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Die Gesetzlosen waren innerhalb eines Lidschlags verschwunden. Gerade hatten sie sich noch um die Bank gedrängt, auf der ich stand; im nächsten Augenblick beleuchtete das Lagerfeuer nur noch niedergetrampeltes Gras und verlassene Gerätschaften.

Ein Pfeil sauste mir am Ohr vorbei; es wurde Zeit zu verschwinden.

Als ich von der Feuerstelle weglief, erhob sich Kampfeslärm bei der Baumgruppe vor mir. Ich hatte absolut kein Verlangen, in diesen kleinlichen Streit verwickelt zu werden – wie ich es den Leuten gerade gesagt hatte –, deshalb wandte ich mich weg von den Bäumen und hielt auf die Büsche zu.

Natürlich hatte ich mir genau das Gebüsch ausgesucht, in denen die Bogenschützen Naths des Ron lauerten.

Ein halbes Dutzend Pfeile flog an mir vorbei, da ich mich duckte und ihnen auswich. Die Situation hatte sich plötzlich verschlechtert. Bei Vox, es wurde lebensgefährlich!

Da ich völlig im Freien stand, wäre es töricht gewesen, mich umzudrehen, um in die andere Richtung zu laufen. Der Feuerschein würde mich herauspicken, und die Pfeile würden unfehlbar ihr Ziel finden. Ich riß mein Schwert heraus, schwang es über dem Kopf – nur einmal, bloß um das Bild Chaadurs des Kämpfers, Kurinfaril, zu untermauern –, und stürzte direkt auf die Büsche zu.

Das Schwert wehrte dank der hervorragenden Methode der Krozairs von Zy drei Pfeile ab. Jetzt konnte ich die Bogenschützen sehen, die durch Lücken in den Büschen zurückwichen und gleichzeitig versuchten, den Bogen zu spannen, um auf mich zu schießen und wegzulaufen. Ich stieß einen brüllenden, beinahe tierischen Schrei aus, einen Schrei voll berserkerhaften Zorns, und griff an.

Die Bogenschützen rissen aus, und zwei der Famblys ließen die Waffen fallen.

Ich änderte schnell die Richtung und sah mich um. Hinter der Gebüschreihe sah ich Männer und Frauen, die miteinander kämpften und sich aufeinander stürzten; es war eine wütende Menge von Verrückten, die in einem durcheinanderwogenden Tumult miteinander kämpften; nichts anderes als ein zorniger Mob.

Mich ekelte. Hier war nicht der richtige Ort für mich. Ich sah mich sorgfältig um, da ich einem versteckten Bogenschützen nicht als Zielscheibe dienen wollte, und entfernte mich aus dem Schein des Feuers. Ich hatte mir eingebildet, diese Gesetzlosen könnten sich als nützlich erweisen. Nun, es war vielleicht immer noch der Fall. Im Moment jedoch waren sie nutzlos. Wenn sie sich nicht selbst auslöschten, würden die Shanks ihnen den Rest geben. Die Lagerfeuer ...

Ich drehte mich um.

Bei Makki-Grodnos ekelhaft aufgeblähten Eingeweiden und gichtigen Beinen! sagte ich mir. Warum sollte ich mir darüber den Kopf zerbrechen?

Die Antwort darauf war einfach, wie Sie sich denken können.

Ich ging Schwierigkeiten aus dem Weg, indem ich mich der Feigheit bediente, die in mir steckte; und wenn Sie nicht glauben können, daß Dray Prescot oftmals feige ist, so wissen Sie doch aus meinen Erzählungen, daß ich sogar ein großer Feigling sein kann. Hin und wieder mußte ich Leuten, die mich herausforderten, einen Schlag versetzen. Normalerweise brachen sie benommen stolpernd den Kampf ab und kamen dann wieder. Ich tötete keinen. Ich verprügelte Mitglieder von Laylas Bande ebenso wie auch solche von Naths Bande.

Schließlich entdeckte ich sie. Sie tänzelte mit einem Schwert in jeder Faust herum, sprang hinter einem Baumstamm hin und her. Der Bursche, mit dem sie kämpfte, war dürr wie ein Besenstiel, groß und trug ein phantastisches Kostüm mit Quasten und Schlitzen, Schlaufen aus Kordsamt und Kaskaden aus goldener Spitze. Dem Gesicht nach war er ein Apim, doch hatte er eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit einem verschlagenen Schimpansen. Die beiden kämpften abseits der Schlacht. Im Haar des dünnen Burschen blitzte es dunkelrot auf, als das Licht einer Fackel darauf fiel. Er schwang ebenfalls zwei Schwerter. Die Kämpfenden umkreisten immer wieder den Baum, und ich konnte nicht sagen, wer wen jagte. In der Nähe lagen ein paar Gestalten auf dem Boden, und ich hoffte, daß es keine Leichen waren.

»Du verräterischer Hund!« keuchte die Kovneva.

»Du treulose Bezom«, keuchte der Mann zurück.

»Das war ich nie!« Und die Schwerter klirrten gegeneinander.

»Ich weiß. Du kannst mich nicht täuschen. Dieser prahlerische Shint Farantino ...«

»Niemals!« Sie hieb mit dem rechten Schwert zu und versuchte mit dem linken zuzustoßen. Nath fing den ersten Hieb ab und parierte den zweiten. Er stieß zurück, und ich trat zwischen sie und schlug ihre Waffen nach oben.

»O diese Hulus!« Ich starrte sie mit großer Verachtung an, was mir sehr leicht fiel. Mit einem schnellen Haken prellte ich ihnen die Schwerter aus der Hand; alle vier Waffen flogen in die Luft. »Jetzt hört mir zu, ihr beiden! Bei Chusto! Ich sollte euch übers Knie legen und das Fell gerben. Sagt euren Leuten, sie sollen diesen dummen Kampf einstellen!« Ich setzte sie unter Druck. »Bratch!«

Sie sprangen.

Natürlich versuchten sie zu diskutieren; ich schrie sie an und vergaß dabei nicht, sie daran zu erinnern, mich Prinz oder Lord zu nennen, da sie es sonst bereuen würden.

Schließlich hatten wir die Streithammel nach einigem Durcheinander sortiert.

Ich stolzierte herum, schwang mein Schwert, gab Befehle und ließ jede Seite in einer Linie zwischen den Lagerfeuern antreten. O ja, ich, Dray Prescot, führte mich wie die aufgeblasene, eingebildete taube Nuß von einem Prinzchen auf. Ich hatte mein Urteil über diese Menschen gefällt, und als ich auf wilde, grollende Art mit ihnen redete, wußte ich, daß ich sie richtig eingeschätzt hatte.

Sie waren keine echten Gesetzlosen. Sie waren dem Gesetz eher treu ergeben und vor der Shank-Invasion weggelaufen. Sie trugen Rüstungen und Schwerter, ohne viel von deren Gebrauch zu verstehen. Ich hielt den Khibil Farantino noch für den besten Kämpfer unter ihnen. Farantino war, zum Glück für Naths Bande, bewußtlos gewesen, und es waren nur vier Mann umgekommen, auch wenn einige verwundet waren. Aber es waren hauptsächlich Schrammen, denn es ist schwierig, jemanden mit dem Schwert aufzuschlitzen, wenn man nicht damit umgehen kann, auch wenn romantische Geschichten das Gegenteil behaupten.

Ich baute mich vor dem spindeldürren großen Burschen auf. Die rote Farbe seines Haars war im Feuerschein deutlich zu erkennen. Ich musterte ihn von oben bis unten.

»Du bist also der Kov von Borrakesh.« Ich wandte mich seiner Frau zu, die neben ihm stand. »Und du bist die Kovneva von Borrakesh. Nun, bei der heilenden Spucke des wahren Trog, ihr seid ein richtiges Famblypaar.«

Der süße Geruch eines Nachtschattengewächses stieg aus den Büschen herauf. Die Monde zogen über uns vorbei, und einer von Kregens kleineren Monden schoß wie ein brennender Pfeil über den Himmel. Und die beiden starrten sich an, als ich aufhörte, sie zu tadeln. »Durch euren dummen Ehestreit sind diese vier Leute getötet und andere verletzt worden. Ihr solltet euch, verdammt noch mal, schämen! Richtig schämen, bei Chuzpotz!« knurrte ich abschließend.

Da taumelte der Khibil Farantino zurück ins Licht des Lagerfeuers. Ich packte ihn am Ohr, zerrte ihn vor Nath und schüttelte den jämmerlichen Khibil.

»Die Dame schwört, daß ihr Farantino nichts bedeutet. Wenn du ihr nicht glaubst, bin ich gezwungen, ihre Ehre als ihr Vertreter zu verteidigen und dich herauszufordern. Hast du verstanden, Kov Nath?«

Ich konnte Laylas Aufstöhnen genau hören und fragte mich, was es wohl zu bedeuten hatte. Aber es wurde mir sofort klar, als sie herausplatzte: »Nath! Er würde dich töten!«

Er neigte den Kopf. »Das ist nicht nötig, Prinz. Ich glaube es, ganz und gar. Die Eifersucht hat mich blind gemacht.«

»Wie ein wahrer Lord gesprochen«, sprach ich. »Jetzt können wir alle Freunde werden. Gibt es in diesem Haus etwas zu trinken?«

Jemand lachte. Becher wurden hervorgeholt, und wir setzten uns auf Bänke und Baumstümpfe, um unseren Durst zu stillen. Ich sagte: »Ich war dabei, euch zu verlassen. Ich kam zurück, um euch zu warnen, daß man euer Lagerfeuer aus der Luft sehen kann, und zwar auf weite Entfernung. Und ihr wißt, daß die Shanks Flugboote benutzen.«

Während sie darüber nachdachten, wurde mir bewußt, daß mindestens ein Mitglied der beiden Banden mir nicht freundlich gesinnt war. Orion Farantino der Rekarder würde mir einen Dolch in den Rücken stoßen, wenn die Gelegenheit sich böte – mit den besten Absichten. Das bedeutete, daß ich, Chaadur na Dorfu, Chaadur der Kämpfer, Kurinfaril dem Khibil den Rücken nicht zuwenden würde.

Nath fragte in Erwiderung auf meine Worte: »Wie können wir ein Feuer unterhalten, ohne daß sie von den Flugbooten der Shanks gesehen werden?«

»Das ist ein Problem für jedes Heer, das Luftstreitkräften gegenübersteht.«

»Wir könnten zusammengeflochtene Blätter darüber ausbreiten«, sagte Layla. »Der Rauch würde ...«

»Und sie sähen das Licht durch die Lücken.« Nath schüttelte den Kopf.

»Ich kenne keine zuverlässige Methode«, informierte ich sie. »Ich muß die Lösung des Problems euch überlassen. Vielleicht könnt ihr die kleineren Kochfeuer abdecken. Begnügt euch danach mit dem Mondlicht.«

»Ja«, stimmte Layla zu, »das ist eine Möglichkeit.«

Danach wollten sie alles über mich erfahren. Nun dürfen Sie aber nicht glauben, daß die Mitglieder der beiden Banden, die sich wegen des Streits zwischen ihrem Lord und ihrer Lady entzweit hatten, sofort alle Zwietracht vergaßen und den Schaden verziehen, den sie einander zugefügt hatten. Es waren noch immer alte Rechnungen zu begleichen. Mehr als ein Streit konnte im Keim erstickt werden, bevor erneut ein Kampf ausbrach. Gelassen unterbrach ich daher hin und wieder meine Lügen, um zwei Gegner an den Haaren zu packen und sie voneinander zu trennen.

»Prinz Chaadur«, sagte Kov Nath na Borrakesh sehr förmlich, »ich entbiete dir meinen Dank für die Tat, die du vollbracht hast. Außerdem, und meine Dame stimmt mit mir überein, bieten wir dir unsere Dienste in deinem Kampf gegen die Shanks an.«

Ich atmete ein und wieder aus.

Ich schaffte es, eines dieser grimassenhaften Dray Prescot-Lächeln zustande zu bringen.

Ich hatte einen Anfang gemacht!