7
Sie machen keine halben Sachen, meine Jungs vom Wachkorps.
Direkt vor dem Mob, der auf uns zukam, wuchsen massives Feuer und Rauch in die Höhe. Unmittelbar danach landete ein weiterer Feuertopf auf der anderen Seite des Kreises. Die Menge verharrte mit offenem Mund. Ein Fischhändler riß sich die mit Schuppen beschmutzte Schürze herunter, die Feuer gefangen hatte. Er schleuderte sie mit einem Aufschrei von sich, und zwei weitere Feuer- und Rauchstöße trieben die Menge zurück. Weil die Loher so wenig mit Flugbooten vertraut waren, kamen viele gar nicht auf die Idee, nach oben zu blicken.
Vielleicht schrieben sie die Flammen- und Rauchwolken der Magie des Zauberers aus Whonban zu. Ich schaute wieder mit großer Erleichterung nach oben. Rollo der Läufer, wie ich ihn ab jetzt nennen würde, schaute mit mir hoch und rief: »Oh!«
Zwei Luftboote kreisten dort oben und warfen mit großer Genauigkeit weitere Feuertöpfe ab, um die Menge in Schach zu halten. Ich glaubte nicht, daß die Leute Lust hatten, sich den Gefahren entflammbaren Materials auszusetzen, das von oben auf sie herab geworfen wurde.
Während ein Voller weiter kreiste, vollzog der andere eine saubere Landung. Das Fahrzeug zeigte glatte Linien und hatte die elastische Form eines Blattes, wie alle kleinen und mittelgroßen Flugboote guter Qualität. So wie ich es beurteilte, war es ein kleiner Zehnsitzer, genau wie sein Gefährte in der Luft. Eine Stimme rief uns an.
»Hierher, Jis! Kommt an Bord!«
Ein breitschultriger Bursche in hellgelber Uniform erschien, kletterte die kurze Leiter herab und drehte sich auf der letzten Sprosse um, um mich anzutreiben. Ich rief: »Geh, Rollo! Lauf!«
Er stürmte sofort auf den Voller zu, und der große Bursche in der gelben Uniform kletterte über die Reling zurück. Er hob Rollo vom Boden hoch und schleuderte ihn über das Schanzkleid. Ich folgte ihm klugerweise und kletterte an Bord. Die Menge schrie auf, eher vor Wut als aus Angst.
»Bring sie hoch, Loptyg!« schrie der Hüne in der hellgelben Uniform. Er wandte sich zu mir um und schlug die rechte Faust mit so viel Kraft gegen das Herz, daß sein Kax vibrierte. »Majister!«
»Lahal, Ornol Skobog. Werde ich Schwierigkeiten mit dir haben?«
»Mit mir, Jis?«
»Aye, du Halunke. Mit dir.«
Er schaute zu Boden, sein Gesicht war so rot wie mein Lendenschurz. »Du weißt, daß die Hühner niemanden gehörten und weggelaufen wären, wenn ich sie nicht gerettet hätte, Jis.«
Ich sagte sehr ernst: »Das ist zweifellos wahr, aber Opaz bewahre mich vor ihrem Schicksal.« Dann streckte ich die Hand aus, und wir schüttelten sie uns auf vallianische Art.
Der Voller stieg stetig, bis er sich neben dem anderen befand. Gesichter starrten über das Schanzkleid. Sko bedeutete links, und Bog wird ein Bursche genannt, der sich auf das Verprügeln von Bösewichtern versteht. Dieser Ornol Skobog war ein alter Kampeon der Gelbjacken des Herrschers. Ich nahm an, daß der Loptyg an den Kontrollen ein Schurke namens Loptyg der Munzible war, der bei der Schwertwache des Herrschers diente. Ich sagte: »Das hier ist Rollo der Läufer.«
So machten wir ein kurzes Pappattu. Rollo krallte sich am Schanzkleid fest und blickte nicht über die Seite. Sein Gesicht hatte die Farbe schimmeligen Käses.
Ornol brüllte: »Übel im Leib, Jüngling? Haha!«
Rollo murmelte mit schwacher Stimme: »Mir geht es sehr gut, vielen Dank.« Seine Stimme zitterte. »Sind diese Apparate sicher?«
Er wußte es nicht, aber vor ein paar Perioden wäre es eine Frage von äußerster Wichtigkeit gewesen. Heutzutage konnten wir von Hamal verläßliche Voller kaufen. »Sicher?« brüllte Ornol. Sein lederhäutiges bärtiges Gesicht verzog sich vor Freude. »Wenn sie nicht mehr funktionieren, kannst du immer noch aussteigen und schieben.«
Rollo schloß die Augen und krallte sich weiter fest.
»Wer ist in dem anderen Voller?« wollte ich wissen.
Er nannte mir ihre Namen, und ich stöhnte. Es war wirklich eine Horde Hulus, hartgesottene Kampeons, die mir fanatisch ergeben waren. Irgendwie hatte es sich herumgesprochen, und die Burschen waren hierhergeflogen. Es würde mir schwerfallen, sie zu überreden, nach Hause zu fliegen statt mich zu begleiten.
»Wohin geht es, Jis?« wollte Loptyg an den Kontrollen wissen.
»Erst einmal, Loptyg, du Fambly, werdet ihr alle zurück nach Vallia fliegen. Ihr gehört in die SWH und die GJH, ihr könnt euch nicht in Loh umhertreiben.«
Es folgte eine seltsame Stille.
Sie hatten etwas geplant, da gab es keinen Zweifel. Die Jurukker in meinem Wachkorps, alles Kämpfer von überragendem Wert, durch jahrelange Feldzüge und viele gewonnene Schlachten gehärtet, bildeten ein Elitekorps, das ich nicht gewollt hatte. Es hatte sich selbst gebildet, um mich, den Herrscher von Vallia, zu beschützen. Nun hatte ich diese Aufgabe auf Drak abgewälzt, der seine eigene Wache besaß. Welche Titel man auch benutzte, die Einheiten, die die alte SWH und GJH bildeten, waren nun der Ansicht, daß sie mir persönlich dienten und nicht Drak als Herrscher. Und es gab, bei Vox, nichts Vernünftiges, was ich an dieser Situation ändern konnte.
Sie mußten nach Hause zurückkehren. Ich konnte dieser Handvoll nicht einmal gestatten, daß sie sich in Tsungfaril herumtrieben. Später würde man auf sie zurückgreifen müssen, wahrscheinlich war das sogar unausweichlich.
Ornol hustete und sagte: »Wirst du uns mitnehmen, Jis? Wenn du auf Abenteuer gehst?«
Ich blickte ihn scharf an. »Du weißt, daß ich das nicht kann, Ornol. Was bist du jetzt?« Ich schaute auf seine Rangabzeichen, die im Juruk des Herrschers anders sind als beim Rest des Heeres. So hatte ich zu vermeiden versucht, daß ein niedriger Rang beim Wachkorps höher zählte als im Glied, ein System von gewisser Zweifelhaftigkeit. »Ley-Hikdar? Hm, in letzter Zeit bist du aber sehr hoch oben geflogen.«
»Aber ...«
»Du bist ein Ley-Hikdar, der bei den Gelbjacken des Herrschers dient. Deine Pflicht liegt beim Herrscher – dem Herrscher Drak. Ich bin nicht mehr der Herrscher von Vallia.« Ich sprach mit Entschlossenheit, dabei aber so freundlich wie möglich. »Und wie hast du herausgefunden, daß ich hier bin?«
»Was den zweiten Punkt angeht, Majister«, – plötzlich war er sehr förmlich –, »du weißt, daß ich ein gegebenes Wort nicht brechen kann. Ich behaupte einfach, daß die Nachricht so bekannt war, wie wenn ein Neugeborenes auf die Welt kommt. Was den ersten Punkt angeht, der Herrscher Drak – möge Opaz ihn beschützen – hat seinen eigenen treuen Juruk. Wir sind dein Juruk. Wir bewachen dich. Wir sind die GJH – oh, und natürlich die SWH –, und du bist immer noch ein Herrscher für alle, die die Wahrheit kennen. Du bist der Herrscher der Herrscher, der Herrscher von Paz.«
Da war sie wieder, die Vorstellung, daß irgendein Idiot die Verantwortung auf sich nehmen mußte, Paz zusammenzuschmieden, damit es sich vereint gegen die Shanks wehren konnte.
»Und wie denken die LKH und BSH darüber?«
»Sie und die anderen Regimenter mögen neu bei der Wache sein, aber sie stehen auf unserer Seite.«
»Und ich nehme an, die hingebungsvolle Leibwache der Herrscherin denkt ebenso?«
»Da Chuktar Karidge das Kommando hat – wer könnte daran zweifeln, Jis?«
»Nun, da stimme ich zu, zumindest was das angeht.«
»Also können wir dich begleiten ...?«
Ich atmete ein und wieder aus. Wenn dieser große Halunke von einer treuen Wache dachte, ich hätte mich in meiner eigenen Falle gefangen – da auf Kregen Schießpulver unbekannt ist, kann man keine Bombe platzen lassen –, mußte er vom Gegenteil überzeugt werden.
»Hat Lord Farris keine Piloten des vallianischen Luftdienstes beauftragt?«
Da schien sich Ornol plötzlich ein wenig zu winden. Ich sagte: »Bei Vox! Sag mir nicht, daß ihr sie über Bord geworfen habt!«
»Wir flogen nicht sehr hoch, Jis«, verteidigte sich Ornol, und Loptyg mischte sich ein: »Überhaupt nicht hoch, Jis.«
Ich stöhnte auf. Was würde Farris dazu sagen, daß meine rauhen Wachen seine klugen jungen Piloten über Bord geworfen hatten?
Jetzt konnte ich mir den größten Teil zusammenreimen. Schließlich liegt es in der menschlichen Natur zu protzen, wenn man mit Kameraden eines anderen Dienstes zusammentrifft. Sicherlich liegt es in der menschlichen Natur, aber Prahlerei und Dray Prescot hatten schon nichts miteinander zu schaffen, als sie einander kennenlernten. Nachdem Farris die Nachricht von Deb-Lu erhalten hatte, hatte er still ein paar seiner jungen Luftdienstpiloten abkommandiert. Und die konnten nicht widerstehen, bei einem Glas sonstwas in der örtlichen Taverne – vermutlich dem Taylyne und Fliege – damit anzugeben, und ein paar meiner Halunken waren auch dort gewesen, um ihren Durst zu stillen. Also geschah das Unvermeidbare. Der kleine Haufen, angeführt von Ornol Skobog, hatte es geschafft, den Mund zu halten. Sie mußten es geschafft haben. Sonst wäre der Himmel voller Flugboote gewesen, die die SWH, GJH, LKH, BSH, ZBH und womöglich noch ein oder zwei der neueren Formationen des Wachkorps beförderten.
Rollo stöhnte.
»Wir gehen lieber etwas tiefer, Ornol, damit Rollo seinen Innereien Erleichterung verschaffen kann.«
»Quidang, Jis.«
Wenigstens konnten wir durch Rollos gesundheitliche Beschwerden ohne Diskussion landen.
Unter uns huschte Waldland dahin. Hinjanchungs rote Dächer und Mauern waren hinter dem Horizont verschwunden. In jede Richtung dehnten sich Wälder und weite Flächen aus; geschlängelte Flußläufe glitzerten herauf. Auf Kregen gibt es nur wenige Länder, die über das Maß hinaus bevölkert sind, das als Grenze gesetzt ist. Was Überbevölkerung angeht, ja, sie existiert und bereitet uns Sorgen, wie Sie noch hören werden.
»Da!« rief Loptyg und brachte das Flugboot nach unten.
Ein Stück hellen Grüns in gleichmäßig runder Form zeigte sich inmitten der Bäume. Die beiden Voller kreisten sauber nach unten und landeten genau in der Mitte.
»Mit deiner Erlaubnis, Jis, werde ich aussteigen«, sagte Ornol. »Bei Vox! Ich muß mir die Beine vertreten.«
Das war verständlich, da er den ganzen langen Weg von Vallia hergeflogen war.
»Blotto!« entfuhr es Loptyg. Ich unterließ mein instinktives Grinsen sofort. Mich amüsiert Blotto, wie ›dito‹ auf Kregisch heißt, immer wieder.
Die beiden Wächter sprangen ab und fingen an, hin und her zu laufen, zu sprinten und hochzuspringen, damit sie ihre Muskeln von den Verkrampfungen befreien konnten. Die Halunken aus dem anderen Voller sprangen heraus und schlossen sich den Kameraden an. Ich wandte mich zu Rollo um.
Er fragte: »Kann ich jetzt die Augen öffnen?«
Ich erwiderte: »Wir stehen sicher auf dem guten alten Kregen.«
Er zitterte, öffnete die Augen und schaute mich an. Sein Gesicht nahm langsam wieder seine natürliche, gesunde Farbe an. »Bei Hlo-Hli! Welch eine Erfahrung!«
»Du wirst dich daran gewöhnen.«
Er blickte über die Seite. Sofort überkam ihn eine bemerkenswerte Veränderung. Er versteifte sich und starrte mit großen Augen. Dann: »Nein! Nein! Befiehl ihnen, sofort zurückzukommen! Schnell! Bratch!«
Nun sind meine Jungs aus den Jurukkers des Herrschers keine Anfänger, was Krieg und Schlachten angeht. Sie liefen also herum und vertrieben die Steifheit aus ihren Gliedern, versäumten dabei aber nicht die grundsätzlichen Sicherheitsmaßnahmen. Wir hatten weder in den Bäumen noch auf der offenen Fläche ein einziges Anzeichen von Leben entdeckt. Das bedeutete nicht, daß nicht plötzlich aus den Bäumen eine Gefahr hervorbrechen konnte. Schließlich befanden wir uns auf Kregen, wo plötzlich auftretende Gefahren zum täglichen Bestandteil des Lebens gehören.
Ein Bursche – ich kannte seinen Namen nicht – von den Ersten Zorcabogenschützen des Herrschers hatte seine zusammengesetzten Reflex-Bogen gespannt und einen Pfeil auf der Sehne liegen, während er seine Übungen machte. Die anderen Wachen waren, wie man sehen konnte, sofort bereit, eine Schlachtlinie zu bilden, sollten sie angegriffen werden. Soweit ich sehen konnte, gab es keinerlei Anzeichen für eine Gefahr.
»Beeilt euch!« schrie Rollo. »Kommt zurück! Kommt zurück, wenn euch das Leben lieb ist!«
Ornol und die anderen hörten es. Sie sahen zum Flugboot herüber.
Ich rief mit der alten, weittragenden Vordeckstimme: »Zurück an Bord! Ihr alle! Sofort! Bratch!«
Sie trampelten herüber, und Ornol trieb die anderen mit dem Pflichtgefühl an, das in den Offizieren des Wachkorps tief verwurzelt zu sein scheint. Er würde als letzter gehen. Wenn es eine Gefahr gab, dann war es seine Pflicht, sich ihr entgegenzustellen, während die Männer, die unter seinem Kommando standen, sich in Sicherheit brachten.
Er schaffte es beinahe.
Verbunden mit einem widerwärtigen Gestank ertönte ein Geräusch – es klang wie Haferschleimsuppe, die in einer Schüssel schwappt; ein saugendes, gurgelndes Geräusch, wie der letzte Rest Flüssigkeit, der in den Abfluß fließt. Der Boden unter Ornol fiel in sich zusammen. Sofort war er bis zu den Hüften begraben.
»Es ist ein Shuckerchun!« schrie Rollo entsetzt. »Es wird uns alle nach unten saugen.«
Wie bei jedem seetüchtigen Schiff gab es auch an Bord des Voller Seilrollen. Ich griff eine und warf sie Ornol zu. Er schlang sich eine Schleife um die Taille, und sofort wurden Taille und Seil nach unten gezogen. »Zieh!« schrie ich.
Wir packten das Tauende und zogen. Unter schrecklich saugenden Geräuschen kam Ornol wieder hoch, wurde aber wieder zurückgezogen.
»Der Shuckerchun wird uns alle hinunterziehen!« Rollo machte sich mehr als nur Sorgen. Sein Gesicht verfiel regelrecht durch den Schreck, der sein Wissen verursachte. »Sie können unter Häuser kriechen und sie nach unten ziehen. Wir sind erledigt!«
»Loptyg! Geh an die Steuerung! Heb ab!«
Er verschwendete keine Zeit für ein Quidang. Er sprang zu den Hebeln und riß die Steigkontrolle nach oben. Der Voller machte einen Satz. Ich konnte sehen, wie das heimtückische helle Grün am Rumpf des anderen Vollers sich wie eine Welle entlangtastete.
»Heb ab!« brüllte ich.
Loptyg schob den Hebel ganz hoch. Das Flugboot erzitterte. Es bebte wie ein erschöpftes Pferd. Ornols Kopf tauchte unter.
»Komm schon! Komm schon!«
Der Voller sprang mit einem Geräusch in die Luft, das dem Entkorken einer Flasche ähnelte, verstärkt durch ein gurgelndes Saugen.
Ornol baumelte unter uns, seine kräftigen Hände hielten das Seil, und er schaute herauf.
»Bei Vox!« rief er und spuckte aus. »Es schmeckt schlechter als der Fußboden einer Dopahöhle zur Sperrstunde.«
Rollo sackte zusammen. Er bemerkte, daß ich ihn ansah.
»Ich war davon überzeugt, daß wir alle erledigt sind. Niemand kann einem Shuckerchun entkommen.«
»Wenn es nicht fliegen kann.«
»Wenn es nicht fliegen kann.«
Ornol wurde über die Seite gehievt. Er stank.
»Um Opaz süßen Willen«, sagte er und spuckte aus. »Finde einen Fluß.« Dann sagte er: »Ich danke dir.« Für ihn war die Gefahr vorbei, jetzt wollte er sich säubern. Hartgesotten, die Männer meines Juruks.
Was Rollo anging, so war er nur allzu dankbar, wieder durch die dünne Luft fliegen zu können.