wie du heute definierst.« Ralph dreht sich mit dem Rücken zum Wind. »Als ich aufstand, war es gestern. Seitdem hatten wir keine ruhige Minute. Also ist das heute meine erste.« Vergeblich will er das Feuerzeug in Gang bringen.
Rosy zieht den Reißverschluss wieder auf und bietet ihm einen Windschutz. »Glaubst du die Geschichte von Mr Black?«
»Sie ist verrückt. Wer würde so etwas erfinden?« Ralph tut den ersten gierigen Zug. »Allerdings wird sie schwer nachzuprüfen sein.«
»Wieso?«
»Weil der Privatclub kein Personal hat, das Blacks Aussage bestätigen kann. Die Mitglieder verschaffen sich mit ihrer Clubkarte selbst Zutritt, nehmen die Getränke selbst und gehen, wann es ihnen passt.«
»Sie treffen andere Paare dort.«
»Anonym. Die dürften kaum bereit sein, ihre Anwesenheit zuzugeben.« Sie erreichen den betongefassten Rand der Wiese. »Kannst du dir den massigen Mr Black im Netzhemd vorstellen, mit heißen Pants?«
»Ich möchte mir das, ehrlich gestanden, nicht vorstellen.« Rosy schlägt den Kragen hoch. »Es gibt Regen.«
»Wird auch Zeit. Der Frühling war bis jetzt viel zu trocken.« Sie drehen um. »Die Blacks sagen ihrem Babysitter, sie gehen in die Spätvorstellung im Kino. Stattdessen fahren sie in den Swingerclub.«
»Wie sie es regelmäßig jede Woche tun.«
»Gestern war aber nicht ihr Clubtag.«
»Black sagt, sie hatten eben Lust.«
»Man kann nicht immer vor der Glotze sitzen.«
Einige Schritte laufen sie schweigend.
»Wolltest du so was auch schon mal machen?«
»In den Swingerclub – mit Doris?« Ralph stippt die Asche ab. »Sie wird um neun Uhr müde. Dann ist mit ihr diesbezüglich nichts mehr anzufangen. Und wie steht’s mit dir und deinem Earl – entschuldige, mit Arthur?«
»Mehr als zwei Leute unter der Decke fände ich störend.« Rosy schlägt die Arme um sich. »Die Blacks sind um zehn aufgebrochen, nach Gloucester braucht man zwanzig Minuten. Laut Babysitter waren sie erst nach ein Uhr morgens wieder zurück.« Sie fallen in Gleichschritt. »Selbst wenn sie sich im Club ausgiebig amüsiert haben, blieb ihnen noch genügend Zeit, Mrs Lancaster zu treffen.«
»Weshalb hätten sie sie treffen sollen?«
»Um es ihr auszureden.«
»Was?«
»Mit mir zu sprechen.«
»Du bist überzeugt, dass die Lancaster zu dir wollte?«
»Siehst du eine andere Erklärung?« Rosy bleibt stehen. »Ich habe gespürt, sie hatte etwas auf dem Herzen. Hätte ich mich mehr darauf eingelassen, würde Mrs Lancaster wahrscheinlich noch leben.«
Erste Tropfen fallen. Ralph raucht. »Wenn sie reden wollte, hätte sie dich anrufen können. Wozu der Aufwand, nach Sutherly zu fahren?« Er spuckt Tabakkrümel aus.
»Kein Anruf in Abwesenheit? Keine Nachricht auf der Mailbox?«
Rosy schüttelt den Kopf. »Vielleicht gab es einen anderen Grund, weswegen sie mit mir persönlich sprechen wollte.« Sie schiebt die Unterlippe vor. »Entweder wusste Mrs Lancaster, wer Gwendolyns Mörder ist. Oder sie hatte einen dringenden Verdacht. Oder sie selbst –«
Ralph stoppt. »Glaubst du etwa, dass Mrs Lancaster die Treppe hochlief, um ein Geständnis abzulegen?«
»Können wir es völlig ausschließen?«
Ralph hat mit dieser Methode Rosys seine Probleme: Sie geht vom Unwahrscheinlichen aus, nimmt einen Umweg in Kauf und überrumpelt die Wahrheit damit quasi hinterrücks. Das ist nicht seine Art zu denken, aber er macht mit. »Die Schläge auf Miss Perrys Kopf waren nicht so brutal, dass nicht auch eine Frau sie ausgeführt haben könnte.« Er schießt den Pfeil zurück. »Und das Motiv?«
Eine Sekunde überlegt sie. »Mrs Lancaster liebte Gwendolyn heimlich – und mit Sicherheit unglücklich. Sie wusste von ihrer Affäre mit Gaunt. Sie wusste auch, dass es einen neuen Mann in Gwendolyns Leben gab.«
»Wenn es den wirklich gegeben hat.«
»Mrs Lancaster schien zu glauben, dass die Sache ernst war.« Rosy kneift die Augen zusammen, als würde sie in weiter Ferne eine Schrift entziffern. »Einsame Kindergärtnerin erschlägt heimliche Liebe aus Eifersucht?«
»Und weshalb wurde Mrs Lancaster dann umgebracht?«
Rosy stützt die Hände in die Hüften und starrt ins Gras. »Nein. Nein. Nein.«
Wenn sie die drei Neins verwendet, macht Rosy Kassensturz. Sie scheidet die Spreu vom Weizen, das Allerlei vom Wesentlichen. »Wir brauchen festen Grund unter den Füßen, Ralph.«
Er hätte das eine oder andere zu sagen, doch wenn Rosy klar Schiff macht, spricht Rosy vor allem mit Rosy. Sie blendet die Störgeräusche aus und diskutiert mit den eigenen Gedanken.
»Die Antwort liegt nicht bei Mrs Lancaster, sondern bei Gwendolyn Perry. Alles hat mit ihrem Charakter zu tun, mit dieser Art, die auf andere so faszinierend wirkte. Gwendolyn stellte sich selbst ins Zentrum ihrer Welt. Die Welt existierte nur, weil es Miss Perry gab. Sie wollte geliebt, nein, bewundert werden. Dabei schenkte sie selbst wenig Liebe zurück. Sie zog die Liebe der anderen auf sich, hüllte sich darin ein, doch dann stoppte sie die Menschen am Fuße der Eisentreppe.«
Ralph wirft Rosy einen überraschten Blick zu, sie neigt sonst nicht zu poetischen Metaphern. Der Himmel schüttet sein Wasserreservoir über der Wiese und den beiden Polizisten aus, die nicht wetterfest angezogen sind. Ralph würde sich Rosys Monolog gern im Trockenen anhören, aber sie steht so reglos da, als würde sie von jemandem gemalt.
»Ogilvy liebte Gwen«, fährt Rosy fort. »Er hatte immer die Hoffnung, dass er und sie eines Tages zusammenkommen würden. Gwens Tutor liebte sie, vielleicht aus Eitelkeit, vielleicht aus erotischen Gründen. Er behauptet, die Affäre sei längst vorbei gewesen. War sie das wirklich? Mrs Lancaster liebte Gwen ebenfalls. Sie wusste etwas, das die anderen nicht wussten: Gwen hatte einen Mann kennengelernt. Das Phantom.« Rosy hebt den Kopf. Der Regen hat ihre Locken platt gedrückt. »Hier könnte der entscheidende Punkt liegen. Gwen liebte. Vielleicht zum ersten Mal im Leben gab sie Liebe zurück. Das könnte die Schar ihrer Verehrer aus dem Häuschen gebracht haben. An diesem Moment setzte das Karussell ein, das schließlich zu ihrem Tod führte.« Sie macht zwei Schritte im Gras. »Wir müssen endlich diesen verdammten Rank aufspüren.«
»Und wenn es ihn nicht gibt?«
»Es gibt ihn. Arthur hat ihn einmal gesehen. Ein Mann wie ein Moos. Für Gwen bedeutete Rank das Glück, und vielleicht war er zugleich ihr Unglück.«
»Wo ist er? Wieso kümmert ihn der Tod seiner Geliebten nicht?«
Rosy sieht Ralph an. »Vielleicht hat er sie umgebracht.«
Ralph macht den Rücken krumm, als könnte er sich damit besser vor dem Regen schützen. »Scheiden die Blacks für dich als Verdächtige aus?«
Rosy lächelt. »Niemand scheidet aus. Nicht, bis wir alle Fakten kennen.«
Sie verlassen das Fleckchen Grün und steuern auf den Hintereingang zu.
»Noch mal von vorn.«
»Black hat für beide Tatzeiten ein fadenscheiniges Alibi. Beim ersten Mal übernachtet er im Bed & Breakfast, obwohl es nicht weit nach Hause gewesen wäre. In Swindon haben sie mir bestätigt, dass er eingecheckt und am nächsten Morgen ausgecheckt hat. Dazwischen hat ihn niemand gesehen.«
Ein Schritt weiter, und Rosy wäre unter dem schützenden Vordach. Sie bleibt wieder stehen. »Habt ihr rausgekriegt, wo Ogilvy steckt?«
Ralph zuckt mit den nassen Schultern. »Im Studentenwohnheim hat er nicht übernachtet. An sein Handy geht er nicht. Die Fahndung nach seinem Wagen habe ich rausgegeben.«
»Hobbs sagt, Mrs Lancaster wartete in der Mordnacht vor Gwendolyns Wohnung. Das Labyrinth ist von dort nur einen Katzensprung entfernt.«
»Wurde sie Zeugin des Mordes an Miss Perry?«
»Möglich. Aber wenn sie gesehen hat, wer Gwendolyn erschlug, wenn sie eine Zeugin war, die beseitigt werden sollte, weshalb wartete der Mörder dann mehrere Tage, bis er sie umbrachte? Weshalb nahm er in Kauf, dass sie ihn in der Zwischenzeit verrät?«
»Vielleicht hat er Mrs Lancaster in der Mordnacht nicht erkannt.«
»Oder sie hat den Mörder gesehen, aber selbst nicht erkannt. Sie kam erst später drauf.«
In Ralphs Augenbrauen hängen Wasserperlen. »Und weshalb gehen wir nicht rein?«
»Wir sollten reingehen.«
Die beiden stellen sich unter das Vordach. Der Regen trommelt auf das Blech.
»Der Tatort von heute Nacht erzählt uns, dass Mrs Lancaster in höchster Eile aus ihrem Auto stieg. Sie schloss den Wagen nicht ab, ließ sogar die Tür offen.«
»Der Mörder könnte bereits hinter ihr her gewesen sein.«
»Er stellt sie nicht auf dem Parkplatz. Es gelingt ihr, die Treppe zu erreichen. Sie rennt. Sie ist elegant angezogen, Schuhe mit hohen Absätzen. Trotzdem schafft sie es fast bis nach oben, bevor er sie einholt.«
»Die Frau sah für mich nicht besonders sportlich aus. Wie viele Stufen sind das?«
»Hundertsechs.«
»Wieso erreicht er sie nicht früher? Erst knapp unter dem Tor will er sie zurückhalten. Sie wehrt sich. Die Spuren an den Sträuchern beweisen es. Hat er sie absichtlich gestoßen? War es ein Missgeschick?«
»Sie hatte ein Stück Papier in der Hand.«
»Was war das? Ein Brief?«
»Vielleicht. An wen?«
»An dich.«
»Der Onkel ist bereits in Mrs Lancasters Wohnung und sucht nach dem Ursprung des Zettels.« Rosy fröstelt. »Was die Blacks betrifft: Kannst du dir vorstellen, dass jemand vom Gruppensex aufbricht und Jagd auf die Kindergärtnerin macht? Haben sie Mrs Lancaster aufgelauert, bevor sie zum Schloss fuhr? Sind sie ihr gefolgt? Erwarteten sie die Kindergärtnerin am Fuß von Sutherly? Wie haben sie überhaupt rausgekriegt, dass die Lancaster eine Aussage machen wollte?«
Ralph zieht die Tür auf. »Was, wenn der Gruppensex nur eine raffinierte Tarnung war?«
»Hältst du Black für raffiniert?«
»Der Mann ist Versicherungsvertreter. Sein Job verlangt Geschick und die Fähigkeit, im richtigen Moment eine Chance zu ergreifen.«
Rosy geht hinein. Sie dreht sich um. »Was hast du vorhin gesagt?«
»Was meinst du – Gruppensex?«
»Du sagtest, der Frühling war bis jetzt zu trocken.«
»Das ist keine besonders tiefe Weisheit.«
»Aber es stimmt.« Sie nimmt ihr Handy. »Geh schon vor, ich bin in fünf Minuten im Büro.«